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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 7 U 74/06
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 463 Satz 2 a. F.
BGB § 247
BGB § 249
BGB § 463 Satz 2 a. F.
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 74/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 8.12.2006

Verkündet am 8.12.2006

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hein als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung am 17.11.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird die Beklagte unter teilweiser Abänderung des am 17.2.2006 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus verurteilt, an den Kläger Zug-um-Zug gegen Rückgabe des BMW 325 i, Fahrzeug-Ident.-Nr.: ..., 7.854,67 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.11.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 51,7 % und die Beklagte zu 48,3 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrages der Parteien vom 4.7.2000 über einen Pkw BMW 325 i in Anspruch genommen.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger behauptet, das gekaufte Fahrzeug habe am 14.11.1999 einen Unfall gehabt, bei dem das Fahrzeug so schwer beschädigt wurde, dass es als Totalschaden zu gelten habe. Dieser Gesichtspunkt sei ihm von der Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrages nicht mitgeteilt worden. Außerdem sei eine Laufleistung des Fahrzeuges von 100.000 km Gegenstand des Vertrages gewesen. Tatsächlich sei das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verkaufes jedoch bereits 209.000 km gefahren worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben zum Vorliegen des behaupteten Unfallschadens und zu dessen Umfang durch Vernehmung des Zeugen D... sowie zum Vorliegen der Unfallschäden und der Frage, ob die Beklagte diese Spuren bei ordnungsgemäßer Sichtprüfung vor dem Verkauf hätte erkennen können, durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. H... vom 31.5.2005.

Mit dem Urteil vom 17.2.2006 hat das Landgericht der Klage stattgegeben, allerdings mit der Maßgabe der Rückgabe des streitbefangenen Fahrzeugs Zug-um-Zug gegen die beanspruchte Zahlung. Es hat einen Anspruch des Klägers zur Rückabwicklung gemäß § 463 Satz 2 BGB a. F. angenommen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses mit dem Kläger Kenntnis von Umständen hatte, die auf einen erheblichen Vorschaden zumindest auf der rechten Seite des Fahrzeuges hingedeutet hätten. Die Beklagte habe es vorsätzlich und damit arglistig unterlassen, den Kläger nicht umfassend über diesen Unfallschaden zu unterrichten.

Das Urteil des Landgerichts ist der Beklagten am 15.3.2006 zugestellt worden. Sie hat dagegen am 12.4.2006 Berufung eingelegt und diese am 27.4.2006 begründet.

Mit der Berufung will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert. Überdies habe die Beklagte den in Streit stehenden Unfall bzw. dessen Art und Ausmaß nicht arglistig verschwiegen. Schließlich habe das Landgericht die gezogenen Nutzungen zum Nachteil der Beklagten unrichtig berechnet. Mit Beschluss vom 10.5.2006 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Der Einzelrichter hat dem Kläger zur Berufungserwiderung eine Frist bis zum 23.6.2006 gesetzt. Der Kläger hat am letzten Tage der Frist erwidert und zugleich Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 17.2.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung hat der Kläger zunächst beantragt,

das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung im Übrigen dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 8.147,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 8.11.2003 zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter hat der Kläger die Anschlussberufung zurückgenommen.

Der Einzelrichter hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, der Geschäftsführer der Beklagten habe anlässlich eines Nässeintritts in das streitbefangene Fahrzeug des Klägers im April 2001 geäußert, bei einem Sturm sei ein Ast auf das Dach des Fahrzeugs gefallen, durch Vernehmung des Zeugen R... S....

II.

Die zulässige Berufung bleibt überwiegend ohne Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 7.854,67 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitbefangenen Fahrzeugs aus §§ 249, 463 Satz 2 BGB a. F..

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt auf den streitbefangenen Kaufvertrag vom 4.7.2000 nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB das bis zum 31.12.2001 geltende Recht zur Anwendung.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist der Kläger für den geltend gemachten Gewährleistungsanspruch aktivlegitimiert. Anspruchsgrundlage ist der Kaufvertrag der Parteien vom 4.7.2000. Auf die Frage, ob der Kläger noch Eigentümer des streitbefangenen Fahrzeugs ist, kommt es für sein Recht, Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag geltend zu machen, nicht an.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Beklagte den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages nicht über ihr bekannte erhebliche Unfallvorschäden am Fahrzeug aufklärte.

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung nicht gegen die auf der Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vom Landgericht getroffene Feststellung des vom Kläger zunächst behaupteten Unfallschadens vom 14.11.1999. Sie muss sich jedoch auch eine Kenntnis dieses Vorschadens zum Zeitpunkt des Verkaufes an den Kläger vorhalten lassen. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte das Ausmaß des Unfallschadens, den das Fahrzeug erlitt, bei Verkauf kannte.

Die Beklagte traf als gewerbliche Verkäuferin des gebrauchten Fahrzeugs zwar keine generelle Untersuchungspflicht. Eine solche Pflicht ist allerdings zu bejahen, wenn besondere Umstände vorlagen (BGH NJW 1997, 1055). Ein besonderer Umstand ist hier die Tatsache, dass das Fahrzeug nach Angaben des Voreigentümers einen Unfall hatte, auch wenn dieser bereits repariert war. In richtiger Wahrnehmung dieser Verpflichtung oder aus wohlverstandenem Eigeninteresse wurde von der Beklagten eine Untersuchung des Fahrzeuges vorgenommen. Dies ergibt sich bereits aus der Klageerwiderung. Danach hat die Beklagte im Hinblick auf den vom Voreigentümer mitgeteilten Unfall, über dessen Umfang sie keine Kenntnis gehabt haben will, das Fahrzeug durch ihren Geschäftsführer untersucht. Dieser hat das Fahrzeug bei Erwerb sorgfältig in Augenschein genommen und den Lackzustand geprüft. Es wurden die Motorhaube, die Kofferraumhaube und die Türen geöffnet und geprüft, ob Mängel oder schlechte Verarbeitung festzustellen waren. Weiterhin wurde das Fahrzeug auch auf eine Bühne gefahren und von unten in Augenschein genommen. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, sie habe bei dieser Untersuchung nicht wahrgenommen, dass das Fahrzeug Spuren einen schweren Unfalls aufwies.

Zum Vorwurf der Arglist gegenüber der Beklagten sei zunächst auf die Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. H... verwiesen, wonach die Spaltmaße der Motorhaube zu den Kotflügeln und der Kofferraumklappe zu den Seitenteilen Differenzen aufwiesen, die größer als 1 mm waren. Nach den Feststellungen des Sachverständigen waren bei ordnungsgemäßer Sichtprüfung zumindest die Spaltmaßdifferenzen zwischen Kofferklappe und rechtem hinteren Seitenteil erkennbar. Dies sollte für das Personal einer gewerblichen Autoverkäuferin zumindest ein Anlasspunkt gewesen sein, den Verdacht auf einen erheblichen Unfallschaden zu erwecken. Durch den Ausbau von Verkleidungen im Verdachtsbereich hinten rechts, wären dann Schweißpunkte erkannt worden, die zu weitergehenden Untersuchungen Anlass gegeben hätten.

Der Sachverständige hat seine Feststellungen in dem schriftlichen Gutachten während seiner Anhörung durch das Landgericht im Termin am 27.1.2006 etwas relativiert, indem er eingeschränkt hat, dass die feststellbaren Spaltmaßunterschiede im Bereich der Kofferraumklappe nicht zwangsläufig Anlass boten, die Innenverkleidung der A- und C-Säule zu entfernen. Ob deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte bzw. ihr Geschäftsführer bei Ausübung der gebotenen Sorgfalt das Vorliegen eines sehr umfangreichen Unfallschadens bemerken mussten, kann letztendlich dahinstehen. Dies gilt auch für die Frage, ob den Spaltmaßunterschieden im Bereich der Kofferraumklappe die Offensichtlichkeit zuzubilligen ist, die der Sachverständige annimmt.

Im vorliegenden Fall ist unabhängig von der Frage der Erkennbarkeit des schweren Unfallschadens anhand der Spaltmaßdifferenzen davon auszugehen, dass die Beklagte hinsichtlich des Unfallschadens und seines Umfanges Kenntnis hatte. Dies ergibt sich aus der Reaktion des Geschäftsführers der Beklagten gegenüber dem Zeugen S..., als dieser ihm im April 2001 das Fahrzeug vorführte, nachdem es zu einem Nässeeintritt gekommen war. Dabei war bemerkt worden, dass die Säulen und Dachräume geschweißt waren. Der Geschäftsführer der Beklagten äußerte in diesem Zusammenhang, "das sei ein Sturmschaden gewesen, bei dem ein Ast auf das Dach gefallen sei". Er schloss diese Aussage ab mit der Frage: "Habe ich Dir das nicht gesagt?". Diese Behauptung des Klägers ist durch den Zeugen R... S... bestätigt worden. Der Zeuge hat den Sachverhalt, der ihn veranlasste, das Fahrzeug mit den von der Innverkleidung freigelegten Säulen dem Geschäftsführer der Beklagten vorzustellen, plastisch und detailreich dargestellt. Ebenso hat er sinngemäß die vom Kläger behauptete Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten bestätigt. Auf Vorhalt des Beklagtenvertreters hat er ausdrücklich in Abrede gestellt, dass ihm der Geschäftsführer der Beklagten gesagt hätte, es sei möglicherweise oder vermutlich die Folge eines Sturmschadens, wenn das Fahrzeug von innen nass würde. Er hat die Reaktion des Geschäftsführers der Beklagten dann ergänzend wie folgt beschrieben: "Ich erinnere mich noch deutlich, dass er sich die Mütze leicht hochgeschoben hat, indem er mit der Hand eine Geste zum Kopf machte und dabei äußerte: "Mensch, habe ich Dir das nicht gesagt....". Es mag dahinstehen, ob die vom Zeugen geschilderte Geste des Geschäftsführers der Beklagten als Ausdruck einer - unangenehmen - Überraschung ausgelegt werden kann. Jedenfalls verstärkt die Widergabe dieser Geste durch den Zeugen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, weil sie verdeutlicht, dass dem Zeugen das Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten noch plastisch vor Augen stand. Der Zeuge hat durch sein Aussageverhalten auch keinen Anlass gegeben, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Allein die Tatsache, dass er der Vater des Klägers ist, ist nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen. Sein relativ lebhaftes und spontanes Aussageverhalten hat diese Glaubwürdigkeit hingegen unterstrichen.

Die mithin bewiesene Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten macht vor dem Hintergrund des Vortrages der Beklagten keinen Sinn. Die Beklagte hat vorgetragen, ein entsprechender Sturmschaden sei in der Zeit vom Kauf bis zum Verkauf des Fahrzeuges nicht eingetreten. Sie hat hingegen nicht vorgetragen, dass ein solcher Schaden vom Voreigentümer mitgeteilt worden sei. Deshalb kann die Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten nur so verstanden werden, dass er dem Zeugen S... bzw. dem Kläger eine plausible Erklärung für die offenkundig gewordene Tatsache bieten wollte, dass das Dach des verkauften Fahrzeuges im Rahmen einer Reparatur ausgetauscht und an die Säulen angeschweißt wurde. Dieser Erklärungsversuch diente möglicherweise -Žwie vom Kläger schriftsätzlich geltend gemacht - zur Täuschung darüber, dass das Fahrzeug tatsächlich weitere Schadensspuren aufwies. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass der massive Schaden im Dachbereich dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt war und - soweit er nicht tatsächlich auf einen Sturmschaden zurückzuführen ist - naheliegenderweise nur durch einen Unfall herbeigeführt worden sein kann. Dieser Unfall kann, da er Anlass zu einem Austausch des Daches gab, auch nicht lediglich relativ geringfügige oder auf das Fahrzeugdach beschränkte Auswirkungen gehabt haben. Wenn die Beklagte bzw. ihr Geschäftsführer der Ursache der Beschädigung des Daches nicht weiter nachgegangen ist und deshalb weitere Spuren eines erheblichen Unfallschadens nicht wahrnahm, so handelte sie bzw. er hinsichtlich des fehlenden Hinweises des Klägers auf einen Unfall mit sehr erheblichen Schäden mit Eventualvorsatz. Diese Form des Vorsatzes genügt für die Annahme der Arglist (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 123, Rn. 11).

Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass die Beklagte ihrer Hinweispflicht mit dem Vermerk im Kaufvertrag, es liege ein reparierter Unfallschaden laut Voreigentümer vor, nicht entsprochen hat. Diese Rechtsausführung bedarf keiner weiteren Begründung, nachdem er mit der Berufung nicht entgegengetreten worden ist.

Allerdings muss sich der Kläger eine höhere Nutzung in Anrechnung bringen lassen. Das Landgericht hat den Wert der Nutzung mit 0,5 % des Kaufpreises in Ansatz gebracht. Insofern erscheint es jedoch sachgerecht, den gezahlten Kaufpreis in ein Verhältnis zu der Laufleistung zu bringen, von der die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages ausgingen. Demnach hatte das Fahrzeug bereits eine Laufleistung von 100.000 km hinter sich. Geht man mit der Berufung davon aus, dass das Fahrzeug eine weitere Laufleistung von 150.000 km erwarte ließ, ist der Nutzungsvorteil mit dem von der Berufung geltend gemachten Wert von 1.176,54 € in Ansatz zu bringen.

Zum Ausspruch hinsichtlich der Zinsen wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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