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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 9 UF 118/03
Rechtsgebiete: BGB, Regelbetrag-VO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1601 ff.
BGB § 1612 a
BGB § 1612 a Abs. 3 Satz 2
BGB § 1613 Abs. 1 Satz 1
BGB § 286
BGB § 1613
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1360 Satz 2
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 2
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
Regelbetrag-VO § 2
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 319 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

9 UF 118/03

Verkündet am 11.12.2003

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Berufung der Beklagten vom 8. Juli 2003 gegen das am 12. Juni 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neuruppin (51 F 117/03) auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2003 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 208 € vom 1. März 2003 bis zum 31. Mai 2003, in Höhe von monatlich 249 € für Juni 2003, in Höhe von monatlich 262 € vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2003 sowie monatlich ab Januar 2004 in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der 3. Altersstufe nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 208 € ab dem 2. März 2003, aus weiteren 208 € ab dem 2. April 2003, aus weiteren 208 € ab dem 2. Mai 2003, aus weiteren 249 € ab dem 2. Juli 2003, aus weiteren 262 € ab dem 2. August 2003, aus weiteren 262 € ab dem 2. September 2003, aus weiteren 262 € ab dem 2. Oktober 2003, aus weiteren 262 € ab dem 2. November 2003 und aus weiteren 262 € ab dem 2. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. November 2002 bis 28. Februar 2003 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 832 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz für 208 € für den Zeitraum 2. November 2002 bis 1. Dezember 2002, für 416 € für den Zeitraum 2. Dezember 2002 bis 1. Januar 2003, für 624 € für den Zeitraum 2. Januar 2003 bis 1. Februar 2003 sowie für 832 € für den Zeitraum ab 2. Februar 2003 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Berufung zurück- und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um den Mindestunterhaltsanspruch der Klägerin.

Die am 27. Juni 1991 geborene Klägerin ist das eheliche Kind der Beklagten. Die Ehe ihrer Eltern ist in Februar 2000 rechtskräftig geschieden worden. Seither lebt die Klägerin auf dem Gebiet der neuen Bundesländer bei ihrem Vater, der für sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein inne hat. Aus der geschiedenen Ehe ist ein weiteres Kind hervorgegangen, ..., geboren am 8. März 1995. Der Sohn ... lebt bei der Beklagten, die ihrerseits das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihn allein ausübt.

Zwischen den Eltern der Klägerin bestand zunächst Einvernehmen dahingehend, wechselseitig keine Kindesunterhaltsansprüche geltend zu machen. Gleichwohl verfolgte die Beklagte nachfolgend in Vertretung des Sohnes ... dessen Unterhaltsansprüche gegenüber dem Vater der Klägerin, woraufhin die durch ihren Vater vertretene Klägerin ihrerseits mit Schreiben vom 12. November 2002 die Beklagte aufforderte, zur Unterhaltsberechnung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen. Mit mittlerweile rechtskräftigem Versäumnisurteil des AG ... vom 27. März 2003 (5 F 253/02) ist der Vater der Klägerin u. a. zur laufenden monatlichen Zahlung von 100 % des Regelbetrages an den Sohn ... verurteilt worden.

Die auf dem Gebiet der alten Bundesländer lebende Beklagte ist nicht vollschichtig erwerbstätig, sie betreut weiterhin den Sohn.... Seit August 2002 bezieht sie Arbeitslosenhilfe in Höhe von täglich 9,39 €. Zum 1. April 2003 hat sie eine geringfügige Beschäftigung mit einer monatlichen Nettoentlohnung von 440 € im Geschäft des Herrn T...H... angetreten.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte verstoße gegen die sie treffende Erwerbsobliegenheit und müsse sich daher als fiktiv leistungsfähig zur Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhaltes behandeln lassen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie

ab 1. März 2003 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der 3. Altersstufe nebst 5 % Zinsen über Basiszins aus dem jeweiligem Rentenbetrag seit dem 2. Tag eines jeden Monats, sowie

ab dem 1. November 2002 bis 28. Februar 2002 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 996 € nebst 5 % über Basiszins aus 498 € seit dem 2. Dezember 2002 und aus jeweils weiteren 249 € seit dem 2. Januar 2003 und 2. Februar 2003,

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, nicht leistungsfähig zu sein. Sie könne sich ihrer Ansicht nach auf die Betreuung des Bruders der Klägerin berufen, ihr sei daher kein Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten vorzuwerfen.

Mit dem am 12. Juni 2003 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht ... der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, wegen des unterhaltsrechtlich gleichen Ranges beider Kinder könne sich die Beklagte nicht auf die Betreuung des Sohnes ...berufen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ebenso wie die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Aus dem auf Anforderung des Senates hin durch die Klägerin vorgelegten Schreibens der Stadt ... vom 18. Juli 2003 geht hervor, dass die Klägerin keine Leistungen aus Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfe mehr erhält und mit Herrn T... H...in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur geringen Erfolg. Der Klägerin steht im Umfang der tenorierten Beträge ein Anspruch auf Unterhalt gegen die Beklagte zu; lediglich hinsichtlich der darüber hinausgehenden Beträge ist die Berufung begründet und die Klage abzuweisen.

1. Der Anspruch der Klägerin folgt aus den §§ 1601 ff., 1612 a BGB i. V. m. § 2 Regelbetrag-VO. An ihrer Bedürftigkeit bestehen keine Bedenken.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin beträgt hiernach von November 2002 bis Mai 2003 monatlich 208 € (Altersstufe 2 = 211 € abzgl. 3 € anteiliges Kindergeld), für Juni 2003 sodann 249 € (Altersstufe 3) und ab Juli 2003 monatlich 262 € (Altersstufe 3).

Soweit durch das Amtsgericht eine Verurteilung der Beklagten über die zuvor genannten Unterhaltsbeträge erfolgt ist, ist die Berufung der Beklagten erfolgreich. Das Amtsgericht hat unter Verkennung der korrekten Altersstufe der Klägerin für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum die 3. Altersstufe und damit einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 249 € zuerkannt. Die am 27. Juni 1991 geborene Klägerin hat die 3. Altersstufe aber erst im Juni 2003 erreicht, zuvor befand sie sich in der 2. Altersstufe bei entsprechend geringerem Unterhaltsbedarf. Gemäß § 1612 a Abs. 3 Satz 2 BGB ist damit ab dem Monatsersten, in dem das 12. Lebensjahr vollendet wird, d. h. hier ab dem 1. Juni 2003 der Unterhalt nach der 3. Altersstufe der Regelbetrag-VO zu zahlen.

Soweit hiernach das Amtsgericht für die Zeit von November 2002 bis Februar 2003 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 996 € (= 4 Monate x 249 €) ausgeurteilt hat, stand der Klägerin tatsächlich lediglich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 832 € (= 4 Monate x 208 €) zu. Gleiches gilt, soweit das Amtsgericht der Klägerin bereits ab März 2003 die Regelbeträge der 3. Altersstufe zugesprochen hat.

Im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Geltendmachung insbesondere der rückständigen Unterhaltsbeträge gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies folgt aus der unstreitigen Tatsache, dass die Beklagte durch die Klägerin mit Schreiben vom 12. November 2002 aufgefordert worden ist, über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zwecke der Unterhaltsberechnung Auskunft zu erteilen. Soweit die Beklagte gegenüber den im angefochtenen Urteil insoweit enthaltenen Ausführungen nunmehr die Rechtsauffassung vertritt, diese Aufforderung genüge den Anforderungen der §§ 286, 1613 BGB nicht, ist dem nicht zu folgen. Eine bezifferte Aufforderung ist nicht erforderlich, ausreichend ist vielmehr, dass der Wille des Auffordernden erkennbar wird, Unterhalt gemäß der noch zu erteilende Aufforderung zu begehren (vgl. auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. 2003, Rn. 220). Dem genügt die Aufforderung der Klägerin zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung, zumal diese Aufforderung für die Beklagte in erkennbaren Zusammenhang mit den zur gleichen Zeit geltend gemachten Unterhaltsansprüchen für den Sohn... und der damit verbundenen Aufkündigung der elterlichen Vereinbarung über die wechselseitige Nichtgeltendmachung von Kindesunterhalt stand.

2. Nach ihren Einkommensverhältnissen - soweit diese bislang bekannt sind - ist die Beklagte zur Zahlung der vorgenannten Unterhaltsbeträge nicht leistungsfähig.

So hat die Beklagte seit Mitte des Jahres 2002 anfänglich allein Einkünfte aus Arbeitslosenhilfe bezogen hat, die bei einem Tagessatz von 9,39 € monatlich umgerechnet 285,61 € (9,39 € x 365 Tage : 12 Monate) entsprechen. Damit wäre sie bei einem Selbstbehalt für Nichterwerbstätige von 730 € gemäß Ziff. 5 der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1. Juli 2002) nicht leistungsfähig. Seit April 2003 erhält die Beklagte nach eigenem Vortrag, insbesondere ausweislich des Schreibens der Stadt ... vom 18. Juli 2003 keine Leistungen aus Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfe. Damit ändern grundsätzlich auch die ab April 2003 aus der Ausübung eines Nebenerwerbs bezogenen 440 €/monatlich nichts an der tatsächlichen Leistungsunfähigkeit der Beklagten.

3. Gleichwohl kann sich die Beklagte aus mehreren Gründen nicht auf ihre zuvor dargestellte Leistungsunfähigkeit berufen.

a. Ob die Beklagte zur Zahlung dieser Unterhaltsbeträge nicht bzw. nicht in vollem Umfange aus ihren tatsächlichen Einkünften leistungsfähig ist, kann nach derzeitigem Stand nicht abschließend beurteilt werden. Dies geht zu Lasten der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten, die ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Leistungsunfähigkeit zur Zahlung der Regelbeträge (allgemein dazu BGH, FamRZ 2002, 536, 540; OLG Stuttgart FamRZ 2003, 1684; Brandenburgisches OLG, NJWE-FER 2001, 70) nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist.

Weder über den Bezug von Wohngeld noch über den genauen Zeitpunkt der Aufnahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Herrn T... H... hat sich die Beklagte auch auf Nachfrage des Senates in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2003 hin erklärt. Insoweit kann nicht abschließend beurteilt werden, ob und ggf. seit wann der Beklagten weitere Einkünfte aus dem Bezug von Wohngeld bzw. durch Zurechnung von Einkünften für die Haushaltsführung innerhalb der neuen nichtehelichen Lebensgemeinschaft zuzurechnen sind. Schon aus diesen Gründen kann sich die Beklagte nicht auf ihre mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.

b. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen muss sich die Beklagte aus einem weiteren Grund als fiktiv leistungsfähig zur Zahlung der geltend gemachten Unterhaltsbeträge behandeln lassen, da die Beklagte gegen die sie treffende gesteigerte Erwerbsobliegenheit des § 1603 Abs. 2 BGB verstoßen hat.

aa. Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH FamRZ 1985, 158, 159; 1994, 372, 373; 1998, 357, 359). Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung auf Grund der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft trifft. Legt der für seine die Zahlung der Regelbeträge betreffende Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastete Unterhaltsverpflichtete nicht dar, dieser Obliegenheit vollständig gerecht geworden zu sein, so muss er sich so behandeln lassen, als ob er über ein solch hohes Einkommen verfügt, welches ihm die Zahlung der Regelbeträge ermöglicht.

Ein gemäß § 1603 Abs. 2 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger hat sich intensiv, d.h. unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten um die Erlangung eines hinreichend entlohnten Arbeitsplatzes zu bemühen. Er muss alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt des Kindes verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen (BVerfG, FamRZ 2003, 661), um ein die Zahlung der Regelbeträge sicherstellendes Einkommen zu erzielen. Bei eigener Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um eine Erwerbsstelle zu bemühen; bei Arbeitsstellen mit geringeren Einkommen ist entweder eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten (OLG Köln NJWE-FER 1999, 84, 85).

Diesen strengen Voraussetzungen genügt das Vorbringen der Beklagten, die zu ihren Erwerbsmühungen nichts vorgetragen hat, erkennbar nicht, weshalb sie sich als fiktiv leistungsfähig zur Zahlung der geltend gemachten Regelbeträge behandeln lassen muss.

bb. An dem zuvor dargestellten Verstoß der Beklagten gegen die gesteigerte Erwerbsobliegenheit ändert auch die durch die Beklagte wahrgenommene Betreuung des Sohnes ... nichts.

Dabei kann zwar nicht unbeachtet bleiben, dass die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern durch die Elternverantwortung geprägt wird. Das Interesse von Kindern an einer persönlichen Betreuung durch die Eltern ist grundsätzlich auch im Verhältnis zu den außerhalb der Familie lebenden weiteren Kindern (Geschwistern oder Stiefgeschwistern) beachtlich. Gleiches gilt unter Berücksichtigung dessen, dass auch das Elternrecht des betreuenden Elternteils im Grundsatz Schutz genießt. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG. An die gewählte Rollenverteilung innerhalb der Familie, die durch die Eltern bestimmt wird, sind Kinder im Grundsatz gebunden. Unterhaltsrechtlich entlastet die Haushaltsführung und Kinderbetreuung eines Ehegatten diesen gegenüber den Mitgliedern der durch die Ehe gegründete Familie, also familienintern, §§ 1360 Satz 2, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. auch in OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 1117, 1118; ferner OLG Hamm, FamRZ 1992, 467, 468; in beiden Entscheidungen handelt es sich um Geschwisterkinder).

Nur in besonders gelagerten Fallkonstellationen kann daher sowohl das Recht des betreuten Kindes als auch das Recht des Elternteils auf Betreuung dieses Kindes gegenüber den Interessen des auswärtigen Kindes zurückzustehen haben. Ein solcher Fall ist insbesondere bei Trennung der Eltern unter beiderseitiger Mitnahme je eines Kindes gegeben. In diesen Fällen ist die Möglichkeit, sich auf die vormals gewählte Rollenverteilung zu berufen, den Eltern jedenfalls dann verwehrt, wenn sie auf Zahlung von Unterhalt, insbesondere in Höhe des Regelbetrages, von dem bei ihm nicht lebenden Kind in Anspruch genommen werden. Der Regelbetragsanspruch ist für das unterhaltsberechtigte Kind von existenzieller Bedeutung. Im Rahmen ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit müssen Eltern grundsätzlich alles Zumutbare in Kauf nehmen, um die Sicherstellung dieses Unterhaltsanspruchs zu ermöglichen. Die insbesondere beim Ehegattenunterhalt geltende Regel, dass ein Kleinkind der ständigen Betreuung durch einen Elternteil bedarf, kann nicht ohne weiteres für die Bemessung des Umfanges der gesteigerten Erwerbsobliegenheiten nach § 1603 Abs. 2 BGB herangezogen werden, da jeder Elternteil für den Unterhalt jedes seiner Kinder zu sorgen hat (Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. 2000, § 2, Rn. 315). Hiernach hat der zur Sicherstellung des Existenzminimums verpflichtete Elternteil grundsätzlich auch eine Fremdbetreuung des bei ihm lebenden Kindes zu gewährleisten, um damit sich selbst die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit zu eröffnen. Lediglich wenn er ein Kleinstkind zu betreuen hat und eine anderweitige Betreuung dieses Kindes nicht möglich ist, kann es in Betracht kommen, dass er sich ausnahmsweise auch im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber dem auswärtig wohnenden Kind auf die Betreuung des bei ihm lebenden Kindes berufen kann (OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 167, 168 - betreffend eines im Entscheidungszeitpunkt zwei Jahre alten Kindes -; Wendl/Staudigl-Scholz, a.a.O.).

Mit Rücksicht auf das Alter des bei ihr lebenden Kindes ..., der seit März 2003 acht Jahre ist, kann sich die Beklagte nicht, jedenfalls nicht vollständig auf die Betreuung dieses Kindes mit Erfolg berufen. Darüber hinaus fehlt es auch an einem ausreichenden Vortrag der Beklagten zu den Betreuungsmöglichkeiten des bei ihr lebenden Sohnes. Auf diesen Umstand hat der Senat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2003 hingewiesen, ohne dass das Beklagtenvorbringen ergänzt worden ist.

Damit wäre nach den vorangestellten Grundsätzen der Beklagten eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zumutbar, sodass mangels ihres ausreichenden Sachvortrages von ihrer Fähigkeit zur Zahlung der geltend gemachten Regelbeträge auszugehen ist.

cc. Selbst wenn aber angesichts des Alters des Sohnes ... sowie unter weiterer Berücksichtigung der für den Ehegattenunterhalt geltenden Regeln der Betreuung von Kindern lediglich von einer Verpflichtung der Beklagten zum teilzeitigen Erwerb auszugehen wäre, änderte sich an der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten nichts.

Bei teilzeitig erwerbsverpflichteten Parteien legt der Senat üblicherweise ein erzielbares monatliches Nettoeinkommen von 600 € für ungelernte Kräfte auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zu Grunde. Umso weniger bestehen Bedenken, diesen Betrag der Beklagten, die auf dem Gebiet der alten Bundesländer lebt, zuzurechnen. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass sie mit ihrer zum 1. April 2003 angetretenen geringfügigen Beschäftigung bereits ein Einkommen von 440 € erzielt, ohne dass sie die Grundlagen für die Bemessung dieses Einkommens in ausreichendem Maße dargetan hat, ergeben sich keine Bedenken an der fiktiven Zurechnung eines Einkommens von 600 € aus einer teilzeitigen Erwerbstätigkeit.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass mangels eines ausreichenden Vorbringens der Beklagten zu dem Zeitpunkt der Aufnahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Herrn ... sowie einem evtl. Bezug von Wohngeld ihr weitere Einkommensbeträge zuzurechnen sind. Aus der für einen Berufstätigen mitgeleisteten Haushaltsführung legt der Senat in ständiger Rechtsprechung ein zu beanspruchendes Entgelt von üblicherweise 250 € (zuvor 500 DM) gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu Grunde (vgl. auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rn. 491 m. w. N.). Unter weiterer Berücksichtigung fiktiver Wohngeldeinkünfte von 50 €, die angesichts der persönlichen Verhältnisse der Beklagten eher zu niedrig bemessen sein dürften, ergäbe sich ein monatliches Gesamteinkommen von 900 € (fiktive Teilzeitbeschäftigung 600 €, Haushaltsführung 250 €, Wohngeld 50 €).

Soweit - wie es hier der Fall wäre - Mischeinkünfte aus Nichterwerbstätigkeit und aus (fiktiver) Erwerbstätigkeit bezogen werden, ist für die Bestimmung des Selbstbehaltes maßgebend, woraus die höheren Einkünfte erzielt werden (vgl. auch Ziff. 21.2 Satz 3 der aktuellen Leitlinien zum Unterhaltsrecht des Brandenburgischen OLG). Da hier das Schwergewicht auf den fiktiven Erwerbstätigkeitseinkünften beruhen würde, wäre - insofern zu Gunsten der Beklagten - der Erwerbstätigenselbstbehalt von 840 € zu Grunde zu legen.

Der so bestimmte Selbstbehalt ist aber unter Berücksichtigung des darin enthaltenen Mietkostenanteil und des tatsächlich zurechenbaren Mietanteils abzusenken. An dieser Vorgehensweise bestehen zumindest unter Berücksichtigung der geltend gemachten Regelbeträge keine Bedenken.

Im Erwerbstätigenselbstbehalt (West) sind bis zu 360 € an Warmmiete enthalten. Tatsächlich bezahlt die Beklagte an Warmmiete zwar 370 €, es ist aber zu berücksichtigen, dass sie die Wohnung gemeinsam mit dem Sohn ... und ihrem neuen Lebensgefährten bewohnt. Da ein Kind regelmäßig die Hälfte des Wohnbedarfes eines Erwachsenen hat (vgl. auch Wendl/Staudigl-Haußleiter, a.a.O., § 1, Rn. 352; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rn. 338, 846), entfallen 2/5 des Wohnbedarfes und damit der gezahlten Miete, also 148 €, auf die Beklagte. Den Mietkostenanteil von 1/5 für den Sohn ... hat die Beklagte aus dem Barunterhalt, den der Kläger für Sohn ... zahlen muss, zu bestreiten, wohingegen der verbleibende Mietkostenanteil von 2/5 von dem neuen Lebensgefährten der Beklagten zu tragen ist. Damit wäre der Warmmietanteil im Selbstbehalt um 212 € zu ermäßigen (360 € - 148 €), sodass noch 628 € (840 € - 212 €) an Selbstbehalt verblieben. Angesichts der zuvor dargestellten Einkünfte von 900 € verblieben der Beklagten damit 272 €, was zur Befriedigung der geltend gemachten Regelbeträge ausreicht.

4. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, wobei hinsichtlich der verzugsbegründenden Wirkungen des Schreibens der Klägerin vom 12. November 2002 auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen wird.

5. Zu berücksichtigen war, dass der Tenor der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Neuruppin an einem offenkundigen Schreibfehler gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend leidet, dass es statt dem Zeitraum "1. Dezember 2002 bis 28. Februar 2003" korrekterweise "1. November 2002 bis 28. Februar 2003" lauten müsste, wie sowohl aus dem weiteren Wortlaut des Tenors als auch der Begründung der Entscheidung erkennbar ist.

Darüber hinaus waren die bei Verkündung der Entscheidung des Amtsgerichtes bzw. des Senats bereits fälligen Beträge im Tenor zu beziffern (Brandenburgisches Oberlandesgericht, NJW-RR 2003, 292 - zu § 653 ZPO; Schael, Formulierung von Klageanträgen und Urteilstenorierungen in Unterhaltsklagen mit Kindergeldverrechnung, FPR 2002, 40, 42 m. N.).

Unter Berücksichtigung dessen und des teilweisen Erfolges der Beklagten innerhalb der Berufung hat der Senat aus Klarstellungsgründen den Tenor insgesamt neu gefasst.

6. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10 ZPO. Das Obsiegen der Beklagten beträgt im Verhältnis zum Streitwert des Verfahrens lediglich aufgerundet 4 %, sodass die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und zudem keine besonderen Kosten veranlasst hat.

Berufungswert: 4.227 €



Ende der Entscheidung

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