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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: 9 UF 166/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 628 Nr. 4
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
BGB § 1565 Abs. 1
BGB § 1565 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1565 Abs. 2
BGB § 1566 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

9 UF 166/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.1.2001

verkündet am 18.1.2001

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, den Richter am Amtsgericht Götsche und den Richter am Landgericht Schollbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 16. Juni 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cottbus - 52 F 45/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Antragsgegners ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 1565 Abs. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Von einem solchen Scheitern ist nach § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB dann auszugehen, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Voraussetzung für eine Ehescheidung nach § 1565 Abs. 1 BGB ist es jedoch, dass die Parteien bereits seit einem Jahr getrennt leben. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, kann die Ehe nur geschieden werden, wenn besondere Gründe vorliegen, die das Festhalten an ihr für einen Ehegatten eine unzumutbare Härte darstellen würden und diese Gründe in der Person des anderen ihren Ursprung haben, § 1565 Abs. 2 BGB.

Die Voraussetzungen für eine Ehescheidung müssen grundsätzlich bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags gegeben sein. Ausreichend ist es jedoch, wenn die Voraussetzung des einjährigen Getrenntlebens am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegt (Palandt/Brudermüller, BGB, 60. Aufl. 2001, Rz. 1 zu § 1566).

Die Parteien leben seit dem 6. Dezember 1999 und damit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat seit über einem Jahr getrennt. Da der Antragsgegner jedoch Abweisung des Scheidungsantrages begehrt, greift nicht die gesetzliche Zerrüttungsvermutung nach § 1566 Abs. 1 BGB, so dass das Scheitern der Ehe festgestellt werden muss, um den Scheidungsantrag entsprechen zu können.

Unstreitig ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien seit dem Auszug der Antragstellerin aus der gemeinsamen Ehewohnung aufgehoben. Bei der zu treffenden Prognoseentscheidung ist auch nicht davon auszugehen, dass die Gemeinschaft von den Parteien wiederhergestellt werden wird. Insoweit sind sämtliche Umstände des Falles zu würdigen, wobei es für die erforderliche Negativprognose ausreichend ist, wenn die einseitige Zerrüttung der Ehe festgestellt werden kann. Fehlt einem Ehegatten jegliche innere Bindung an den anderen und bringt dieser Ehegatte zum Ausdruck, dass auf seiner Seite keine Versöhnungsbereitschaft mehr bestehe, weil die Mindestanforderung für eine eheliche Lebensgemeinschaft, wie gegenseitige Liebe, Achtung und Treue nicht mehr vorliegen, ist dies ausreichend, um die Zerrüttung der Ehe feststellen zu können (Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rz. 3 zu § 1565 m.w.N.).

Die Antragstellerin hat sich in ihrer mündlichen Anhörung vor dem Senat dahingehend eingelassen, dass sie keinerlei Liebe mehr zum Antragsgegner empfinde und die Ehe ihrer Meinung nach schon seit längerer Zeit gescheitert sei, obwohl sie diese im Interesse der minderjährigen Kinder bisher aufrechterhalten habe. Nunmehr sei sie jedoch nicht mehr bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft weiter fortzuführen bzw. sehe sie keine Möglichkeit dafür, diese wiederherzustellen.

Bei dieser Sachlage ist der Senat der Überzeugung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien gescheitert und eine Wiederherstellung nicht zu erwarten ist. Zweifel bezüglich der Ernsthaftigkeit der von der Antragstellerin vorgenommenen Abkehr vom Antragsgegner und damit von der Ehe bestehen nicht.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner in seiner Anhörung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, dass die Ehe nicht gescheitert sei, da die Antragstellerin auf Grund einer psychischen Krankheit nicht in der Lage sei, ihr Verhalten einzuschätzen und er sie darüber hinaus weiterhin liebe. Selbst wenn dieser Vortrag den Tatsachen entsprechen sollte, sind keine Anhaltspunkte für eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ersichtlich. Der Antragsgegner konnte konkrete Umstände, die eine Hoffnung hierauf begründen könnten, nicht darlegen. Insbesondere sprechen die Streitigkeiten zwischen den Parteien, die ein bei Ehescheidungen sonst übliches Maß bei weitem überstiegen haben, gegen die Annahme einer positiven Prognose für die Ehe. Auch aus den Schreiben des Antragsgegners an seine Ehefrau ist nicht zu erkennen, dass er tatsächlich noch Liebe zu ihr empfindet und weiterhin an der Ehe festhalten möchte. Im Gegenteil geht aus seinem letzten Schreiben vom 22. November 2000 seine offensichtliche Abwendung von der Antragstellerin eindeutig hervor.

Ist somit ein Scheitern der Ehe nach § 1565 Abs. 1 BGB festzustellen, ist die Ehe der Parteien zu scheiden. Es bedarf daher insoweit keiner Feststellung mehr, ob die Voraussetzungen für eine Härtescheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB vorliegen (Senat FamRZ 2000,1417; OLG Hamm FamRZ 2000,498; Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rz. 13 zu § 1565; MünchKomm-Wolf, BGB, 3. Aufl., Rz. 117 zu § 1565; Johannsen/Henrich, Scheidung, Trennung, Folgen, 3. Aufl., Rz. 87 zu § 1565; Staudinger/Rauscher, BGB, 13. Aufl., Rz. 106 zu § 1566). Die Berufung gegen das die Scheidung aussprechende Urteil konnte somit keinen Erfolg haben.

An diesem Ergebnis ändert auch nichts die Auffassung des Antragsgegners, dass das Amtsgericht die Folgesache Versorgungsausgleich zu Unrecht vom Scheidungsverbund abgetrennt und vorab über die Ehescheidung entschieden habe.

Insoweit ist zwar zunächst festzustellen, dass es zulässig ist, diese Entscheidung im Rahmen des Berufungsverfahrens anzugreifen, obwohl sie grundsätzlich unanfechtbar ist (vgl. nur Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl. 2001, Rn. 13 zu § 628 m.w.N.). Jedoch ist die Anfechtung unbegründet, da die Voraussetzungen für eine solche Abtrennung der Folgesache "Versorgungsausgleich" vorgelegen haben.

Nach § 628 Nr. 4 ZPO kann eine Folgesache vom Scheidungsverbund abgetrennt und über die Ehescheidung vorab entschieden werden, soweit die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Härtefallscheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB angenommen hat, da der Scheidungsverbund auch für diesen Fall nicht aufgehoben wird (Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rz. 7 zu § 1565 m.w.N.).

Zwar ist davon auszugehen, dass von einer außergewöhnlichen Verzögerung des Eheverfahrens grundsätzlich erst dann auszugehen ist, wenn dieses bereits mehr als zwei Jahre rechtshängig ist, da bei einem durchschnittlichen Verfahren die Ehescheidung innerhalb dieser Frist zu erwarten ist (Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 5 zu § 628 m.w.N.). Jedoch kommt es hierauf nicht an, da sich diese gewöhnliche Verfahrensdauer nur auf "normale" Ehescheidungen nach Ablauf des ersten Trennungsjahres bezieht.

Da die Antragstellerin erstinstanzlich jedoch eine Ehescheidung wegen einer unzumutbaren Härte beantragt und das Amtsgericht eine solche mit der angefochtenen Entscheidung auch ausgesprochen hat, kann für die Annahme einer außergewöhnlichen Verzögerung nicht die Verfahrensdauer eines "normalen" Verfahrens zugrundegelegt werden. Vielmehr ist den Besonderheiten des Verfahrens auf Scheidung einer Ehe wegen einer unzumutbaren Härte Rechnung zu tragen (MünchKomm-Finger, ZPO, 2. Aufl., Rz. 12 zu § 628). Es würde Sinn und Zweck einer Ehescheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB zuwider laufen, wenn entweder die Entscheidungsreife aller anhängigen Folgesachen oder aber der Ablauf von zwei Jahren abgewartet werden müsste. Der andere Ehegatte hätte es dann in der Hand, durch die Einreichung verschiedener Folgesachenanträge, auch die Entscheidungsreife des Ehescheidungsantrages verzögern zu können. Demzufolge ist das Tatbestandsmerkmal der außergewöhnlichen Verzögerung im Sinne des § 628 Nr. 4 ZPO jedenfalls für den Fall einer Härtescheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB zu vernachlässigen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache Versorgungsausgleich. Die insoweit zu treffende Entscheidung wirkt sich erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, dem des Rentenbezuges der Parteien, aus.

Da auch die Voraussetzungen für eine Härtescheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB vorliegen, hat das Amtsgericht zu Recht den Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund abgetrennt und über die Ehescheidung vorab entschieden.

Bei der Beurteilung der unzumutbaren Härte iS. § 1565 Abs. 2 BGB ist auf das Festhalten am Eheband, d. h. das "Weiter - miteinander - verheiratet - sein" abzustellen. So ist eine unzumutbare Härte, die allein auf die Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens gestützt wird, daher nicht ausreichend, um den strengen Anforderungen im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB gerecht werden zu können. Ausreichend für die Annahme einer unzumutbaren Härte in diesem Zusammenhang können jedoch u. a. schwere Beleidigungen, grobe Ehrverletzungen, grobe Verstöße gegen die ehelichen Pflichten und ernsthafte Bedrohungen sein (Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rz. 10 zu § 1565 BGB).

Das Amtsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Antragsgegner gegenüber dem Richter am Amtsgericht H bzw. der Mitarbeiterin des Jugendamtes geäußerten Morddrohungen betreffend die Antragstellerin geeignet sind, eine solche unzumutbare Härte darstellen zu können. Dies insbesondere deshalb, weil diese Drohungen in massiver Form und gegenüber unterschiedlichen Personen abgegeben worden sind, was den Eindruck ihrer Ernsthaftigkeit verhärtet.

Dem steht auch nicht die Behauptung des Antragsgegners, er habe die Drohungen lediglich unter einer großen psychischen Beanspruchung in höchster Erregung abgegeben, entgegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch eine psychische Ausnahmesituation nicht eine Rechtfertigung dafür, eine Person mit dem Tode zu bedrohen, begründen kann; die Ernsthaftigkeit dieser Drohung zum damaligen Zeitpunkt hat der Antragsgegner nicht ausreichend in Abrede gestellt. Im Übrigen spricht auch gegen eine lediglich in höchster Erregung abgegebenen Erklärung, dass der Antragsgegner die Drohungen unabhängig voneinander gegenüber zwei Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten geäußert hat.

Auch die nachfolgende Entschuldigung gegenüber der Antragstellerin ist nicht geeignet, den Grund für die unzumutbare Härte entfallen zu lassen. Es kann dahinstehen, ob dies überhaupt möglich ist, da schon erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Entschuldigung des Antragsgegners bestehen. Insbesondere ist insoweit zu berücksichtigen, dass er in seinem letzten Schreiben an die Antragstellerin vom 22. November 2000 seine Drohungen ihr gegenüber unmißverständlich wiederholt.

Darüber hinaus ist dem Antragsgegner auch ein grober Verstoß gegen die allgemeinen ehelichen Pflichten, wie gegenseitige Achtung und Schutz der Intimsphäre anzulasten. Soweit die Antragstellerin während intakter Ehe für den Antragsgegner verschiedene erotische Kurzgeschichten geschrieben hat, waren diese nur für den Gebrauch zwischen den Ehegatten bestimmt, wie die Antragstellerin ausdrücklich in ihrer gerichtlichen Anhörung vor dem Senat bekundet hat und der Antragsgegner dem nicht entgegengetreten ist. Die nunmehrige öffentliche Bekanntmachung dieser Geschichten ist daher als grober Verstoß gegen die Intimsphäre der Antragstellerin zu werten, da diese Verwendung ihrem Willen widerspricht und der Antragsgegner dies hätte erkennen können und müssen. Auch dieses Verhalten des Antragsgegners ist geeignet, ein Festhalten der Antragstellerin am Eheband als unzumutbare Härte für sie anzusehen.

Unter Würdigung sämtlicher Umstände ist der Senat daher zu der Überzeugung gelangt, dass es für die Antragstellerin eine unzumutbare Härte darstellen würde, wenn sie weiterhin an der Ehe mit dem Antragsgegner bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres hätte festhalten müssen.

Liegen somit die Voraussetzungen für eine Ehescheidung vor Ablauf des ersten Trennungsjahres nach § 1565 Abs. 2 BGB vor, so wird dadurch gleichzeitig eine unzumutbare Härte im Sinne des § 628 Nr. 4 ZPO indiziert. Da es auf eine außergewöhnliche Verzögerung nicht ankommen kann, hat das Amtsgericht daher zu Recht den Versorgungsausgleich abgetrennt.

Die Berufung des Antragsgegners konnte demzufolge insgesamt keinen Erfolg haben, so dass sie zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Zwar wären der Partei, die einen verfrühten Scheidungsantrag gestellt hat und die nur deshalb in der zweiten Instanz obsiegt, weil zwischenzeitlich das Trennungsjahr abgelaufen ist analog § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (BGH NJW 1997,1007 = FamRZ 1997, 347, 348 m. w. N.; Senat in FamRZ 2000,1417; OLG Hamm NJWE-FER 1999,19; OLG Nürnberg NJW-RR 1997, 388, 389; Palandt-Brudermüller a.a.O., § 1565 Rn. 13; Staudinger/Rauscher, a.a.O., Rz. 97 zu § 1565). Dieser Fall ist jedoch - wie ausgeführt wurde - nicht gegeben, da die Voraussetzungen für eine Härtescheidung vor Ablauf des ersten Trennungsjahres nach § 1565 Abs. 2 BGB ebenfalls vorgelegen haben.

Berufungswert: 4.000 DM

Ende der Entscheidung

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