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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.12.2007
Aktenzeichen: 9 AR 8/07
Rechtsgebiete: BbgPsychKG, FGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

BbgPsychKG § 13
FGG § 5
FGG § 5 Abs. 1 Satz 1
FGG § 36
FGG § 43
FGG § 70
FGG § 70 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3
FGG § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a
FGG § 70 Abs. 2
FGG § 70 Abs. 5
BGB § 1631 b
BGB § 1666
BGB § 1846
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 1 Ziff. 6
ZPO § 36 f
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat erklärt sich hinsichtlich einer Entscheidung über einen Kompetenzkonflikt für unzuständig.

Gründe:

A. Unter dem Datum des 23. November 2007 hat das ... G... Krankenhaus für das betroffene Kind einen Antrag gemäß § 13 BbgPsychKG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige geschlossene Unterbringung gemäß § 70 FGG gestellt. Mit Beschluss vom 23. November 2007 hat das Amtsgericht Schwedt diesen Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, gemäß § 70 Abs. 5 FGG bestehe die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Amtsgericht Eberswalde wegen der Unterbringung des betroffenen Kindes in der dortigen - dem Gerichtsbezirk des Ausgleichsberechtigten Eberswalde zuzuordnenden - Klinik, weshalb das AG Schwedt örtlich unzuständig sei.

Nachdem das ... G... Krankenhaus sodann einen gleich lautenden Antrag beim Amtsgericht Eberswalde gestellt hat, hat das Amtsgericht Eberswalde - Familiengericht - mit Beschluss vom 24. November 2007 die familiengerichtliche Unterbringung für die Dauer von einer Woche angeordnet. In den Gründen hat das Amtsgericht u. a. auf die §§ 1631 b, 1846 BGB Bezug genommen.

Mit weiterem Beschluss vom 27. November 2007 hat das Amtsgericht Eberswalde - Familiengericht - die Angelegenheit dem Brandenburgischen Oberlandesgericht gemäß § 5 FGG vorgelegt; eine Begründung enthält dieser Beschluss nicht.

B. Der Senat ist zu einer Entscheidung nicht berufen, da es bereits an den Voraussetzungen eines Kompetenzkonfliktes fehlt.

I. Zunächst ist die durch das Amtsgericht Eberswalde genannte Vorschrift des § 5 FGG - soweit nach derzeitigem Stand dies beurteilt werden kann - nicht einschlägig. In den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 621 a Abs. 1 ZPO), zu denen auch sorgerechtliche Angelegenheiten gemäß § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zählen, treten an die Stelle der Regelung des § 5 FGG die §§ 36 f ZPO (BGH, NJW 1998, 1312; Musielak/Borth, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 621 a, Rn. 4). Insoweit ist grundsätzlich § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO einschlägig.

Eine zur Anwendbarkeit des § 5 FGG führende Ausnahme besteht dann, wenn ein Familiengericht und ein Gericht der allgemeinen freiwilligen Gerichtsbarkeit nur über die örtliche Zuständigkeit für eine Maßnahme streiten, die nach Meinung beider Gerichte in die Zuständigkeit der allgemeinen freiwilligen Gerichtsbarkeit fällt (BGH, FamRZ 1991, 50). Voraussetzung wäre dafür, dass beide Gerichte die vormundschaftsgerichtliche Zuständigkeit für gegeben halten würden (BGH, aaO.). Dies ist aber - soweit erkennbar - hier gerade nicht der Fall. Das Amtsgericht Eberswalde hat ausdrücklich als Familiengericht entschieden und - wie aus der Bezugnahme auf die Norm des § 1631b BGB wohl hervorgehen soll - insoweit auch die Zuständigkeit des Familiengerichts für gegeben gehalten. Das Amtsgericht Schwedt (Oder) hat dagegen allem Anschein nach allein als Vormundschaftsgericht entschieden.

II. Selbst wenn aber § 5 FGG einschlägig wäre, lägen die Voraussetzungen eines Zuständigkeitsstreits nicht vor. § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG setzt einen Streit zwischen Gerichten über die zur Zeit der Einleitung des Verfahrens gesetzlich begründete örtliche Zuständigkeit voraus. Ein negativer Zuständigkeitsstreit in diesem Sinne liegt vor, wenn mindestens zwei Gerichte mit derselben Angelegenheit befasst sind, von denen mindestens eines örtlich zuständig ist, und wenn alle beteiligten Gerichte sich für unzuständig erklären bzw. jedes das andere für zuständig hält (Keidel/Kuntze/Winkler-Sternal, FGG, 15. Aufl. 2003, § 5, Rn. 23). An diesen Voraussetzungen mangelt es in mehrfacher Hinsicht.

1. Das Amtsgericht Schwedt ist nach derzeitigem Stand mit der Sache nicht mehr befasst. Mit Beschluss vom 23. November 2007 hat das Amtsgericht Schwedt nicht über die Zuständigkeit, vielmehr in der Sache selbst entschieden. Rechtsmittel des Antragstellers gegen diese Entscheidung sind - soweit bekannt - weder eingelegt noch beabsichtigt.

2. Selbst wenn die vorgenannten Bedenken zurückzustellen wären, fehlt es an einer entsprechenden Unzuständigkeitserklärung beider Amtsgerichte.

a. Das Amtsgerichts - Familiengericht - Eberswalde hat allein die Vorlage zum Senat veranlasst. Erklärungen darüber, dass das Amtsgericht - Familiengericht - Eberswalde sich selbst nicht bzw. vielmehr das Amtsgericht Schwedt für zuständig hält, gehen aus der Akte nicht hervor. Im Gegenteil deutet die Entscheidung des Amtsgerichts Eberswalde vom 24. November 2007 mangels anderweitiger Ausführungen darauf hin, dass sich das Amtsgericht Eberswalde - Familiengericht - Eberswalde tatsächlich für örtlich zuständig gehalten hat.

b. Unabhängig davon hat auch das Amtsgericht Schwedt sich nicht für örtlich unzuständig für die durch das Amtsgerichts Eberswalde getroffene Entscheidung erklärt.

Das Amtsgericht Schwedt hat ausdrücklich über den Antrag des ... G... Krankenhauses gemäß § 13 BbgPsychKG entschieden. Dies geht insbesondere aus der Bezugnahme auf diese Norm in den Gründen der Entscheidung sowie - hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit - aus der Bezugnahme auf § 70 Abs. 5 FGG hervor. Insoweit hat das Amtsgericht Schwedt im Ergebnis seine Entscheidung auf § 70 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 FGG gestützt. Das Amtsgericht - Familiengericht - Eberswalde hat dagegen den Antrag anderweitig ausgelegt und die Genehmigung gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a FGG i. V. m. § 1631 b BGB ausgesprochen. Damit weicht der Anlass der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung erkennbar voneinander ab. Das Amtsgericht - Familiengericht - Eberswalde war daher zunächst gehalten, die Sache dem Amtsgericht Schwedt vorzulegen mit dem Hinweis darauf, ob das Amtsgericht Schwedt sich auch für eine Entscheidung nach § 1631 b BGB für örtlich unzuständig halten würde.

III. Ob der Senat gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO zur Entscheidung berufen ist, kann dahinstehen. Insoweit fehlt es jedenfalls erneut an einer entsprechenden Unzuständigkeitserklärung durch beide hier befassten Gerichte; auf die vorstehenden Ausführungen kann verwiesen werden.

IV. In der Sache selbst sei noch auf Folgendes hingewiesen:

1. Ob die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengerichts - Eberswalde hier besteht, erscheint fraglich. Unterbringungssachen sind grundsätzlich dem Vormundschaftsgericht zugewiesen. Zu einer Entscheidung gemäß § 1631 b BGB ist jedoch das Familiengericht so lange berufen, wie die elterliche Sorge besteht, d. h. wie die elterliche Sorge nicht gemäß § 1666 BGB den Eltern entzogen worden ist (allg. Ansicht, Brandenburgisches OLG, FamRZ 2004, 815; OLG Hamburg, OLGReport 2007, 771; OLG Dresden, JAmt 2006, 161). Etwas anderes gilt nur, soweit für den hier betroffenen Jugendlichen den Eltern bereits die elterliche Sorge entzogen worden ist; dann ist das Vormundschaftsgericht zur Entscheidung nach § 1631 b BGB berufen (OLG Brandenburg und OLG Dresden, jew. aaO.; OLG Hamburg, MDR 1999, 164; insoweit a. A. OLG Hamburg, OLGReport 2007, 771; Rotax/Rotax, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl. 2007, Teil 4 Rdnr. 183). Da hier ausweislich des Rubrums beider amtsgerichtlicher Beschlüsse bereits eine Vormundschaft zu Gunsten des Jugendlichen eingerichtet worden ist, dürfte die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts gegeben sein.

2. Die örtliche Zuständigkeit dürfte dagegen unter Beachtung der Vorschrift des § 70 Abs. 2 FGG zu bestimmen sein. Danach richtet sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Jugendlichen (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FGG i. V. m. § 65 Abs. 1 FGG), es sei denn, es ist bereits eine Vormundschaft oder Pflegschaft eingerichtet, sodass dann das Gericht, bei dem diese Maßnahme anhängig ist, örtlich zuständig wäre (§ 70 Abs. 2 Satz 1 FGG). Damit dürfte hier das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Schwedt zuständig sein.

Ob die vormals durch den Senat vertretene Ansicht, dass wegen der §§ 43, 36 FGG für die Genehmigung eine Unterbringung nach § 1631 b BGB stets der Wohnsitz der Eltern für die Zuständigkeit maßgeblich (OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 175), angesichts der eindeutigen spezialgesetzlichen Regelung des § 70 Abs. 2 FGG noch aufrechterhalten werden kann, erscheint fraglich (gegen den Senat: OLG München, FamRZ 2006, 1622; Jansen/Sonnenfeld, FGG, 3. Aufl., § 70, Rn. 18; Neumann, FamRZ 2003, 175; i. E. ferner OLG Hamburg, OLGReport 2007, 771; kritisch auch Rotax/Rotax, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl. 2007, Teil 4 Rdnr. 183).

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