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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.12.2003
Aktenzeichen: 9 UF 199/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 119 Abs. 1
ZPO § 323
ZPO § 323 Abs. 1
ZPO § 323 Abs. 3
ZPO § 767
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 199/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf den Antrag des Klägers vom 21. November 2003 hin durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 22. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsteller wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... für folgenden Antrag bewilligt:

Das am 16. Oktober 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oranienburg - 34 F 312/01 - wird hinsichtlich der Widerklage teilweise dahingehend abgeändert, dass die Widerklage des Beklagten abgewiesen wird, soweit sie die Zeiträume vom 1. September 2000 bis 31. Oktober 2000 und vom 1. März 2001 bis 22. April 2002 betrifft.

Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers vom 21. November 2003 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung zurückgewiesen.

Gründe:

Der gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war teilweise zurückzuweisen, soweit es der beabsichtigten Berufung an den Erfolgsaussichten fehlt, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO.

1. Zeiträume September und Oktober 2000 bzw. März 2001 bis 22. April 2002

Es bestehen keine Bedenken an den Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Berufung, soweit es die Monate September und Oktober 2000 bzw. die Monate von März 2001 bis zum 22. April 2002 betrifft.

Mit seiner im Wege der Widerklage erhobenen Vollstreckungsabwehrklage wendet sich der Beklagte gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 14. Juni 1999 (Aktz. 5 F 140/98, Bl. 7 d. A.). Durch dieses Urteils ist er dem Kläger gegenüber u. a. zur Zahlung von monatlichen Unterhalt von 538 DM abzüglich hälftigen Kindergeldes verurteilt worden. Soweit der Beklagte hiergegen früher Berufung eingelegt hatte, hat er diese jedenfalls auch insoweit zurückgenommen, als sie die Zeit ab 1. Juni 2000 und damit auch diejenigen Zeiträume betraf, die Gegenstand der vorliegenden Vollstreckungsabwehrwiderklage sind (vgl. das Urteil des Senats vom 8. Juni 2000, Aktz. 9 UF 192/99, Bl. 12 ff. d. A., insbesondere S. 4 Abs. 3, Bl. 15 d. A.).

Die mit der im Wege der Vollstreckungsabwehrklage durch den Beklagten geltend gemachten Gründe (veränderte Einkommensverhältnisse auf Seiten beider Parteien, Hinzutreten weiterer Unterhaltspflichten des Beklagten, Veränderungen im Bedarf des Klägers durch veränderte Tabellen bzw. Eintritt der Volljährigkeit) sind typische Gründe, die mit der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend zu machen sind; die Vollstreckungsgegenklage ist insoweit nicht statthaft. Die eine Durchbrechung der Rechtskraft des früheren Urteils bewirkende Abänderungsklage setzt als Gestaltungsklage voraus, dass seit dem abzuändernden Urteil oder sonstigen Titel die stets wandelbaren wirtschaftlichen oder sonstigen Verhältnisse sich anders entwickelt haben als angenommen wurde (BGH, FamRZ 1984, 470, 471). Die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO stellt zwar gleichwohl eine Gestaltungsklage dar, beseitigt aber im Gegensatz zur Abänderungsklage die Vollstreckbarkeit des bestehenden Unterhaltstitels nicht, weshalb sie lediglich rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendungen zum Gegenstand hat (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl. 2003, § 323 ZPO, Rn. 9 ff.).

Die von dem Beklagten geltend gemachten Gründe stellen typische Anwendungsfälle der Abänderungsklage nach § 323 Abs. 1 ZPO dar. Einschlägig ist die Abänderungsklage insbesondere bei Gründen, die zu einer Erhöhung oder Verringerung des Bedarfes führen (z. B. Einkommensveränderungen, Zusammenleben mit neuen Lebensgefährten, altersbedingte Bedarfssteigerung), die eine Erhöhung oder Verringerung der Leistungsfähigkeit zur Folge haben (z. B. Einkommensveränderungen, Hinzutreten weiterer Unterhaltspflichten), oder die sonstige bedarfsprägende Umstände berühren (Wegfall oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, Wegfall oder Hinzutreten neuer Unterhaltspflichten; vgl. insbesondere Rotax/Reinken, Die Praxis des Familienrechts, 2. Aufl. 2003, Teil 7, Rn. 187).

Die Statthaftigkeit der Abänderungsklage hat auch das Amtsgericht im Ansatz bejaht, wenngleich es hierzu an einer näheren Begründung fehlt. Wenig nachvollziehbar erscheint die vom Amtsgericht vertretene Auffassung, dass Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden können, soweit eine Abänderungsklage wegen der Zeitgrenze des § 323 Abs. 3 ZPO blockiert ist (S. 5 des angefochtenen Urteils, Bl. 329 d. A.). Die vom Amtsgericht insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung des BGH (FamRZ 1989, 159, 162), bekräftigen die vom Amtsgericht vertretene Auffassung nicht. Die vorgenannte Entscheidung des BGH betraf einen Fall, in denen im Zeitpunkt der Titulierung des Unterhalts der Versorgungsausgleich bereits durchgeführt war, der Rentenfall und daher die tatsächliche Umsetzung des Versorgungsausgleichs aber erst nach der Titulierung erfolgten. Auch insoweit ist zwar im Grundsatz der Anwendungsbereich des § 323 ZPO betroffen (BGH, FamRZ 1989, 159, 161). Der nachträgliche Rentenbezug des Unterhaltsberechtigten als Folge des Versorgungsausgleichs mindert dessen Bedürftigkeit und stellt sich daher als Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen dar. Bezieht aber der Unterhaltspflichtige selbst eine Rente oder eine Versorgung, die jetzt um den Betrag aus dem Versorgungsausgleich gekürzt wird, setzt durch die etwa gleich hohen Rentenzahlungen an den Unterhaltsberechtigten nach der Auffassung des BGH ein der Erfüllung wirtschaftlich gleichkommender Vorgang ein (BGH, FamRZ 1982, 470; 1989, 159, 161). Soweit deshalb der Unterhaltsverpflichtete wegen der Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO keine Abänderungsklage mit Erfolg erheben kann, ist er für diesen speziellen Fall berechtigt, den Einwand der Erfüllung gemäß § 767 ZPO zu erheben (BGH, FamRZ 1989, 159, 161; Rotax/Reinken, a.a.O., Rn. 190 f.; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 323, Rn. 2).

Hieraus lässt sich aber erkennbar und entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung nicht der Grundsatz ableiten, dass immer dann, wenn die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO eingreift und eine Abänderungsklage damit unzulässig ist, die Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO eingreift. Dadurch würde insbesondere die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO bedeutungslos, da es dem Unterhaltsverpflichteten offen stünde, sämtliche Einwendungen auch im Wege des § 767 ZPO geltend zu machen. Eine Abgrenzung zwischen § 323 ZPO und § 767 ZPO wäre nach der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung praktisch nicht mehr von Nöten und stünde im Ergebnis zudem im krassem Widerspruch zu dem Grundsatz, dass in die Rechtskraft von Urteilen auf wiederkehrende Leistungen bei veränderten Verhältnissen nur unter den strengen Voraussetzungen des § 323 ZPO eingegriffen werden kann.

Die von dem Beklagten erhobene Widerklage ist danach unstatthaft. Eine Abänderungsklage kommt insoweit nicht in Betracht, da dem die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO entgegensteht. Die Zustellung der Vollstreckungsabwehrklage ist unter dem 23. April 2002 erfolgt (Bl. 133 d. A.), weshalb erst ab diesem Zeitpunkt eine Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Neuruppin vom 14. Juni 1999 in Betracht kommt. Soweit dagegen der Kläger mit Schriftsatz vom 1. März 2002 (Bl. 107 f. d. A.) erklärt hat, die Klageschrift sei bereits am 27. Februar 2002 zugestellt, ist erkennbar die formlos durch das Amtsgericht veranlasste Übersendung der einfachen Klageschrift innerhalb des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens gemeint, wie auch aus der vorangegangenen amtsgerichtlichen Verfügung vom 25. Februar 2002 (Bl. 106 d. A.) hervorgeht.

2. Zeitraum November 2000 bis einschließlich Februar 2001

Ohne Erfolg ist die beabsichtigte Berufung nach derzeitigem Stand dagegen, soweit es die Monate November 2000 bis einschließlich Februar 2001 betrifft. Insoweit steht dem Beklagten im Wesentlichen der der Vollstreckungsgegenklage unterfallende Einwand der Erfüllung nach § 362 BGB zu.

Unstreitig hat der Beklagte von November 2000 bis einschließlich Februar 2001 für den Kläger sowie seinen Bruder Daniel 4 x 806 DM bezahlt. Soweit der Kläger gemäß Schriftsatz vom 24. April 2003 (Bl. 196 d. A.) entsprechend der gegenüber beiden Kindern bestehenden gleich hohen Unterhaltsverpflichtung eine Aufteilung der gezahlten Beträge auf monatlich 403 DM für sich und seinen Bruder vorgenommen hat, hat der Beklagte dem nachfolgend nicht widersprochen.

Das abzuändernde Urteil des Amtsgerichts Neuruppin (vgl. oben) verpflichtet den Beklagten zur Zahlung von monatlichen Unterhalt von 583 DM abzüglich hälftigen Kindergeldes. Damit standen dem Kläger in der Zeit von November 2000 bis Februar 2001 unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes von 135 DM jeweils 448 DM zu. Nicht nachvollziehbar sind insoweit die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil (dort S. 6, Bl. 330 d. A.), soweit das Amtsgericht anteiliges Kindergeld in Höhe von 72 DM gemäß § 1612 BGB a. F. in Abzug bringt. In den Jahren 2000/2001 betrug das Kindergeld 270 DM, das hälftige Kindergeld daher 135 DM, wie das Amtsgericht für spätere Zeiträume auch zutreffend erkannt hat. Auch der Bezug auf § 1612 BGB a. F. ist nicht nachvollziehbar, gegebenenfalls meint das Amtsgericht hier § 1612 b BGB. Aber auch insoweit kommt es auf die ab dem 1. Januar 2001 eingetretene Gesetzesänderung betreffend des § 1612 b Abs. 5 BGB und der lediglich teilweisen Anrechnung des Kindergeldes nicht an. Der abzuändernde Titel sieht nämlich ausdrücklich die hälftige Anrechnung des Kindergeldes vor, weshalb unabhängig von der Gesetzesänderung einschränkungslos der volle hälftige Abzug zu erfolgen hatte.

Unter Berücksichtigung dessen standen dem Kläger in den Monaten November 2000 bis Februar 2001 monatlich 45 DM = 23,01 € zu (583 DM - 135 DM hälftiges Kindergeld - 403 DM Zahlbetrag). Da das Amtsgericht für die Monate November und Dezember 2000 172,56 € und für die Monate Januar und Februar 2001 184,83 €, und damit einen über 23,01 € hinausgehenden Unterhaltsbetrag zur Vollstreckung aus dem alten Titel aufrechterhalten hat, kann die Berufung insoweit keinen Erfolg haben. Dies hat im Grundsatz auch der Kläger gesehen, da er in dem angekündigten Berufungsantrag (Bl. 354 d. A.) auf sein erstinstanzlich erteiltes Anerkenntnis verweist. Da aber dieser Antrag zu unbestimmt ist und hieraus nicht erkennbar wird, ob der Kläger für den Zeitraum November 2000 bis einschließlich Februar 2001 jedenfalls eine teilweise Abweisung der Widerklage begehrt, hat der Senat insoweit dem Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen.

Ende der Entscheidung

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