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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 9 UF 238/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 323
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
BGB § 119 Abs. 1 1. Fall
BGB § 121 Abs. 1 Satz 1
BGB § 123
BGB § 123 Abs. 1 1. Alt.
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 143 Abs. 1
BGB § 119
BGB § 242
BGB § 305
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.
BGB § 812 Abs. 2
BGB § 1360 a Abs. 3
BGB § 1361
BGB §§ 1569 ff.
BGB § 1614
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

9 UF 238/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.08.2001

verkündet am 09.08.2001

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Berufung der Beklagten vom 20. September 2000 und die Anschlußberufung des Klägers vom 11. September 2000 gegen das am 17. August 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Perleberg auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2001 durch

die Richterin am Oberlandesgericht Surkau als Vorsitzende, den Richter am Landgericht Schollbach und den Richter am Amtsgericht Götsche als beisitzende Richter,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers das am 17. August 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Perleberg (Aktenzeichen 16 b F 434/99) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten und die selbständig eingelegte Berufung des Klägers sind zulässig. In der Sache selbst hat die Berufung der Beklagten Erfolg; die Anschlußberufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Die negative Feststellungsklage des Klägers ist nur insoweit zulässig, als er hiermit die Feststellung begehrt, keinen Trennungsunterhalt zahlen zu müssen; soweit dagegen der Kläger darüber hinaus eine solche negative Feststellung auch betreffs des nachehelichen Unterhalts begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, da ihr das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Gem. § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur dann erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses durch richterliche Entscheidung hat. Die hierfür erforderliche Gefährdung des Rechtsverhältnisses ist bei einer das Recht des Beklagten leugnenden Klage des Klägers dann gegeben, wenn sich der Beklagte ernsthaft des Rechtes gegen den Kläger berühmt (BGH NJW 1992, 436, 437). Erforderlich hierfür ist, daß dem Kläger ein wirklicher Nachteil droht; ein künftiges Rechtsverhältnis, das infolge der gegenwärtigen Ungewißheit über die entscheidungserheblichen Umstände derzeit nicht festgestellt werden kann, genügt nicht (BGH MDR 1960, 371). Konkret geltend macht die Beklagte derzeit lediglich die Ansprüche auf Trennungsunterhalt; etwas anderes ist ihr wegen der noch nicht erfolgten Ehescheidung auch gar nicht möglich. Die (rechtskräftige) Ehescheidung als zwingende Voraussetzung des weiteren Anspruches auf nachehelichen Unterhalt (§ 1569 BGB) ist schon in zeitlicher Hinsicht derzeit ungewiß, selbst unter Berücksichtigung dessen, daß das Ehescheidungsverfahren zwischen den Parteien bereits rechtshängig ist. Insoweit ist das negative Feststellungsinteresse des Klägers hinsichtlich einer Nichtzahlung von nachehelichen Unterhalt zu verneinen.

Die Feststellungsklage ist aber auch, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Die zwischen den Parteien unter dem 29. Januar 1998 vor der Notarin B in W geschlossene notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, in welcher die Parteien neben der Regelung anderer Gegenstände auch die Unterhaltsansprüche der Beklagten auf Trennungs- und nachehelichen Unterhalt geregelt haben, ist wirksam.

Dies gilt auch, soweit die Parteien einen Mindestsatz für den Unterhaltsanspruch der Beklagten statuiert haben. Aus Abschnitt C I. 1. vierter Absatz der notariellen Vereinbarung, wonach "der vorstehende Betrag... als vereinbarter Mindestunterhalt auch für den Fall, daß die Einkommensverhältnisse des Ehemannes sich ändern", gilt, ergibt sich die Verpflichtung des Klägers, ohne Berücksichtigung seiner künftigen Einkommensverhältnisse den als Mindestsatz vereinbarten Unterhaltsbetrag von 1.745,74 DM zu zahlen. Mit dieser von ihrem Wortlaut her eindeutigen Formulierung haben die Parteien für die Zukunft eine Abänderung bzw. Neuregelung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten zumindest wegen eines auf veränderten (verminderten) Einkommensverhältnissen beruhenden Wegfalls der Leistungsfähigkeit des Klägers ausgeschlossen. Für diese Auslegung spricht auch die unter Ziffer C I. 2. getroffene Regelung der notariellen Vereinbarung, wonach eine Veränderung des Unterhaltsbetrages mit dem jeweiligen Preisindex für die Lebenserhaltungskosten eines Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen verknüpft wird. Der Auslegung widerspricht im übrigen auch nicht die unter Ziffer C I. 3. enthaltene Regelung, wonach die Abänderungsklage nach § 323 ZPO unberührt bleibt. Zwar gilt diese Regelung vom Wortlaut her unbeschränkt, weshalb an sich auch der Kläger bei für ihn negativ veränderten Einkommensverhältnissen eine Abänderung unterhalb des Betrages von 1.745,74 DM verlangen könnte. Schon aus der systematischen Stellung dieser Regelung folgt jedoch, daß sie gegenüber den unter Ziffern I. 1. und 2. dieses Vertragsabschnittes geregelten Folgen nachrangig sein soll. Im übrigen wäre es auch sinnentleert, wenn zunächst ein Mindestunterhaltsanspruch der Klägerin normiert wird, um sodann die Möglichkeit der Abänderung in allgemeiner Hinsicht und damit auch im Sinne einer Verringerung zu eröffnen.

Dieser Inhalt des Ehevertrages verstößt nach Inhalt, Motiv und Zweck nicht gegen die guten Sitten, § 138 Abs. 1 BGB.

Verträge verstoßen gegen § 138 BGB, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechen (BGHZ 69, 295, 296). Regelungen über den Unterhalt und damit auch den Trennungsunterhalt sind grundsätzlich frei möglich, § 305 BGB. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt mit Ausnahme der aus §§ 1360 a Abs. 3, 1614 BGB für den Verzicht auf Unterhalt in der Zukunft gebotenen Einschränkung grundsätzlich umfassend. Regelungen betreffs der Höhe sind ebenso wie die Möglichkeit, über die Abänderbarkeit der Unterhaltsvereinbarungen Abreden zu treffen, frei vereinbar (Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Auflage 2000 Teil IV Rn. 1259, 1267 ff; Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, 2. Aufl. 2000 S. 30; siehe auch BGH FamRZ 1984, 997, 999). Bei der Beurteilung, ob Unterhalts Vereinbarungen gegen die guten Sitten verstoßen, fällt ins Gewicht, dass das Scheidungsrecht es als erwünscht ansieht, wenn die Ehegatten die Scheidungsfolgen einverständlich regeln (Soergel-Hefermehl, BGB, 13. Aufl. 1999 § 138 Rn. 217; Erman-Palm, BGB, 10. Aufl. 2000 § 138 Rn. 95c). Der durch den Vertragsabschluß zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille läßt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schliessen (BVerfG FamRZ 2001, 343, 345 mit zustimmender Anm. von Schwab). Ein Sittenverstoß kann daher nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen (Soergel-Hefermehl und Erman-Palm, jeweils a. a. O.). Insbesondere ist eine Inhaltskontrolle des Vertrages dann geboten, wenn der Vertrag Lasten besonders einseitig aufbürdet und ein Vertragspartner aufgrund überlegener Verhandlungsposition den Vertragsinhalt einseitig bestimmen kann (BVerfG a. a. O.).

In dieser Hinsicht bestehen keine Bedenken an dem Inhalt der geschlossenen Vereinbarung.

Soweit sich der Kläger zur Zahlung der 1.745,74 DM unabhängig von seinen Einkommensverhältnissen verpflichtet hat, stellt sich dies nicht als sittenwidrig dar. Privatautonomie bedeutet nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Selbstverantwortung. Der Schuldner hat daher im Grundsatz selbst zu bestimmen und zu entscheiden, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit liegen. Die Tatsache, daß eine Verpflichtung das Leistungsvermögen eines Schuldners überfordert, ist deshalb nicht ohne weiteres ein Grund im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB (OLG Stuttgart FamRZ 1998, 1296, 1297; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 1436, 1437; Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001 § 138 Rn. 36 m. w. N.).

Aufgrund der ihn treffenden Selbstverantwortlichkeit kann sich der Kläger deshalb nicht auf sein fehlendes Leistungsvermögen berufen. Wegen der Verpflichtungsfreiheit des Unterhaltsschuldners wäre der Abschluß des Rechtsgeschäfts, mit dem sich der Schuldner zu Zahlungen verpflichtet, die höher als sein (pfändbares oder überhaupt gegebenes) Einkommen sind, für sich betrachtet auch dann nicht sittenwidrig, wenn schon bei Abschluß des Rechtsgeschäftes diese Voraussetzungen vorgelegen hätten (BGH NJW 1989, 1665, 1666; OLG Karlsruhe a.a.O.; Soergel-Hefermehl a. a. O. Rn. 99). Dies muß erst recht gelten, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses, wie es hier der Fall gewesen ist, die volle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bestand und erst nachträglich eine negative Veränderung eingetreten ist. Im übrigen ist bei der Beurteilung eines etwaigen Sittenverstoßes auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht etwa auf den Eintritt der Rechtswirkungen des Vertrages abzustellen (vgl. nur Palandt-Heinrichs a. a. O. Rn. 9 m. w. N.). Zur Zeit des Vertragsabschlusses war der Kläger aber - wie zuvor dargestellt - leistungsfähig. Gerade deshalb ist auch die von dem Kläger aufgestellte Behauptung, bei Abschluß des Vertrages habe man an eine Änderung der Steuerklassen nicht gedacht, für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit unerheblich.

Im übrigen bestehen Bedenken an der Sittenwidrigkeit auch nicht aufgrund der Tatsache, daß der Kläger auf Einwände hinsichtlich der die Beklagte treffenden Erwerbsobliegenheiten verzichtet hat oder aufgrund des sonstigen Inhaltes des Vertrages. Mag auch in ihrem Gesamtcharakter die notarielle Vereinbarung überwiegend belastend für den Kläger sein, so stellt dies unter Berücksichtigung der weiteren Umstände kein grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung dar. Die Höhe der Unterhaltsverpflichtung entsprach den bei Vertragsabschluß tatsächlich bestehenden Einkommensverhältnissen des Klägers unter Berücksichtigung der ihn treffenden Belastungen aus dem Grundeigentum. Die Parteien haben sich an dem Einkommen, welches der Kläger aufgrund seiner beruflichen Qualifikation erzielt hat und erzielen konnte, orientiert. Ein zusätzlicher Vorsorgeunterhalt, der aufgrund der bei Vertragsabschluss gegebenen guten Einkommensverhältnisse des Klägers zugunsten der Beklagten in Betracht kam, wurde nicht festgelegt. Ferner ist hinsichtlich des Trennungsunterhaltsanspruches der Beklagten auch zu berücksichtigen, daß dieser zwar keine zeitliche Befristung enthält, jedoch in der Rechtskraft der Ehescheidung sein tatsächliches Ende findet. Insoweit handelt es sich trotz der Ungewißheit über den genauen Endzeitpunkt um einen überschaubaren Zeitraum, weshalb sich die Regelung insoweit nicht als besonders einseitig und daher sittenwidrig darstellt.

Im Übrigen entsprach die gesamte Regelung dem bereits vor der Vereinbarung mehrfach geäußerten Willen des Klägers, seine Ehefrau vollumfänglich absichern zu wollen, wie er auch schon in seinen handschriftlichen Erklärungen vom 10. Mai 1990 sowie 20. September 1997 zum Ausdruck gebracht hat. Es kann deshalb auch keine Rede davon sein, dass die Beklagte aufgrund einer überlegener Verhandlungsposition den Vertragsinhalt einseitig bestimmen konnte.

Ob dagegen einzelne Bestimmungen des notariellen Vertrages, insbesondere die zum nachehelichen Unterhalt getroffene Vereinbarung objektiv sittenwidrig ist, bedarf einer näheren Erörterung nicht. Zum einen wären Bedenken wegen der Länge der Bindungswirkung an den Mindestunterhalt von 1.745,74 DM regelmäßig nicht über eine vollständige Sittenwidrigkeit des Vertrages, vielmehr gem. § 242 BGB und einer daran zu messenden Anpassung der Regelung zu lösen (BGH FamRZ 1985, 788, 789; siehe auch Schwab/Borth a. a. O. Rn. 1272, 1275; Erman-Palm a. a. O. Rn. 29). Zum anderen wäre selbst bei der Annahme einer Sittenwidrigkeit der Vertrag nicht insgesamt, sondern vielmehr für die entsprechende Klausel unwirksam; die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ist aufgrund der salvatorischen Klausel nach Ziffer E 1. S. 1 des notariellen Vertrages gerade ausgenommen.

Selbst wenn allerdings in objektiver Hinsicht ein Fall der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB für die zum Trennungsunterhalt getroffene Regelung bzw. den gesamten Vertrag anzunehmen wäre, würde dies der Feststellungsklage nicht zum Erfolg verhelfen. Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit ist neben dem Vorliegen des objektiven Tatbestandes auch in subjektiver Hinsicht erforderlich, daß der Begünstigte in zu mißbilligender Gesinnung gehandelt hat, ohne dass das Bewußtsein einer Sittenwidrigkeit oder einer Schädigungsabsicht vorhanden sein muss (BGH WM 1998, 513, 514). Der Begünstigte muss daher den Verpflichteten gegen seinen Willen und insbesondere unter Ausnutzung einer Zwangslage übervorteilt haben (vgl. auch Schwab/Borth a. a. O. Rn. 1273). Für die Annahme einer solchen zu mißbilligenden Gesinnung auf Seiten der Beklagten fehlt jeglicher Tatsachenvortrag des Klägers, worauf ihn der Senat auch in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2001 hingewiesen hat, ohne daß der Kläger sein Vorbringen ergänzt hat. Hinzu kommt, daß nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten jedenfalls eine Besprechung des Vertrages mit der Notarin - gleich welcher Qualität und welchen Umfanges diese Besprechung war - stattgefunden hatte. Daraus folgt, daß der Kläger bis zur Unterschriftsleistung jedenfalls noch die Möglichkeit hatte, von dem Vertrag Abstand zu nehmen oder zumindest einzelne Bedingungen für sich günstiger zu gestalten. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß der Kläger als Arzt von seinem beruflichen Status her in der Lage ist, den Inhalt einer solchen Vereinbarung zu verstehen; bei weiteren Zweifeln hätte er vor Unterschriftsleistung um eine Unterbrechung bis hin zu einer Vertagung des Beurkundungstermins ersuchen und sich jedenfalls auch eigenständigen Rechtsrat einholen können.

Der Vertrag ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger die Anfechtung erklärt hat, §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 BGB.

Es bestehen bereits erhebliche Bedenken daran, ob dem Kläger ein Anfechtungsgrund gem. §§ 119, 123 BGB zusteht; dies geht zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers (allgemein zur Beweislast Soergel-Hefermehl a. a. O. § 119 Rn. 71; Erman-Palm a. a. O. § 119 Rn. 56). Ein Inhaltsirrtum gem. § 119 Abs. 1 1. Fall BGB dergestalt, daß der Kläger über die mit Abschluß der notariellen Vereinbarung eintretenden Rechtsfolgen geirrt hat (Rechtsfolgenirrtum), ist nicht erkennbar, da schon nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob sich der Kläger bei Abschluß der notariellen Vereinbarung in einem Irrtum befand. Irrtum ist das unbewußte Auseinanderfallen von Wille und Erklärung (Palandt-Heinrichs a. a. O. § 119 Rn. 7). Aufgrund der durch die Notarin B bei Abschluss des Vertrages über die rechtlichen Folgen erfolgten Belehrung, deren Erteilung auf die Hinweise des Senates in der mündlichen Verhandlung hin beide Parteien auch nicht in Abrede gestellt haben, kann ein Irrtum nicht bzw. allenfalls noch ausnahmsweise in Betracht kommen. Zumindest hätte es aber eines eingehenderen Vertrages des Klägers dazu bedurft, wie die erteilte Rechtsbelehrung im einzelnen inhaltlich ausgestaltet war; dies ist nicht geschehen. Aus diesem Grunde kann die weitere Zweifelsfrage, ob hier überhaupt ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum in Betracht kommt oder ob nicht vielmehr ein unbeachtlicher Rechtsfolgen-/Motivirrtum dergestalt vorliegt, daß das Rechtsgeschäft außer der erstrebten Wirkung nicht erkannte und nicht gewollte Nebenwirkungen in Form der grundsätzlichen Bindung an den Unterhaltsbetrag von 1.745,74 DM und den Verzicht auf die Einrede der Erwerbsobliegenheit hatte, dahinstehen.

Die weiteren aus § 119 BGB sich ergebenden Anfechtungsgründe (Erklärungsirrtum, § 119 Abs. 1 2. Fall; Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften, § 119 Abs. 2 BGB) kommen erkennbar nicht in Betracht.

Auch das Vorbringen des Klägers hinsichtlich einer auf § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB beruhenden Anfechtung wegen Drohung durch die Beklagte ist zu unsubstantiiert und daher unbeachtlich. Der Kläger hat nicht im einzelnen dargelegt, wann, auf welche Art und Weise und mit welcher Intensität die Beklagte mit einem Suizid gedroht hat, zumal die Beklagte das Vorbringen des Klägers bestritten hat und dieser für sein Vorbringen keinen Beweis angeboten hat.

Unabhängig hiervon kann jedoch insgesamt dahinstehen, ob ein Anfechtungsgrund im Sinne der §§ 119, 123 BGB zugunsten des Klägers bessteht, da die Anfechtung nicht unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), erklärt worden ist. Bestehen Zweifel an der Unverzüglichkeit der Anfechtung, so ist der Anfechtende darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass sein Zögern unverschuldet war (Soergel-Hefermehl a. a. O. § 121 Rn. 12; Erman-Palm a. a, O. § 121 Rn. 5), wobei er zu dem Unverschulden seines Zögerns substantiiert vorzutragen hat (OLG München NJW-RR 1988, 497, 498; Palandt-Heinrichs a. a. O. § 121 Rn. 6). Die Anfechtung hat der Kläger mit dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 22. März 1999 erklärt. Aus diesem Schreiben i. V. m. den weiteren schriftsätzlichen Erklärungen der Parteien ergeben sich hinreichende Anzeichen dafür, daß bereits vor dem Schreiben vom 22. März 1999 zwischen den Parteien Schriftwechsel bzw. sonstige Korrespondenz über die zu zahlende Höhe des Unterhalts aus der notariellen Vereinbarung stattgefunden hatte, zumal sich spätestens zum Januar 1999 das Nettoeinkommen des Klägers um etwa 2.500 DM monatlich gesenkt hatte; dies haben die Parteien auf Nachfrage des Senates hin im Grundsatz auch bestätigt. Auf die hieraus folgenden Bedenken an der Unverzüglichkeit der Anfechtungserklärung hat der Senat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2001 hingewiesen. Gleichwohl hat der Kläger sein Vorbringen nicht ergänzt und dazu nur angeben können, nicht mehr genau erinnern zu können, wann erstmals und über welchen Zeitraum hinweg er mit der Klägerin über die Abänderung der notariellen Vereinbarung gestritten hat. Es ist deshalb zu Lasten des darlegungsbelasteten Klägers von einer nicht unverzüglichen Erklärung der Anfechtung gem. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen.

Auch ein Kondiktionsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt., Abs. 2 BGB scheidet aus. Der Kläger ist nicht ohne Rechtsgrund eine Schuldverbindlichkeit aufgrund des Abschlusses der notariellen Vereinbarung eingegangen; die ihn treffende Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten folgte aus § 1361 bzw. §§ 1569 ff. BGB.

Da aufgrund der wirksamen notariellen Vereinbarung sich der Kläger für eine Abänderung jedenfalls nicht auf seine veränderten Einkommensverhältnisse berufen kann, sofern er eine Abänderung unterhalb des Betrages von 1.745,74 DM begehrt, scheitert auch die mit dem Hilfsantrag der Anschlußberufung nach wie vor verfolgte Abänderungsklage aus § 323 ZPO. Ob daneben auch veränderte persönliche Verhältnisse den Kläger berechtigen würden, eine Abänderung unterhalb des festgelegten Mindestunterhaltsbetrages verlangen zu können, kann hier dahinstehen. Jedenfalls hinsichtlich der durch das verringerte Einkommen berührten Leistungsfähigkeit und damit des von dem Kläger geltend gemachten Grundes besteht eine Abänderungsmöglichkeit unterhalb des festgelegten Mindestunterhaltsbetrages nicht, wie sich aufgrund der vorherigen Ausführungen des Senates zur Auslegung des Vertrages ergibt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

Berufungswert: 22.914,80 DM

Anschlußberufungswert: 15.491,48 DM

Ende der Entscheidung

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