Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: 8 Wx 41/01
Rechtsgebiete: GBO, ZPO, EGBGB, BGB, GVG, FGG, KostO


Vorschriften:

GBO § 1
GBO § 13
GBO § 78
GBO § 19
GBO § 134
GBO § 79 Abs. 2
GBO § 133 Abs. 8
ZPO § 565 Abs. 3 a.F.
EGBGB § 2 a
EGBGB § 2 c Abs. 2 Satz 3
EGBGB § 2 a Abs. 1 Satz 1 c
EGBGB § 2 c Abs. 2 Satz 4
BGB § 885
BGB § 873
GGV § 4
GGV § 7
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

8 Wx 41/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Grundbuch F Blatt Amtsgericht S

In der Grundbuchsache

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht, des Richters am Oberlandesgerichts und des Richters am Landgericht,

am 7. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde fallen der Beteiligten zu 1. zur Last.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2. und 3. (künftig: Nutzer) beantragten die Eintragung eines Vermerks zur Sicherung ihrer Ansprüche aus der Sachenrechtsbereinigung aus dem Recht zum Besitz (künftig kurz: "Besitzrecht") für das ihnen durch Überlassungsvertrag vom 11.09.1973 (Blatt 25 ff. = 40 ff. der Grundakten) überlassene Grundstück. Nachdem sich die Grundbuchführerin das Original der Urkunde hatte vorlegen lassen, wurde der Vermerk am 06.06.2001 im Grundbuch eingetragen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1., die Grundstückseigentümerin (künftig: Eigentümerin), Beschwerde eingelegt, mit der sie die Eintragung eines (Amts-) Widerspruchs begehrt hat. Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat sie zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Eigentümerin.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 78, 80 GBO, sachlich aber nicht gerechtfertigt.

1.

Allerdings leidet das Erstbeschwerdeverfahren an einem wesentlichen Mangel, weil die angefochtene Entscheidung außer einer stichwortartigen Darstellung des Begehrens der Beschwerdeführerin und der Verweisung auf die Nichtabhilfeentscheidung der Rechtspflegerin eine Sachdarstellung nicht enthält. Dies würde an sich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gebieten.

Da die weitere Beschwerde im Grundbuchverfahren gemäß § 78 GBO allein mit dem Ziel einer Rechtsprüfung zulässig ist, muss sich aus der (Erst-)Beschwerdeentscheidung entnehmen lassen, von welchem konkreten Sachverhalt das Beschwerdegericht ausgegangen ist und wie es ihn festgestellt hat. Dazu ist grundsätzlich eine vollständige Sachverhaltsdarstellung nötig, die lediglich durch konkrete Bezugnahme auf bestimmte Urkunden und Aktenteile ersetzt werden darf (vgl. Bay ObLG NJW-RR 94, 617, 618). Die angefochtene Entscheidung enthält eine solche Sachverhaltsdarstellung nicht.

2.

Ausnahmsweise ist das Rechtsbeschwerdegericht aus verfahrensökonomischen Gründen entsprechend § 565 Abs. 3 ZPO a.F. (das entspricht im Wesentlichen § 563 Abs. 3 ZPO n.F.) anstelle des Beschwerdegerichts jedenfalls dann befugt, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Sache entscheidungsreif ist und das Sachverhältnis sich ohne weiteres aus den im Rechtsmittel selbst mitgeteilten Tatsachen und in Bezug genommenen Urkunden unzweifelhaft feststellen lässt (Demharter, GBO, 24. Aufl., § 78 GBO Rn. 19 m.w.N.; vgl. auch Thüringisches OLG (Jena) VIZ 99, 733, 734). Von dieser Befugnis macht der Senat Gebrauch, weil die Grundlage der mit den Rechtsmitteln angegriffenen Eintragung - der Überlassungsvertrag vom 11.09.1973 - ohne weiteres den Akten zu entnehmen ist und auch vom Rechtsmittel in Bezug genommen wird.

3.

Allerdings ist die Erstbeschwerde mit dem Antrag (genauer: der Anregung), einen Widerspruch gegen die Eintragung des Besitzrechts einzutragen, unzulässig. Da sich an die Eintragung des Besitzrechts, die die Wirkung einer Vormerkung hat, Artikel 233 § 2 c Abs. 2 Satz 3 EGBGB, ein gutgläubiger Erwerb nicht anschließen kann, ist die Beschwerde - nur - mit dem weitergehenden Ziel der Löschung zulässig, worauf die Eigentümerin bereits im Nichtabhilfebeschluss der Rechtspflegerin vom 25. Juni 2001 (Blatt 64 ff. der Grundakten) zutreffend hingewiesen worden ist. In diesem Sinne haben Amtsgericht und Landgericht das Rechtsmittel verstanden. Mit der Anfechtung der landgerichtlichen Entscheidung gibt die Eigentümerin hinreichend deutlich zu erkennen, dass sie sich richtig verstanden fühlt und - nunmehr - die Löschung des Besitzrechts erstrebt.

4.

Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Eigentümerin die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das Antragsverfahren gemäß § 13 GBO - wie hier - ist ein einseitiges Verfahren, in dem das Grundbuchamt von Amts wegen die Eintragungsvoraussetzungen prüft (vgl. nur Demharter a.a.O., Anhang zu § 13 GBO). Einen "Gegner", der vor der Eintragung gehört werden müsste, gibt es in diesem Verfahren grundsätzlich nicht (vgl. Demharter a.a.O. § 1 GBO Rn. 49 m.w.N.).

Selbst wenn man - etwa mit Rücksicht auf die Besonderheiten des grundbuchlichen Verfahrens nach der GGV - die vorherige Anhörung eines anderen von der Eintragung Betroffenen für erforderlich oder mindestens tunlich halten wollte, wäre der Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Ergebnis nicht verletzt. Zum einen beruht die angegriffene Eintragung nicht auf einer Gehörsverletzung. Zum anderen hat die Eigentümerin das rechtliche Gehör mit ihren Rechtsmitteln wahrgenommen.

5.

Die Eintragung des Besitzrechts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetztes, sondern entspricht diesem.

a)

Die Nutzer sind zum Besitz des Grundstücks im Sinne des Artikels 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 c EGBGB berechtigt. Ihnen war durch den Überlassungsvertrag vom 11.09.1973 ein zu diesem Zeitpunkt bereits mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück - gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Wertes des Grundstücks - überlassen worden, das unter treuhänderischer Verwaltung gemäß § 6 der VO vom 17.07.1952 stand. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Überlassung - auf 30 Jahre unkündbar - "befristet" war. Das Gesetz macht keinen Unterschied, ob der in der Vorschrift genannte Überlassungsvertrag befristet oder unbefristet war. Zum einen dürfte es - nach dem Rechtsverständnis der DDR - "unbefristete" Überlassungsverträge über treuhänderisch verwaltete Grundstücke nicht gegeben haben. Zum anderen bezweckte gerade das Moratorium des Artikel 233 § 2 a EGBGB die Erhaltung des bis zum In-Kraft-Treten der Vorschrift fortbestehenden Nutzungs- und Besitzrechts.

b)

Das Besitzrecht ist gemäß Artikel 233 § 2 c Abs. 1 Satz 1 EGBGB auf Antrag durch Eintragung eines Vermerks im Grundbuch zu sichern. Die grundbuchverfahrensrechtlichen (formellen) Voraussetzungen der Eintragung hat das Grundbuchamt gewahrt. Die Nutzer haben den Antrag auf Eintragung gestellt und ihr Recht zum Besitz durch Vorlage des Originals des Überlassungsvertrages nachgewiesen. Nach § 4 Abs. 4 Nr. 3 der Gebäudegrundbuchverfügung (GGV) "genügt" dies zum Nachweis. Der Überlassungsvertrag berechtigt die Nutzer zu anderen als (nur) zu Erholungs- und Freizeitzwecken. Der eingetragene Vermerk entspricht § 7 GGV.

c)

Mit der Beachtung der vorgenannten formellen Vorschriften hat das Grundbuchamt nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Zwar ordnet Artikel 233 § 2 c Abs. 2 Satz 4 EGBGB die entsprechende Anwendung des § 885 BGB an. Diese Vorschrift besagt, dass eine Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung des Betroffenen "erfolgt". Es handelt sich dabei um eine Vorschrift des materiellen Rechts, die - abweichend von § 873 BGB - die Begründung der Vormerkung regelt (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl., § 885 BGB Rn. 1 m.w.N.). Auch Artikel 233 § 2 c Abs. 2 Satz 4 EGBGB ist nicht eine das Grundbuchverfahren - abschließend - regelnde Vorschrift (Rauscher in Staudinger, BGB, 13. Aufl., Artikel 233 § 2 c EGBGB Rn. 24 hält sie mit guten Gründen für "obsolet"). Sie schließt schon ihrem Wortlaut nach andere Verfahrensvoraussetzungen nicht aus, besagt insbesondere nicht, dass der Vermerk nur aufgrund einstweiliger Verfügung oder Bewilligung eingetragen werden dürfte, verbietet mit anderen Worten eine andere verfahrensrechtliche Regelung nicht. Das folgt nicht zuletzt aus Satz 1 derselben Vorschrift, wonach der Vermerk "auf Antrag" einzutragen "ist", also eingetragen werden muss, auch wenn nur ein (einseitiger) Antrag (des Nutzers) vorliegt, die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der Eintragung vorliegen und diese nachgewiesen sind. Damit verträgt es sich nicht, wenn der Nutzer den Eigentümer erst in einem kontradiktorischen Erkenntnisverfahren (der einstweiligen Verfügung) auf Bewilligung in Anspruch nehmen müsste (anderer Meinung wohl: KG Rpfleger 98, 239, 240, das ohne nähere Begründung meint, die Eintragung erfolge nach "richtiger, mit der amtlichen Begründung übereinstimmender Auffassung aufgrund Eintragungsbewilligung des Grundstückseigentümers oder einstweiliger Verfügung"; so auch LG Schwerin Rpfleger 98, 283).

d)

Die formellen Vorschriften der §§ 4, 7 GGV, auf die die Eintragung gestützt ist, sind auch nicht wegen Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage nichtig, wie das LG Schwerin (a.a.O.) gemeint hat.

Diese Entscheidung erwähnt zwar korrekt diejenigen Ermächtigungsgrundlagen, aufgrund derer die GGV - als Rechtsverordnung - erlassen ist (BGBl. 11994, 1606). Das sind Artikel 12 Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes, Artikel 18 Abs. 1 und 4 Nr. 2 und 3 des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes sowie - ausdrücklich - §§ 1, 133 Abs. 8 und 134 GBO. Sie meint aber, Artikel 12 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes und Artikel 18 des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes ermächtigten nicht dazu, Abweichungen von § 19 GBO zu regeln. § 19 GBO sei die "bedeutsamste Vorschrift" des Grundbuchverfahrensrechts. Der Verordnungsgeber sei nicht ermächtigt worden, Abweichungen von dem durch diese Vorschrift statuierten formellen Konsenzprinzip und von zentralen Vorschriften des Grundbuchrechts zur Wahrung der Rechte der Verfahrensbeteiligten zu regeln. Dieser Entscheidung ist nicht zu folgen.

Mit der Ermächtigungsgrundlage des § 1 GBO setzt sie sich nicht auseinander. Den Wertungswiderspruch zu Artikel 233 § 2 c Abs. 2 Satz 1 EGBGB, der sich auftun müsste, sollte man - sofern die Bewilligung des Eigentümers nicht zu erlangen ist - den Nutzer zum Verfahren der einstweiligen Verfügung zwingen (siehe oben c), löst diese Auffassung nicht. Sie übersieht ferner, dass es wegen des Rechts zum Besitz, das gemäß Artikel 233 § 2 a EGBGB von Gesetzes wegen entstanden ist, eines "formellen Konsenzprinzips" nicht bedarf. In den Fällen der Überlassungsverträge (Artikel 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 c EGBGB) ist das "formelle Konsenzprinzip" sogar augenscheinlich gewahrt. Schließlich verkennt diese Auffassung den Regelungsgehalt der erwähnten Ermächtigungsnormen, deren Sinn und Zweck es gerade ist, den Nutzer vor einem möglichen Verlust des Besitzrechts und seiner Ansprüche nach dem

Sachenrechtsbereinigungsgesetz nach Ablauf des zuletzt bis zum 31.12.2000 "verlängerten Moratoriums" zu schützen und ihm ein vereinfachtes Verfahren an die Hand zu geben, um die Eintragung des Vermerks i.S.d. Artikel 233 § 2 c Abs. 2 Satz 1 EGBGB zu erreichen (so zutreffend und prägnant: Purps NotBZ 2000, 88 f.).

III.

Der Senat ist nicht gehalten, die Sache gemäß § 79 Abs. 2 GBO dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Die Entscheidung stimmt mit denjenigen des Thüringischen Oberlandesgericht (Jena) VIZ 99, 733 und FG Prax 99, 129 sowie des OLG Dresden VOZ 2001, 249 überein. Die abweichende Auffassung des KG Rpfleger 98, 239 nötigt zur Vorlage nicht, weil auf ihr die Entscheidung des KG nicht beruht. Das KG war nicht mit der Eintragung eines Vermerks i.S.d. Artikel 233 § 2 c EGBGB befasst, sondern mit der begehrten Eintragung eines Vermerks über einen (behaupteten) Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz. Außerdem ist die abweichende Auffassung vom KG nur beiläufig geäußert (obiter dictum). Schließlich hat das KG - am Ende seiner Entscheidungsgründe (Rpfleger 98, 241) - die Rechtsfrage letztlich offen gelassen und zu erkennen gegeben, dass es in der Sache auch dann nicht anders entschieden haben würde, wenn es derselben Auffassung gefolgt wäre, die der Senat teilt. In solchen Fällen besteht eine Vorlagepflicht nicht (vgl. Demharter a.a.O., § 79 Rn. 11.m.w.N.).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 KostO auf 3.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück