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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 7 U 90/05
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 139 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 130 Abs. 3
InsO § 138 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 167
BGB § 170
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 90/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19. Juli 2006

Verkündet am 19. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Oberlandesgericht Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Mai 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.285,17 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2005 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger zu 24 % und die Beklagte zu 76 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 06.01.2003 über das Vermögen der Firma St... Bau GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Der Geschäftsführer der Schuldnerin ist zugleich auch Geschäftsführer der Beklagten. Die Schuldnerin stellte am 04.09.2002 den Insolvenzantrag.

Der Kläger hat die Beklagte mit der Behauptung auf Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen, die Schuldnerin habe an die Beklagte am 15./16.08.2002 Zahlungen in Höhe von 26.695,94 € geleistet; die Schuldnerin sei jedenfalls am 15.08.2002 zahlungsunfähig gewesen, sie habe die bis dahin fälligen Löhne und Gehälter nicht mehr gezahlt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.695,94 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mangels Schlüssigkeit abgewiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23.05.2005 zugestellte Urteil am 06.06.2005 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.285,17 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der von dem Kläger - im Berufungsrechtszug nunmehr nur noch - in Höhe von insgesamt 20.285,17 € geltend gemachte Klageanspruch ist unter dem Gesichtspunkt der insolvenzrechtlichen Rückgewähr (§§ 143 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO) begründet.

1.

Die Verfahrensrüge des Klägers greift durch.

Das Gericht muss auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage gemäß § 139 ZPO grundsätzlich auch eine anwaltlich vertretene Partei hinweisen, insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt die Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt oder darauf vertraut, dass sein schriftsätzliches Vorbringen ausreichend sei (BGH NJW 2001, 2548, 2549).

Ein solcher Fall lag hier vor. Das ergibt sich namentlich unter Berücksichtigung des unbestritten gebliebenen Telefonats, das der Einzelrichter am Tag vor der mündlichen Verhandlung mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers geführt und in dem er selbst - erstmals - auf Schlüssigkeitsbedenken hingewiesen und erklärt hat, dass dies für den Kläger überraschend sei (Bl. 136 d.A.). Da der Einzelrichter, ohne den angekündigten Hinweisbeschluss erlassen zu haben, in der Sache entschied, liegt ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 139 Abs. 2 ZPO vor. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht, seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es hierauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat.

Mit Rücksicht auf diesen Verfahrensfehler ist der Kläger mit seinem neuen Vorbringen im Berufungsrechtszug zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

2.

Die Anfechtungsvoraussetzungen der Vorschriften des § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO sind im Hinblick auf die hier interessierenden Zahlungen erfüllt.

Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Die Anfechtbarkeit ist nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegeben, wenn die Rechtshandlung nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

a)

Die im Berufungsrechtszug vorgetragenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 20.285,17 € hat die Schuldnerin in der Zeit vom 15.08.2002 bis zum 06.09.2002 erbracht. Das geht aus den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen BK 1 (Bl. 138, 139 d.A.), BK 2 (Bl. 140 d.A.), BK 3 (Bl. 141 d.A.), BK 4 (Bl. 142, 143 d.A.) und BK5 (Bl. 144 - 147 d.A.) hervor, denen die Beklagte inhaltlich nicht widersprochen hat.

Die Zahlungen sind anfechtbare Rechtshandlungen, die in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag bzw. nach diesem vorgenommen worden sind; sie haben zu einer kongruenten Deckung geführt, weil sie zur Tilgung fälliger Verbindlichkeiten geleistet worden sind.

b)

Die Gläubiger sind durch die angefochtenen Zahlungen objektiv benachteiligt, weil die Masse insoweit geschmälert wurde.

c)

Die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind im Hinblick auf die vor dem Eröffnungsantrag geleisteten Zahlungen erfüllt. Das Landgericht hat im unstreitigen Teil des Tatbestandes festgestellt, dass die Schuldnerin den Insolvenzantrag am 04.09.2002 stellte (Bl. 115 d.A.). Vor dem Eröffnungsantrag hat die Beklagte - jedenfalls - Zahlungen in Höhe von insgesamt 15.474,77 € erhalten. Hinsichtlich der Zahlung von 7.010,31, €, die am 04.09.2002 geleistet wurde, lässt sich das Tatbestandsmerkmal "nach dem Eröffnungsantrag" nicht ohne weiteres feststellen, weil die hierfür erforderlichen Angaben nicht mitgeteilt sind.

aa)

Die Schuldnerin war spätestens am 15.08.2002 zahlungsunfähig. Die Schuldnerin war nämlich nicht in der Lage, ihre Lohn- und Gehaltszahlungen für Juli 2002, die am 15.08.2002 fällig wurden, zu leisten. Dabei handelte es sich nicht um einen unwesentlichen Teil ihrer Schulden. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hatte die Schuldnerin monatlich durchschnittlich Zahlungen in Höhe von 570.000,00 € leisten müssen (Bl. 72 d.A.). Die Juni-Gehaltszahlungen, welche die Schuldnerin schon nicht bei Fälligkeit leisten konnte, machten allein 124.371,89 € aus (Bl. 70/106 d.A.). Die Liquiditätslücke, die sich somit - nur - im Hinblick auf die Löhne und Gehälter ergab, lag folglich deutlich über dem Schwellenwert von 10 % (Kirchhof in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 17 InsO, Rdnr. 19).

Die krisenhafte Entwicklung der Schuldnerin hatte schon wesentlich früher eingesetzt. Die Schuldnerin konnte schon die Juni-Gehälter, die am 15.07.2002 fällig wurden, nicht fristgerecht zahlen. Die Zahlungen hat sie erst am 02.08.2002 geleistet (Bl. 70 d.A.).

bb)

Das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat ändert an dieser Beurteilung nichts.

Es kann offen bleiben, ob die Beklagte sich hinsichtlich der Juni-Gehälter auf eine Stundungsvereinbarung berufen kann. Eine solche Stundungsvereinbarung soll die Schuldnerin nach dem Vorbringen der Beklagten ohnehin erst am 16.07.2002, also nach Eintritt der Fälligkeit, getroffen haben. Es mag auch so sein, dass es tatsächlich am 16.07.2002 zu einer Absprache zwischen den Arbeitnehmern der Schuldnerin und deren Geschäftsführer gekommen ist. Wie die Zeugin R... bei ihrer Vernehmung vor dem Senat ausgesagt hat, waren auf der Versammlung etwa 90 bis 95 % der Arbeitnehmer anwesend, die ihre Zustimmung dafür gaben, dass sie auf ihre Gehaltszahlungen noch drei Wochen warteten.

Der Umstand, dass die Schuldnerin ihre Juni-Gehaltszahlungen im Fälligkeitszeitpunkt (15.07.2002) nicht aufbringen konnte, ist ein Indiz für den Eintritt der krisenhaften Entwicklung ihrer Liquiditätslage. Daran ändert auch das Bemühen der Schuldnerin nichts, sich erst nach Fälligkeit auf der Betriebsversammlung vom 16.07.2002 das Einverständnis der Arbeitnehmerschaft zu einer verspäteten Zahlung einzuholen.

Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass am 12.08.2002 zwischen den Arbeitnehmern und der Schuldnerin eine Stundungsvereinbarung im Hinblick auf die am 15.08.2002 fällig gewordenen Löhne und Gehälter für den Monat Juli 2002 getroffen wurde.

Die - unter anderem - zur Stundung der Löhne und Gehälter für den Monat Juli 2002 vernommene Zeugin R... hat zwar möglicherweise eine Stundung dieser Löhne und Gehälter durch den Betriebsrat der Schuldnerin am 12.8.2002 bekundet. Die Zeugin, die Vorsitzende des Betriebsrats der Schuldnerin war, hat ausgesagt, es habe am 12.8.2002 eine Betriebsratssitzung gegeben. Dem Betriebsrat sei vom Geschäftsführer der Schuldnerin geschildert worden, dass die Löhne und Gehälter auch für den Monat Juli 2002 nicht pünktlich gezahlt werden könnten. Das sei im Betriebsrat erörtert worden. Der Betriebsrat habe sich entschieden, nicht sofort eine neue Betriebsversammlung einzuberufen, da eine solche erst im Vormonat stattgefunden habe. Im Ergebnis hätten sie dem Vorschlag der Geschäftsführung zugestimmt, die Löhne und Gehälter für den Monat Juli 2002 bis zum 30.8.2002 auszuzahlen.

Die von der Zeugin bekundete Zustimmung der verspäteten Auszahlung der Löhne und Gehälter für Juli 2002 mag als Stundung zu verstehen sein. Die Stundung ist gegebenenfalls jedoch unwirksam, weil es an einer Bevollmächtigung des Betriebsrates der Schuldnerin fehlte.

Der Betriebsrat ist kraft Gesetzes nicht zur Verfügung über die individuellen Vergütungsansprüche der von ihm vertretenen Arbeitnehmer berechtigt. An einer einschlägigen rechtsgeschäftlichen Ermächtigung durch die betroffenen Arbeitnehmer der Schuldnerin fehlt es jedoch.

Die Beklagte hat behauptet, der Betriebsrat der Schuldnerin sei zu einer eventuellen Stundung der Löhne und Gehälter für Juli 2002 bereits im Rahmen der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 durch die dort anwesenden Arbeitnehmer ermächtigt worden. Dies ist von der auch zu dieser Frage vom Senat vernommenen Zeugin R... nicht bestätigt worden.

Aus der Aussage der Zeugin R... ergibt sich, dass im Rahmen der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 auch die Frage erörtert wurde, was geschehen solle, falls die Gesellschaft auch Löhne und Gehälter für den nächsten Monat, nämlich den Juli 2002, nicht rechtzeitig zahlen könne. Sie habe daran zwar keine "so präzise Erinnerung mehr". Sie meine, dass das Problem nur erwähnt und gesagt wurde, dass in einem solchen Fall dann eine neue Entscheidung herbeigeführt werden müsse. Die Zeugin hat jedoch mit Nachdruck bekundet, dass für den Fall, dass auch Löhne und Gehälter für Juli 2002 nicht gezahlt werden könnten, jedenfalls auf der Betriebsversammlung am 16.7.2002 noch keine Vorkehrungen getroffen worden seien. Dies hat sie mittelbar durch ihre Angaben zu der Betriebsratssitzung vom 12.8.2002 bestätigt. Danach war Gegenstand dieser Betriebsratssitzung erneut die Mitteilung des Geschäftsführers der Schuldnerin, dass die Löhne und Gehälter nun auch für den Monat Juli 2002 nicht pünktlich gezahlt werden könnten. Dies sei im Betriebsrat erörtert worden. Man habe sich entschieden, nicht eine neue Betriebsversammlung einzuberufen, da eine solche gerade erst im Vormonat stattgefunden habe.

Die Erörterung der Einberufung einer erneuten Betriebsversammlung durch den Betriebsrat lässt jedoch nicht erkennen, dass sich dieser bereits zu einer Entscheidung über das erneute Stundungsansinnen des Geschäftsführers der Schuldnerin von deren Arbeitnehmern bevollmächtigt sah. Die Zeugin hat vielmehr angegeben, sie habe sich in ihrer Position als Vorsitzende des Betriebsrats zu der Übereinkunft mit der Geschäftsführung vom 12.8.2002 berechtigt gesehen, zumal der gesamte Betriebsrat dafür gewesen sei.

Die nachfolgend vernommene Zeugin Sch... hat allerdings ausgesagt, sie meine, auf der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 sei auch die Frage angesprochen worden, was denn passieren solle, falls die Gesellschaft auch die nächsten Löhne und Gehälter nicht rechtzeitig zahlen könne. Einige Arbeitnehmer hätten sich dazu geäußert. Sie habe die Erinnerung, dass diese sagten, der Betriebsrat solle sich dann damit befassen und entscheiden. Ein Grund hierfür sei gewesen, dass eine Reihe von Arbeitnehmern eine ziemlich weite Anreise zur Betriebsversammlung hatten und nicht gleich ein zweites mal herkommen wollten.

Diese Aussage lässt zwar die Möglichkeit zu, dass die Arbeitnehmer auf der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 mehr oder weniger geschlossen den Betriebsrat zu einer nachfolgenden Stundungsvereinbarung ermächtigt hätten. Sie ist jedoch zu wenig konkret, um von der Richtigkeit der diesbezüglichen Behauptung der Beklagten zu überzeugen. Es bleibt offen, ob die von der Zeugin wiedergegebenen Äußerungen lediglich die Stellungnahmen einiger Arbeitnehmer - etwa derjenigen, die eine weitere Anreise hatten - waren oder ob die anderen Arbeitnehmer sich diese Äußerungen geschlossen oder überwiegend zu eigen machten.

Der Zeuge S... hat zu diesem Sachverhalt ausgesagt, nach seiner Erinnerung sei die Frage aufgeworfen worden, was denn passieren solle, falls auch die Löhne und Gehälter für den Monat Juli nicht pünktlich gezahlt werden könnten. Er habe daran allerdings keine präzise Erinnerung mehr. Er meine, man sei so verblieben, dass derartige Dinge dann mit dem Betriebsrat zu klären seien. Dazu habe es auch entsprechende Redebeiträge gegeben. Der Betriebsrat habe das Vertrauen der Arbeitnehmer gehabt.

Diese Aussage ist jedoch gleichfalls nicht hinreichend, um die Überzeugung zu gewinnen, die auf der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 anwesenden Arbeitnehmer hätten den Betriebsrat zu einer erneuten Stundung der Juli-Löhne und Gehälter ermächtigt.

Die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, es habe eine Ermächtigung des Betriebsrates zum Abschluss einer weiteren Stundungsvereinbarung für die zum 15.8.2002 fällig werdenden Lohn- und Gehaltszahlungen gegeben, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Deshalb ist auch eine Fortsetzung der Beweisaufnahme zu diesem Thema durch Vernehmung der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 18.5.2006 hierzu benannten Zeugen nicht erforderlich.

Die Behauptung der Beklagten, die Arbeitnehmer der Schuldnerin hätten den Betriebsrat der Schuldnerin in der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 zum Abschluss einer Stundungsvereinbarung bezüglich der Löhne und Gehälter für den Monat Juli 2002 bevollmächtigt, als wahr unterstellt, ist gleichwohl nicht von einer wirksamen Bevollmächtigung des Betriebsrates der Schuldnerin zu einer Stundungsvereinbarung auszugehen. Eine entsprechende Bevollmächtigung ist vielmehr unwirksam.

Die rechtsgeschäftliche Vollmacht nach § 167 BGB ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 167, Rn. 1). Als solche bedarf sie für ihre Wirksamkeit zwar keiner Annahme. Da es sich jedoch um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist ihre Wirksamkeit davon abhängig, dass ein anderer von ihr Kenntnis erlangt.

Hier haben die Mitglieder des Betriebsrates eine entsprechende Bevollmächtigung durch die Arbeitnehmer der Schuldnerin jedoch nicht wahrgenommen. Dies folgt aus der Aussage der Zeugin R..., die bekundete, für den Fall, dass auch die Löhne und Gehälter für Juli nicht gezahlt werden könnten, seien auf der Betriebsversammlung vom 16.7.2002 noch keine Vorkehrungen getroffen worden. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin zu dieser Frage zu zweifeln. Die zitierte Aussage steht - wie vorstehend ausgeführt -im Zusammenhang mit weiteren Bekundungen der Zeugin. Die Zeugin war überdies bemüht, zu den Fragen des Beweisbeschlusses bzw. den Fragen des Senates und der Prozessbevollmächtigten der Parteien konzentriert und sorgfältig Stellung zu nehmen.

Eine wirksame Bevollmächtigung des Betriebsrates oder seiner Mitglieder durch die Arbeitnehmer der Schuldnerin zum Abschluss einer weiteren Stundungsvereinbarung ist mithin nicht festzustellen. Ebenso kann nicht angenommen werden, dass die Arbeitnehmer der Schuldnerin eine einschlägige Bevollmächtigung des Betriebsrates bzw. seiner Mitglieder durch Erklärung gegenüber dem Geschäftsführer der Schuldnerin nach § 170 BGB erteilt hätten. Dies liegt auch nicht nahe, da die Durchführung der Betriebsversammlung bei dem Betriebsrat, nicht aber bei der Geschäftsführung der Schuldnerin lag.

Der Senat hält es folglich - entgegen den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 28.06.2006 - nicht für erforderlich, in eine weitere Sachaufklärung einzutreten. Ganz abgesehen davon, dass die Beklagte sich auf das Wissen nur einzelner Arbeitnehmer beruft, hat schon die Zeugin R... - als die Adressatin einer etwaigen Bevollmächtigung - selbst keine Angaben hierzu machen können.

cc)

Die Beklagte kannte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Vornahme der hier interessierenden Zahlungen. Das folgt ohne weiteres daraus, dass der Geschäftsführer der Beklagten zugleich Geschäftsführer der Schuldnerin und damit eine nahestehende Person im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist.

Gemäß § 130 Abs. 3 InsO wird in Bezug auf eine dem Schuldner nahestehende Person vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit kannte. Die Beklagte hat sich nicht entlastet. Im Gegenteil, die Beklagte hat auch in diesem Rechtsstreit - auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 03.03.2005 - Bl. 74 d.A. - vorgetragen, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin am 14.08.2002 eine Liquiditätsprüfung vorgenommen habe, und zwar auf der Grundlage der vom Senat herangezogenen Aufstellung "Kontoumsätze".

d)

Hinsichtlich der Zahlungen von 532,11 € und von 4.278,29 €, die am 06.09.2002 geleistet wurden, ist der Insolvenzanfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt. Diese Zahlungen hat die Beklagte erst nach dem Insolvenzantrag, der am 04.09.2002 gestellt wurde, erhalten. Bei nach dem Insolvenzantrag vorgenommenen Rechtshandlungen ist die Anfechtbarkeit gegeben, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung den Eröffnungsantrag kannte (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Diese Voraussetzung ist in der Person des Geschäftsführers der Beklagten zweifelsfrei erfüllt.

3.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 291 BGB gerechtfertigt.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug: 20.285,17 €.

Ende der Entscheidung

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