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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 9 UF 105/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1666
BGB § 1666 Abs. 1
BGB § 1666 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In der Sorgerechtssache

betreffend die minderjährigen Kinder

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Götsche als beisitzende Richter nach Anhörung der Beteiligten am 17.01.2008 am 22.01.2008 beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 07.05.2007 - Az.: 52 F 13/06 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der betroffenen, nicht ehelich geborenen Kinder. Zunächst hatte die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht.

Im Jahr 1999 zog die Kindesmutter mit V... zum Kindesvater, der im Haus seiner Eltern eine Wohnung innehatte. Die Eltern des Kindesvaters, insbesondere die Großmutter, kümmerten sich jahrelang in großem Umfang um die Kinder. Seit Mai 2003 erhielt die Kindesmutter Hilfe zur Erziehung durch das Jugendamt des Landkreises O.... Es kam zu erheblichen Konflikten nicht nur zwischen den Kindeseltern, sondern auch zwischen der Kindesmutter und den Großeltern. Die Kindesmutter hatte Schwierigkeiten, sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern und den Haushalt zu versorgen. Etwa Anfang des Jahre 2006 sah sich die Großmutter nicht mehr in der Lage, im vorherigen Umfang die Betreuung der Kinder wahrzunehmen. V... fiel als sehr dünn, blass und depressiv wirkend auf und wurde nach Vorstellung beim Kinderarzt in die Kinderklinik aufgenommen. Bei einem Hausbesuch des Jugendamts des Landkreises O... am 10.01.2006 wies die Wohnung einen kaum noch nutzbaren Zustand auf, da überall Berge von Spielsachen, Kleidung, Kartons etc. aufgestapelt waren. Auch Medikamente lagen herum und waren für die Kinder frei zugänglich. Selbst die Kinderbetten mussten erst von Sachen frei geräumt werden, ehe sie benutzbar waren. Das Jugendamt hat deshalb die drei Kinder am 12.01.2006 aus dem Haushalt der Mutter herausgenommen und sie anderweitig untergebracht. Mit Schriftsatz vom selben Tag wurde beantragt, das Sorgerecht für die drei Kinder in den Teilen Aufenthaltsbestimmungsrecht, Antragsrecht nach KJHE und Gesundheitsfürsorge der Kindesmutter zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen.

Das Amtsgericht Neuruppin hat mit Beschluss vom 12.01.2006 (Bl. 6 GA) der Kindesmutter vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Antragsrecht nach KJHG und die Gesundheitssorge für die drei Kinder entzogen und Pflegschaft durch das Jugendamt angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 27.01.2006 hat der Vater beantragt, ihm das Sorgerecht für die drei Kinder zu übertragen. Er hat eingeräumt, sich selbst um die Kinder bislang nicht besonders gekümmert zu haben und hat auf die Betreuung durch seine Mutter verwiesen. Er sei nunmehr aber bereit, sich mehr für die Kinder einzusetzen, nachdem er erkannt habe, dass die Kindesmutter hierzu nicht in der Lage sei.

Das Amtsgericht hat ein Gutachten der Sachverständigen Dr. C... St... eingeholt, das diese unter dem 26.01.2007 erstattet hat (Beiheft). Diese gelangte zu dem Ergebnis, dass die Kindesmutter eine mangelnde Feinfühligkeit im Umgang mit den Kindern zeigt und die Bedürfnisse der Kinder wenig wahrnimmt. Außerdem seien eine mangelnde Ausdauer und eine Überforderung der Kindesmutter erkennbar geworden. Sie stelle ihre eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund und agiere häufig ichbezogen. Die emotionale Beziehung zu den Kindern sei unterschiedlich ausgeprägt. Zu S... und V... sei die Beziehung positiver als zu O.... Diesem gegenüber verhalte sie sich kühl und distanziert. Auch das Verhältnis zwischen dem Vater und den Kindern sei wenig emotional; der Vater verhalte sich generell distanziert und eher mürrisch und reizbar. Es sei nur ein geringes Interesse des Vaters an seinen Kindern erkennbar. Dieser sei noch am ehesten an O... interessiert. Die Bindungen der Kinder an die Eltern seien infolge jahrelanger Konflikte und Streitigkeiten gestört. Alle drei Kinder seien nur unsicher an ihre Eltern gebunden. Bei V... werde noch eine enge, positiv geprägte emotionale Beziehung zur Mutter deutlich. Die Bindung an den Vater sei dagegen hoch unsicher. V... habe darüber hinaus sehr enge Beziehungen zu ihren Geschwistern, die für sie nahezu ebenso bedeutsam seien wie die Mutter. S... Beziehung zur Mutter sei ebenfalls überwiegend positiv geprägt, jedoch nicht durchgehend. Die Bindungen an die Eltern seien jedoch unsicher. Ihre emotionalen Störungen seien im Zusammenhang mit der mangelnden Feinfühligkeit der Eltern vor der Herausnahme zu sehen. O... sei beiden Eltern gegenüber nicht emotional zugewandt, wobei die Beziehung zum Vater noch etwas positiver sei.

Die Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass beide Eltern nicht in der Lage seien, sich auf die objektiven Kindesinteressen einzustellen. Auch die Erziehungs- und Förderkompetenzen der Mutter seien erheblich eingeschränkt. Eine angemessene und kontinuierliche Betreuung der Kinder könne sie nur eingeschränkt wahrnehmen. Eine Förderung der Kinder entsprechend ihres Alters und Entwicklungsstandes könne sie auf Dauer nicht gewährleisten. Es sei eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben. Auch das Erziehungsverhalten des Vaters sei aufgrund seiner eingeschränkten kognitiven und emotionalen Kompetenzen insgesamt nicht adäquat. Es sei von einer permanenten Mangelförderung durch den Vater auszugehen. Zudem seien beide Eltern in ihrer Bindungstoleranz eingeschränkt. Außerdem sei davon auszugehen, dass beide Eltern selbst bei angenommener Bereitschaft nicht fähig seien, einen Lernprozess zu durchlaufen.

Alle drei Kinder wiesen Entwicklungsrückstände und Verhaltensauffälligkeiten auf, die in engem Zusammenhang mit dem erziehungsinkompetenten Verhalten der Eltern zu sehen seien. Bei V... und O... zeigten sich Entwicklungsrückstände hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten. Beide litten an Sprachentwicklungsstörungen, beruhend auf Mangelförderung. V... weise darüber hinaus Entwicklungsrückstände in der Grob- und Feinmotorik auf. Bei S... wurde eine emotionale Störung im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert. S... und O... hätten sich seit ihrer Herausnahme und dem Aufenthalt bei der Pflegefamilie positiv verändert. Verhaltensauffälligkeiten hätten sich wesentlich gebessert. Als Fazit geht die Sachverständige davon aus, dass eine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten sei, wenn der Aufenthalt der Kinder entweder bei der Mutter oder beim Vater bestimmt würde.

Der Kindesvater hat nach Zugang des Gutachtens erklärt, er sehe ein, dass die Kinder am besten in einer Pflegefamilie aufgehoben seien. Die Kindesmutter hat mitgeteilt, sie habe nunmehr einen privaten Betreuer, Herrn N... P..., mit dessen Hilfe es ihr gelungen sei, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Auch ihre Wohnung sei renoviert und neu eingerichtet.

Das Amtsgericht Neuruppin hat nach Anhörung der Kinder mit Beschluss vom 07.05.2007 der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Antragsrecht nach KJHG und das Recht zur Gesundheitssorge für die drei Kinder entzogen, den Antrag des Vaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts abgewiesen und Pflegschaft angeordnet.

Die Pflegschaft wird inzwischen für alle drei Kinder durch das Jugendamt des Landkreises O... geführt.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Kindesmutter den Antrag, ihr das Sorgerecht in vollem Umfang zurück zu übertragen. Sie hat inzwischen (am 09.07.2007) einen weiteren Sohn geboren. Sie meint, es bestünden angesichts des Ernährungs- und Pflegezustandes der Kinder keine Anhaltspunkte für deren Vernachlässigung. Außerdem habe die Sachverständige festgestellt, dass sie für V... die Hauptbezugsperson sei. Die Töchter hätten den Wunsch geäußert, künftig bei ihr zu leben. Der Sohn O... sei noch sehr klein gewesen, als er aus ihrem Haushalt herausgenommen worden sei. Sie führt an, die Wohnungssituation habe sich inzwischen vollständig geändert. Mit Hilfe ihres Betreuers sei die Wohnung renoviert, neu eingerichtet worden und in Ordnung. Sie sei auch bereit, die durch das Jugendamt angebotene Familienhilfe wahrzunehmen. Sie habe auch nichts dagegen, V... auf eine Förderschule zu schicken. Die Herausnahme der Kinder aus ihrer Familie sei eine unangemessene Maßnahme gewesen.

Die Kindesmutter beantragt sinngemäß,

den Beschluss vom 07.05.2007 des Amtsgerichts Neuruppin - Az.: 52 F 13/06 aufzuheben und ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Antragsrecht und das Recht zur Gesundheitssorge für die betroffenen Kinder zurück zu übertragen;

Der Kindesvater beantragt,

den Antrag der Kindesmutter zurückzuweisen.

Die Kinder V..., S... und O... sind inzwischen zusammen in einer Pflegefamilie untergebracht. Die Kindeseltern haben abwechselnd an den Wochenenden Umgang mit den Kindern, der Kindesvater mit Übernachtung, die Kindesmutter nur 4 Stunden ohne Übernachtung.

Mit Bericht vom 11.09.2007 führt das Jugendamt des Landkreises O... aus, dass Herr P... einen großen Teil der Habe der Kindesmutter in dafür angemieteten Garagen untergebracht habe. Er verwalte die Schlüssel und auch das Geld der Kindesmutter, das er ihr wöchentlich zuteile. Die Kindesmutter sei dank seiner Hilfe nunmehr schuldenfrei. Auch den Kontakt zu den Kindern unterstütze Herr P.... Nachdem die Kindesmutter zunächst über ihn habe erklären lassen, sie sei zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bereit, sei dies später wieder in Frage gestellt worden. Bei einem Gesprächstermin am 27.08.2007 sei es nach anfänglichem Einverständnis der Kindesmutter mit Hilfeleistungen zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf Herr P... die Hilfe abgelehnt habe. Später habe man sich jedoch wieder auf die Annahme von Hilfen geeinigt. Auch nach der Erstellung eines Bescheides durch das Jugendamt sei es erneut zu einer Ablehnung seitens Herrn P... gekommen. Nach erneuter Rücksprache mit dem Rechtsanwalt der Kindesmutter habe diese erneut erklärt, Hilfen anzunehmen. Das Jugendamt hat weiter festgestellt, dass die Wohnung der Kindesmutter nicht mehr vollgestellt sei und aufgrund der Einteilung des Geldes keine unkontrollierten Einkäufe mehr vorgenommen würden. Als Fazit befürwortet das Jugendamt das Fortbestehen des Beschlusses des Amtsgerichts.

Der Kindesvater wendet sich nicht gegen die Abweisung seines Antrags auf Übertragung des Sorgerechts an ihn, ist jedoch der Auffassung, es solle bei den getroffenen Anordnungen bleiben. Aus seiner Sicht ist die Kindesmutter mit der Versorgung aller Kinder überfordert. Er hält diese für in der Pflegefamilie bestens aufgehoben.

Der Verfahrenspfleger hat festgestellt, es sei V... Wunsch, bei der Mutter und bei den Großeltern väterlicherseits zu leben. S... wolle am liebsten bei den Großeltern väterlicherseits leben. Alle Kinder fühlten sich in der Pflegefamilie wohl und hätten den Wunsch, die Mutter regelmäßig zu sehen.

II.

Die befristete Beschwerde der Kindesmutter ist gemäß §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1, 517 ff ZPO zulässig, aber unbegründet. Die teilweise Entziehung des Sorgerechts für die drei betroffenen Kinder ist gemäß § 1666 BGB geboten.

Nach § 1666 Abs. 1 BGB kann dem Sorgeberechtigten die elterliche Sorge bzw. ein Teil davon entzogen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet wird, sofern die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, d. h. die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung der Kinder von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise begegnet werden kann, § 1666 a BGB.

Es kommt nicht darauf an, ob die Kindesmutter, gemessen an den Fähigkeiten des Kindes in der Lage ist, für eine bestmögliche Versorgung zu sorgen, da die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes zählen (Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1666, Rz. 18). Maßstab für die zu treffende Entscheidung ist das Wohl der Kinder, also der umfassende Schutz des in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen. Eine Gefährdung des Kindeswohls ist dann anzunehmen, wenn die begründete gegenwärtige Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Kindeswohl beeinträchtigt würde. Erforderlich ist der Eintritt eines sich mit einiger Sicherheit abzeichnenden Schadens, eine nur zukünftig drohende Gefahr genügt nicht (BGH, FamRZ 1996, 1031; OLG Hamm, FamRZ 2006, 359). Es ist eine Abwägung sämtlicher Umstände unter Berücksichtigung der Anlagen und des Verhaltens der betroffenen Kinder vorzunehmen. Eine begründete Besorgnis zukünftiger Schädigungen der Kinder entsteht in aller Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit. Eine Vernachlässigung des Kindes im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Sorgeberechtigte ausreichende Maßnahmen, die unter Berücksichtigung der sozialen, kulturellen und ökonomischen Situation der Familie eine ungestörte und beständige Erziehung, Beaufsichtigung und Pflege der Kinder im Rahmen der Familie gewährleisten sollen, unterlässt (Rotax/Rotax, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl., Teil 4, Rz. 156). Ein derartiges vernachlässigendes Verhalten kann darin zu sehen sein, dass Eltern die ihnen bzw. den Kindern angebotenen und benötigten Hilfen nicht annehmen (OLG Koblenz, FamRZ 2006, 57; Brandenburgisches OLG, NJW 2006, 235). Möglich ist auch ein unverschuldetes Versagen der Eltern, wobei mit dem Auffangtatbestand bezweckt wird, akute und schwerwiegende Gefährdungen des körperlichen und seelischen Wohls der Kinder abzuwehren. Die Gründe für das elterliche Versagen sind unerheblich, unter Beachtung der elterlichen Grundrechte sind jedoch hohe Anforderungen an den Eingriff zu stellen (BVerfG, FamRZ 1982, 567).

Hier ist mit dem Amtsgericht auf der Grundlage des ausführlichen und nachvollziehbar begründeten Gutachtens der Sachverständigen Dr. St... und nach dem Eindruck des Senats aus der Anhörung davon auszugehen, dass ein unverschuldetes Erziehungsversagen der Kindesmutter vorgelegen hat und dass diese auch derzeit nicht in der Lage ist, die betroffenen Kinder ohne Gefährdung des Kindeswohls zu versorgen.

Die Sachverständige hat festgestellt, dass die intelligenzgeminderte Kindesmutter nur eine eingeschränkte emotionale, kognitive und soziale Reife besitzt. Ihre Urteils- und Kritikfähigkeit sowie ihre emotionale Erlebnis- und Beziehungsfähigkeit gegenüber den betroffenen Kindern ist eingeschränkt. Sie wies eine massive Verhaltensstörung in Form ungehemmten Kaufverhaltens auf und war kaum in der Lage, den Alltag zu strukturieren. Außerdem hat sie die Bedürfnisse der Kinder nicht wahrgenommen. Bei diesen waren erhebliche Störungen eingetreten. V... hat eine Lernbehinderung und benötigt dauerhafte Hilfeleistungen und viel persönliche Zuwendung. Sie wies bei Inobhutnahme der Kinder Auffälligkeiten in der Motorik auf und erschien "emotional verhungert". Regressive Verhaltensweisen und eine Essstörung waren in einem Mangel an Zuwendung und Wärme begründet, unter denen sie sehr litt. Gleichwohl hatte und hat sie eine positive Beziehung zur Mutter.

Bei S... lag ebenfalls eine emotionale Störung mit reaktiven hyperaktiven Verhaltensweisen vor. Nach Unterbringung in der Pflegefamilie und entsprechender Förderung ist S... nunmehr altersgerecht entwickelt. Auch O... zeigte Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten sowie eine massive Sprachstörung, die auf mangelnde Zuwendung durch die Eltern zurückzuführen waren. Auch seine Entwicklung ist seit der Inobhutnahme und entsprechende Förderung in der Pflegefamilie deutlich positiv verlaufen.

Die festgestellten Entwicklungs- und Verhaltensstörungen hat die Kindesmutter bis jetzt nicht wahrgenommen. Noch in der Beschwerdebegründung werden die Kinder als gesund, gut ernährt und gepflegt beschrieben. Dabei blendet die Mutter aus, dass die Kinder maßgeblich auch durch die Großmutter versorgt wurden, dass bei V... eine Essstörung vorlag und dass insbesondere die notwendige Förderung aller Kinder unterblieben war, und zwar trotz der Hinweise durch das Jugendamt und die bestehende Familienhilfe. Auch jetzt noch weist die Kindesmutter darauf hin, sie habe doch nur Sachen für die Kinder angeschafft und habe nicht gewusst, dass das verboten sei. Sie nimmt nicht wahr, dass das Übermaß an materiellen Gütern mit den daraus folgenden chaotischen Zuständen in der Wohnung und der Mangel an Wärme und Fürsorge für die Kinder schädlich waren. Dass die jetzige Wohnung der Kindesmutter mit Hilfe ihres privaten Betreuers, Herrn P..., ordentlich ist und das vorhandene Geld eingeteilt wird, zeigt, dass die Beschwerdeführerin bereit ist, unter Anleitung zu lernen, wie sie ihr Leben strukturieren kann. Der Senat verkennt nicht, dass es hier zu deutlichen Verbesserungen gekommen ist. Allerdings beruht dies nur auf einer engmaschigen Fürsorge durch den Betreuer und durch die Familienhilfe. Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt gestaltet sich nach wie vor problematisch und greift letztendlich nur unter dem Druck, das jüngste Kind K... nicht auch noch zu verlieren. Die Vertretrinnen des Jugendamts haben ausgeführt, dass nach ihrem Eindruck die Kindesmutter auch jetzt nicht erkennt, dass überhaupt Unterstützungsbedarf besteht und welchen Zweck die Familienhilfe verfolgt.

Es bestehen Bedenken, ob die Beschwerdeführerin trotz der Hilfen in der Lage wäre, einen deutlich vergrößerten Haushalt mit 4 Kindern und einem entsprechenden größeren Geldbedarf zu organisieren. Auf Befragen durch den Senat konnte sie entsprechende Vorstellungen nicht deutlich machen. Es entstand der Eindruck, dass sie kaum in der Lage ist, sich den Tagesablauf mit vier teils schulpflichtigen Kindern vorzustellen, für die sie erstmals (ohne Mithilfe der Großeltern) allein verantwortlich wäre. Die Vertreterinnen des Jugendamts wiesen darauf hin, dass schon bei den Umgängen erkennbar werde, dass die Kindesmutter nicht in der Lage sei, den Kindern Grenzen zu setzen und ihre Wünsche durchzusetzen. Die Kindesmutter selbst räumte ein, dass es manchmal hoch her ginge, insbesondere wenn die Mädchen sich stritten, was häufig vorkomme.

Entscheidend ist aber, dass das Wohl der betroffenen Kinder nicht allein durch die Zustände in der Wohnung und den Umgang mit Geld gefährdet wird, sondern massiv auch durch die Unfähigkeit der Kindesmutter, die Bedürfnisse ihrer Kinder über die materielle Versorgung hinaus zu erkennen. Die mangelnde emotionale Wärme und das Fehlen der Fähigkeit, auf Bedürfnisse der Kinder einzugehen, kann weder durch den privaten Betreuer noch durch die Familienhilfe ausgeglichen werden, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Es bestünde die Gefahr, dass V..., die sich sowohl für ihre Geschwister wie auch für ihre Mutter verantwortlich fühlt, wiederum völlig überlastet würde und dass die notwendige Förderung aller Kinder unterbliebe, so dass erneut massive Entwicklungsstörungen auftreten würden.

Hinzu kommt, dass die Kindesmutter nicht in der Lage ist, ihre eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten zum Wohl der Kinder zurückzustellen. Bei der Anhörung wurde deutlich, dass eine Bindungstoleranz kaum besteht. Hinsichtlich der Großeltern väterlicherseits beklagte die Kindesmutter, dass diese sich immer eingemischt hätten und dass der Kindesvater zu seinen Eltern gehalten habe. Zum Kindesvater besteht derzeit kein Kontakt. Eine Vorstellung darüber, wie der Kontakt sich gestalten sollte, wenn die Kinder wieder bei ihr lebten, hat die Kindesmutter nicht äußern können. Auch vom Kindesvater ist insoweit eine Hilfe oder ein Entgegenkommen nicht zu erwarten.

Der Senat ist - wie auch das Jugendamt - davon überzeugt, dass das Kindeswohl derzeit die teilweise Entziehung des Sorgerechts gebietet. Allerdings sollte der Umgangskontakt verstärkt und vertieft werden. Von einer Gefährdung der Kinder bei Ausweitung der Umgänge mit der Mutter ist nicht auszugehen. Insbesondere sollte V..., die sehr an der Mutter hängt und sich auch für den kleinen Halbbruder K... interessiert, alsbald Gelegenheit gegeben werden, bei der Mutter auch zu übernachten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 S. 2 FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus § 30 Abs. 2 KostO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 621e Abs. 2; 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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