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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 9 UF 171/07
Rechtsgebiete: RegelbetragVO, ZPO, BGB, EGZPO


Vorschriften:

RegelbetragVO § 2
ZPO § 323
ZPO § 516 Abs. 1
ZPO § 516 Abs. 2
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1612a
BGB § 1612b
EGZPO § 36 Ziff. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

9 UF 171/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 24.04.2008

Verkündet am 24.04.2008

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Götsche als beisitzende Richter

auf die mündliche Verhandlung vom 13.03.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.05.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Zehdenick - 3 F 94/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 01.10.2001 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Amtsgerichts Zehdenick vom 01.03.2005 - Az. 3 FH 119/00 - wird dahin abgeändert, dass die Klägerin ab dem 05.08.2005 an den Beklagten keinen Unterhalt mehr zu zahlen hat.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist die Mutter des minderjährigen Beklagten. Sie nimmt den Beklagten auf Abänderung eines Unterhaltstitels in Anspruch und hat die Feststellung begehrt, seit dem 01.05.2005 keinen Unterhalt mehr zu schulden.

Der Beklagte ist aus der Ehe der Klägerin mit Herrn B... B... hervorgegangen. Die Ehe der Kindeseltern wurde im September 1999 geschieden. Der Beklagte lebt bei seinem allein sorgeberechtigten Vater.

Mit Unterhaltsfestsetzungsbeschluss im vereinfachten Verfahren des Amtsgerichts Zehdenick vom 01.10.2001 zu dem Az. 3 FH 119/00 wurde der von der Klägerin zu leistende Unterhalt an den Beklagten auf 100 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetragverordnung festgesetzt.

Die Klägerin ist seit dem 20.04.2000 mit Herrn T... M... verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder P... M..., geboren am ... 2002, M... M..., geboren am ... 2004 und B... M..., geboren am ... 2005, hervorgegangen, die im Haushalt der Kindeseltern betreut und versorgt werden. Die Klägerin ist nunmehr wieder schwanger. Sie erhielt zuletzt für B... Erziehungsgeld in Höhe von 300 € bis zum 06. September 2007. Im Übrigen ist sie nicht berufstätig und widmet sich der Haushaltsführung und Kinderbetreuung. Im Jahr 2002 ist ein Verfahren auf Privatinsolvenz der Klägerin mangels Masse eingestellt worden.

Während ihrer Ehe mit dem Vater des Beklagten war die Klägerin zwischen 1990 und Anfang 1996 in diversen Baufirmen ihres Ehemannes als Geschäftsführerin angestellt. Im Jahr 1996 arbeitete sie nach der Trennung einige Monate als Buchhalterin. In den Jahren 1997 und 1998 machte sie sich als Versicherungsmaklerin selbständig. Ihr jetziger Ehemann gründete im Jahr 2000 die Firma E... GmbH. In dieser Firma war die Klägerin angestellt. Die überreichten Gehaltsbescheinigungen weisen eine Geschäftsführervergütung für die Klägerin in Höhe von 2.000 DM brutto (1.524,42 DM netto) aus. Im Februar 2002 ging die Firma in die Insolvenz.

Der Ehemann der Klägerin arbeitet als Versicherungsmakler bei der durch seine Schwester gegründeten Firma E... C... GmbH. Er verdient dort monatlich 1.527,62 € netto. Diese Versicherungsagentur hat ihren Sitz in dem Wohnhaus, in dem die Klägerin mit ihrer Familie zur Miete wohnt. Die Klägerin wurde von der E... C... GmbH im Jahr 2005 als Arbeitnehmerin geführt, hat jedoch kein Einkommen erzielt.

Die Klägerin hat gemeint, sie sei leistungsunfähig. Zur Ausübung einer Nebentätigkeit sei sie nicht verpflichtet. Außerdem sei sie gesundheitlich beeinträchtigt, da sie einen Bandscheibenvorfall erlitten habe, der operiert worden sei. Sie habe auch keine Möglichkeit, als Versicherungsmaklerin in der Firma ihrer Schwägerin angestellt zu werden. Jedenfalls sei es ihr nicht zuzumuten, eine Außendiensttätigkeit durchzuführen. Außerdem sei sie nicht als Versicherungsmaklerin ausgebildet. Sie hat behauptet, ihre sämtlichen Schwangerschaften seien Risikoschwangerschaften gewesen, die ihr nicht erlaubt hätten zu arbeiten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Zehdenick zum Az. 3 FH 119/00 nebst Berichtigungsbeschluss vom 01.03.2005 dahin abzuändern, dass sie ab dem 01.05.2005 keinen Unterhalt mehr schulde.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, die Klägerin sei ihm gegenüber verpflichtet, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, die ihr ein Einkommen garantiere, das sie in den Stand setzte, wenigstens den Regelunterhalt zu zahlen. Die Klägerin habe stets zu Hause vom Computer aus arbeiten können; dies sei ihr auch heute noch zuzumuten. Sie sei als Geschäftsführerin angestellt gewesen, sodass sie auch heute ein entsprechendes Gehalt erzielen könne, zumal ihre weiteren Kinder in der Kita untergebracht seien.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe zu ihren Einkommens- und Lebensverhältnissen nicht hinreichend vorgetragen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Abänderungsantrag in vollem Umfang weiter. Sie rügt, das Amtsgericht habe ihr Vorbringen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Familie übergangen. Sie sei nicht leistungsfähig.

Nachdem die Klägerin zunächst vorgetragen hat, sie werde ab dem 01.10.2007 auf Minijobbasis für 400 € monatlich in der Firma ihrer Schwägerin, E... C... GmbH, arbeiten, hat sie sodann klargestellt, sie habe aus gesundheitlichen Gründen die Arbeit wieder aufgeben müssen.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, sie sei wegen ihrer kleinen Kinder und der nunmehr bestehenden neuen Schwangerschaft nicht dazu verpflichtet, auch nur in geringem Umfang berufstätig zu sein. Der Kindesvater sei an ihrer finanziellen Misere mitschuldig, da er mehrfach Firmen in die Insolvenz geführt habe, und ihre Schulden aus der Ehe mit dem Kindesvater herrührten. Außerdem habe er ihr widerrechtlich nach der Trennung den Beklagten entzogen. Deshalb sei der Beklagte verpflichtet, ihre Rollenwahl als Hausfrau und Mutter in der neuen Ehe zu akzeptieren. Es liege überdies kein Rollenwechsel vor. Sie habe auch schon in der früheren Ehe sich überwiegend dem Haushalt und der Kindererziehung gewidmet.

Weiter behauptet die Klägerin, den jetzt von ihrem Ehemann erzielten Verdienst könne sie keinesfalls selbst erzielen, allenfalls bei Tätigkeiten im Außendienst, die ihr aber wegen ihrer kleinen Kinder nicht zugemutet werden könnten. Außerdem fehle es ihr auch an der entsprechenden Ausbildung.

Die Klägerin macht außerdem geltend, wegen orthopädischer Probleme überwiegend arbeitsunfähig zu sein. Sie sei im August 2004 an der Halswirbelsäule operiert worden, und im August 2006 sei ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule aufgetreten. Die Beschwerden verschlechterten sich, sodass sie allenfalls noch drei Stunden täglich arbeiten könne.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Zehdenick vom 22.05.2007 - Az. 3 F 94/05 - den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Zehdenick zum Az. 3 FH 119/00 nebst Berichtigungsbeschluss vom 01.03.2005 dahingehend abzuändern, dass sie ab dem 01.05.2005 keinen Unterhalt mehr schulde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die Klägerin sei auf Grund ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit gehalten, vollschichtig zu arbeiten. Die Firma E... C...t GmbH habe noch am 08.11.2007 im Internet einen Versicherungsfachmann/-frau gesucht und hierfür ein Fixum von 1.500 € monatlich sowie außergewöhnliche Verdienstmöglichkeiten angepriesen. Er meint, der Klägerin müsse ein fiktives Einkommen in dieser Höhe zugerechnet werden. Außerdem habe die Klägerin am 30.11.1995 den Erhalt eines Betrages von 137.000 DM an Provisionszahlungen quittiert. Die Richtigkeit ihrer Angaben zu ihren erzielten Verdiensten müsse bezweifelt werden. Zu den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin hat sich der Beklagte nicht geäußert.

Im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.04.2008 hat der Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe entweder zusammen mit ihrem Ehemann oder dieser allein oder die im gleichen Haus ansässige Firma Eigentum an einem Grundstück ...straße 74 in B... erworben, und zwar im Jahr 2006. Außerdem sei offenkundig stets Bargeld vorhanden. Gegen die Klägerin seien auch mehrere Ermittlungs- bzw. Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt worden. Ihre Angaben müssten deshalb insgesamt bezweifelt werden.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 10.04.2008 hat die Klägerin ihre Berufung hinsichtlich des Zeitraums vom 01.05.2005 bis zum 04.08.2005 zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist - soweit nach der gemäß § 516 Abs. 1, 2 ZPO wirksamen Teilrücknahme noch zu entscheiden war - in vollem Umfang begründet. Die Klägerin kann sich im Rahmen der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO auf ihre fehlende Leistungsfähigkeit berufen.

Der minderjährige Beklagte, der über eigenes Einkommen und Vermögen nicht verfügt und bei seinem Vater wohnt, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt gegen seine Mutter gemäß §§ 1601 ff. BGB. Die Höhe des Unterhaltsbedarfs richtet sich bis zum 31.12.2007 nach § 2 Regelbetragverordnung und ab dem 01.01.2008 nach dem Mindestunterhalt gemäß §§ 1612a, 1612b BGB i.V.m. § 36 Ziffer 4 EGZPO.

Die Klägerin ist allerdings leistungsunfähig gemäß § 1603 Abs. 1 BGB. Sie hat in dem streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen erzielt, das auch nur ihren notwendigen Selbstbehalt von zunächst 820 € und ab dem 01.01.2008 von 900 € decken würde.

Die Klägerin ist nicht berufstätig und erzielt somit kein Erwerbseinkommen. Dies wird auch von dem Beklagten nicht in Frage gestellt. Der Vortrag des Beklagten aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 03.04.2008 enthält keine Tatsachenbehauptung, die die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin in Frage stellen würde. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, die Klägerin habe im Jahr 1995 Provision in Höhe von 137.000 DM erhalten, so folgt daraus jedenfalls nicht, dass sie seit dem 01.05.2005 entsprechende Zahlungen erhalten hat. Da sie in diesem Zeitraum nicht als Versicherungsmaklerin berufstätig war, hat sie auch keine entsprechenden Provisionen erlangt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin noch über entsprechendes Vermögen verfügt. Dies hat der Beklagte bereits nicht schlüssig behauptet und keinen Beweis angetreten. Im Übrigen ist unstreitig, dass ein Privatinsolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin im Jahr 2002 mangels Masse abgelehnt worden ist. Der Klägerin kann deshalb weder ein regelmäßiges Zinseinkommen aus ihrem Vermögen zugerechnet werden, noch steht ihr ein Vermögensstamm zur Verfügung, den sie für Unterhaltszahlungen an den Beklagten einsetzen könnte oder müsste.

Was Vermutungen des Beklagten hinsichtlich eines Grundstückserwerbs angeht, so hat der Beklagte nicht einmal behauptet, die Klägerin selbst habe Grundeigentum erworben. Die Vermutungen des Beklagten sind insgesamt spekulativ und enthalten keine konkrete Behauptung, die für die Gegenseite einlassungsfähig oder dem Beweis zugänglich wäre. Der Vortrag ist deshalb unbeachtlich.

Zwar besteht die gesteigerte Erwerbsobliegenheit der Klägerin gegenüber dem minderjährigen Beklagten (§ 1603 Abs. 1 S. 2 BGB) grundsätzlich fort, auch wenn die Klägerin nunmehr drei kleinere Kinder betreut. Auf die Frage, ob der Vater des Beklagten der Klägerin nach der Trennung das Kind entzogen hat, kommt es in diesem Zusammenhang jedoch nicht an. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob der Kindesvater für die finanzielle Misere der Klägerin verantwortlich ist. Es geht hier nicht um Ansprüche des Kindesvaters, sondern um Ansprüche des minderjährigen Beklagten, der die Handlungen seines Vaters nicht zu verantworten hat. Die Unterhaltspflicht der Klägerin besteht auch unabhängig davon, ob ihr Kontakt zu dem Beklagten gewährt wird oder nicht. Der Beklagte steht für die Dauer seiner Minderjährigkeit unterhaltsrechtlich seinen Halbgeschwistern, die in der Familie der Klägerin aufwachsen, gleich.

Die Leistungen, welche die Klägerin durch Familien- und Haushaltstätigkeit erbringt, kommen ausnahmslos ihrer neuen Familie zu Gute und nicht dem Beklagten. Ihm gegenüber erfüllt sie ihre familiären Verpflichtungen damit nicht (BGH, FamRZ 1996, 796 ff.; 2006, 1827 ff.). Demnach kommt es hier auf die Frage an, ob die Klägerin einen so genannten Rollentausch von der Berufstätigkeit zur reinen Familientätigkeit vorgenommen hat, und ob sich der Beklagte diesen entgegenhalten lassen muss. Hat der Barunterhaltspflichtige einen Rollentausch vorgenommen, so ist dies bei der Abwägung zu berücksichtigen, ob vom Unterhaltspflichtigen eine besondere Rücksichtnahme auf die Belange der von ihm abhängigen Unterhaltsberechtigten zu fordern ist (BGH, FamRZ 2006, 1010 ff.).

Hier liegt ein derartiger Rollentausch vor. Die Klägerin stellt diesen zwar in Abrede, jedoch ohne nachvollziehbare Argumentation. Zwar hat die Klägerin nunmehr vorgetragen, sie sei schon in der früheren Familie für Haushaltsführung, Erziehung und Betreuung zuständig gewesen. Sie sei zwar während der Ehe mit dem Vater des Beklagten in dessen Gesellschaften als Geschäftsführerin tätig gewesen, sie habe jedoch "im Wesentlichen" nur ihren Namen gegeben, um dem Kindesvater die Gründung von Baufirmen zu ermöglichen. Die Klägerin hat jedoch mit Schriftsatz vom 23.02.2007 selbst vorgetragen, sie sei von 1990 bis Anfang 1996 in diversen Baufirmen "als Geschäftsführerin tätig" gewesen. Danach war sie 1996 mehrere Monate als Buchhalterin angestellt und 1997/1998 selbständige Versicherungsmaklerin. Jedenfalls vom 01.02.2000 bis 31.12.2001 war die Klägerin Angestellte bei einer Versicherungsagentur. Aus diesem Vortrag der Klägerin kann nur darauf geschlossen werden, dass sie bis Ende 2001 überwiegend berufstätig gewesen ist. Es steht außerdem fest, dass sie für ihre Tätigkeiten ein Entgelt bezogen hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen war oder nicht. Es ist deshalb von einem Rollenwechsel der Klägerin im Zusammenhang mit der Geburt ihres Kindes P... M... auszugehen.

Einen derartigen Rollenwechsel hat das minderjährige Kind nur hinzunehmen, wenn sich der Familienunterhalt in der neuen Ehe dadurch, dass der andere Ehegatte vollerwerbstätig ist, wesentlich günstiger gestaltet, als es der Fall wäre, wenn die Rollenverteilung umgekehrt wäre. Ein Kind aus erster Ehe muss eine Einbuße seiner Unterhaltsansprüche dann hinnehmen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen und seiner neuen Familie an der Aufgabenverteilung das eigene Interesse des erstehelichen Kindes an der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung deutlich überwiegt. Nur in solchen Fällen ist auch der neue Ehegatte nicht verpflichtet, insoweit auf die Unterhaltspflicht seines Partners außerhalb der Ehe Rücksicht zu nehmen, zum Nachteil seiner Familie auf eigene Erwerbstätigkeit zu verzichten und stattdessen die Kinderbetreuung zu übernehmen (BGH, FamRZ 1996, 796 ff; 2006, 1827 ff.; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 2, Rz. 172 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Klägerin verdient ihr Ehemann durch seine Vollzeittätigkeit 1.527 € netto und damit etwa doppelt so viel, wie die Klägerin in ihrer Vollzeittätigkeit zuletzt verdient hat. Ihr Einkommen betrug bei Einstufung in Steuerklasse IV nur 1.524,42 DM netto, was lediglich 779,49 € entspricht. Angesichts des Alters und der Anzahl der Kinder der Klägerin aus der neuen Ehe war und ist die Klägerin auch nicht verpflichtet, gemeinsam mit ihrem Ehemann berufstätig zu sein. Auch die Kinder aus der neuen Ehe bedürfen der Betreuung. Im Hinblick auf die Frage, ob der Beklagte den Rollenwechsel seiner Mutter hinnehmen musste, ist nicht maßgeblich, ob die Klägerin neben ihrem Ehemann berufstätig sein musste, sondern ob sie anstelle ihres Ehemanns hätte berufstätig sein müssen, um ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Beklagten gerecht werden zu können. Da der Ehemann der Klägerin jedoch in der Lage war, ein doppelt so hohes Einkommen zu erwirtschaften wie die Klägerin bei alleiniger Berufstätigkeit, muss der Beklagte die Rollenwahl seiner Mutter hier hinnehmen.

Bei einem zu billigenden Rollenwechsel besteht regelmäßig auch keine weitere Erwerbsobliegenheit (etwa durch Nebentätigkeit), solange Erziehungsgeld bezogen wird. Solange seine Mutter Kleinkinder betreut, für die sie noch Erziehungsgeld bezieht, wird die Ausübung einer Nebentätigkeit nicht für zumutbar gehalten (Wendl/Staudigl, a.a.O., § 2, Rz. 181; BGH, FamRZ 2006, 1010 ff.). Für ihren dritten Sohn B... hat die Klägerin bis zum 06.09.2007 Erziehungsgeld bezogen. Für die Zeit danach ist zu berücksichtigen, dass ihre Söhne aus der zweiten Ehe zunächst sämtlich noch nicht schulpflichtig waren. Inzwischen ist P... gerade 6 Jahre, M... 4 Jahre und B... knapp 2,5 Jahre alt. Die Klägerin ist mit einem weiteren Kind schwanger. Eine Nebentätigkeit kann der Klägerin neben der Pflege dieser Kinder auch im Hinblick auf ihre gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber dem Beklagten jedenfalls nicht in einem Umfang zugemutet werden, der hier zu einem Einkommen führen würde, das den notwendigen Selbstbehalt der Klägerin überstiege.

Abgesehen davon, dass die Klägerin während der Zeiten der nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeiten auf Grund der Schwangerschaften bzw. Entbindungen und während der Zeit des Mutterschutzes arbeitsunfähig gewesen ist, liegt jedenfalls im Übrigen eine vollständige Leistungsunfähigkeit der Klägerin vor, der kein fiktives Einkommen zugerechnet werden kann. Dies gilt auch dann, wenn der notwendige Selbstbehalt aufgrund des Zusammenlebens in der neuen Ehe wegen Haushaltsersparnis abgesenkt wird. Aufgrund des nur geringen Einkommens ihres Ehemannes kommt nur eine geringfügige Ersparnis in Betracht, so dass auch in diesem Fall der Selbstbehalt durch das Erziehungsgeld und ein der Klägerin etwa zustehendes Taschengeld nicht erreicht wird.

Soweit die Klägerin darüber hinaus sich darauf berufen hat, sie sei auf Grund eines Bandscheibenvorfalls seit August 2006 ohnehin nur noch eingeschränkt allenfalls für drei Stunden täglich arbeitsfähig, kommt es hierauf nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 in Verb. mit § 516 Abs. 3 ZPO. Die teilweise Rücknahme der Berufung betrifft nur einen Zeitraum von rund 3 Monaten. Wäre von vornherein die Berufung entsprechend beschränkt worden, hätte sich an der Berechnung des Streitwerts nichts geändert, so dass eine Relevanz für die Kosten nicht vorliegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 9 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht. Die Entscheidung des Senats befindet sich im Einklang mit gefestigter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.144 € festgesetzt (§ 42 Abs. 1 S. 1 und 2 GKG; 12 x 262 €).

Ende der Entscheidung

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