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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.11.2005
Aktenzeichen: 9 UF 116/05
Rechtsgebiete: VAHRG, VAÜG, FGG, GKG, ZPO


Vorschriften:

VAHRG § 10a
VAHRG § 10a Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 2
VAÜG § 4 Abs.
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FGG § 53c
FGG § 13a Abs. 1 S. 1
GKG § 49a
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

9 UF 116/05

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 17. Juni 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 12. Mai 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr, den Richter am Oberlandesgericht Schollbach und den Richter am Oberlandesgericht Götsche am 21. November 2005 im schriftlichen Verfahren beschlossen:

Tenor:

Auf die befristete Beschwerde wird der angefochtene Beschluss abgeändert und wie folgt neu gefasst:

In Abänderung des Beschlusses des AG Cottbus vom 24. Oktober 1997 (51 F 77/96) wird der Versorgungsausgleich ausgesetzt.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000 €.

Gründe:

A.

Die Ehe der Parteien wurde 1996 geschieden. Mit Beschluss des Amtsgericht Cottbus vom 24. Oktober 1997 (51 F 77/96, Bl. 14 d. A.) wurde der Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt, dass vom Rentenversicherungskonto des Antragstellers auf das Rentenversicherungskonto der Antragsgegnerin angleichungsdynamische Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 183,32 DM (= 93,73 €), bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. März 1996, übertragen wurden. Grundlagen der - rechtskräftigen - Entscheidung waren innerhalb der Ehezeit vom 1. November 1981 bis 31. März 1996 erworbene angleichungsdynamische Anrechte des Antragstellers von 736,33 DM (= 376,48 €) und der Antragsgegnerin von 369, 69 DM (= 189,02 €).

Auf Grund gesetzlicher Änderungen insbesondere zu der Neuberücksichtigung von Kindererziehungszeiten erfolgte eine Nachberechnung zu den ehezeitlich erworbenen Anwartschaften beider Parteien. Nach der aktualisierten Auskunft der Beteiligten zu 2. vom 22. Juli 2004 (Bl. 24 d. A.) steht nunmehr fest, dass der Antragsteller innerhalb der vorgenannten Ehezeit angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von lediglich 365,76 € erworben hat. Die Antragsgegnerin hat nach der unter dem 1. Oktober 2004 erteilten, aktualisierten Auskunft der Beteiligten zu 1. (Bl. 65 d. A.) innerhalb der Ehezeit an angleichungsdynamischen Anwartschaften 220,36 € und zudem nunmehr solche aus nichtangleichungsdynamischen Anrechten in Höhe von 5,96 €, jeweils monatlich, erworben.

Der Antragsteller bezieht Altersrente.

Mit der angefochtenen Entscheidung (Bl. 122 d. A.) hat das Amtsgericht in Anwendung des § 10a VAHRG die vormalige Entscheidung zum Versorgungsausgleich dahingehend abgeändert, dass vom Rentenversicherungskonto des Antragstellers auf das der Antragsgegnerin monatliche Anwartschaften in Höhe von 74,93 €, bezogen auf den 31. März 1996, übertragen werden. Zugleich hat das Amtsgericht die Vervielfältigung des aktuellen Rentenwerts (Ost) mit dem Angleichungsfaktor 1,0717097 angeordnet. Ausweislich der Begründung ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass auf Grund des Rentenbezugs des Antragstellers sich der Versorgungsausgleich auf die bezogene Rente auswirkt und daher der Versorgungsausgleich nach dem VAÜG durchzuführen ist.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2., mit der diese die Aussetzung des Versorgungsausgleiches gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG begehrt.

B.

Die zulässige befristete Beschwerde (§ 621 e ZPO) der Beteiligten zu 2. hat Erfolg. Die Voraussetzungen des § 10a VAHRG für eine abändernde Entscheidung sind zwar grundsätzlich gegeben und durch das Amtsgericht in rechnerischer Hinsicht zutreffend umgesetzt worden. Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs scheitert aber an der Regelung des § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG.

I.

Es bestehen keine Bedenken an der Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 10a VAHRG.

1.

Dass auch Entscheidungen, die unter Berücksichtigung von dem VAÜG unterfallenden Anrechten getroffen wurden, nach § 10a VAHRG abänderbar sind, folgt bereits aus der auf das Abänderungsverfahren bezugnehmenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 VAÜG.

2.

Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, dass § 10a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VAHRG die anderweitige Übertragung oder Begründung eines bereits rechtskräftig durchgeführten Versorgungsausgleichs ermöglichen will, es sich aber bei der Aussetzung des Versorgungsausgleichs nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG um eine bloße Zwischenentscheidung (allgemein dazu BGH FamRZ 2003, 1005) handelt.

§ 10a VAHRG schafft eine weitgehende Durchbrechung der materiellen Rechtskraft, die im Wege einer Totalrevision sogar die Korrektur von in der Abänderungsentscheidung vorgenommenen Fehlern jeglicher Art bis hin zu Rechtsanwendungsfehlern der angefochtenen Entscheidung ermöglicht (vgl. im Einzelnen BGH FamRZ 1989, 264 und 725). Von der gesetzgeberischen Konzeption her soll auf dem Wege des Abänderungsverfahrens die dem aktuellen Stand der erworbenen Versorgungsanrechte entsprechende korrekte Entscheidung getroffen werden. Im Verfahren des § 10a VAHRG ist durch das Gericht eine neue Ausgleichsbilanz aufzustellen, die auf den veränderten Auskünften der Versorgungsträger beruht. Dies gilt auch, wenn angleichungsdynamische Anrechte betroffen sind. Verschiebt sich nach Durchführung des unter Beteiligung angleichungsdynamischer Anrechte durchgeführten Versorgungsausgleichs aufgrund späterer Änderungen die Versorgungsbilanz, kann nach § 10a VAHRG die Abänderung der Ursprungsentscheidung verlangt werden (Bamberger/Roth-Gutdeutsch, BGB, 2003 § 2 VAÜG Rn. 3).

Steht aber fest, dass sich die Anrechte verändert haben, so muss das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) das Verfahren so durchführen, als wenn es sich um ein Erstverfahren handelt. Die Konten der Beteiligten sind umfassend zu klären, eventuell durch Einholung neuer Auskünfte bei den Versorgungsträgern. Bestehen Unklarheiten, kommt auch im Verfahren des § 10a VAHRG eine Aussetzung (vgl. Staudinger-Rehme, BGB, 13. Aufl. § 10a VAHRG Rn. 93) nach § 53c FGG in Betracht. Nichts anderes gilt, wenn ein Ausgleich aufgrund wiedervereinigungsbedingter Besonderheiten gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG zunächst dahinzustehen hat.

II.

Auf Grund der zuvor dargestellten, aktualisierten Anwartschaften beider Parteien ist der Versorgungsausgleich auszusetzen, da die Antragsgegnerin zwar (weiterhin) die geringeren angleichungsdynamischen, dafür aber nunmehr die einzigen nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erworben hat. In einem solchen Fall ist der Versorgungsausgleich nur dann durchzuführen, wenn aus einem im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht auf Grund des Versorgungsausgleichs Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, da der Antragsteller als Ausgleichsverpflichteter Rentenbezieher ist und ihn das sogenannte Rentnerprivileg schützt (Götsche FamRZ 2002, 1235, 1241).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 S. 1 FGG, die Entscheidung zum Streitwert auf § 49a GKG.

D.

Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Zulässigkeit der Aussetzung des Versorgungsausgleichs gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG im Abänderungsverfahren des § 10 a VAHRG ist von grundsätzlicher Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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