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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.11.2009
Aktenzeichen: 7 U 57/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 157
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 204
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 389
BGB § 387
BGB § 426 Abs. 1
BGB § 738 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers werden die Beklagten unter Abänderung des am 11.3.2008 verkündeten Urteils der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 23.409,52 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.484,55 € ab 5.1.2004 und aus weiteren 7.924,97 € ab 2.1.2006 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 8 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 92 %.

Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Abfindung wegen des Ausscheidens aus einer vormals gemeinsamen Sozietät in Anspruch.

Der Kläger, ein Steuerberater und die Beklagten, Rechtsanwälte, schlossen am 3.3.2000 einen schriftlichen Vertrag über die Gründung einer überörtlichen Sozietät mit Standorten in S... und C....

Die Beklagten kündigten gegenüber dem Kläger die Sozietät mit Schreiben vom 13.5.2003 wegen Vermögensverfall des Klägers.

Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Parteien klargestellt, dass der Kläger am 17.5.2003 aus der Sozietät ausgeschieden ist.

Mit der Klage hat der Kläger die erste von fünf Raten aus seinem Abfindungsanspruch in Höhe von 25.254 € geltend gemacht. Nach der Rechtsauffassung des Klägers wurde diese Rate am 1.1.2004 fällig.

Die Parteien haben über die Ermittlung des Abfindungsguthabens gestritten. Die Beklagten, die ein Guthaben in Abrede gestellt haben, haben hilfsweise die Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen erklärt, so mit Schriftsatz vom 1.7.2005 und vom 12.7.2007.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 21.10.2005 in der Fassung des Beschlusses vom 19.12.2005 Beweis erhoben zur Höhe des Abfindungsguthabens.

Hierzu hat der Sachverständige, der Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer R..., das schriftliche Gutachten vom 19.7.2006 vorgelegt, das er gemäß Beschluss des Landgerichts vom 14.9.2006 um die schriftliche Stellungnahme vom 19.12.2006 ergänzt hat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dem Kläger stehe zwar ein Abfindungsanspruch zu, der sich bei einem Wert der Kanzlei zum Zeitpunkt seines Ausscheidens von 337.279,98 € auf 112.426,66 € belaufe. Der Kläger müsse sich auf diesen Abfindungsanspruch jedoch den Wert der von ihm "mitgenommenen" Steuerberatungsmandate von 110.913,45 € anrechnen lassen. Hinsichtlich des verbleibenden Abfindungsanspruchs von 1.513,14 € greife die Aufrechnung mit einem Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB für die Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt P... für den Zeitraum von September 2002 bis Februar 2003.

Mit der frist- und formgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch hinsichtlich der ersten Abfindungsrate in Höhe von 23.409,52 € weiter.

Hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.844,48 € hat er den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Die Berufung beanstandet, das Landgericht habe die Vereinbarung zur Bestimmung des Abfindungsguthabens in § 18 Abs. 8 des Sozietätsvertrages missverstanden. Die Parteien hätten für die Bestimmung des Abfindungsguthabens nicht auf einen nach üblichen Bewertungsmethoden zu bestimmenden Kanzleiwert abstellen wollen, sondern auf den Betrag des Umsatzes der Kanzlei in dem dem Ausscheiden des Klägers vorausgehenden Geschäftsjahr.

Rechtlich unzutreffend sei ferner die Annahme des Landgerichts, dem Abfindungsanspruch des Klägers könne der Wert der von ihm "mitgenommenen" Mandate gegengerechnet werden.

Wegen der Aufrechnung mit dem Ausgleichsanspruch aus der Steuerverbindlichkeit werde der Rechtsstreit in Höhe des vorgenannten Betrages in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Potsdam vom 11.3.2008 (Az.: 6 O 553/04) zu verurteilen, an den Kläger 23.409,52 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 5.1.2004 zu bezahlen,

2. festzustellen, dass der Rechtsstreit wegen des Betrages von 1.844,48 € erledigt ist.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 17.6.2009 (Bl. 549, 550 d.A.) Beweis erhoben.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2008 Bezug genommen (Bl. 582 f. d.A.).

II.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich des mit ihr verfolgten Zahlungsantrages Erfolg. Die weitergehende Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Abfindungsanspruch anlässlich seines Ausscheidens aus der vormals gemeinsamen Sozietät "U..., M... & H..." zum 17.5.2003 - jedenfalls - in Höhe der in der Berufungsinstanz geltend gemachten Forderung, also in Höhe von 23.409,52 €.

Der Abfindungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages der Parteien vom 3.3.2000.

Soweit die Parteien über den Regelungsgehalt des § 18 Abs. 8 des Sozietätsvertrages streiten, ist der Rechtsauffassung des Landgerichts gemäß den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu folgen.

Die Auslegung der Regelungen des Sozietätsvertrages der Parteien vom 3.3.2000 zur Abfindung eines ausscheidenden Partners in dessen § 18 Abs. 7 und 8 durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden.

Nach § 18 Abs. 7 des Sozietätsvertrages hat der Kläger als ausgeschiedener Vertragspartner einen Abfindungsanspruch in Höhe seines Anteils am tatsächlichen Kanzleiwert zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Hierzu bestimmt § 18 Abs. 8 des Sozietätsvertrages, dass sich der Kanzleiwert nach dem Umsatz des letzten vor der Kündigung endenden Kalenderjahres bemesse.

Das Landgericht hat die zitierten beiden Bestimmungen richtigerweise so ausgelegt, dass sich der dem Abfindungsanspruch zugrunde liegende Kanzleiwert zwar ausschließlich nach dem Umsatz der Sozietät in dem letzten vor der Kündigung endenden Kalenderjahr richtet, jedoch nicht mit diesem Umsatz identisch ist.

Eine entsprechende Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen des Sozietätsvertrages ergibt sich zwanglos aus deren Wortlaut. Insofern wird auf die einschlägige Argumentation in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen. Für die vom Landgericht gewonnene Auslegung der Abfindungsregelungen des Sozietätsvertrages stehen ferner die Empfehlungen der Bundesrechtsanwaltskammer zur Bewertung von Anwaltskanzleien, die für die Bewertung des Kanzleiwerts nach der Umsatzmethode neben der Bestimmung eines zugrunde zu legenden aus mehreren Geschäftsjahren gemittelten Jahresumsatzes weitere Faktoren und Merkmale zur Ermittlung des Kanzleiwertes vorsehen.

Das wusste auch der Kläger, wie sich aus seinem Schreiben an seinen Prozessbevollmächtigten vom 19.5.2005 (Bl. 108 f. d.A.) ergibt. Den Inhalt dieses Schreibens hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 2.6.2005 zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht (Bl. 103, 104 d.A.). Aus der Stellungnahme des Klägers wird ersichtlich, dass den Parteien bei Abschluss des Sozietätsvertrages vom 3.3.2000 das Problem der Bewertung der von der Sozietät zu betreibenden Praxis durchaus bewusst war. So führt der Kläger aus, dass der Praxiswert aufgrund der freiberuflichen Tätigkeit in der Regel nach dem Umsatzverfahren ermittelt werde. Dies bedeute, dass bei der Steuerberatung die Umsatzerlöse des letzten Jahres ohne unregelmäßige Erlöse zugrunde gelegt würden. Bei Rechtsanwälten seien die Umsätze der letzten drei Jahre vor dem Bewertungsjahr heranzuziehen, wobei das letzte Jahr doppelt gewichtet werden solle. Die ermittelten Werte seien mit Faktoren zu multiplizieren, die aus den Verkäufen vergleichbarer Praxen abgeleitet seien. Weiter heißt es in der Stellungnahme: "Um dieser schwierigen Ermittlung aus dem Wege zu gehen, wurde einvernehmlich die gültige Klausel des bestehenden Sozietätsvertrages vom 3.3.2000 formuliert" (Bl. 109 d.A.).

Aus dieser Einlassung des Klägers folgt, dass auch dem Kläger bekannt war, dass der Praxiswert in der Regel nicht mit dem Umsatz der Praxis im letzten Jahr gleichgesetzt wird, sondern in einem komplexeren Verfahren zu ermitteln ist. Die weitere Erläuterung, die Regelung in § 13 Abs. 8 des Sozietätsvertrages habe der Vereinfachung der Ermittlung des Praxiswertes dienen sollen, kann auch mit den Beklagten dahin zu verstehen sein, dass lediglich die Ermittlung der Erlöse für mehrere Geschäftsjahre entfallen sollte, weitere Wertbestimmungsfaktoren jedoch auf den gemäß § 18 Abs. 8 des Sozietätsvertrages zugrunde zu legenden Umsatz anzuwenden sind.

In Ansehung der von den Beklagten geltend gemachten und schlüssigen Darlegung ihres Verständnisses der Abfindungsvereinbarung ist der Kläger, der sich auf eine inhaltlich davon abweichende Willensbildung der Parteien beruft, für diesen abweichenden Parteiwillen beweisfällig geblieben.

2. Die Anrechnung der von dem Kläger nach seinem Ausscheiden aus der gemeinsamen Sozietät der Parteien weitergeführten Steuerberatungsmandate, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, ist richtig.

Die Ermittlung des Wertes der von der Sozietät der Parteien betriebenen Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzlei ist unter Einbeziehung der Steuerberatungsmandate erfolgt. Soweit diese der Sozietät nach dem Ausscheiden des Klägers nicht verblieben sind, sondern nunmehr vom Kläger wahrgenommen werden, müssen sie dessen Abfindungsguthaben schmälern.

Es fehlt allerdings an einer einschlägigen Regelung in dem Sozietätsvertrag der Parteien.

Ebenso kann nicht angenommen werden, dass sich die Parteien anlässlich der Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 13.5.2003 auf eine entsprechende Anrechnung von Steuerberatungsmandaten auf den Abfindungsanspruch des Klägers geeinigt hätten. Die Beklagten haben vielmehr auf Seite 2 des Kündigungsschreibens ausdrücklich geltend gemacht, die steuerlichen Mandate würden "durch die weiter verbleibende Sozietät U... & M... ordnungsgemäß weiter betreut" (Bl. 73 d.A.). Diese Ankündigung der Beklagten lässt nicht den Schluss zu, sie hätten sich mit dem Kläger darüber geeinigt, dass dieser die Steuerberatungsmandate anstelle oder unter Anrechnung auf einen Abfindungsanspruch übernehme und weiterführe. Ein tatsächliches Verhalten der Parteien, das als - schlüssige - nachträgliche Einigung auf eine Übernahme der Steuerberatungsmandate der Sozietät durch den Kläger auszulegen wäre, ist nicht festzustellen.

Die Beklagten haben ihre mit dem Ziel des Vortrages einer entsprechenden schlüssigen Einigung erhobenen Behauptungen, der Beklagte zu 1. habe alle Stamm- und Handakten, die Steuerberatungsmandate der gemeinsamen Sozietät der Parteien betrafen, in das Büro des Klägers gefahren, nicht beweisen können. Gleiches gilt für die Behauptung der Beklagten, der Zeuge D... habe im Auftrag des Klägers eine vollständige Spiegelung der Festplatten des sichergestellten Computers des Klägers hergestellt, alle auf den Festplatten vorhandenen Daten seien dem Kläger übermittelt worden.

Der von den Beklagten zum Beweis dieser Behauptung benannte und vom Senat am 14.10.2009 vernommene Zeuge D... hat diesen Vortrag der Beklagten nicht bestätigen können.

Zu der erstgenannten Behauptung hat der Zeuge D... bekundet, dass er nicht mit dem Beklagten zu 1., sondern mit dem Beklagten zu 2. in dessen Pkw nach C... zum Kläger gefahren sei. Der Beklagte zu 2. habe einige Kartons mitgenommen, deren Inhalt ihm nicht bekannt sei. Die habe er in C... ausgeladen.

Diese Aussage des Zeugen D... führt den Senat nicht zu der Überzeugung, die Beklagten hätten dem Kläger alle Stamm- und Handakten, die Steuerberatungsmandate der vormals gemeinsamen Sozietät betreffend, übergeben.

Der Zeuge D... hat hinsichtlich der von den Beklagten behaupteten vollständigen Spiegelung der Festplatten des sichergestellten Computers des Klägers angegeben, der Beklagte zu 2. habe ihn angerufen und mitgeteilt, dass es in der Sozietät Krach gebe und man sich trennen wolle. Aus C... seien etliche EDV-Dinge, auch Server, mitgebracht worden. Der Beklagte zu 2. habe gewollt, dass der Zeuge ein komplettes Backup-System zur Sicherung des Statusquo anfertige. Er sei daraufhin nach S... gefahren und habe diese Sicherung vorgenommen. Die gesicherten Daten befänden sich nach seiner Erinnerung auf optischen Datenträgern (CD oder DVD). Diese Datenträger habe er dem Beklagten zu 2. ausgehändigt. Ihm sei nicht bekannt, ob diese Datenträger dem Kläger übergeben worden seien. Wenn man eine darauf abgestimmte, adäquate Computeranlage mit den notwendigen Installationen habe, hätte man mit den gesicherten Datenbeständen vernünftig weiterarbeiten können.

Auch dieser Teil der Aussage des Zeugen D... reicht nicht, um zu beweisen, dass dem Kläger die vollständigen Daten der Steuerberatungsmandate auf den Festplatten des beim Kläger sichergestellten Computers zur Verfügung gestellt wurden. Dies konnte von dem Zeugen nicht bestätigt werden.

Der gegenbeweislich vernommene Zeuge S... hat hingegen angegeben, eine bespielte Festplatte mit Datenbeständen sei nicht übergeben worden. Vielmehr seien von ihm im Auftrag der Beklagten Datenbestände nur nach Vorlage einer entsprechenden Mandantenerklärung an den Kläger herausgegeben worden. Auf diese Aussage des Zeugen S... kommt es jedoch in Ansehung der fehlenden Bestätigung des Vorbringens der Beklagten zur Übergabe der gespiegelten Daten von der Festplatte des Klägers an diesen nicht an.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat deshalb davon aus, dass zwischen den Parteien offengeblieben ist, wie die Mitnahme von Steuerberatungsmandanten durch den Kläger bei dem vorzunehmenden Wertausgleich zu berücksichtigen ist. § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages bedürfen deshalb einer ergänzenden Auslegung. Dabei ist unter Anlegung des in § 157 BGB vorgegebenen Auslegungsmaßstabes danach zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Diese Auslegung ergibt, dass der Wert der von dem Kläger "mitgenommenen" Mandate zwar bei der Ermittlung des Wertes der Praxis der vormals gemeinsamen Sozietät nicht mindernd zu berücksichtigen, aber in vollem Umfang auf einen etwaigen Abfindungsanspruch des Klägers anzurechnen ist (BGH NJW 1995, 1551).

Die von den Parteien in § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages vorgegebene Methode zur Berechnung der Abfindung für den ausscheidenden Gesellschafter führt ohne ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass der Kläger über seinen Abfindungsanspruch an dem Wert der den Beklagten verbleibenden Rechtsanwalts- und Steuerberatungsmandate partizipiert, die Beklagten an dem Wert der auf den Kläger übergegangenen Mandate jedoch nicht beteiligt werden. Dies stellt die Beklagten in einer Weise schlechter als den Kläger, die sie berechtigterweise nicht hingenommen hätten, wenn sie den Fall bedacht hätten.

Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ist davon auszugehen, dass die Mitnahme von Mandanten grundsätzlich einen hinreichenden Ersatz für die Beteiligung an dem Wert der Sozietät darstellt. Daraus folgt, dass eine Kumulierung von Mandantenmitnahme und Beteiligung am Geschäftswert der Kanzlei eine Ausnahme bleibt. Kommt es vereinbarungsgemäß zu einer solcher Kumulierung, so ist es allein sachgerecht, dass sich der Berechtigte auf seinen Abfindungsanspruch in vollem Umfang den Wert der mitgenommenen Mandate anrechnen lassen muss (BGH a.a.O.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten nach der Trennung von dem Kläger ebenfalls die Chance gehabt haben, die Mandanten aus der Steuerberatung für sich zu gewinnen.

Dies zum einen schon deshalb, weil jedenfalls im Ergebnis diese Chancen vom Kläger mit Erfolg wahrgenommen wurden und die Beklagten ihn deshalb gemäß den vorstehend ausgeführten rechtlichen Erwägungen für die der Sozietät entgangenen Mandate nicht abzufinden haben.

Des Weiteren ist im vorliegenden Falle zu berücksichtigen, dass zwischen dem Kläger und den Beklagten nach ihrer Trennung auch keine gleichrangige Wettbewerbsposition um die Steuerberatungsmandate bestand. Die Parteien hatten in ihrer Sozietät eine interne Zuständigkeitsaufteilung, wonach die Steuerberatung allein dem Kläger oblag, § 6 Abs. 1 des Sozietätsvertrages. Die Steuerberatungsmandanten kannten deshalb als Steuerberater allein den Kläger. Außerdem wurde die Steuerberatungstätigkeit nicht von dem Standort der Sozietät in S... aus, sondern nur von dem Standort in C... erbracht. Dieser Umstand spricht dafür, dass eine Mehrzahl von Mandanten aus dem regionalen Umfeld des nunmehr allein vom Kläger betriebenen Büros in C... stammen und schon deshalb die Fortsetzung der Betreuung durch den Kläger wünschten.

Gegen einen gleichrangigen Wettbewerb der Parteien um die Steuerberatungsmandate steht weiterhin, dass der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten, dem er nicht entgegengetreten ist, bereits bei Eintritt in die Sozietät einen Klientenstamm mitgebracht hat (Bl. 150 d.A.).

3. Unter Berücksichtigung der vorstehend ausgeführten Rechtslage steht dem Kläger die geltend gemachte Forderung zu.

Allerdings ist das Landgericht unter Verkennung eines Fehlers des Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass der Anteil des Klägers am Gesamtwert der Kanzlei 110.913,45 € betrage. Dieser Ausgangsbetrag ist in Anlehnung an das Gutachten des Sachverständigen R... vom 19.7.2006 unzutreffend ermittelt worden.

Der Sachverständige hat der Ermittlung des Kanzleiwertes einen gemittelten Jahresumsatz aus den Einzelumsätzen der letzten drei Jahre vor dem 17.5.2003, dem Datum des einvernehmlichen Ausscheidens des Klägers aus der Sozietät, zugrunde gelegt (vgl. Bl. 22 - 26 des Gutachtens). Tatsächlich war gemäß § 18 Abs. 8 des Sozietätsvertrages jedoch allein der Jahresumsatz des Kalenderjahres 2002 maßgeblich. Die Umsatzerlöse für Rechtsberatung in S... und Steuerberatung in C... im Jahre 2002 hat der Sachverständige mit 194.444,18 € und 161.269,666 € angegeben (Bl. 16, 17 des Gutachtens). Unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen genannten Umsatzfaktoren für Rechtsanwälte und Steuerberater ist der Umsatz der Rechtsanwälte in S... in voller Höhe und der Umsatz des Steuerberaters in C... in Höhe von 80 %, das heißt 129.015,73 € in Ansatz zu bringen. Es ergibt sich mithin ein Kanzleiwert von 323.459,91 €. Der Abfindungsbetrag des Klägers beträgt 1/3 dieses Wertes, also 107.819,97 €.

Von diesem Abfindungsanspruch sind die Nettoumsätze des Klägers mit den von ihm weitergeführten Steuerberatungsmandaten auf der Grundlage der Umsätze für das Jahr 2002 in Abzug zu bringen.

Der Kläger hat unter Bezugnahme auf die Anlage K 12 vorgetragen, die Summe der Nettoumsätze mit den von ihm übernommenen bzw. weitergeführten Mandaten habe auf der Grundlage der Jahresumsätze für 2002 39.246,54 € betragen (Bl. 396 d.A.). Mithin beläuft sich der in Abzug zu bringende Nettoumsatz unter Heranziehung des vom Sachverständigen R... angegebenen Multiplikators von 0,8 auf 31.397,23 €. Die von den Beklagten noch geschuldete Abfindungssumme beträgt 76.422,74 €. Die Beklagten haften insofern als Gesamtschuldner.

Die Abfindung ist in fünf gleichen Jahresraten zu zahlen, fällig jeweils am 1.1. des auf das Ausscheiden folgenden Kalenderjahres, § 18 Abs. 7 des Sozietätsvertrages. Nachdem die Parteien im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens Einigkeit darüber hergestellt haben, dass der Kläger am 17.5.2003 aus der Sozietät ausgeschieden ist, ist davon auszugehen, dass zwischenzeitlich sämtliche Raten fällig sind.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der mit der Klage zunächst ausdrücklich nur die erste Rate seines Abfindungsanspruchs geltend gemacht hat, hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.5.2009 ausdrücklich erklärt, er stütze den Anspruch hilfsweise auf Zahlung der zweiten Rate der Abfindung. Nachdem die Beklagten hierauf die Einrede der Verjährung erhoben haben, hat sich der Kläger äußerst hilfsweise auch auf die weiteren Raten gestützt.

Die Klageforderung ergibt sich deshalb unter Anrechnung der ersten Rate von 15.484,55 €, die zum 1.1.2004 fällig gewesen ist und weiteren 7.924,97 € aus der dritten Rate, die zum 1.1.2006 fällig gewesen ist.

Hinsichtlich der zweiten Rate greift die Einrede der Verjährung durch die Beklagten vom 20.5.2009 durch.

Es ist unschädlich, dass die Einrede der Verjährung erst in zweiter Instanz erfolgt ist.

Die Einrede der Verjährung bezieht sich erkennbar nicht auf die vom Kläger beanspruchte erste Abfindungsrate, sondern ist in Reaktion auf die hilfsweise Geltendmachung der zweiten Abfindungsrate gestützt worden. Deshalb ist die Einrede der Verjährung insoweit gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

Die Einrede der Verjährung greift auch durch. Streitgegenständlich ist bislang ausschließlich der Teil des Abfindungsanspruchs des Klägers gewesen, der am 1.1.2004 fällig war (Bl. 5 d.A.).

Der Anspruch auf Zahlung der zweiten Abfindungsrate, der zum 1.1.2005 fällig geworden ist, ist also mit Ablauf des Jahres 2008 verjährt gewesen, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Seine erstmalige Einführung in den Rechtsstreit in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20.5.2009 führt mithin nicht zur Hemmung der Verjährung der Rechtsverfolgung nach § 204 BGB.

4. Die von den Beklagten mit Schriftsätzen vom 1.7.2005 (Bl. 148, 152 d.A.) und vom 12.7.2007 (Bl. 350 f. d.A.) erklärten Aufrechnungen führen nicht zu einem Erlöschen der Klageforderung gemäß § 389 BGB. Eine Aufrechnung gemäß § 387 BGB hat die Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen zur Voraussetzung. Daran fehlt es hier. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Abfindung für den Verlust seines Geschäftsanteils an der gemeinsamen Sozietät, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in Anspruch.

Der Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts richtet sich gegen die übrigen Gesellschafter, nicht gegen die Gesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hingegen sind sämtliche zur Aufrechnung gestellten Ansprüche der Beklagten solche ihrer Sozietät gegen den Beklagten.

Sähe man in dem Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB auch - oder ausschließlich - eine Gesamthandsverbindlichkeit (so Ulm/Schäfer in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 738, Rn. 16; Staudinger/Habermeier, BGB 2002, § 738, Rn. 12; OLG Köln NZG 2001, 467, 468), käme hier eine Aufrechnung der Sozietät dennoch nicht in Betracht, da der Kläger die Beklagten nicht in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit in Anspruch genommen hat.

5. Der Geltendmachung des Abfindungsanspruchs durch den Kläger steht - anders als die Beklagten annehmen - keine Auseinandersetzungsbefangenheit entgegen.

Der Abfindungsanspruch des Klägers wird nach § 18 Abs. 7 und 8 des Sozietätsvertrages allein durch die Höhe seines Anteils am tatsächlichen Kanzleiwert zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestimmt. Dieser steht - wie vorstehend ausgeführt - fest. Eine Berücksichtigung beiderseitiger Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis oder aus Drittverhältnissen im Rahmen einer über die Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsanteils hinausgehenden Abschlussrechnung ist daher nicht geboten.

6. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 und 2, 288 Abs. 1, 291 BGB.

7. Nachdem sich die Beklagten der Erledigungserklärung des Klägers hinsichtlich des erstinstanzlich verfolgten Betrages von 1.844,48 € nicht angeschlossen haben, sondern ausdrücklich die Zurückweisung der Berufung zur Gänze beantragt haben, ist die Erledigungserklärung des Klägers zu Ziffer 2. seiner Antragstellung gemäß Berufungsbegründung vom 10.6.2008 als Antrag auf Feststellung der Erledigung der Klageforderung insoweit auszulegen.

Es handelt sich bei der Erledigungserklärung nicht nur um eine Motivierung der nicht Weiterverfolgung dieses Teilbetrages in zweiter Instanz, wie sich aus Ziffer 5. der Berufungsbegründung ergibt. Der Kläger verfolgt insoweit das Ziel, den Beklagten eine anteilige Kostentragungspflicht aufzuerlegen (Bl. 466, 467 d.A.).

Eine Erledigung der Klageforderung in Höhe des vorgenannten Betrages kann nicht festgestellt werden. Der Kläger will insoweit scheinbar einen Gesamtschuldnerausgleich der Beklagten gegen sich gelten lassen, der sich aus der Erfüllung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Sozietät für September 2002 bis Februar 2003 ergeben soll. Wie vorstehend zu 3. ausgeführt, kommt ein Erlöschen der Klageforderung wegen eines Ausgleichsanspruchs der Beklagten nicht in Betracht, weil es sich bei den Umsatzsteuerverbindlichkeiten nach dem Vortrag des Klägers um solche der Sozietät handelt.

8. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

9. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 171.162,24 €.

Er setzt sich zusammen aus

- der Klageforderung in Höhe von - noch - 23.409,52 € sowie dem Wert der zweiten Abfindungsrate, deren Geltendmachung der Verjährung unterfällt,

- den Aufrechnungspositionen der Beklagten, deren Einzelbeträge eine Summe von 132.268,17 € ergibt.

Ende der Entscheidung

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