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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.07.2002
Aktenzeichen: 7 U 228/01
Rechtsgebiete: DÜG, HGB, BinSchG, ZPO


Vorschriften:

DÜG § 1
HGB § 664
HGB § 664 Abs. 1 S. 1
HGB § 664 Abs. 2
HGB § 823 Abs. 1
HGB § 847
BinSchG § 77 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 228/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht als Schifffahrtsobergericht

Anlage zum Protokoll vom 31.07.2002

Verkündet am 31.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Schifffahrtsobergericht auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das am 22.11.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Brandenburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.600,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz vom 9.6.1998 seit dem 16.10.2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 1. Juli 2000 auf dem BMS "S..." zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufungen der Beklagten und die weitergehende Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 21 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 79 %, mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die ganz den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen Verletzungen geltend, die er am 1.7.2000 auf dem Binnenschiff "S..." durch ein herunterklappendes Sonnendach erlitten hat.

Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei der Beklagten zu 1) eine Kreuzfahrt auf dem genannten Schiff von B... nach S.... Dem Vertrag lagen die AGB der Beklagten zu 1) zugrunde. Die Beklagte zu 1) übertrug die Durchführung durch Chartervertrag auf die Beklagte zu 2), diese setzte dafür ihr Schiff, das Binnenschiff "S..." ein. Der Beklagte zu 3), ein Angestellter der Beklagten zu 2), war zum Zeitpunkt des Unglücks der verantwortliche Schiffsführer. Das Sonnendach war, als es nach hinten abklappte, nur auf der Steuerbordseite abgesichert. Zur Sonnendachkonstruktion gehörten Überkreuzsicherungen durch Spannseile auf der Steuerbordseite und auf der Backbordseite.

Der Kläger macht wegen der durch das Abklappen des Sonnendachs erlittenen Körper- und Gesundheitsverletzungen, hinsichtlich deren im einzelnen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen wird, einen Schmerzensgeldanspruch geltend. Außerdem begehrt er - vorbehaltlich des Forderungsübergangs auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte - die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche Schäden aus dem Unfall.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts stelle, nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 16. Oktober 2000 zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unglücksfall vom 1. Juli 2000 auf dem BMS "S..." zu bezahlen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen, die Sonnendachkonstruktion sei fehlerhaft gewesen. Das Abklappen des Sonnendachs sei nicht auf das Verschulden der mit dessen Aufbau befassten Personen zurückzuführen gewesen.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 22.11.2001 (Bl. 412-421 d.A.) der Feststellungsklage in vollem Umfang und der Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 DM stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und nach entsprechender Fristverlängerung begründeten Berufung erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage. Mit der unselbständigen Anschlussberufung verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 DM weiter.

Die Beklagten sind der Ansicht, das Amtsgericht habe nicht die Fahrlässigkeit eines konkreten Besatzungsmitglieds feststellen können. Sie tragen vor, der Schaden sei durch Zufall eingetreten. Vorsorglich machen sie die Begrenzung ihrer Haftung auf höchstens 320.000,00 DM geltend.

Die Beklagte zu 1) sowie die Beklagten zu 2) und 3) beantragen, das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Außerdem beantragen die Beklagten hilfsweise, die Beschränkung der Haftung gemäß Art. 5 der Anlage zu § 664 HGB vorzubehalten.

Der Kläger sowie dessen Streithelferin beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 20.000,00 DM zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertieft sein Vorbringen erster Instanz, wonach das Zusammenklappen des Sonnendachs auf ein Verschulden des Matrosen Mi... zurückzuführen sei. Außerdem ist er der Ansicht, dass ein Schmerzensgeld von 20.000,00 DM angemessen sei.

Die Streithelferin trägt vor, die Sonnendachkonstruktion sei technisch einwandfrei gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten sind zulässig, haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die - unselbständige - Anschlussberufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

Der vom Kläger geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch ist in Höhe von 7.600,00 Euro nebst Zinsen begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) ein Schadensersatzanspruch aus § 77 Abs. 1 BinSchG i.V.m. § 664 Abs. 1 S. 1 HGB nebst Art. 2 Abs. 1 der Anlage zu § 664 HGB zu. Die Beklagte zu 2) haftet als ausführender Beförderer für den eingetretenen Schaden (Art. 3 Abs. 1 der Anlage zu § 664 HGB). Denn der Begriff des durch Körperverletzung eingetretenen Schadens im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Anlage zu § 664 HGB umfasst auch den immateriellen Schaden als Gegenstand des Schmerzensgeldes (BGH TransportR 1997, 154; Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl. Anm. 10 zu Art. 2 Anl. § 664 HGB). Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) haften gesamtschuldnerisch für die Hilfspersonen, deren sich die Beklagte zu 2) als ausführender Beförderer bedient hat, nämlich für die Besatzungsmitglieder M... und Mi... und den Beklagten zu 3) als den verantwortlichen Schiffsführer. Die Beklagte zu 1) haftet mithin nicht nur für die Beklagte zu 2), sondern auch für deren Hilfspersonen. Die Beklagte zu 2) haftet für ihre genannten Hilfspersonen. Den Beklagten zu 3) trifft eine Eigenhaftung aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB.

Der Beklagte zu 3) und die mit dem Aufbau des Sonnendachs unmittelbar befassten Hilfspersonen der Beklagten zu 2), die Besatzungsmitglieder M... und Mi..., haben durch das unsachgemäße Aufrichten des Sonnendachs, das zu dessen Abklappen nach hinten geführt hat, grob fahrlässig die Körperverletzungen des Klägers verursacht, der vom Beklagten zu 3) neben den anderen Passagieren aufgefordert worden war, unter dem Sonnendach Platz zu nehmen.

Der Beklagte zu 3) hat im Senatstermin am 5.6.2002 erklärt, er habe nach dem Unterfahren der letzten Brücke die Anweisung gegeben, das Sonnendach aufzustellen. Die Frage des Besatzungsmitglieds M..., ob es reiche, das Sonnendach nur auf einer Seite zu sichern, habe er zunächst bejaht. Er habe es sich dann aber anders überlegt und über die Schulter weg gesagt: "Baut komplett auf". Dies hätten die Besatzungsmitglieder M... und Mi... jedoch fälschlich so verstanden, dass nach der Sicherung nur auf einer Seite auch schon die Stühle unter das Sonnendach zu stellen seien. Auf den Hinweis des Besatzungsmitglieds Mi... habe er das Hubseil gelöst.

Durch dieses Verhalten hat der Beklagte zu 3) die ihm als verantwortlichem Schiffsführer obliegende Verpflichtung zur sicheren Beförderung der Passagiere grob fahrlässig verletzt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Auch wenn der Beklagte zu 3) das Gewicht der Sonnendachkonstruktion nicht genau gekannt haben dürfte, so mußte ihm klar sein, dass es sich um eine schwere Anlage handelte, bei deren Abklappen die Verletzung von Passagieren drohte, die sich unter dem Sonnendach aufhielten. Denn das Sonnendach ließ sich nur mit Hilfe von Hydraulik durch das Hubseil aufrichten. Auch wurde der Beklagte zu 3) von der Streithelferin in die Bedienung des Sonnendachs eingewiesen. Es mußte ihm daher klar sein, dass zum sicheren Aufrichten des Sonnendachs die Überkreuzsicherung auf beiden Seiten gehörte, das Sonnendach also auf der Steuerbordseite und auf der Backbordseite durch Spannseile gesichert werden musste.

Gleichwohl hat der Beklagte zu 3) das Hubseil mittels des Hydraulikhebels in der Steuerkabine gelöst, ohne sich vergewissert zu haben, ob das Sonnendach auch auf beiden Seiten gesichert war. Dazu bestand hier ganz besondere Veranlassung, da der Beklagte zu 3) zunächst die Frage des Besatzungsmitglieds M..., ob die Sicherung des Sonnendaches auf nur einer Seite reiche, bejaht hat, es sich dann aber anders überlegt und "über die Schulter weg" die Anweisung zum kompletten Aufbau gegeben hat; somit konnte er nicht sicher sein, ob seine Anweisung auch korrekt bei M... angekommen war und musste sich auf jeden Fall besonders darüber vergewissern, dass seine Anweisung auch tatsächlich umgesetzt worden ist. Von dieser Pflicht war der Beklagte zu 3) auch nicht deshalb entbunden, weil es sich bei Herrn M... um ein Besatzungsmitglied handelte, der das Schiffsführerpatent besaß; schon die Fragestellung von M..., ob die Sicherung des Sonnendachs nur auf einer Seite reiche, war ausreichende Veranlassung zu der beschriebenen Vergewisserung. Der Beklagte zu 3) hat daher die Sorgfaltspflicht eines verantwortlichen Schiffsführers in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen und somit grob fahrlässig die Körperverletzungen des Klägers verursacht, den dieser erlitten hat, nachdem er auf Aufforderung unter dem Sonnendach Platz nahm und dieses nach hinten abklappte. Dem steht nicht entgegen, dass unter normalen Umständen auch die Überkreuzsicherung auf einer Seite das Abklappen des Sonnendachs verhindert hätte, wie der Sachverständige Dr. Mau... in seinem Gutachten (Bl. 69, 80 d.A. des Beweissicherungsverfahrens vor dem Amtsgericht...) auf Grund einer Prüflast der Seile von 100 kiloNewton nachvollziehbar ausgeführt hat. Denn angesichts der von der schweren Konstruktion ausgehenden Gefahr war die beiderseitige Sicherung vorgesehen und geboten.

Technische Mängel der Sonnendachkonstruktion liegen nach der Überzeugung des Senats nicht vor und kommen deshalb als alternative Ursachen nicht in Betracht. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Mau... (Bl. 63 ff. d.A. des Beweissicherungsverfahrens vor dem Amtsgericht Stralsund) und nach dessen erstinstanzlicher Aussage (Bl. 374 ff. d.A) sowie nach seiner Aussage im Verklarungsverfahren vor dem Amtsgericht Brandenburg (Bl. 47 ff. d.A.) war die Sonnendachkonstruktion einschließlich der zu ihrer Aufrichtung und Sicherung benutzten Vorrichtungen technisch einwandfrei. Überdies tragen die Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) selbst vor, der Steuermann M... habe das Dach "unzählige Male" auf- und wieder abgebaut (Bl. 154 d.A.); dies setzt - in Widerspruch zum Vortrag der Beklagten zu 2) und des Beklagten zu 3) im Übrigen (Bl. 295 d.A.) - voraus, dass das Sonnendach technisch einwandfrei war.

Neben dem Beklagten zu 3) haben die Besatzungsmitglieder M... und Mi... durch Fahrlässigkeit die Körperverletzungen des Klägers verursacht. Denn sie haben auf der Steuerbordseite das Spannseil, das das Sonnendach gegen das Abklappen nach hinten sichern sollte, nicht sachgemäß angebracht. Da das Sonnendach unstreitig nur auf der Steuerbordseite abgesichert war, die Sicherung jedoch angesichts der Belastbarkeit der Spannseile nach der Feststellung des Sachverständigen Dr. Mau... ausgereicht hätte, um das Abklappen des Sonnendachs zu verhindern, kann sich das Sicherungsseil, das das Abklappen nach hinten verhindern sollte, nur dadurch gelöst haben, dass es unsachgemäß angebracht war. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob das Sicherungsseil sich deswegen gelöst hat, weil einer der Schäkelbolzen nicht ordnungsmäßig eingeschraubt war, oder deswegen, weil Spannhülsen nicht weit genug in die Spannschrauben gedreht und die Kontermuttern nicht fest genug angezogen waren. Denn beides gehört zur sachgemäßen Anbringung des Sicherungsseils, mit der die Besatzungsmitglieder M... und Mi... befasst waren. Allerdings erschöpft sich die Fahrlässigkeit dieser Besatzungsmitglieder in der unsachgemäßen Ausführung einzelner Handgriffe und überschreitet deshalb nicht die Grenze zur groben Fahrlässigkeit.

Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs führt die Anschlussberufung des Klägers zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils. Das Amtsgericht hat zwar fast alle gesundheitlichen Nachteile, die bei dem Kläger als Folge des Unfalls eingetreten sind, berücksichtigt. Nicht in die Erwägungen des Amtsgerichts eingegangen sind jedoch die Atembeschwerden, die seit dem Unfall festgestellt wurden. Zwar zeigen sich diese erst bei Belastung des Klägers, wie dieser im Senatstermin - unwidersprochen - erklärt hat. Gleichwohl stellen sie eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dar und sind daher bei der Ermittlung des immateriellen Interesses des Klägers zu berücksichtigen. Beim Schmerzensgeld geht es - neben der Genugtuung - um den Ausgleich für alle in der körperlichen Verfassung eingetretenen Nachteile. Da das Schmerzensgeld auch der Genugtuung dient, ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 3) grob fahrlässig gehandelt hat. Hiervon ausgehend hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.600,00 Euro für angemessen und ausreichend.

II.

Die Feststellungsklage ist angesichts möglicherweise eintretender weiterer Folgen der Verletzungen, die der Kläger durch das herabstürzende Dach erlitten hat, zulässig (§ 256 ZPO) und auch begründet.

Die Haftung der Beklagten für möglicherweise eintretende weitere Schäden ist nicht beschränkt, da ihnen eine Haftungsbeschränkung nicht zur Seite steht.

Die Beklagte zu 1) kann sich auf die Beschränkung der Haftung für Personenschäden nach dem Athener Übereinkommen von 1974 (vgl. hierzu Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., RNr. 3, 16 vor § 664 HGB) schon deshalb nicht berufen, weil nach Nr. 11.5 S. 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haftung bei Schiffsreisen sich nach den Bestimmungen des HGB und des Binnenschifffahrtsgesetzes regeln sollte. Diese Klausel entspricht den Muster-AGB des Deutschen Reisebüroverbandes (s. dort Nr. 11.6). Nach Art. 10 der Anlage zu § 664 HGB entfällt aber die Haftungsbeschränkung des Art. 5 wegen der groben Fahrlässigkeit des Beklagten zu 3), für die als Beförderer auch die Beklagte zu 1) einstehen muss.

Die Beklagte zu 2) kann sich auf das Athener Übereinkommen ebenfalls nicht berufen. Dies liegt allerdings nicht daran, dass der Beklagte zu 3) grob fahrlässig den Unfall verursacht hat und die Beklagte zu 2) für die grobe Fahrlässigkeit des Beklagten zu 3) einstehen muss. Denn nach Art. 13 des Athener Übereinkommens entfällt die dort vorgesehene Haftungsbeschränkung - außer bei Vorsatz - nur dann, wenn jemand "recklessly and with knowledge that such damage would probably result" (mutwillig und mit dem Wissen, dass ein Schaden wahrscheinlich eintreten wird) gehandelt hat. Ein solches mutwilliges Handeln geht über die grobe Fahrlässigkeit hinaus und kann dem Beklagten zu 3) nicht angelastet werden. Für den Fortfall der Haftungsbegrenzung ist aber bei Beförderung auf Binnengewässern nicht das Athener Übereinkommen, sondern Art. 10 der Anlage zu § 664 HGB maßgebend. Nach dieser Vorschrift entfällt die Möglichkeit, sich auf eine Haftungsbeschränkung nach Art. 5 der Anlage zu § 664 HGB zu berufen, bei grober Fahrlässigkeit. Zwar ist gemäß Einigungsvertrag Anlage I Kap III, Sachgebiet D, Abschnitt III Nr. 1 b § 664 HGB einschließlich der Anlage zu dieser Vorschrift nicht anzuwenden, soweit die Anwendung mit einer von der DDR übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtung nicht zu vereinbaren ist; insoweit sind die für die DDR bisher geltenden Rechtsvorschriften weiter heranzuziehen. Der Vorbehalt der Nichtanwendung des § 664 HGB nebst Anlage bezieht sich jedoch nur auf Beförderungen auf See; nur von ihnen handelt § 664 HGB. Nach Nr. 4 des Abschnitts III des Sachgebiets D von Anlage I, Kap. III des Einigungsvertrags ist demgegenüber das Binnenschifffahrtsgesetz ohne Vorbehalt auf das Gebiet der früheren DDR erstreckt worden. Auf die Beförderung, bei der der Kläger geschädigt wurde, ist aber § 664 Abs. 1 S. 1 und § 664 Abs. 2 HGB erst auf Grund von § 77 Abs. 1 BinSchG anwendbar, also auf Grund einer Bestimmung, die nach dem Einigungsvertrag ohne Vorbehalt auch im Gebiet der früheren DDR gilt. Ob bei Beförderung auf See das Athener Übereinkommen auf Grund des zu § 664 HGB im Einigungsvertrag erklärten Vorbehalts zu beachten ist, kann dahingestellt bleiben.

Der Beklagte zu 3) haftet aus - grob fahrlässiger - unerlaubter Handlung und kann sich schon deshalb nicht auf eine Haftungsbeschränkung berufen.

Für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sieht der Senat keinen Anlass, da kein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, dass sie auch künftig wiederholt auftreten wird und wenn über ihre Lösung in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen geäußert worden sind. Beides ist hier nicht der Fall. Die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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