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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 7 U 206/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 206/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 7.2.2007

Verkündet am 7.2.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das am 20. Oktober 2005 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Klageanträge zu 1., 3. und 4. werden abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Grundstücksgemeinschaft ... vom 04.11.2002, demzufolge der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft vom 29.10.1992 vollständig abgeändert wurde, nichtig ist.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden den jetzigen Widerbeklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Widerbeklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 29.10.1992 (Bl. 9 - 13 d.A.) von den Gesellschaftern K... G..., H... M..., G... Mo... und G... W... gegründet. Die Klägerin erwarb am Gründungstag das im Grundbuch von P... Blatt 4575 verzeichnete Grundstück der Flur 13 Flurstück 25/13; am 26.08.1993 wurde die Klägerin im Grundbuch eingetragen. Am 29.08.1998 verstarb der Gesellschafter G... W.... Er wurde von seiner Ehefrau, der Beklagten zu 1., und seinen Kindern, den - am Berufungsrechtszug nicht mehr beteiligten - Beklagten zu 2. und 3. beerbt. Am 26.11.1999 verstarb der Gesellschafter G... Mo.... Dessen Erben veräußerten durch notariellen Vertrag vom 05.09.2002 (Bl. 19 - 23 d.A.) ihren Geschäftsanteil an die T... GmbH (T...-GmbH ). In der Gesellschafterversammlung vom 04.11.2002, an der die Gesellschafter K... G... und H... M... sowie die Beklagte zu 1. teilnahmen, wurde die komplette Änderung des Gesellschaftsvertrages - gegen die Stimme der Beklagten zu 1. - beschlossen.

Die Klägerin hat auf Feststellung hinsichtlich der Abfindungsberechtigung der Beklagten und auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung angetragen.

Die Beklagten haben Klageabweisung begehrt und im Wege der Widerklage beantragt,

1. festzustellen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Grundstücksgemeinschaft ... vom 04.11.2002, nach denen gemäß Punkt 2 der Tagesordnung der Mietzins der T...-GmbH auf 400,00 € monatlich ab dem 01.01.2003 genehmigt wurde und nach dem der Gesellschaftsvertrag vom 29.10.1992 vollständig abgeändert wurde, nichtig sind;

2. festzustellen, dass der Gesellschaftsvertrag vom 29.10.1992 nach wie vor voll inhaltlich wirksam ist.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage teilweise und die Widerklage insgesamt abgewiesen. Die Beklagte zu 1. hat gegen das ihr am 01.11.2005 zugestellte Teilurteil am 01.12.2005 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 01.02.2006 am 01.02.2005 begründet.

Die Beklagte zu 1. hat zunächst beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Grundstücksgemeinschaft ... vom 04.11.2002, nach dem der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft vom 29.10.1992 vollständig abgeändert wurde, nichtig ist.

Die Beklagte zu 1. hat sodann die Widerklage auf die Gesellschafter der Gesellschaft umgestellt.

Die Klägerin und die Widerbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache auch insofern Erfolg, als die Beklagte zu 1. nunmehr noch auf Feststellung anträgt, und zwar gegenüber den Widerbeklagten, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 04.11.2002, demzufolge der Gesellschaftsvertrag vom 29.10.1992 vollständig abgeändert worden ist, nichtig ist.

1.

Die Beklagte zu 1. hat - dem Hinweis des Senats in der Sitzung vom 21.06.2006 folgend - die Widerklage im Wege des Parteiwechsels auf die Gesellschafter der früheren Klägerin umgestellt. Der Parteiwechsel ist zulässig.

Der - gewillkürte - Parteiwechsel ist als Klageänderung anzusehen. Das setzt im Berufungsrechtszug auf Seiten des hereingezogenen neuen Beklagten dessen Zustimmung oder missbräuchliche Verweigerung voraus (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 531 ZPO, Rdnr. 26); außerdem muss die Berufung als solche zulässig sein, was hier der Fall ist. Die Sachdienlichkeit der Klageänderung ist zu bejahen (§ 533 Nr. 1 ZPO). Deshalb kommt es auf die Zustimmung der (neuen) Widerbeklagten nicht an. Ganz abgesehen davon, dass den Widerbeklagten der Sach- und Streitstoff aus dem ersten Rechtszug schon deswegen bekannt ist, weil sie die Gesellschafter der verklagten Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind, hätte schon das Landgericht den Hinweis, den der Senat erteilt hat, geben müssen. Bei dieser Ausgangslage ist der Parteiwechsel im zweiten Rechtszug zulässig (BGH NJW 1984, 2104).

2.

Die Beklagte zu 1. begehrt die Feststellung, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 04.11.2002 betreffend die vollständige Änderung des Gesellschaftsvertrages nichtig ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen bei den Personengesellschaften unter den Gesellschaftern selbst auszutragen (BGH NJW 1981, 2565; NJW 1984, 2104; NJW 1995, 1218). Die Beklagte zu 1. begehrt nunmehr - nach der Umstellung ihrer Widerklage - die Feststellung gegenüber den Gesellschaftern der Gesellschaft als den richtigen (Wider-)Beklagten.

3.

Die Feststellungswiderklage ist begründet.

a)

Der Beschluss betreffend die vollständige Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 29.10.1992 erweist sich aus zwei Gründen als nichtig.

aa)

Der Beschluss vom 04.11.2002 verstößt gegen § 8 Abs. 6 lit. a) des Gesellschaftsvertrages vom 29.10.1992. Danach bedurfte ein Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrages einer 2/3 Mehrheit der Stimmberechtigten. Stimmberechtigt waren vier Gesellschafter. Von denen waren in der Gesellschafterversammlung vom 04.11.2002 nur drei Gesellschafter anwesend. Für die Änderung haben zwei Gesellschafter gestimmt; damit hat nur die Hälfte der Stimmberechtigten die Änderung beschlossen, das Quorum von 2/3 der Stimmberechtigten war nicht erreicht.

Der ohne die erforderliche Mehrheit gefasste Beschluss zur Änderung des Gesellschaftsvertrages ist als solcher fehlerhaft (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 119 HGB, Rdnr. 31). Fehlerhafte Beschlüsse sind nichtig (§§ 134, 138 BGB), also nicht nur anfechtbar (Baumbach/Hopt, a.a.O.). Der Beschluss leidet an einem Beschlussmangel. Es handelt sich um einen Wirksamkeitsmangel, weil der Gesellschafterbeschluss als Rechtsgeschäft nur dann Wirksamkeit erlangt, wenn die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag erforderliche Anzahl von Stimmen abgegeben worden sind. Fehlt es an der erforderlichen Stimmenmehrheit, ist der Beschluss unwirksam, ohne dass es einer Beschlussanfechtung bedarf (Ulmer in Großkomm HGB, 4. Aufl., 1999, § 119 HGB, Rdnr. 91).

bb)

Der Beschluss vom 04.11.2002 ist außerdem deshalb nichtig, weil die Änderung der Klausel über die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters in § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 29.10.1992 einem Mehrheitsbeschluss von vorn herein entzogen war. Die am 04.11.2002 beschlossene Änderung des Gesellschaftsvertrages und die damit bedingte Änderung bzw. Verringerung der Rechte des ausscheidenden Gesellschafters bedeuten einen Eingriff in den Kernbereich der Gesellschafterposition, der nur mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter, also nur einstimmig gefasst werden kann (BGH NJW 1995, 194, 195 = JZ 1995, 311, 313 mit Anm. K. Schmidt; Baumbach/Hopt, § 119 HGB, Rdnr. 36).

Zum Kreis dieser nicht entziehbaren Rechte gehören die dem Gesellschafter nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zustehenden wesentlichen Gesellschafterrechte, die seine Stellung in der Gesellschaft maßgeblich prägen, namentlich seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft (BGH NJW 1995, 194, 195). Der vom BGH als Beispiel erwähnten Beteiligung am Liquidationserlös ist die Regelung über die Berechnung der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters qualitativ gleichzusetzen. Eine ungünstige Klausel kann hier zu einer massiven Benachteiligung, nämlich zu einer Entwertung der Beteiligung des Gesellschafters führen. Das ist der Fall, wenn der Berechnung nicht der wahre Wert, sondern - wie dies der geänderte Gesellschaftsvertrag vorsieht - nur der Buchwert zugrunde gelegt werden soll.

b)

Dem Feststellungsbegehren steht nicht entgegen, dass die Klageerhebung nicht, wie in § 8 Abs. 9 des Gesellschaftsvertrages vom 29.10.1992 geregelt, innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Protokolls über die Beschlussfassung vom 04.11.2002 erfolgt ist. Diese Regelung beschränkt in zeitlicher Hinsicht die Möglichkeit des Gesellschafters, Beschlussmängel im Wege der Klage geltend zu machen. Eine solche Regelung ist an sich zulässig und kann grundsätzlich durch Gesellschaftsvertrag getroffen werden (BGH NJW 1977, 1292,1293; NJW 1999, 3113, 3114).

Die Klausel über die Ausschlussfrist greift im Streitfall jedoch nicht ein. Nach der Entscheidung BGH NJW 1977, 1292 steht der Gesellschafterversammlung die Befugnis, die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Gesellschaftsbeschlusse von einer befristeten Klage abhängig zu machen, dann nicht zu, wenn die beanstandete Beschlussfassung als solche schon nicht zulässig ist. Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor: Mit der Änderung der Abfindungsklausel durch - bloßen - Mehrheitsbeschluss, noch dazu ohne Vorliegen der satzungsmäßigen 2/3 Mehrheit, hat sich die Gesellschafterversammlung am 04.11.2002 eine Befugnis angemaßt, die ihr nicht zustand; eine derartige Beschlussfassung ist als solche nicht zulässig, mit der Folge, dass die Möglichkeit des einzelnen Gesellschafters, die Nichtigkeit der Beschlussfassung geltend zu machen, nicht beschnitten werden darf, auch nicht durch an sich sonst zulässige Ausschlussfristen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 59.136,39 € festgesetzt, nämlich auf 80 % des von der Beklagten zu 1. für sich in Höhe von 73.920,49 € beanspruchten Abfindungsbetrages (Bl. 176 d.A.).

Ende der Entscheidung

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