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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: 9 UF 193/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 222 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 2 a. F.
ZPO § 520
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 193/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

am 26. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten vom 6. Januar 2004 gegen das Schlussurteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 2. September 2003, Aktz. Zw 17 F 97/03, wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.257,60 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 2. September 2003 verkündete, ihr am 30. September 2003 zugestellte Schlussurteil des Amtsgerichts Neuruppin, durch das die Unterhaltsverpflichtung des Klägers ab Juli 2003 auf 30,2 % des Regelbetrages (Ost) reduziert worden ist. Mit Schriftsatz ihrer beim Berufungsgericht zugelassenen Bevollmächtigten vom 17. Oktober 2003, eingegangen beim Oberlandesgericht am 22. Oktober 2003, beantragte die Beklagte für die beabsichtigte Berufung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Dem Antrag war - neben den zur Prüfung der Bedürftigkeit erforderlichen Unterlagen - ein als Entwurf gekennzeichneter und nicht unterschriebener "Berufungsentwurf" beigefügt, der einen Klageabweisungsantrag enthielt. Danach habe das Amtsgericht die Leistungsfähigkeit des Klägers falsch bewertet. Der Kläger habe seinen Anspruch auf Abänderung des Unterhaltstitels zudem verwirkt, da er unmittelbar nach Adoption der beiden Kinder keine Abänderung geltend gemacht habe. Durch eine Adoption dürfe der Kläger zudem nicht seine Leistungsfähigkeit gegenüber der Beklagten beeinträchtigen. Auf gerichtlichen Hinweis präzisierte die Beklagten ihren beabsichtigten Berufungsantrag mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2003. Durch Beschluss vom 17. Dezember 2003 hat der Senat in Bezug auf die beabsichtigte Berufung teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Beschluss ist der Beklagten am 5. Januar 2004 zugestellt worden, die daraufhin mit Schriftsatz vom 6. Januar 2004 Berufung einlegte, einen Berufungsantrag entsprechend der ihr bewilligten Prozesskostenhilfe stellte, "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Berufung" beantragte und zur Begründung der Berufung weitere Ausführungen machte. Zur Begründung des Wiedereinsetzungantrages führte sie aus, dass sie auf Grund ihrer finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen sei, einen beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt mit der "unbedingten Einlegung der Berufung" zu beauftragen. Mit der Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses am 5. Januar 2004 sei das Hindernis beseitigt worden, "auf Grund dessen die Beklagte die Berufungsfrist nicht hat wahren können".

Dem Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich der Berufungsfrist gab der Senat mit Beschluss vom 14. Januar 2004 statt und wies zugleich darauf hin, dass ein Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist bisher nicht gestellt worden sei. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15. Januar 2004 per Fax übersandt. Ein Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist bis zum heutigen Tage nicht eingegangen.

II.

Die Berufung der Beklagten war nach §§ 522 Abs. 1 Satz 2, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu verwerfen, da sie nicht rechtzeitig innerhalb der Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils begründet worden ist. Die zweimonatige Frist zur Berufungsbegründung lief gemäß § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, den 1. Dezember 2003, ab.

Grundsätzlich handelt es sich, wie schon nach altem Recht, bei den Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung um zwei unabhängig voneinander laufende Fristen (vgl. BGH, MDR 2001, 1072; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520, Rn. 14), wobei diejenige zur Berufungsbegründung nun - anders als in § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a. F. - nicht mehr mit der Einlegung des Rechtsmittels, sondern ebenso wie die Berufungsfrist, selbst mit der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung zu laufen beginnt (§ 520 Abs. 2, Satz 1 ZPO). Für beide Fristen gilt, dass sie durch die Anbringung eines bloßen Prozesskostenhilfegesuchs (ohne gleichzeitige unbedingte Einlegung bzw. Begründung des Rechtsmittels) nicht gewahrt werden. Das durch die Bedürftigkeit der die Einlegung eines Rechtsmittels beabsichtigenden Partei bedingte Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme der fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, kann lediglich ein unverschuldetes Hindernis bei der Fristwahrung im Sinne des § 233 ZPO darstellen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 233, Rn. 23, "Prozesskostenhilfe"; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 233, Rn 36 ff.), sodass der Partei grundsätzlich erst auf entsprechenden Antrag bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nach der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Im vorliegenden Fall ist dies wegen der Versäumung der Berufungsfrist antragsgemäß geschehen.

Dies besagt jedoch noch nichts im Hinblick auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, die durch die Versäumung der Berufungsfrist und das dadurch ausgelöste Wiedereinsetzungsverfahren grundsätzlich nicht berührt wird (BGHZ 98, 325; BGH, VersR 1986, 892; BGH, MDR 1989, 521; Zöller/Gummer, a.a.O., § 520, Rn. 14). Zwar ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, VersR 1995, 1462; BGH, NJW-RR 1999, 212; BGH, NJW-RR 2001, 789, jeweils m. w. N.) nicht ausgeschlossen, dass ein Prozesskostenhilfegesuch gleichzeitig die Berufungsbegründung darstellt, sofern sich dies aus dem Zusammenhang und den Begleitumständen ergibt. Im Allgemeinen ist auch davon auszugehen, dass keine Partei die mit der Versäumung einer Rechtsmittelfrist verbundenen prozessualen Nachteile in Kauf nehmen will, sodass angenommen werden muss, ein den Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift nach § 520 ZPO entsprechendes Prozesskostenhilfegesuch solle gleichzeitig auch der Begründung des Rechtsmittels dienen (BGH, VersR 1977, 570; BGH, NJW-RR 1989, 184; BGH, NJW 1995, 2113). Hierzu ist jedoch weiterhin erforderlich, dass der Schriftsatz auch zur Begründung bestimmt ist, d.h. ein dem entgegenstehender Wille des Berufungsführers zumindest nicht erkennbar wird (BGH, VersR 1991, 936; 1986, 91 und 1989, 862; MüKo-Rimmelpacher, ZPO, 2. Aufl., § 519, Rn. 5; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 519, Rn. 37). Gerade dies ist jedoch vorliegend der Fall. Bereits die Kennzeichnung des dem Prozesskostenhilfegesuch beigefügten Schriftsatzes als "Entwurf" legt den Schluss nahe, dass mit seiner Einreichung das Rechtsmittel gerade noch nicht begründet werden sollte (vgl. BGH, VersR 1991, 936; erkennender Senat, Beschluss vom 23. April 2003, Aktz. 9 UF 120/03; Zöller/Gummer, a.a.O., § 520, Rn. 39). Diese Annahme wird durch die eindeutige Zweckbestimmung in dem Prozesskostenhilfegesuch, das ausschließlich unter Hinweis auf den "anliegenden Berufungsentwurf" begründet wurde, bestätigt. Demzufolge war der Berufungsbegründungsschriftsatz zur Prüfung im Rahmen des § 114 ZPO bestimmt, diente aber nicht der Begründung des Rechtsmittels selbst, die dann mit Schriftsatz vom 6. Januar 2004 mit verändertem Inhalt, angepasst an die gewährte Prozesskostenhilfe, erfolgen sollte. Schließlich entspricht der dem Prozesskostenhilfegesuch beigefügte Schriftsatz schon deshalb nicht den an eine Berufungsbegründungsschrift zu stellenden Anforderungen, weil er von der Prozessbevollmächtigten der Berufungsführerin nicht unterzeichnet wurde (vgl. erkennender Senat, Beschluss vom 23. April 2003, Aktz. 9 UF 120/03). Folglich war er zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist weder bestimmt noch geeignet.

Bei Eingang des sodann das Rechtsmittel beinhaltenden und "begründenden" Schriftsatzes vom 6. Januar 2004 war die gemäß § 520 Abs. 2 ZPO zwei Monate nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung endende Begründungsfrist jedoch abgelaufen.

Der Beklagten wurde durch den Beschluss des Senats vom 14. Januar 2004 auch nicht Wiedereinsetzung gegen die Versäumung beider Fristen, derjenigen zur Einlegung und derjenigen zur Begründung des Rechtsmittels, gewährt, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut "wegen Versäumung der Frist für die Berufung" ergibt.

Es wurde auch kein auf die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist gerichteter Antrag gestellt. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 6. Januar 2004 beschränkte sich ausdrücklich auf die Versäumung der Berufungsfrist. Gleiches gilt für die angegebene Begründung des Wiedereinsetzungsantrages, die auf die Beauftragung eines zugelassenen Rechtsanwalts mit der "Berufung" und die Beseitigung des Hindernisses für die "Berufungsfrist" Bezug nimmt. Aus den vorstehenden Gründen kann auch nicht von einer konkludenten Beantragung der Wiedereinsetzung auch wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ausgegangen werden. Die Fassung des Antrages, die derjenigen des Beschlusses des Senats entspricht, lässt, zumal bei anwaltlicher Vertretung, keinen vernünftigen Zweifel zu.

Innerhalb der bis zum 19. Januar 2004 laufenden Frist des § 234 ZPO hat die Beklagte hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist - trotz entsprechenden Hinweises im Senatsbeschluss vom 14. Januar 2004 - auch nicht nachträglich einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Schließlich war der Beklagten auch nicht von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Unabhängig davon, ob die Beklagte - wie dies von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Fällen unbedingter Berufungseinlegung mit nachfolgendem Prozesskostenhilfeantrag gefordert wird (vgl. BGHZ 7, 280; BGH, VersR 1993, 1125; BGH, NJW-RR 1999, 212) - auf die Möglichkeit rechtzeitiger Fristverlängerungsanträge zu verweisen gewesen wäre, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand von Amts wegen nicht in Betracht. Entbehrlich soll ein (ausdrücklicher) Wiedereinsetzungsantrag nur sein, wenn innerhalb von zwei Wochen die unverschuldete Fristversäumung zumindest erkennbar gemacht wurde (Zöller/Greger, a.a.O., § 236, Rn.3), sodass quasi von einem "Formmangel" auszugehen ist, oder ein Behördenverschulden vorliegt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 236, Rn. 16). Beide Fallgestaltungen liegen nicht vor.

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten wurde seitens des Gerichts unter dem 14. Januar 2004 und damit rechtzeitig, nämlich noch vor Ablauf der Frist des § 234 ZPO am 19. Januar 2004, auf den fehlenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Dem Gericht kann eine Verletzung der Hinweispflichten nicht vorgeworfen werden.

Zudem ist aus dem Schriftsatzes vom 6. Januar 2004 nicht erkennbar, dass die Beklagte in Kenntnis der versäumten Frist den Prozess fortzusetzen gedenkt, d.h. ihr die Versäumung dieser Frist bisher bewusst geworden ist. Dieser Schriftsatz enthält in Bezug auf die Begründung der Berufung lediglich - den Berufungsbegründungsentwurf - ergänzende Ausführungen ("weiterhin") und verweist im Übrigen auf die Begründung des Senats im Prozesskostenhilfebeschluss vom 17. Dezember 2003. Diese Umstände deuten darauf hin, dass die Beklagten nicht erkannt hat, dass die Berufungsbegründungfrist bereits abgelaufen ist, ohne dass eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechende umfassende Begründung erfolgte.

Zudem ist nicht erkennbar, aus welchen Umständen die Beklagte an der Berufungsbegründung oder der Beantragung einer Fristverlängerung hierfür gehindert gewesen sein soll, da entsprechende Darlegungen fehlen. Angesichts des dem Prozesskostenhilfeantrag anliegenden Berufungsbegründungsentwurfs, der zwar nicht formal, aber inhaltlich einer Berufungsbegründung entspricht, hätte die Beklagte die das Hindernis im Sinne des § 234 ZPO im Einzelfall begründenden Umstände darlegen müssen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte ihren Berufungsbegründungsentwurf wohl "weiterhin" als hinreichende Grundlage für die Begründung des Rechtsmittel ansieht und von einer einheitlichen Begründung der Berufung absieht.

Die Berufung war daher nach § 522 Abs. 1, Satz 2 ZPO mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 17 Abs. 1 GKG (12 x (183,92 - 79,12 EUR)).

Ende der Entscheidung

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