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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.08.2003
Aktenzeichen: 9 UF 116/03
Rechtsgebiete: BGB, VAÜG


Vorschriften:

BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3
BGB § 1587 a Abs. 3
VAÜG § 1 Abs. 2
VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 1
VAÜG § 1 Abs. 3
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 116/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 3. vom 7. Juli 2003 gegen die in dem am 13. Juni 2003 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Senftenberg - 32 F 185/02 - zum Versorgungsausgleich getroffene Regelung durch

die Richterin am Oberlandesgericht ... die Richterin am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 27. August 2003

im schriftlichen Verfahren

beschlossen:

Tenor:

1.

Der Tenor des angefochtenen Urteils wird zu Ziff. 2) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 1., Vers.-Nr.: ..., werden auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 2., Vers.-Nr.: ..., angleichungsdynamische Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 81,51 €, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. Juni 2002, übertragen.

Die zu übertragenden angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen.

2.

Zu Lasten der bei der Beteiligten zu 3. bestehenden Anwartschaften der Antragstellerin auf eine Betriebsrente, V-Nr. ..., werden auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 2., Versicherungsnummer ..., nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 7,89 €, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30. Juni 2002, begründet.

Die zu begründenden nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

3.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

4.

Der Beschwerdewert wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3. hat auch in der Sache Erfolg. Mit Recht hat sie sich darauf berufen, das Amtsgericht habe den Versorgungsausgleich hinsichtlich der von der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 3. erworbenen Anwartschaften fehlerhaft durchgeführt.

1.

Nach Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 9. Januar 2003 hat die Antragstellerin während der Ehezeit i. S. d. § 1587 Abs. 2 BGB - dies ist die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 30. Juni 2002 - angleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 627,75 € monatlich erworben.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin nach Auskunft der Beteiligten zu 3. vom 9. Dezember 2002 innerhalb der vorgenannten Ehezeit unverfallbare Anwartschaften auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes in Höhe von 64,31 € monatlich erworben.

Ferner steht auf Grund der Auskunft der Beteiligten zu. 2 vom 25. November 2002 fest, dass der Antragsgegner auf die Ehezeit entfallende angleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 464,74 € monatlich erworben hat.

2.

Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b VAÜG ist der Versorgungsausgleiches bereits vor der Einkommensangleichung durchzuführen. Nach dieser Vorschrift ist der Versorgungsausgleich dann durchzuführen, wenn die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anwartschaften minderer Art erworben haben und der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anwartschaften auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erworben hat.

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b VAÜG liegen vor.

a.

Keiner der beteiligten Ehegatten hat angleichungsdynamische Anrechte minderer Art erworben.

Die in der gesetzlichen Rentenversicherung bei den Beteiligten zu 1. und 2. erworbenen Anrechte sind angleichungsdynamisch im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG.

Die bei der Beteiligten zu 3. erworbenen Anrechte der Antragstellerin, bei denen es sich um eine dem § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB zuzurechnenden Sonderform der betrieblichen Altersversorgung handelt (BGH, NJW 1982, 1989), stellen ebenfalls keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art dar. Bei den VBL-Anwartschaften handelt es sich um eine nichtdynamische, d. h. statische Anwartschaft. Soweit für die Zeit ab Leistungsbeginn eine jährliche Erhöhung um 1 % vorgesehen ist, ist diese den bisherigen Erhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gleichzustellen, so dass es sich nicht um ein den dynamischen Rechten der gesetzlichen Rentenversicherung gleichzustellendes Anrecht handelt (vgl. auch OLG Hamburg, Beschuss vom 30. Juni 2003, Aktz. 12 UF 152/01, Seite 4 f. - bislang unveröffentlicht -).

Demgegenüber sind angleichungsdynamische Anrechte minderer Art gem. § 1 Abs. 3 VAÜG solche Anrechte, die zwar eine stärkere Dynamik als die im übrigen Bundesgebiet erworbenen und vergleichbaren Anrechte, aber eine mindere Dynamik als die angleichungsdynamischen Anrechte des § 1 Abs. 2 VAÜG aufweisen. Die Dynamik der angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art kann danach nicht größer oder gleich der Dynamik angleichungsdynamischer Anrechte sein kann. Ebenso wenig kann - trotz des insoweit offenen Wortlautes des § 1 Abs. 3 VAÜG - die Dynamik der angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art eine geringere Dynamik als die gesetzlichen Versorgungen in den alten Bundesländern aufweisen (a. A. Soergel-Minz/Häußermann/Schmeiduch, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1, VAÜG, Rn. 14; FamVerf/Schael, 2001, § 8, Rn. 96; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 3. Aufl. 1998, § 1 VAÜG, Rn. 5), da dies der gesetzlichen Systematik widersprechen würde. Für alle Anrechte, deren Wert nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung steigt, sind die Regelung des § 1587a Abs. 3 BGB i. V. m. der BarwertVO maßgebend (MünchKomm-Sander, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1, VAÜG, Rn. 12; Maier/Michaelis, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, § 1, VAÜG, Anm. 4; Eißler, Der Versorgungsausgleich, 2. Aufl. 1995, Rn. 119). Da die Vorschrift des § 1587a BGB auch innerhalb des Anwendungsbereiches des VAÜG gilt, ist die untere Grenze der Dynamik angleichungsdynamischer Anrechte minderer Art deshalb durch die Dynamik der regeldynamischen (nichtangleichungsdynamischen) Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung vorgegeben. Angleichungsdynamische Anrechte minderer Art i. S. d. § 1 Abs. 3 VAÜG können deshalb nur solche Anrechte sein, deren Dynamik zwischen den nichtangleichungsdynamischen Westanrechten und den angleichungsdynamischen Ostanrechten tendiert (MünchKomm-Sander a. a. O.; Maier/Michaelis a. a. O.; Götsche, Die Praxis des Versorgungsausgleichs in den neuen Bundesländern, FamRZ 2002, 1235, 1236; i. E. auch Eißler, a. a. O., Rn. 117 i.V.m. Rn. 119; i. E. auch Brandenburgisches OLG FamRZ 2001, 489, 490 für private Leibrentenversicherung unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung).

Da die VBL-Anrechte eine geringere Dynamik als die nichtangleichungsdynamischen Westanrechte aufweisen (siehe bereits zuvor), stellen sie danach keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art dar.

b.

In der gesetzlichen Rentenversicherung hat die Antragstellerin die höheren angleichungsdynamischen Anrechte erworben, wie aus den zuvor genannten Auskünften der Beteiligten zu 1. und 2. folgt.

Mit den bei der Beteiligten zu 3. bestehenden VBL-Anrechten hat die Antragstellerin darüber hinaus die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b VAÜG erworben. Der Begriff der nichtangleichungsdynamischen Anrechte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b VAÜG ist im Gesetz nicht definiert. Von seinem Wortlaut und von der gesetzlichen Systematik her ist aber erkennbar, dass dieser Begriff in Abgrenzung zu den angleichungsdynamischen Anrechten zu verstehen ist. Unter den Begriff der nichtangleichungsdynamischen Anrechte im Sinne der Norm fallen daher nicht nur die regeldynamischen = nichtangleichungsdynamischen Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung, vielmehr alle Anrechte, die keine Angleichungsdynamik - sei es eine solche im Sinne des § 1 Abs. 2 VAÜG, sei es eine solche minderer Art im Sinne des § 1 Abs. 3 VAÜG - besitzen und erst durch ihre Umwertung fiktiv wie ein nichtangleichungsdynamischen Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung behandelt werden. Wäre dagegen der Begriff der nichtangleichungsdynamischen Anrechte auf diejenigen der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt, müßte bei Beteiligung statischer Anrechte der Versorgungsausgleich stets ausgesetzt werden, wofür keine Notwendigkeit erkennbar ist und was im Übrigen auch der Praxis der obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht (vgl. z. B. erneut Brandenburgisches OLG FamRZ 2001, 489, 490 f.).

Um die Vergleichbarkeit der bei der Beteiligten zu 3. bestehenden Anrechte der Antragstellerin mit den gesetzlichen Anrechten herzustellen, ist deren Umwertung erforderlich. Insoweit hat das Amtsgericht fehlerhaft die VBL-Anrechte als volldynamisches Anrecht behandelt.

Ausgehend von einem Alter der am 20. Februar 1954 geborenen Antragstellerin am Ende der Ehezeit (30. Juni 2002) von 48 Jahren entspricht ihre statische VBL-Rentenanwartschaft von monatlich 64,31 €, unter Anwendung der Barwertverordnung in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung (BGBl. Nr. 21/2003 vom 30. Mai 2003), einer dynamischen Rentenanwartschaft von monatlich 15,78 € (64,31 € x 12 Monate x 4,4 Barwertfaktor Tabelle 1 BarwertVO x 0,0001835894 Umrechnungsfaktor Beitrag/Entgeltpunkte x 25,31406 Rentenwert = 15,78 €).

Dabei führt, wie zu berechnet, die fiktiven Einzahlung der VBL-Anrechte in die gesetzliche Rentenversicherung zu einem fiktiven Erwerb von nichtangleichungsdynamischen Anrechten, da dem Gesetz die Umrechnung in ein angleichungsdynamisches Ostanrecht generell fremd ist (Götsche, a.a.O., S. 1239; i. E. für VBL auch OLG Thüringen FPR 2002, 12, 13).

3.

Gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB hat der Senat dem Antragsgegner, der die niedrigeren Anwartschaften erworben hat, eine Rentenanwartschaft in Höhe der Hälfte des verbleibenden Wertunterschiedes zuzusprechen.

Der Wertunterschied der beiderseitigen angleichungsdynamischen Anwartschaften beträgt 163,01 €, so dass die Hälfte des Wertunterschiedes 81,51 € ausmacht.

Für den Ausgleich der bei der Beteiligten zu 3. bestehenden umgewerteten nichtangleichungsdynamischen Anrechte von monatlich 15,78 € folgt der Ausgleich, da die Satzung der Beteiligten zu 3. eine Realteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 VAHRG nicht vorsieht, gemäß den Regeln des § 1 Abs. 3 VAHRG. Im Wege des Quasi-Splittings war daher die Hälfte der umbewerteten Anwartschaft von 15,78 €, d. h. 7,89 €, bezogen auf den 30. Juni 2002, zu Gunsten des gesetzlichen Rentenversicherungskontos des Antragsgegners zu begründen.

Die Anordnung der Umrechnung der zu übertragenden angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte (Ost) beruht auf § 3 Abs. 1 Nr. 5 VAÜG. Die Anordnung der zu begründenden nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte beruht auf § 1587b Abs. 6 BGB.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93a Abs. 1 ZPO, 8 GKG, die Entscheidung zum Beschwerdewert auf § 17a Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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