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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 9 UF 119/04
Rechtsgebiete: ZPO, Regelbetrag-VO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 119 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 162 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 164
ZPO § 307
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 643
ZPO § 643 a
ZPO § 645 ff.
ZPO § 648
ZPO § 648 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 653
ZPO § 654
Regelbetrag-VO § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Der Antrag des Beklagten vom 11. August 2004 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO aus den nachfolgend dargestellten Gründen zurückzuweisen. Insoweit wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben.

Gründe:

I. Der am ... 2000 geborene Kläger hat die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten zu ihm sowie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Regelbetrages begehrt.

Nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Dr. G... ausweislich des unter dem 19. Oktober 2001 erstellten Abstammungsgutachtens (Bl. 26 ff.) den Ausschluss des Beklagten als Erzeuger für den Kläger feststellte, stellte sich nachfolgend heraus, dass nicht der Beklagte, sondern eine andere Person insoweit gutachterlich untersucht worden war. In einem weiteren, von dem vorgenannten Sachverständigen unter dem 29. Dezember 2003 erstellten Abstammungsgutachten (Bl. 115 ff.) wurde die Vaterschaft des Beklagten mit dem Kläger mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 99,99 % als praktisch erwiesen festgestellt.

Ausweislich des Protokolls der in erster Instanz unter dem 17. Februar 2004 geführten nichtöffentlichen Sitzung (Bl. 126) erklärte die den Beklagten vertretende Assessorin F..., der Beklagte sei bereit, die Vaterschaft anzuerkennen, zudem bestehe auch Bereitschaft, den Antrag zum Regelbetrag anzuerkennen. Nachdem sodann der Kläger seine Anträge zur Feststellung der Vaterschaft und zur Verurteilung zum Regelbetrag stellte, erklärte ausweislich des vorgenannten Protokolls die Assessorin F...: Diese Anträge werden anerkannt.

Mit dem am 26. März 2004 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht Oranienburg antragsgemäß die Feststellung getroffen, dass der Beklagte Vater des Klägers sei sowie den Beklagten verurteilt, dem Kläger 100 % des Regelbetrages gem. § 2 Regelbetrag-VO zu zahlen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, für deren Durchführung er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Er behauptet, lediglich hinsichtlich des Antrages zur Vaterschaftsfeststellung ein Anerkenntnis erklärt zu haben, hinsichtlich des Regelbetrages dagegen sich nicht geäußert zu haben. Dem Protokoll komme insoweit keine Beweiskraft zu, da das Amtsgericht die Erklärungen nicht vorgespielt und genehmigt habe. Richtigerweise hätte das Amtsgericht daher ein Versäumnisurteil erlassen müssen, wogegen er mit dem Einspruch vorgegangen wäre. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens hätte er sich sodann auf dauerhafte Leistungsunfähigkeit berufen; hierzu behauptet er unter Vorlage einzelner ärztlicher Bescheinigungen auf Grund körperlicher Beeinträchtigungen erwerbsunfähig zu sein.

II. Die begehrte Prozesskostenhilfe war zu versagen, da die Voraussetzungen der §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Für die beabsichtigte Rechtsverfolgung besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; im Übrigen ist die Durchführung des Berufungsverfahrens mutwillig.

1. Die mangelnden Erfolgsaussichten für die Berufung folgen daraus, dass für die von dem Beklagten mit der Berufung begehrte Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - der einzigen in Betracht kommenden Norm für eine Zurückverweisung - kommen die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung des Verfahrens nur dann in Betracht, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, auf Grund dessen eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist, und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Es fehlt hier jedenfalls an der Notwendigkeit einer umfangreichen oder aufwendigen Beweisaufnahme, da die Sache entscheidungsreif ist.

a. Unklar ist zunächst, ob der Beklagte überhaupt auch gegen die Feststellung der Vaterschaft mit der Berufung vorgehen will. Ausweislich des Berufungsantrages begehrt er zwar die Aufhebung des Urteils insgesamt. Im Rahmen der Begründung seiner Berufung greift er allerdings allein das Verfahren und die Ausführungen des angefochtenen Urteils betreffs des Ausspruches zum Regelbetrag an.

Selbst wenn aber das Berufungsvorbringen des Beklagten dahingehend zu verstehen ist, dass er auch gegen den Ausspruch zur Vaterschaftsfeststellung vorgehen will, hat die eingelegte Berufung nach derzeitigem Stand keine Aussicht auf Erfolg.

So erklärt er im Rahmen der Berufungsbegründung ausdrücklich, dass er den gestellten Antrag auf Feststellung der Vaterschaft anerkannt habe. Da hier auch nach seinen eigenen Ausführungen feststeht, dass er insoweit ein Anerkenntnis erklärt hat, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der entsprechenden Prozesserklärung in formeller Hinsicht gegeben sind. Soweit das Amtsgericht insoweit gegen die Formvorschriften der §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 Satz 2 ZPO dergestalt verstoßen hat, dass es das erteilte Anerkenntnis nicht vorgespielt, und der Beklagte es nicht genehmigt hat, mag zwar dem Protokoll für die Erteilung des Anerkenntnisses die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde fehlen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 24. Auf. 2004, § 162, Rn. 6). Da aber die tatsächliche Erklärung des Anerkenntnisses feststeht, kommt es auf diese Beweiskraftwirkung nicht an.

All dies kann aber letztendlich dahinstehen, da das erklärte Anerkenntnis unwirksam ist. In den auf Feststellung oder Anfechtung der Vaterschaft gerichteten Statusverfahren kann kein wirksames prozessuales Anerkenntnis im Sinne des § 307 ZPO erklärt werden (Brandenburgisches OLG, MDR 2000, 1380, 1381; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004 § 307 Rn. 11). Das Amtsgericht hat daher zu Recht kein Anerkenntnis-Teil-Urteil hinsichtlich des Vaterschaftsfeststellungsantrages erlassen.

Jedoch steht auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des unter dem 29. Dezember 2003 erstellten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G... mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Beklagte der Vater des Klägers ist. Einwände hiergegen werden seitens des Beklagten auch nicht erhoben, weshalb es keiner Aufhebung der Entscheidung gem. § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in diesem Punkt bedarf.

b. Aber auch soweit der Beklagte gegen den Ausspruch zum Unterhalt vorgeht, fehlt es nach derzeitigem Stand an einem Aufhebungsgrund gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

aa. Es bestehen erhebliche Bedenken daran, ob der Beklagte nicht den zum Regelbetrag gestellten Antrag wirksam gemäß § 307 ZPO anerkannt hat. Obgleich im Rahmen von Statusverfahren ein Anerkenntnis grundsätzlich unzulässig ist (vgl. zuvor), gilt dies nicht für die den Kindesunterhalt betreffenden Ansprüche des Kindes, mögen diese auch über § 653 ZPO mit dem Vaterschaftsfeststellungsverfahren verbunden sein (Zöller/Philippi aaO. § 653 Rn. 5 a; MünchKomm/Coester-Waltjen, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 653, Rn. 10).

Soweit der Beklagte hier bestritten hat, ein solches Anerkenntnis erklärt zu haben, ist dieses Bestreiten in prozessualer Hinsicht widersprüchlich. Zwar fehlt dem gerichtlichen Protokoll hierfür die Beweiskraft, da diese vermeintliche Erklärung nicht vorgespielt und genehmigt worden ist (vgl. bereits zuvor). Jedoch muss ausweislich des Inhalts der Berufungsbegründung davon ausgegangen werden, dass der Beklagte vor dem Amtsgericht zunächst noch seine Bereitschaft, auch den Antrag zum Regelbetrag anerkennen zu wollen, mitgeteilt hat; jedenfalls ist anhand der Berufungsbegründung nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass er auch diese im Protokoll festgehaltene Erklärung bestreiten will. Indiziell spricht dies dafür, dass das Protokoll dann auch Richtigkeit hinsichtlich des nachfolgend tatsächlich erklärten Anerkenntnisses haben könnte. Damit ist aber zugleich nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte nach Übersendung des seiner Behauptung nach insoweit fehlerhaften Protokolls im Februar 2004 (vgl. Bl. 130) nicht sofort im Wege der Protokollberichtigung nach § 164 ZPO gegen das Protokoll vorgegangen ist.

Letztendlich kann aber dahinstehen, ob unter Berücksichtigung dieser Widersprüchlichkeiten das Vorbringen des Beklagten zum Nichterklären eines Anerkenntnisses zum Unterhalt hinreichend substanziiert ist, da es noch aus einem anderen Grunde hier an den Erfolgsaussichten der Berufung fehlt.

bb. Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen den Ausspruch zum Unterhalt in der Sache im Wesentlichen mit der Begründung, er sei erwerbsunfähig und daher zur Zahlung von Unterhalt auf Dauer nicht leistungsfähig. Dieser Einwand ist im Verfahren nach § 653 ZPO aber nicht zulässig; vielmehr ist diese Einwendung im Rahmen der Korrekturklage nach § 654 ZPO zu erheben.

§ 653 ZPO regelt lediglich einen beschränkten Verfahrensgegenstand, um den von der Frage der Feststellung der Vaterschaft im Wesentlichen geprägten Kindschaftsprozess nicht mit Unterhaltsfragen zu belasten. Der Vater kann insoweit nicht geltend machen, dass er zur Zahlung des Regelbetrages nicht in der Lage sei (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2000, 1044, 1045). Dies betrifft auch die Frage dauerhafter Leistungsunfähigkeit. Soweit für die vor dem 1. Juli 1998 geltende Vorschrift des § 643 a ZPO, welche die Festsetzung von Regelunterhalt im Rahmen des Kindschaftsprozesses betraf, teilweise vertreten wurde, dass spezielle Einwendungen wie derjenige des Forderungsübergangs, der Erfüllung, aber auch der dauerhaften Leistungsunfähigkeit (vgl. Brandenburgisches OLG, FamRZ 2000, 1581, 1583) zuzulassen sind, kann hierin angesichts der zum 1. Juli 1998 mit der Fassung des § 643 ZPO eingetretenen gesetzlichen Neuregelung nicht mehr festgehalten werden. § 643 ZPO steht im systematischen Zusammenhang mit den Vorschriften über das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, § 645 ff. ZPO. Im vereinfachten Festsetzungsverfahren können Einwendungen nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 648 ZPO erhoben werden. Der Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit kann nur in formeller Hinsicht gemäß § 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO erhoben werden; eine materiell-rechtliche Prüfung findet insoweit nicht statt. Im Übrigen sind gegen den Unterhaltsanspruch gerichtete Einwendungen wie Erfüllung, Verwirkung, Verjährung, aber auch dauerhafter Leistungsunfähigkeit im Verfahren nach § 653 ZPO gänzlich abgeschnitten und der Korrekturklage nach § 654 ZPO vorbehalten (BGH FamRZ 2003, 1095 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO., § 653, Rn. 3). Demgemäß kann auch der Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit im Verfahren nach § 653 ZPO nicht erhoben werden (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2000, 1044, 1045; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004 § 653 Rn. 6).

2. Selbst wenn jedoch die Berufung Aussicht auf Erfolg hätte, wäre dem Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe zu versagen. Sein Verhalten stellt sich als mutwillig im Sinne des § 114 ZPO dar.

Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung dann, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen, oder die Partei den verfolgten Zweck auf billigerem Wege bzw. mit einfacheren Mitteln erreichen würde (Brandenburgisches OLG, Jugendamt 2003, 374). Eine Partei, welche Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, ist grundsätzlich gehalten, von mehreren gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen zu beschreiten, welcher die geringsten Kosten verursacht (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2001, 1083, 1084).

a. Eine verständige, die Solidarität der Allgemeinheit nicht über Gebühr in Anspruch nehmende Partei hätte zunächst im Wege eines Antrags zur Protokollberichtigung nach § 164 ZPO, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, versucht, gegen den aus seiner Sicht unrichtigen Protokollinhalt vorzugehen und auf die Fortführung des Verfahrens einzuwirken. Insoweit ist es unverständlich, dass der Beklagte nach Übersendung des Protokolls etwa vier Wochen lang untätig gewesen ist (worauf bereits zuvor hingewiesen wurde) und das weitere Verfahren bis hin zum Erlass des angefochtenen Urteils abgewartet hat. Gründe, die seine Untätigkeit verständlich erscheinen lassen, sind von ihm weder mitgeteilt noch erkennbar.

b. Darüber hinaus folgt die Mutwilligkeit auch daraus, dass - so denn das neue Vorbringen des Beklagten zu seiner dauerhaften Leistungsunfähigkeit Erfolg versprechend wäre - ein eventueller Erfolg des Beklagten in der Berufung auf Grund neuen Vorbringens beruhen würde. Dieses Vorbringen hätte er aber bereits erstinstanzlich geltend machen können und müssen, um so eine kostenträchtige Fortführung des Prozesses in der zweiten Instanz zu verhindern. Hat ein Rechtsmittel nur auf Grund neuen Vorbringens, das der Rechtsmittelführer auch in der Vorinstanz hätte geltend machen können, Aussicht auf Erfolg, so ist die Rechtsverfolgung in der Rechtsmittelinstanz mutwillig (Zöller/Philippi, aaO., § 119, Rn. 54).

Ende der Entscheidung

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