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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 8 U 11/01
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 17
InsO § 18 Abs. 1
InsO § 18 Abs. 2
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 130
InsO § 130 Abs. 1
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 130 Abs. 2
InsO § 131
InsO § 131 Abs. 2
InsO § 132
InsO § 132 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 133
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 133 Abs. 1 Satz 2
InsO § 143 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 829 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 U 11/01

Verkündet am 29. November 2001

in dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2001 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Beilich, des Richters am Oberlandesgericht Fischer und des Richters am Landgericht Dr. Fiedler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Januar 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das am 3. Januar 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.500,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten dürfen auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Verwalterin in dem am 30.4.1999 über das Vermögen der B H und T GmbH (künftig: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Sie verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr verschiedener - teilweise auf Grund von Pfändungen durch das Finanzamt P eingezogener, teilweise auch von der Schuldnerin bzw. deren Bank gezahlter - Beträge in Höhe von insgesamt 253.325,61 DM.

Seit Sommer 1997 führte das Finanzamt wegen aufgelaufener Steuerrückstände gegenüber der Schuldnerin Vollstreckungsmaßnahmen durch. Am 18.1.1999 erließ es gegenüber der Schuldnerin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Höhe von 180.000,00 DM, die durch Bescheid vom 21.1.1999 (Bl. 25 d. A.) auf einen Betrag von 109.270,50 DM reduziert wurde.

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der Drittschuldnerin, der B Bank, am 20.1.1999 zugestellt (Bl. 149, 180 d. A.); die Verfügung betraf die zum 13.10. bzw. 12.11.1998 fällige Lohnsteuer für September und Oktober 1998 sowie die Umsatzsteuer für Oktober 1998, die am 14.12.1998 fällig war. Von der Drittschuldnerin wurden daraufhin am 1.2.1999 und am 10.2.1999 Zahlungen in Höhe von 74.000,00 DM und 35.270.50 DM an den Beklagten veranlasst (Bl. 203, 349 d. A.).

Mit Schreiben vom 19.2.1999 wandte sich die Schuldnerin mit der Bitte um Unterstützung im Rahmen des Projekts "Runder Tisch" an die Handwerkskammer P unter Hinweis darauf, dass sie "derzeit in größere Liquiditätsprobleme geraten" (Bl. 86 d. A.) sei.

Am 15.3.1999 erließ der Beklagte eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 398.377,33 DM (Bl. 27, 28, 29 d. A.), gerichtet an die Raiffeisenbank B als Drittschuldnerin.

Am 18.3.1999 zahlte die Schuldnerin per Scheck über das bei der B Bank geführte Konto auf die Lohnsteuer für Oktober 1998 an den Beklagten 30.000,00 DM (Bl. 368 d. A.).

Am 23.3.1999 erließ der Beklagte eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 394.212,40 DM, gerichtet an die B Bank. Die auf Grund der Pfändung vom 15.3.1999 an den Beklagten geleisteten Zahlungen vom 25.3.1999 über 35.900,00 DM, vom 19.4.1999 über 29.400,00 DM und vom 23.4.1999 über 173,50 DM - insgesamt 65.473,50 DM - hat der Beklagte der Klägerin vor Klageerhebung zurückerstattet.

Im April 1999 richtete die Schuldnerin bei der C Bank AG in L ein Konto ein, über das sie am 14.4.1999 einen Scheck in Höhe von 143.401,78 DM und am 19.4.1999 einen weiteren Scheck in Höhe von 86.685,65 DM einzog (Bl. 87 d. A.). Über dieses neu errichtete Konto leistete die Schuldnerin am 20.4.1999 u. a. an den Beklagten drei Zahlungen in Höhe von insgesamt 114.055,11 DM. Es handelt sich hierbei um einen Betrag in Höhe von 31.883,80 DM, der sich dem Überweisungsauftrag der Schuldnerin zufolge auf die - in der Anlage zur Pfändungsverfügung vom 15.3.1999 (Bl. 29 d. A.) erfasste - Lohnsteuer November 1998 einschließlich Säumniszuschläge bezog (Bl. 370 d. A.). Des Weiteren handelt es sich um einen Betrag von 50.365,45 DM, der die angemeldete Lohnsteuer für Februar 1999 betraf. Schließlich handelt es sich um einen Betrag von 31.805,68 DM, den die Schuldnerin auf die angemeldete Lohnsteuer für März 1999 entrichtete.

Mit Schreiben vom 21.4.1999 (Bl. 34 d. A.), eingegangen beim Insolvenzgericht am 23.4.99, stellte die Geschäftsführerin der Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückgewähr der an ihn geleisteten Zahlungen von insgesamt 253.325,61 DM, nämlich der Beträge in Höhe von 74.000,00 DM, 35.270,50 DM, 30.000,00 DM, 31.883,80 DM, 50.365,45 DM und 31.805,86 DM. Insoweit wird auf die tabellarische Aufstellung auf S. 7 der Klageschrift verwiesen (Bl. 7 d. A.).

Die Klägerin hat behauptet, die Schuldnerin habe seit Januar 1999 Löhne und Gehälter nicht mehr regelmäßig gezahlt; zum 30.4.1999 seien Rückstände in Höhe von 600.615,00 DM aufgelaufen. Die I I krankenkasse habe seit Januar 1999 rückständige Beiträge in Höhe von noch 229.000,00 DM anzumelden gehabt, obwohl die Schuldnerin an sie auf den Rückstand am 19.4.1999 noch eine Zahlung von ca. 101.000,00 DM geleistet habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilten, an sie als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der B H - und T GmbH 253.325,61 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.2.2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 31.883,80 DM stattgegeben, sie im Übrigen aber abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anfechtung unterliege nur die durch Überweisung vom 19.4.1999 veranlasste Zahlung von 31.883,80 DM, weil es sich hierbei um eine inkongruente Deckung handele, die dem Beklagten im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewährt worden sei (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die übrigen Zahlungen bzw. Überweisungen seien nicht anfechtbar, weil die Klägerin zu einer bereits im Februar 1999 vorliegenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und zur Kenntnis des Beklagten von einer möglichen Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nicht hinreichend vorgetragen habe.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt, der sich der Beklagte angeschlossen hat.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, über das Zuerkannte (31.883,80 DM nebst Zinsen) hinaus weitere 221.441,81 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.2.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussberufung

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Rechtsmittel des Beklagten, 4as als unselbstständige Anschlussberufung (§ 521 Abs. 1 ZPO) Zulässig ist, erweist sich demgegenüber als begründet.

Der Klägerin steht ein insolvenzrechtlicher Rückgewähranspruch, § 143 Abs. 1 InsO, nicht, auch nicht in dem vom Landgericht angenommenen Umfang zu.

1.

Die Zahlungen der B Bank vom 1.2.1999 und 10.2.1999, die diese als Drittschuldnerin in Befolgung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18.1.1999 geleistet hatte, sind nicht anfechtbar, weil es insoweit schon an der objektiven Gläubigerbenachteiligung, § 129 Abs. 1 InsO, fehlt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (ZIP 2000, 898) sind die Pfändung und Einziehung einer Forderung einerseits und die Zahlung durch den Drittschuldner andererseits selbstständige Rechtshandlungen, die jeweils selbstständig angefochten werden können. Die Anfechtung der Befriedigung (Zahlung) hat indes keinen Erfolg, wenn die Pfändung und die Überweisung wirksam und insolvenzbeständig sind. In diesem Fall wird die Gläubigergesamtheit nicht benachteiligt, weil der Pfändungspfandgläubiger nur das erhält, was ihm bereits auf Grund des Pfändungspfandrechts zusteht (BGH a. a. O. m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur). So liegt der Streitfall.

a. Zwar ist die angeführte Entscheidung zum Anwendungsbereich der KO ergangen. Ihre Grundsätze beanspruchen Geltung aber auch für den Anwendungsbereich der InsO, weil die vorausgesetzte objektive Gläubigerbenachteiligung in den unterschiedlichen Ordnungen des Insolvenzrechts (KO, GesO, InsO) nicht unterschiedlich zu beurteilen ist.

b. Der Beklagte hat durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18.1.1999 ein insolvenzbeständiges Pfändungspfandrecht erworben. Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit gemäß § 131 InsO liegen nicht vor. Als Rechtshandlung des Gläubigers ist die Vollstreckungsmaßnahme auch nicht gemäß § 133 InsO anfechtbar, weil diese Vorschrift eine Rechtshandlung des Schuldners voraussetzt.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. die Nachweise in BGHZ 136, 312 = ZIP 97, 1929) unterfällt zwar der im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Erwerb des Pfändungspfandrechts als inkongruente Deckung an sich dem Anwendungsbereich des § 131 InsO. Ob die früher dazu gegebene Begründung nicht "den Kern der Sache" trifft, wie der BGH jetzt (BGHZ 136, 312) meint, bedarf ebenso wenig der näheren Erörterung wie die Frage, ob diese Rechtsprechung überhaupt noch mit der Neuregelung der Anfechtbarkeit inkongruenter Deckung in § 131 InsO - namentlich deren weitergehender zeitlicher Erstreckung und dem nahezu gänzlichen Wegfall subjektiver Elemente der Anfechtbarkeit auf Seiten des Anfechtungsgegners - vereinbar ist. Nach § 131 InsO sind jedenfalls nur solche Rechtshandlungen anfechtbar, die in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden sind. Das ist bei der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18.1.1999 nicht der Fall. Gemäß § 829 Abs. 3 ZPO ist die Pfändung als mit der Zustellung der Verfügung an die B Bank, die - wie nunmehr unstreitig ist - am 20.1.1999 erfolgt war., bewirkt anzusehen, also vor Beginn des in § 131 InsO bestimmten Zeitraumes von drei Monaten vor der Einreichung des Eröffnungsantrages am 23.4.1999.

c. Ohne Erfolg meint die Klägerin, aus der Entscheidung des BGH vom 29.3.2001 (veröffentlicht u. a. in ZIP 2001, 825 = InVo 2001, 294) ableiten zu können, das Pfändungspfandrecht sei nicht bereits mit der Zustellung an die Drittschuldnerin (§ 829 Abs. 3 ZPO), sondern "erst mit dem Abruf der Kreditlinie" entstanden.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich jene Entscheidung mit Fragen der Insolvenzanfechtung überhaupt nicht befasst, auch nicht befassen musste, und sie solche Fragen erst recht nicht beantwortet hat. Namentlich enthält sie kein einziges Wort darüber, zu welchem Zeitpunkt das - gemäß § 829 Abs. 3 ZPO "bewirkte" - Pfändungspfandrecht "entsteht". Vielmehr hat der BGH ausdrücklich hervorgehoben, dass die Pfändung in eine vereinbarte "freie Kreditlinie" - anders als bei einer nur "geduldeten Überziehung" - wirksam ist und vom Drittschuldner beachtet werden muss. Die vom BGH zu entscheidende - und beantwortete - Frage ging nicht etwa dahin, ob - und unter welchen Voraussetzungen - eine vom Drittschuldner befolgte Pfändung anfechtbar ist, sondern - im Gegenteil - dahin, ob ein Drittschuldner, der die Pfändung nicht befolgt, dem Pfändungsgläubiger gegenüber frei wird. Diese Frage hat der BGH verneint. Das besagt für den Streitfall nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass die Drittschuldnerin sich "rechtskonform" verhalten hat. Zwar ist die Pfändungs- und Einziehungsverfügung selbst nicht vorgelegt, sondern nur eine - nicht ganz vollständig lesbare - Fotokopie des Entwurfs (Bl. 151 d. A.). Daraus ist aber ersichtlich, dass der Beklagte u. a. auch die Ansprüche der Schuldnerin auf Auszahlung, Gutschrift oder Überweisung von Kreditmitteln aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen (z. B. Kredit oder Überziehungskredit ohne besondere Zweckbindung oder Kredit für betriebliche Zwecke) gepfändet hat. Das zieht die Klägerin auch nicht in Zweifel.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung der Klägerin, die Drittschuldnerin habe die "freie Kreditlinie" von zunächst 900.000,00 DM auf 600.000,00 DM "zurückgeführt". Die dazu überreichten Kontoauszüge (Bl. 359 bis 368 d. A.) zeigen, dass die Pfändung aus der - unterstellt - reduzierten "freien Kreditlinie" bedient worden ist.

Weiter hat der BGH in dieser Entscheidung (unter 1.1. der Gründe) zwar ausgeführt, es spreche viel dafür, dass (bei einem Dispositionskredit; dem steht ein vereinbarter Kontokorrentkredit - wie im Streitfall - ersichtlich gleich) "bis zum jeweiligen Abruf noch kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank" bestehe. Abgesehen davon aber, dass der BGH diese Frage nicht abschließend zu beantworten hätte und auch nicht beantwortet hat, hat er doch mit Nachdruck hervorgehoben, dass - in jenem Fall - die "Kreditauszahlungsansprüche" des Kontoinhabers "wirksam gepfändet" waren. Ausdrücklich hervorgehoben hat der BGH dabei, dass auch künftige Ansprüche, auch solche auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens, pfändbar sind (1.2. der Gründe mit Hinweisen auf BGHZ 53, 29, 32 und JR 78, 419). Einen - dem Gesetz, § 829 Abs. 3 ZPO, zuwiderlaufenden - Rechtssatz, dass etwa die Pfändung einer künftigen Forderung erst mit deren Entstehen als "bewirkt" anzusehen wäre, oder bei der Pfändung eines Auszahlungsanspruchs aus zugesagtem Darlehen gar erst mit "Abruf" des Kontoinhabers, hat der BGH nicht aufgestellt. Das ist seinen Ausführungen auch sonst nicht zu entnehmen. Der "Abruf ist jedenfalls nicht Voraussetzung des Entstehens - auch nicht der "Wirksamkeit" - des Pfändungspfandrechts. Dieses wird vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt. In Zweifel gezogen hat der BGH allenfalls, ob der Pfändungspfandgläubiger bereits vor einem "Abruf Auszahlung (an sich) verlangen kann. Darauf kommt es aber für die Insolvenzbeständigkeit des Pfändungspfandrechtes nicht an. Der Zusammenhang der Entscheidungsgründe im Übrigen zeigt überdeutlich, dass es dem BGH in dieser Entscheidung gar nicht darum gegangen ist, über das "Entstehen" des Pfändungspfandrechts überhaupt - und dessen Zeitpunkt - und/oder die "Wirksamkeit" Rechtssätze aufzustellen, die mit seiner früheren Rechtsprechung nicht in Einklang stehen. Die Frage, ob der Pfändungspfandgläubiger ohne Mitwirkung des Kontoinhabers gegen den Drittschuldner einen Anspruch auf Auszahlung (Hervorhebung durch den Senat) habe, hat der BGH indes ausdrücklich offen gelassen ("Darauf ist hier nicht weiter einzugehen."). Darüber hinaus hat der BGH der Auffassung, eine Pfändung in die "freie Kreditlinie" sei (schlechthin) unpfändbar, eine klare Absage erteilt. Für die Frage, wann das Pfändungspfandrecht entsteht und ob es - deshalb - entweder insolvenzfest oder anfechtbar erworben ist, ergibt sich aus jener Entscheidung hingegen nichts. Das Pfändungspfandrecht des Beklagten ist mithin mit Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vor Beginn der Frist des § 131 InsO insolvenzfest entstanden.

2.

Nicht anfechtbar ist auch die (Scheck-)Zahlung der Schuldnerin i. H. v. 30.000,00 DM, aus der der Beklagte infolge der am 18.3.1999 erfolgten Abbuchung vom Konto der Schuldnerin Befriedigung erlangt hat.

a. Als - anfechtbare - Rechtshandlung der Schuldnerin kommt nicht die Abbuchung, sondern (nur) die Hingabe des Schecks in Betracht. Über den Zeitpunkt der Hingabe tragen die Parteien nichts vor. Indes ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Kontoauszug (Bl. 368 d. A.), dass der Scheck bei der Landeszentralbank eingereicht und bei der bezogenen Bank - erst - am 18.3.1999 eingelöst worden ist. Daraus folgt, dass die Scheckhingabe mehrere Tage zuvor stattgefunden haben muss.

b. Die Rechtshandlung gewährte dem Beklagten eine kongruente Befriedigung i. S. d. § 130 InsO. Die Schuldnerin leistete auf eine fällige Schuld, wobei die Scheckhingabe einer Zahlung gleichsteht, weil der Scheck - ersichtlich - als Zahlungsmittel hingegeben worden ist.

Die Hingabe des Schecks lässt sich auch nicht etwa deshalb als inkongruent begreifen, weil, sie in - irgendeinem - Zusammenhang mit einer Vollstreckungsmaßnahme des Beklagten gestanden hätte. Die vorausgegangene Zwangsvollstreckungsmaßnahme des Beklagten war erledigt (oben 1.). Die mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.3.1999 bei der Raiffeisenbank B ausgebrachte Pfändung war der Schuldnerin, soweit ersichtlich, bei der Scheckhingabe nicht einmal bekannt. Die Klägerin behauptet das auch nicht. Es lässt sich mithin nicht feststellen, dass die Scheckhingabe "zur Abwendung" der Zwangsvollstreckung oder sonst "unter dem Druck" einer solchen erfolgt wäre.

c. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO liegen indes nicht vor. Zwar ist die Zahlung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag geleistet. Zweifelhaft ist indes schon, ob die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig war.

Zwar hatte die Schuldnerin schon seit Januar 1999 die Löhne und Gehälter nicht mehr gezahlt, wie die Klägerin (Bl. 253 f.) vorgetragen hat. Dem Beklagten war sie namhafte Steuerforderungen schuldig geblieben, was sogar schon zu - allerdings erfolgreichen - Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geführt hatte. In ihrem Antrag auf Projektteilnahme "Runder Tisch" vom 19.2.1999 (Bl. 86 d. A.) hatte sie angegeben, "in größere Liquiditätsprobleme geraten" zu sein. Andererseits hat das I für D GmbH (IDB) in seinem Bericht zur Vorbereitung des "Runden Tisches" (Bl. 42 bis 59 d. A.) vom 18.3.1999 - das ist der Tag der Abbuchung des Schecks - der Schuldnerin bescheinigt, sie sei nicht überschuldet (Bl. 45 d. A.), es seien "gegenwärtig keine Voraussetzungen gegeben", nach denen die Geschäftsführerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen habe (Bl. 49 d. A.). Dem mag wiederum entgegenzuhalten sein, dass dieses - vielleicht beschönigende - Urteil angesichts der ebenfalls mitgeteilten Liquiditätskennziffern (Anl. 3 des Berichtes, Bl. 55 d. A.) von Tatsachen nicht getragen zu sein scheint (vgl. zur Liquiditätsbetrachtung: Kirchhof in HK-InsO, 2. Aufl., § 17 InsO Rn. 20, 24). Indes hat nicht einmal die Klägerin selbst in ihrem Gutachten für das Insolvenzgericht vom 30.4.1999 (Bl. 155 bis 173 d. A.) die eingetretene Zahlungsunfähigkeit für Mitte März 1999 festgestellt, sondern - nur - "zumindest eine drohende Zahlungsunfähigkeit" (Bl. 155 d. A.), was als Insolvenzeröffnungsgrund auf den Eigenantrag der Schuldnerin hin allerdings ausreichte (§ 18 Abs. 1 InsO). Dieses Gutachten mag, wie die Klägerin geltend macht, auf einer nur überschlägigen Betrachtung der Finanzsituation der Schuldnerin beruhen, weil die Klägerin schon so jedenfalls einen hinreichenden Eröffnungsgrund feststellen konnte. Bedeutsam für die Frage, ob bereits Mitte März die Zahlungsunfähigkeit eingetreten war und sich dies feststellen ließ, ist aber der Umstand, dass der Klägerin die Geschäftsbücher und -unterlagen der Schuldnerin - wenn auch "nicht sehr geordnet" - vorlagen und ihr den Umständen nach auch der erwähnte Bericht des IDB bekannt gewesen sein muss, ohne dass die Klägerin daraus den angesichts der mitgeteilten Liquiditätskennziffern nahe liegenden - oder gar "zwingenden" (vgl. Kirchhof a. a. O.) - Schluss auf die (längst) eingetretene Zahlungsunfähigkeit gezogen hätte.

Indes kann es im Ergebnis offen bleiben, ob die Schuldnerin bereits Mitte März 1999 zahlungsunfähig i. S. d. § 17 InsO war und dies nachträglich (ex post) festgestellt werden kann. Es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung der Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO - Nr. 2 derselben Vorschrift kommt nicht in Betracht -, dass nämlich der Beklagte die Zahlungsunfähigkeit kannte. Zwar steht gemäß § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die "zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen". Auch die Kenntnis solcher Umstände steht nicht fest. Dem Beklagten war zwar bekannt, dass die Schuldnerin in erheblichem Umfang Steuern schuldig geblieben war. Er kannte seine vorausgegangenen - allerdings erfolgreichen - Vollstreckungsmaßnahmen und wusste auch, dass er gerade erst (wenige Tage vor der Abbuchung des Schecks und Eingang der Zahlung) eine weitere Vollstreckungsmaßnahme ausgebracht hatte. All dies sind aber noch nicht Umstände, die - wie es das Gesetz fordert - "zwingend" auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen mussten. Dagegen steht nicht nur der bereits erwähnte Bericht des IDB vom 18.3.1999, sondern - vor allem - das eigene Gutachten der Klägerin vom 30.4.1999, die selbst nicht einmal diesen "zwingenden" Schluss gezogen hat, obwohl ihr - anders als dem Beklagten - die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin und namentlich auch die Liquiditätskennziffern des Berichts des IDB vorlagen. Es gibt keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte fünf Wochen vor dem Eröffnungsantrag mehr Umstände kannte, als die Klägerin eine Woche danach. Den Bericht des IDB, der - wenn auch fragwürdig - sogar zu einem gegenteiligen Schluss gekommen war, kannte der Beklagte ohnehin nicht.

d. Aus den nämlichen Gründen ist die Scheckhingabe nicht gemäß § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit gemäß § 133 Abs. 1 InsO trägt die Klägerin nicht vor. Sie sind auch sonst nicht erkennbar.

3.

Ebenso wenig sind schließlich die (3) Zahlungen der Schuldnerin, die am 20.4.2001 von dem neu eingerichteten Konto bei der C Bank abgebucht und an den Beklagten geleistet worden sind, anfechtbar.

Als rechtliche Grundlage der Anfechtung kommen nur § 130 InsO und/oder § 133 InsO in Betracht. Alle 3 Zahlungen können - wie in der Senatsverhandlung mit Zustimmung der Parteien erörtert - nur allesamt entweder kongruent oder inkongruent sein. Die Auffassung des Landgerichts, eine dieser Zahlungen sei inkongruent, die beiden anderen dagegen kongruent, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.

a. Die Zahlungen sind nicht gemäß § 131 InsO (wegen Inkongruenz) anfechtbar.

Das nimmt das Landgericht wegen zweier Zahlungen zu Recht an. Das beanstandet die Berufung auch nicht. Die "Inkongruenz" der dritten Zahlung folgert das Landgericht aus der dazu gegebenen Tilgungsbestimmung der Schuldnerin, weil die Schuldnerin mit dieser Tilgungsbestimmung (§ 362 BGB) eine Forderung bedient habe, wegen derer der Beklagte - anderweitig - die Zwangsvollstreckung betrieb. Es hat deshalb angenommen, diese Zahlung sei "anlässlich einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme" bzw. "zur Abwendung weiterer Zwangsvollstrek-kungsmaßnahmen" erfolgt und deshalb "inkongruent". Diese Begründung ist nicht tragfähig. Sie erhebt letztlich die Tilgungsbestimmung des Schuldners zu einer Tatbestandsvoraussetzung der Anfechtung, die sie nach dem Gesetz nicht ist. Für die Frage, ob eine Leistung kongruent oder inkongruent ist, kann es auf die Tilgungsbestimmung des Schuldners jedenfalls dann nicht ankommen, wenn die getilgte Forderung fällig ist, der Gläubiger also nur das erhält, was er ohnehin zu fordern hat.

Die Begründung ist auch in sich widersprüchlich. Wäre diese eine Zahlung inkongruent, müssten es folgerichtig die anderen auch sein. Denn auch diese sind auf fällige Forderungen des Beklagten geleistet. Zwar hatte der Beklagte wegen dieser Forderungen noch nicht die Zwangsvollstreckung betrieben. Weshalb die Zahlung etwa nicht dennoch "zur Abwendung weiterer - nahe liegend: drohender - Zwangsvollstreckung" geleistet seien, erwägt das Landgericht nicht einmal. Es hätte - von seinem, auf höchstrichterliche Entscheidungszitate gestützten - Rechtsstandpunkt aus konsequent auch die beiden anderen Zahlungen für "inkongruent" halten müssen.

Indessen kann es aus Rechtsgründen zur Ausfüllung des Merkmals der Inkongruenz (§ 131 Abs. 1 InsO) auf die Tilgungsbestimmung des Schuldners nicht ankommen, jedenfalls sofern dadurch eine fällige Schuld getilgt werden soll. Das ergibt sich sogar - im Umkehrschluss - aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung: Hätte die Schuldnerin diese eine Zahlung ohne Tilgungsbestimmung geleistet, würde das Landgericht sie als "kongruent" angesehen haben. Vielmehr kommt es für die Frage, ob mit der Leistung auf eine fällige Schuld eine kongruente oder eine inkongruente Leistung erbracht wird, entscheidend auf die tatsächlichen Umstände der Leistung an, denen das Landgericht nicht genügend Beachtung geschenkt hat.

aa. Mit den - jedenfalls dem äußeren Anschein nach - freiwilligen Zahlungen vom Konto der C Bank hat die Schuldnerin kongruente Leistungen erbracht. Sie hat gezahlt, was sie schuldete. Die getilgten Verbindlichkeiten waren auch fällig. Der Beklagte hat nichts erhalten, was er "nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte" (§ 131 Abs. 1 InsO).

Als "inkongruent" könnten die Leistungen nur dann angesehen werden, wenn sie in eine - rechtlich bedeutsame - Verbindung zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten gebracht werden könnten.

bb. Dem Landgericht ist zuzugeben, dass es sich mit seiner Auffassung auf - anscheinend - durch höchstrichterliche Rechtsprechung gesichertem rechtlichen Boden bewegt. Gegen die Richtigkeit seiner Zitate ist nichts einzuwenden. Dennoch wird seine Entscheidung den tatsächlichen Besonderheiten des Streitfalles nicht gerecht.

Ausgangspunkt der Beurteilung hat zu sein, dass dasjenige, was der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung erlangt, inkongruent erlangt ist, wie der BGH in Abweichung von der früheren Rechtsprechung des Reichsgerichts in ständiger Rechtsprechung entscheidet. Dies wird - nach teilweiser gewandelter Auffassung (BGHZ 136, 312) - mittlerweile damit begründet, dass unter Zurückdrängung des Prioritätsprinzips (der Einzelvollstreckung) eine Ungleichbehandlung aller Gläubiger "nicht mehr durch Einsatz staatlicher Zwangsmittel insolvenzfest erzwungen werden soll" (Kreft in HK InsO, 2. Aufl., § 131 InsO Rn. 15). Es ist deshalb konsequent, dass auch das zur "Abwendung" der Zwangsvollstreckung Geleistete als inkongruent angesehen wird, weil es für die Anfechtbarkeit nicht den Ausschlag geben darf, wie weit der Vollstreckungszwang ausgeübt werden musste, um zum Ziele zu gelangen (BGH a. a. O.). Es kommt also nicht darauf an, ob der Gerichtsvollzieher (oder ein anderer Vollstreckungsbeamter) etwas wegnehmen musste oder der Schuldner das Wegzunehmende "freiwillig" dem Gerichtsvollzieher (oder Vollstreckungsbeamten) aushändigt. Auch "freiwillige" Leistungen des Schuldners sind anfechtbar, sofern sie "unter dem Druck staatlichen Zwanges" erbracht werden. Freilich ist - nach wie vor - das Merkmal des "Drucks" der Zwangsvollstreckung unverzichtbar, um die Leistung als inkongruent anzusehen. Es reicht also nicht jeglicher - äußere - "Zusammenhang" (irgendeiner Art) mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Nur wenn zwischen der Zwangsvollstreckung und der Leistung ein innerer Zusammenhang besteht, der die Leistung als "unter dem Druck staatlichen Zwanges" erbracht erscheinen lässt, kann die - ansonsten kongruente - Leistung als inkongruent begriffen werden.

b. Die besonderen Umstände des Streitfalles zeigen, dass der Beklagte die 3 Zahlungen vom Konto der C Bank nicht "durch Einsatz staatlicher Zwangsmittel", nicht "unter dem Druck staatlichen Zwanges", nicht zur "Abwendung" der Zwangsvollstreckung, nicht einmal "anlässlich" einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme erlangt hat. Es besteht nur ein - insoweit zufälliger - zeitlicher Zusammenhang zwischen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten (der Pfändung des Kontos bei der Raiffeisenbank B, vom 15.3.1999 und der Pfändung des Kontos bei der B Bank vom 23.3.1999) und den Zahlungen.

Diese Zwangsvollstreckungen waren nicht "Anlass" der Zahlungen. Schon gar nicht dienten die Zahlungen der "Abwendung" dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Hätte die Schuldnerin solches im Sinn gehabt, hätte sie diejenigen Schecks, die ihr dann die Zahlungen ermöglichten, über eines der mit Pfändung belegten Konten eingelöst. Die Schuldnerin war auch durch die Zwangsvollstreckung nicht irgendwie "unter Druck" gesetzt. Das Konto bei der Raiffeisenbank B, wies nur ein Guthaben von 66,71 DM auf (Bl. 268 d. A.). Ein Kontokorrentkredit war - soweit ersichtlich - nicht eingeräumt. Diese Pfändung des Beklagten lief also, wie die Klägerin - allerdings in anderem Zusammenhang - formuliert, "ins Leere". Dasselbe wird für die (erneute) Pfändung in das Konto bei der B Bank zu gelten haben, weil dort eine "freie Kreditlinie" nicht (mehr) vorhanden war. Die Schuldnerin war dadurch nicht "gedrückt", sondern konnte diesen Vollstreckungsmaßnahmen "gelassen" entgegensehen und brauchte nur darauf zu achten, diesen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auszuweichen, was dann ja auch - besonders eindrucksvoll, wie noch darzustellen sein wird - geschehen ist. Wer, wie die Schuldnerin, der Vollstreckung zu entgehen sucht, leistet nicht "anlässlich" der Vollstreckung oder zur Abwendung der Vollstreckung, sondern ohne den Druck staatlichen Zwanges - wirklich und wahrhaftig - freiwillig.

Daran zeigt sich zugleich, dass der vorerwähnte "innere" Zusammenhang zwischen Vollstreckung und Leistung nicht durch die Tilgungsbestimmung der Schuldnerin hergestellt worden sein kann. Es war nicht der "Druck" jener Zwangsvollstreckung, der die Schuldnerin veranlasst hat, auch eine derjenigen Forderungen zu bedienen, wegen derer der Beklagte die Zwangsvollstreckung betrieb. Einerseits machte der durch diese Tilgungsbestimmung bezeichnete Teil weniger als 10 % derjenigen Forderungen aus, wegen derer der Beklagte vollstreckte. Andererseits tilgte die Schuldnerin gleichzeitig andere Forderungen des Beklagten, wegen derer er nicht vollstreckte. Diese machten sogar mehr als das Doppelte dessen aus, was die Schuldnerin auf die Forderungen, wegen derer vollstreckt wurde, leistete. Mit der teilweisen Tilgung der titulierten Forderungen konnte die Schuldnerin - naturgemäß - die Vollstreckung wegen der (nach Tilgung) noch mehr als zehnmal so hohen titulierten Forderungen nicht "abwenden". Und die Tilgung nicht titulierter Forderungen zeigt überdeutlich, dass sich die Schuldnerin um jene Vollstreckungsmaßnahmen schlicht und einfach nicht bekümmert hat.

Selbst wenn alles das nicht ausreichte, Bedenken gegen eine (mögliche) Inkongruenz - die allerdings die Klägerin als die Anspruchsstellerin zu belegen hätte - auszuräumen, ergibt sich die Freiwilligkeit der Leistungen der Schuldnerin und damit deren - nicht von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen irgendwie beeinflusste - Kongruenz aus folgenden Umständen:

Die Schuldnerin hat - ganz offensichtlich - bewusst und gewollt die Zwangsvollstreckung des Beklagten "leerlaufen" lassen. Sie hat die beiden ihr noch zugekommenen namhaften Schecks dazu genutzt, eine neue Bankverbindung aufzubauen, um über die Geldmittel - ihrer offenbar letzten, wie sie wohl wusste - nach eigenem, freiem Belieben verfügen zu können. Sie hat sie nicht über die mit Pfändungspfandrechten des Beklagten belasteten Konten, sondern über ein neues, ihren Gläubigern nicht bekanntes Konto eingelöst. Schon die Einrichtung dieses Kontos, dessen Pfändungsbeschlag die Schuldnerin nicht zu besorgen hatte, belegt eindeutig den Willen der Schuldnerin, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerade zu entgehen. Sie wollte gerade nicht den Beklagten als den Pfändungspfandgläubiger bedienen, sondern über die Geldmittel nach eigenem Gutdünken verfügen können. So ist es dann auch geschehen. Die Schuldnerin hat - wie durch den Kontoauszug (Bl. 87 d. A.) belegt ist - mit rund 104.000,00 DM den Beklagten, mit einer annähernd gleich hohen Summe von rund 102.000,00 DM die IKK Brandenburg, mit 10.000,00 DM ihren Rechtsanwalt und mit weiteren kleineren Beträgen andere Gläubiger (ebenfalls Sozialversicherungsträger) bedient. Sie hat also diejenigen Gläubiger bedient, die ihr genehm waren, und zwar wegen derjenigen Forderungen, die sie bedienen wollte, wegen anderer - und seien sie vollstreckungsbefangen - gerade nicht. Es macht deshalb - aus Sicht der Schuldnerin und damit aus anfechtungsrechtlicher Sicht - keinen Unterschied, dass eine der bestimmten Forderungen (zufällig auch) vollstreckungsbefangen war. Die Schuldnerin wollte - mit anderen Worten - gezielt bestimmte Gläubiger - wegen bestimmter Forderungen - begünstigen.

Inwieweit dies anfechtungsrechtlich von Bedeutung ist, wird nachstehend unter c. näher erörtert.

c. Die Zahlungen vom Konto der C Bank sind nicht nach § 130 InsO (kongruente Deckung) anfechtbar.

Zwar liegen die angefochtenen Rechtshandlungen nur wenige Tage vor dem Eröffnungsantrag. Auch liegt auf der Hand, dass die Schuldnerin jedenfalls am 19./20.4.1999, dem Tag der Verfügungen über das Konto bei der C Bank, zahlungsunfähig war. Wie bereits erwähnt, waren die beiden Schecks, mit denen dieses Konto eröffnet worden ist, die letzten verfügbaren Geldmittel der Schuldnerin, die auch nicht annähernd deren Verbindlichkeiten abdecken konnten.

Es fehlt aber auch insoweit an der in § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO vorausgesetzten Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf seine Ausführungen unter 2. Bezug. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten zwischen dem 18.3.1999 und dem 20.4.1999 weitere Umstände bekannt geworden wären, die "zwingend" auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten schließen lassen (müssen), sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich.

Aus denselben Gründen scheidet eine Anfechtung nach § 132 InsO aus.

d. Allerdings zeigen die unter a. angeführten Umstände auf, dass die Schuldnerin bei ihren Zahlungen die Absicht hatte, ihre (übrigen) Gläubiger zu benachteiligen, die Zahlungen also nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sein können. Indes hilft auch dies der Klage nicht zum Erfolg.

Der Vorsatz der Schuldnerin, ihre (übrigen) Gläubiger zu benachteiligen, liegt nachgerade auf der Hand. Sie hat ihre letzten Geldmittel eingesetzt, um bestimmte, von ihr nach freiem Belieben ausgewählte Gläubiger, darunter den Beklagten, zu befriedigen. Darin liegt eine Bevorzugung (Begünstigung) gerade dieser Gläubiger, mit der das Bewusstsein und der Wille, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, zwangsläufig einhergeht. "Vorsatz" i. S. d. § 133 Abs. 1 InsO ist auch der bedingte Vorsatz, der sich dessen bewusst ist und mindestens billigend in Kauf nimmt, dass andere Gläubiger deshalb benachteiligt werden, weil die weggegebenen Vermögenswerte dann nicht einmal zur quotenmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zur Verfügung stehen.

Es fehlt indes auch in dieser Hinsicht an dem in § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten subjektiven Element auf Seiten des Anfechtungsgegners, nämlich der Kenntnis des Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin. Positive Kenntnis behauptet die Klägerin nicht und kommt auch sonst ersichtlich nicht in Betracht. Der Beklagte konnte den Zahlungen - und den Tilgungsbestimmungen - nicht entnehmen, dass die Schuldnerin ihn vor anderen Gläubigern begünstigen und die anderen Gläubiger benachteiligen wollte. Der Beklagte hatte - wie ausgeführt - auch keine Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.

Allerdings wird nach der gesetzlichen Regel des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz vermutet, wenn der andere Teil - also der Anfechtungsgegner - "wusste", dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (nur) drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Diese Vermutung streitet nicht für die Klägerin.

Diese gesetzliche Regel scheint missglückt, ist aber gleichwohl - auch ihrem Sinne nach - vom Richter so anzuwenden, wie sie gefasst ist. Sie setzt einerseits das Wissen des Anfechtungsgegners von bestimmten Tatsachen voraus. Diese Tatsachen sind die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die (objektive) Benachteiligung der Gläubiger. Andererseits ergibt sich aus der Kenntnis der einen Tatsache (drohende Zahlungsunfähigkeit) nahezu zwangsläufig die Kenntnis der anderen (Gläubigerbenachteiligung). Wer weiß, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit (mindestens) droht, weiß naturgemäß in aller Regel auch, dass die - ihn begünstigende - Rechtshandlung die anderen Gläubiger benachteiligt, ihre Befriedigungsmöglichkeiten schmälert. Indes bleibt es dabei, dass die gesetzliche Vermutung an das (positive) "Wissen" des Anfechtungsgegners anknüpft, an eine - innere - Tatsache also, die im Streitfall vom Richter festgestellt werden muss. Eine den §§ 130 Abs. 2, 131 Abs. 2 InsO entsprechende Regelung, wonach die Kenntnis von "Umständen", die "zwingend" auf die Kenntnis einer anderen Tatsache schließen lassen, der Kenntnis dieser Tatsache gleichsteht, enthält § 133 InsO nicht. Das allerdings scheint wiederum konsequent. Denn Umstände, die "zwingend" auf eine (nur) drohende (noch nicht eingetretene) Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (müssen), sind eigentlich begrifflich nicht denkbar und deren Kenntnis beim Anfechtungsgegner ausgeschlossen.

Der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist in § 18 Abs. 2 InsO definiert. Danach droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Der - durch die InsO neu eingeführte - Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit soll dem Schuldner den Anreiz und - vor allem - die Möglichkeit geben, in einem möglichst frühen Stadium seiner Krise die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Es kommt also auf die Sicht des Schuldners, dessen Kenntnisse und Einschätzung seiner wirtschaftlichen Lage an, ob und wann er den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit für gegeben erachtet. Regelmäßig wird der Schuldner diesen Eröffnungsgrund nur an Hand eines - sorgfältigen - Liquiditätsplanes feststellen können, der seine gesamte Finanzlage einbezieht und vorausschauend die künftig zu erwartende Entwicklung betrachtet (Kirchhof a. a. O., § 18 InsO Rn. 14). In der Praxis wird es freilich kaum einen Insolvenzrichter geben (können), der etwa einen auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützten Antrag gemäß § 18 Abs. 1 InsO deshalb zurückweist oder zurückweisen dürfte, weil er "feststellt", beim Schuldner drohe die Zahlungsunfähigkeit nicht. Die Selbsteinschätzung des Schuldners, er werde nicht in der Lage sein, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, wird schwerlich jemals zu widerlegen sein und deshalb zur Eröffnung führen. Andererseits kann aber ein - außenstehender - Gläubiger die gesamte Finanzlage des Schuldners, wie sie sich aus einem solchen Liquiditätsplan ergeben müsste, nicht kennen.

Wenn nun das Insolvenzverfahren - wie im Streitfall - nicht wegen drohender, sondern wegen bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit eröffnet wird, ist niemand - außer dem Schuldner - in der Lage festzustellen, wann (zuvor) der Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Etwas anderes mag gelten, wenn der Schuldner einem Dritten seine Finanzlage - etwa auch einen Liquiditätsplan - freimütig offenbart. Das mag bei Finanzberatern des Schuldners (sofern sie dann dessen Gläubiger sind) der Fall sein, möglicherweise auch bei Kreditinstituten, denen der Schuldner seine Finanzlage "schonungslos" offen legt. Andere Gläubiger - etwa der Steuerfiskus, wie im Streitfall - haben dagegen in aller Regel keinen Einblick in die finanzielle Lage des Schuldners, gar einen Liquiditätsplan. Sie können vermuten, ob es dem Schuldner so schlecht geht, wie das § 18 Abs. 2 InsO voraussetzt. Wissen (i. S. d. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) können sie es - in der Regel - nicht.

Die Klägerin trägt nicht vor, dass der Beklagte um die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin wusste. Andere tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt es nicht. Die - wenn auch hohen - Steuerschulden der Schuldnerin, auch die zuletzt nicht erfolgreichen Vollstreckungsmaßnahmen vom 15.3.1999 und 23.3.1999 allein belegen eine positive Kenntnis des Beklagten, die Schuldnerin werde ihre Verpflichtungen voraussichtlich nicht erfüllen können, nicht. Dagegen steht nicht zuletzt der Umstand, dass die Zahlungen von einem - dem Beklagten bislang nicht bekannten - Bankkonto geleistet wurden, was zumindest den Schluss auf Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit nahe legt, jedenfalls aber nicht infrage stellt.

Lässt sich nach alledem die Kenntnis des Beklagten von einer auch nur drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht zur Gewissheit des Senats (§ 286 ZPO) feststellen, ist der Anfechtungstatbestand des § 133 InsO nicht erfüllt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug, zugleich Beschwer der Klägerin: 253.325,61 DM.

Ende der Entscheidung

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