Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 7 U 79/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 432
BGB § 756
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 79/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 30.4.2008

Verkündet am 30.4.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2008 durch

den Richter am Oberlandesgericht Hein, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. April 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 9. August 2005 - 2 K 243/03 - wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien lebten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Die Mutter des Klägers, G...W..., und die Beklagte erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 03.05.1996 (Anlage K 25 zum Schriftsatz des Klägers vom 24.10.2007) das im Grundbuch von S... Blatt 606 verzeichnete Flurstück 147 der Flur 3 mit einer Größe von 932 m2 in S..., Birkenweg 1 zum Kaufpreis von 302.900,00 DM zu jeweils einem hälftigen Anteil und bebauten dieses Grundstück mit einem Einfamilienhaus. In diesem Haus lebten die Parteien bis zum Auszug der Beklagten im Jahre 2003.

Bereits am 07.08.1996 schlossen die Beklagte und G... W... mit der D... Bausparkasse AG einen Kreditvertrag über 200.000,00 DM (Anlage K 1 Bl. 23 - 27 d.A.). Einen weiteren Darlehensvertrag über 94.000,00 DM schlossen die Beklagte und G... W... mit der D... Bausparkasse AG am 05.12.1996 (Anlage K 2 Bl. 28 - 30 d.A.). Die - vollständigen - Verträge sind Gegenstand des Anlagenbandes zum Schriftsatz des Klägers vom 27.10.2007. Zur Sicherheit der Kreditvergabe wurden zu Gunsten der D... Lebensversicherung in Abteilung III Nr. 1 und Nr. 2 Grundschulden über 200.000,00 DM und 100.000,00 DM eingetragen.

Die Beklagte betrieb im Juni 2003 die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft. Dem Kläger wurde durch Zuschlagsbeschluss vom 09.08.2005 (Bl. 31, 32 d.A.) das Grundstück zum Gebot von 245.000,00 € zugeschlagen. Der Kläger wurde als Eigentümer des Grundstücks eingetragen; abgesehen von einem Betrag von 33.500,00 € zahlte der Kläger allerdings nichts weiter auf sein Gebot.

Die Beklagte beantragte darauf hin die Wiederversteigerung des Grundstücks, welche durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 31.01.2006 (Bl. 37, 38 d.A.) wegen eines dinglichen Anspruchs auf Zahlung in Höhe von 212.821,15 € angeordnet wurde. Die Wiederversteigerung hat inzwischen dazu geführt, dass G... W... das Grundstück durch Beschluss vom 18.06.2007 (Bl. 414, 415 d.A.) zum Gebot von 228.960,00 € zugeschlagen wurde. Die Einzelheiten des Verteilungstermins sind im Protokoll vom 22.08.2007 festgehalten (Bl. 417 - 420 d.A.).

Mit seiner am 24.07.2006 eingereichten Klage hat der Kläger sich gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Zuschlagsbeschluss vom 09.08.2005 gewendet und geltend gemacht, ihm stünden verschiedene Ansprüche auf Berichtigung gegen die Beklagte zu. Der Kläger hat seine Rechte insoweit auf die Abtretungsurkunde (Bl. 298 d.A.) gestützt, derzufolge ihm G... W... ihre Anteile an der Bruchteilsgemeinschaft mit der Beklagten abgetreten hat.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 09.08.2005 - 2 K 243/03 - für unzulässig zu erklären,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von S... des Amtsgerichts N... Blatt 823 zu ihren Gunsten in Abteilung III lfd. Nr. 3 eingetragenen Sicherungshypothek im Nennbetrag von 212.821,15 € zu erteilen,

3. hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von S... des Amtsgerichts N... Blatt 823 zu ihren Gunsten in Abteilung III lfd. Nr. 3 eingetragenen Sicherungshypothek im Nennbetrag von 212.821,15 € wegen eines Teilbetrages von 106.410,57 € Zug um Zug gegen Übertragung der Hypothek auf sie allein zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die vom Kläger erhobenen Gegenforderungen seien nicht aufrechenbar.

Der Kläger hat gegen das ihm am 16.04.2007 zugestellte Urteil am 24.04.2007 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 09.08.2005 - 2 K 243/03 - für unzulässig zu erklären,

und erklärt den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit für erledigt, als er beantragt hat,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von S... des Amtsgerichts N... Blatt 823 zu ihren Gunsten in Abteilung III lfd. Nr. eingetragenen Sicherungshypothek im Nennbetrag von 212.821,15 € zu erteilen,

sowie hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von S... des Amtsgerichts N... Blatt 823 zu ihren Gunsten eingetragenen Sicherungshypothek im Nennbetrag von 212.821,15 € wegen eines Teilbetrages von 106.410,57 € Zug um Zug gegen Übertragung der Hypothek auf sie allein zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und schließt sich den Teilerledigungserklärungen des Klägers an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) als solche ist aus den Gründen des angefochtenen Urteils zulässig. Dagegen werden auch von der Beklagten keine Bedenken vorgebracht.

Die Vollstreckungsgegenklage ist weiterhin zulässig, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass das Grundstück inzwischen durch Beschluss vom 18.06.2007 (Bl. 401, 402 d.A.) G... W... zugeschlagen worden ist. Die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung ist nämlich noch nicht beendet, weil der Versteigerungserlös - nach Maßgabe des Protokolls zur Verteilung vom 22.08.2007 (Bl. 417 - 420 d.A.) - noch nicht ausgekehrt ist (BGH WM 1988, 845).

2.

Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet.

Die Vollstreckungsgegenklage eröffnet allein die Möglichkeit, der Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs materiell-rechtliche Einwendungen entgegenzusetzen. Der Vollstreckungstitel als solcher - im Streitfall der Zuschlagsbeschluss bei der Wiedervollstreckung (§ 133 ZVG) - kann mit der Vollstreckungsgegenklage nicht beseitigt werden (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 132 ZVG, Rdnr. 2.5).

Der Kläger erhebt materiell-rechtliche Einwendungen, die dem titulierten Anspruch entgegenstehen.

a)

Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung im Wege der Wiedervollstreckung auf der Grundlage der durch Beschluss vom 05.10.2005 (Bl. 33 d.A.) angeordneten Übertragung der Forderung von 212.821,15 €. Allerdings bezieht sich die Übertragung nicht auf die Beklagte allein, sondern auf die zwischen der Beklagten und G... W... bestehende Gemeinschaft (Bl. 33 d.A.).

Folglich beruft sich der Kläger auf Seite 5 der Klage (Bl. 16 d.A.) mit Recht darauf, dass die titulierte Forderung der Beklagten nicht allein, sondern nur nach Maßgabe ihrer Beteiligung an der Gemeinschaft (§ 420 BGB) - das heißt nur zur Hälfte (BGH NJW 1984, 2526, 2527) - zusteht. Mit Rücksicht auf die Abtretung (Bl. 298 d.A.) ist der Kläger befugt, den Einwand geltend zu machen, die Beklagte sei im Hinblick auf den G... W... zugefallenen Forderungsanteil (106.410,57 €) nicht Inhaberin der übertragenen Forderung. Mit der Abtretung hat G... W... dem Kläger nämlich ihre Ansprüche aus der Gemeinschaft übertragen (Bl. 298 d.A.).

Mithin erweist sich die Zwangsvollstreckung als unzulässig, als die Beklagte sie wegen einer Forderung betreibt, die den Betrag von 106.410,57 € übersteigt. b)

b)

Der Kläger ist - aus abgetretenem Recht - nicht gehindert, gegenüber der titulierten Forderung, die der Beklagte allerdings nur in Höhe von 106.410,57 € zusteht, mit Forderungen aufzurechnen, die G... W... aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen sind. Dies hat das Landgericht verkannt.

Ob die Aufrechnung zulässig ist, beurteilt sich im Streitfall nicht danach, dass sie sich gegen eine gemeinschaftliche Forderung im Sinne von § 432 BGB richtet. Der vom Landgericht gewählte Ansatz lässt die Besonderheiten außer Acht, die im Rahmen einer Aufhebung einer Gemeinschaft zu beachten sind. Maßgeblich ist, dass die Forderung auf Zahlung des Erlöses teilbar ist (BGH NJW 1984, 2526, 2527). Die Aufrechnung des Klägers richtet sich gegen die bereits im Rahmen der Aufhebung der Gemeinschaft titulierte Forderung, die als solche teilbar ist.

c)

Der Kläger hat gegen die titulierte Forderung, die der Beklagten in Höhe von 106.410,57 € an sich zusteht, wirksam mit einer Gegenforderung in Höhe von 153.387,57 € aufgerechnet.

aa)

Der Kläger hat bereits auf Seite 3 des Anwaltsschreibens vom 08.03.2006 (Bl. 41 d.A.) mit den auf Seite 8 der Klageschrift (Bl. 19 d.A.) aufgeführten Forderungen, also auch mit der Forderung auf gemeinschaftlichen Ausgleich wegen der ins geringste Gebot fallenden bestehen bleibenden Rechte in Höhe von 153.387,57 € (Bl. 19 d.A., unter Ziffer 3. aufgeführt), die Aufrechnung erklärt.

bb)

Ausweislich des - die Wiederversteigerung betreffenden - Beschlusses vom 18.07.2007 (Bl. 401 d.A.) sind ebenso wie in dem die - erste Versteigerung betreffenden - Beschluss vom 09.08.2005 (Bl. 31 d.A.) als Teil des geringsten Gebots die in Abteilung III/1 eingetragene Grundschuld in Höhe von 102.258,38 € und die in Abteilung III/2 eingetragene Grundschuld in Höhe von 51.129,19 € - insgesamt also 153.387,57 € - als Rechte bestehen geblieben.

Die genannten Grundschulden sichern die Darlehensforderungen der D... die diese aufgrund des Kreditvertrages vom 07.08.1996 (Anlage K 1 Bl. 23 - 27 d.A.) in Höhe von 200.000,00 DM sowie aufgrund des Darlehensvertrages vom 05.12.2001 (Anlage K 2 Bl. 28 - 30 d.A.) in Höhe von 94.000,00 DM - der Beklagten - gewährt hat.

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers, dass die als Anlagen K 1 und K 2 vorgelegten Verträge von allen Vertragsparteien unterzeichnet worden sind (Seite 2 des Schriftsatzes vom 01.06.2007 - Bl. 245 d.A.), nicht entgegengetreten.

Zwar sind in den beiden Verträgen jeweils auf Seite 1 als Schuldner die Beklagte und G... W... bezeichnet. Gleichwohl ist als persönliche Schuldnerin nur die Beklagte allein zu qualifizieren; dies gilt sowohl für das Verhältnis zur Darlehensgeberin als auch für das Gemeinschaftsverhältnis der Beklagten zu G... W.... In beiden Verträgen ist nämlich in Bezug auf G... W... vereinbart, dass sie als Grundstückseigentümer nicht die persönliche Schuldhaft übernimmt, sondern lediglich das Grundstück zur Darlehenssicherung zur Verfügung stellt (26, 27/ 30, 31 d.A.). Demgemäß hat die Beklagte auch bei der Bestellung der Finanzierungsgrundschulden (zu Seite 6 des Schriftsatzes des Klägers vom 24.10.2007 als Anlagen K 14 und K 15 vorgelegt) allein die persönliche Zahlungsverpflichtung für die Entrichtung des Grundschuldbetrages und der Zinsen übernommen.

Die in den Verträgen mit der Darlehensgeberin (D...) getroffene Bestimmung, dass G... W... nicht die persönliche Schuldhaft übernimmt, besagt für die Darlehensgewährung, dass G... W... im Verhältnis zur D... die Rückzahlung des Darlehens nicht schuldete. Dies war allein die Verpflichtung der Beklagten, die denn auch im Rahmen der Bestellung der Finanzierungsgrundschulden allein die persönliche Zahlungsverpflichtung übernommen hat. Die im Verhältnis zur Darlehensgeberin vereinbarte Schuldnerstellung der Beklagten hat auch für das Gemeinschaftsverhältnis zu gelten. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Darlehensaufnahme dem Zweck der Anschaffung und Bebauung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes diente. Es ist kein Grund ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Mitglieder der Gemeinschaft, also die Beklagte und G... W..., für das Gemeinschaftsverhältnis eine andere Regelung treffen wollten, als sie beide dies bereits im Rahmen der Darlehensaufnahme vereinbarten.

Ist die Beklagte nach Maßgabe des Gemeinschaftsverhältnisses verpflichtet, als persönliche Schuldnerin für die Rückzahlung der Darlehensbeträge einzustehen, so bedeutet dies zugleich, dass G... W... im Hinblick auf die mit Rücksicht auf die Darlehensaufnahme bestehen gebliebenen Rechte in Höhe von 153.387,57 € gegenüber der Beklagten eine Ausgleichsforderung aus dem Gemeinschaftsverhältnis gemäß § 756 BGB erworben hat.

cc)

Die Ausgleichsforderung (§ 756 BGB) in Höhe von 153.387,57 € hat G... W...dem Kläger nach Maßgabe der Abtretungsurkunde (Bl. 298 d.A.) abgetreten. Mithin ist der Kläger befugt, mit dieser Forderung aufzurechnen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien mit Rücksicht auf die Wiederversteigerung den Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge des Klägers zur Zustimmung der Löschung der eingetragenen Sicherungshypothek übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hätte der Kläger ohne das erledigende Ereignis obsiegt, weil seine Klage insgesamt von Anfang an zulässig und begründet war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück