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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2002
Aktenzeichen: 8 W 373/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, RPflG, EGZPO


Vorschriften:

BRAGO § 11 Abs. 1 Satz 4
BRAGO § 19 Abs. 2 Satz 3
BRAGO § 23 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 32
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 3 n. F.
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 21 Nr. 2
EGZPO § 26 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

8 W 373/01

In der Rechtsanwaltsvergütungssache

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ...

am 7. März 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Potsdam vom 5. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller haben die Antragsgegner als Prozessbevollmächtigte im Berufungsverfahren (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Az.: 5 U 86/00) anwaltlich vertreten. Gegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens waren Ansprüche im Wert von 200.000,- DM. Vor dem Berufungsgericht haben die Antragsteller im Auftrag der Antragsgegner am Abschluss eines Vergleichs mitgewirkt. Mit dem Vergleich ist der Streit über die im Berufungsverfahren anhängigen Ansprüche beigelegt worden, zugleich ist eine Regelung über andere, nicht in einem gerichtlichen Verfahren anhängige Ansprüche getroffen worden. Das Berufungsgericht hat den Gegenstandswert für den zweiten Rechtszug auf 200.000,- DM, den Wert des Vergleichs auf bis zu 700.000,- festgesetzt.

Zur Festsetzung angemeldet haben die Antragsteller für ihre Mitwirkung beim Abschluss des Vergleichs: (a) eine 13/10 Vergleichsgebühr nach dem Wert der im Berufungsverfahren anhängigen Ansprüche und eine 19,5/10 Vergleichsgebühr nach dem Wert der mitverglichenen, nicht anhängigen Ansprüche, beide Gebühren addiert nicht höher als eine 19,5/10 Gebühr aus dem Gesamtwert, sowie (b) eine 16,9/20 Prozessgebühr aus dem Wert der mitverglichenen Ansprüche.

Die Rechtspflegerin hat den Betrag der Rechnung der Antragsteller nicht in voller Höhe festgesetzt. Sie hat dazu mitgeteilt, dass eine Vergleichsgebühr nur bis zum Betrag einer 15/10 Gebühr gerechtfertigt sei.

Gegen die Absetzung wenden sich die Antragsteller mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II.

Das gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 BRAGO, § 104 Abs. 3 ZPO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 2 RPflG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

A.

Der Beschluss der Rechtspflegerin leidet allerdings an einem Mangel. Der festgesetzte Betrag lässt sich mit der für die teilweise Absetzung beigegebenen Begründung unter Einschluss des Antrages der Antragsteller nicht in Einklang bringen.

Die Rechtspflegerin hat ausgeführt, dass die Vergleichsgebühr auf 15/10 gekürzt und deshalb auch die Mehrwertsteuer nur anteilig verringert festgesetzt ist. Auf der Antragsschrift der Antragsteller (Bl. 246 d. A.) hat die Rechtspflegerin die angemeldeten Vergleichsgebühren handschriftlich durchgestrichen und bezogen auf eine 15/10 Vergleichsgebühr nach dem Wert von 700.000,- DM (rechnerisch richtig) den Betrag von netto 6.716,30 DM vermerkt. Unter Ansatz dieses Betrages und den von den Antragstellern mit 10.693,90 DM netto angemeldeten sonstigen Gebühren und Auslagen ist der festgesetzte Betrag von brutto 18.803,02 DM zu niedrig berechnet.

An einer Korrektur zugunsten der Antragsteller sieht sich der Senat aber gehindert, weil nach seiner Prüfung den Antragstellern ein über den festgesetzten Betrag hinausgehender Vergütungsanspruch nicht zusteht. Fehlerhaft hat die Rechtspflegerin die mit 16,9/20 angemeldete Prozessgebühr (§§ 11, 32 Abs. 2 i.V.m. § 6 BRAGO) als festsetzungsfähig angesehen. Die Voraussetzungen für das Entstehen jener Gebühr sind im Falle der Antragsteller nicht gegeben.

Die Prozessgebühr nach § 32 BRAGO, sei es gemäß Abs. 1 oder nach Abs. 2, fällt nur dann an, wenn dem Rechtsanwalt der Prozessauftrag erteilt war. Dass die Antragsteller - die Berufungsanwälte der Antragsgegner - im Hinblick auf die nicht anhängigen Ansprüche den Auftrag zur Prozessführung hatten, lässt sich nicht feststellen.

B.

Die Rüge der Antragsteller gegen die Herabsetzung der Vergleichsgebühr für die im Berufungsverfahren mitverglichenen, nicht anhängigen Ansprüche ist unbegründet.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats hat die Rechtspflegerin erkannt, dass die Vergleichsgebühr des Rechtsanwalts gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO im Hinblick auf die in einen Vergleich in der Berufungsinstanz einbezogenen, nicht anhängigen Ansprüche (nur) 15/10 der vollen Gebühr beträgt, weil eine Erhöhung nach § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO um 3/10 (auf 19,5/10) insoweit nicht stattfindet.

In der Streitfrage, ob sich die mit KostRÄndG vom 24.6.1994 (BGBl. I. S. 1325) eingeführte 15/10 Vergleichsgebühr des § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO im Falle der Einbeziehung nicht anhängiger Ansprüche in einem vor dem Berufungsgericht geschlossenen Prozessvergleich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO um 3/10 erhöht, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach einer Meinung findet die durch § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO angeordnete Gebührenerhöhung "im Berufungsverfahren" bei der Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO nicht statt, weil sich die mitverglichenen, nicht anhängigen Ansprüche nicht in einem gerichtlichen Verfahren befinden und damit die Vergleichsgebühr auch nicht "im Berufungsverfahren" entsteht (vgl. z.B. OLG Stuttgart JurBüro 1998, 585; OLG München JurBüro 1999, 302; LG Köln JurBüro 1997, 414, LG Berlin JurBüro 1997, 639; von Eicken/Madert, NJW 1998, 2402, 2405; Hartmann, Kostengesetze 31. Aufl. § 23 BRAGO Rn. 84; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl. § 23 Rn. 53). Die andere Auffassung hingegen hält dafür, dass die Erhöhung unabhängig davon eintritt, ob der für die Gebührenberechnung heranzuziehende Gegenstand im Berufungsverfahren anhängig ist. Danach soll es vielmehr ausreichen, dass der Rechtsanwalt vor dem Berufungsgericht tätig wird (vgl. z.B. KG JurBüro 1998, 198; OLG Hamm JurBüro 1998, 585; SchlHOLG JurBüro 1999, 586, OLG Nürnberg JurBüro 1999, 586, 587; OLG Koblenz JurBüro 2000, 21; LG Bochum JurBüro 1996, 638; Enders JurBüro 1996, 617, 619; N. Schneider, MDR 1998, 197, 198).

Der Senat hat sich aus folgenden Erwägungen der ersten Meinung angeschlossen (Beschluss vom 23.7.2001, Az.: 8 W 126/01). Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO ordnet an, dass sich die Beträge der sich aus Satz 1 und 2 der Bestimmung ergebenden 10/10 Gebühren im Berufungsverfahren um 3/10 erhöhen. Diese Voraussetzungen liegen für die Einbeziehung nicht anhängiger Ansprüche in einen vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich, nach deren Wert dem Rechtsanwalt die 15/10 Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erwächst, nicht vor. Im Hinblick auf die nicht anhängigen Ansprüche wird der Rechtsanwalt bei der Mitwirkung am Vergleich nicht - wie von § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO gefordert - "im Berufungsverfahren" tätig. Das ergibt sich neben der insoweit fehlenden Anhängigkeit des Berufungsverfahrens auch daraus, dass die Mitwirkung bei dem Abschluss eines Vergleichs über nicht anhängige Ansprüche von dem Prozessauftrag zur Vertretung "im Berufungsrechtszug" nicht erfasst ist, sondern einen weitergehenden Anwaltsauftrag erfordert. Dass dieser Auftrag gerade dem Rechtsanwalt erteilt wird, der in einer (anderen) anhängigen Sache vor dem Berufungsgericht auftritt, rechtfertigt die Erhöhung nicht. Grundlage der auf 15/10 angehobenen Vergleichsgebühr bezüglich der nicht anhängigen Gegenstände ist es, dass nicht nur die gerichtliche Entscheidung erspart, sondern der Streit schon vor Inanspruchnahme der Gerichte beigelegt wird. Folglich kann es für die insoweit entstehende Vergleichsgebühr des Rechtsanwalts nicht darauf ankommen, ob ein nicht anhängiger Gegenstand in einem erst- oder zweitinstanzlichen Verfahren "mitverglichen" wird.

Das Rechtsmittel der Antragsteller gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass, der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest.

Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung lässt der Senat gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO n. F. in Verbindung mit § 26 Nr. 10 EGZPO die Rechtsbeschwerde zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 1.116,15 € (= 2.183,00 DM).

Ende der Entscheidung

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