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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.02.2005
Aktenzeichen: 9 UF 240/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG
Vorschriften:
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 621 e | |
ZPO § 623 Abs. 1 Satz 3 | |
BGB § 138 | |
BGB § 242 | |
BGB § 1408 Abs. 2 | |
BGB § 1587 c | |
BGB § 1587 o | |
BGB § 1587 o Abs. 1 | |
BGB § 1587 o Abs. 2 Satz 3 | |
BGB § 1587 o Abs. 2 Satz 4 | |
FGG § 12 |
Tenor:
Die in Ziffer II. des Tenors des angefochtenen Urteils getroffene Regelung des Versorgungsausgleiches wird aufgehoben. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird zur erneuten Durchführung an das Amtsgericht, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 1.000 EUR.
Gründe:
I. Die Parteien haben am ... 1997 die Ehe geschlossen (Bl. 6 d. A.), aus der das minderjährige Kind L... K..., geb. am ... 1998 (Bl. 7 d. A.), hervorgegangen ist. Sie leben seit September 2002 voneinander getrennt.
Anlässlich ihrer Eheschließung schlossen die Parteien unter dem 3. April 1997 eine notarielle Vereinbarung (Notar ..., Urkundenrolle Nr. 79/1997, Bl. 9 ff. d. A.), deren § 2 wie folgt lautet:
Ein Versorgungsausgleich wird ausgeschlossen.
Der durch die Antragstellerin gestellte Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 11. Oktober 2003 zugestellt worden (Bl. 16 d. A.). Nachfolgend hat das Amtsgericht Auskünfte des beteiligten Rentenversicherungsträgers zum Versorgungsausgleich eingeholt. Hiernach haben in der Zeit vom 1. Mai 1997 bis 30. September 2003 die Antragstellerin nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 93,27 EUR (Bl. 43 d. A.) und der Antragsgegner nichtangleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 148,52 EUR sowie angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von monatlich 36,76 EUR (Bl. 55 d. A.) erworben. In der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2004 (Bl. 82) hat das Amtsgericht den Parteien seine Auffassung von der Unwirksamkeit der Vereinbarung zum Versorgungsausgleich in der notariellen Vereinbarung mitgeteilt. Nachfolgend hat das Amtsgericht mit dem am selben Tage verkündetem Urteil die Ehe der Parteien geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich auf der Grundlage der durch den Versorgungsträger erteilten Auskünfte durchgeführt.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die durch den Antragsgegner eingelegte befristete Beschwerde, mit der er die Auffassung vertritt, der Versorgungsausgleich sei auf Grund der in der notariellen Vereinbarung getroffenen Regelung ausgeschlossen.
II. Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist. Die amtsgerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich leidet an schweren Verfahrensmängeln, die die Aufhebung und Zurückverweisung gebieten.
1. Der schwere Verfahrensverstoß folgt hier bereits daraus, dass das Amtsgericht in eklatanter Weise gegen seine aus § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO folgende Pflicht zur Begründung des Urteils verstoßen hat, soweit dies die Regelung des Versorgungsausgleichs betrifft. Verstöße gegen die Begründungspflichten in FGG-Familiensachen (§ 621 a Abs. 1 S. 1 ZPO) führen im Allgemeinen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens, wenn die Grundlagen der Entscheidung nicht erkennbar sind (Brandenburgisches OLG FamRZ 2000, 1102, 1103 f. - zum Hausrat -; vgl. auch Brandenburgisches OLG FamRZ 2000, 1098, 1099).
Dem steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht eine Begründung hinsichtlich des Versorgungsausgleiches nur teilweise, d. h. nicht vollständig unterlassen hat. Der Begründungsverstoß liegt hier in dem Unterlassen der Mitteilung von Gründen darüber, warum der Versorgungsausgleich entgegen der in der notariellen Vereinbarung getroffenen Regelung gleichwohl durchzuführen ist. Es ist allgemein anerkannt, dass erstinstanzliche Entscheidungen so zu begründen sind, dass der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung überprüfen und sein Rechtsmittel begründen kann (BGH NJW-RR 1995, 701; Brandenburgisches OLG FamRZ 2000, 1102, 1103). Fehlt es in einer Entscheidungsbegründung an jeglichen Ausführungen zu den für die Entscheidungsfindung wesentlichen Punkten, so liegt ein schwerer Verfahrensmangel vor (Keidel/Kuntze/Winkler-Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl. 2003, § 27, Rn. 40).
Bei der Wirksamkeit des notariell vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleiches handelt es sich um einen für die Entscheidungsfindung wesentlichen Punkt. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist mit erheblichen Folgen verbunden. Dies resultiert schon aus der aktuellen Finanzierungslage der gesetzlichen Rentensysteme, die sich in Zukunft aller Voraussicht nach noch verschlechtern wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht von einer vertraglichen Regelung des Versorgungsausgleiches abweichen will. Die Annahme der Unwirksamkeit einer solchen, nach § 1408 Abs. 2 BGB grds. zulässigen Vereinbarung stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie dar. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung dessen, dass die mögliche Unwirksamkeit einen absoluten Ausnahmefall darstellt. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen kann die Unwirksamkeit notariell geschlossener Verträge in Betracht kommen.
All dies war auch für das Amtsgericht erkennbar, da die Parteien über den Ausschluss bereits erstinstanzlich gestritten und sich das Amtsgericht dazu auch in der mündlichen Verhandlung geäußert hat. Es ist zwar zu vermuten, dass das Amtsgericht auf Grund der Durchführung des Versorgungsausgleiches den geschlossenen notariellen Vertrag hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich für unwirksam hielt, wie auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung (ohne nähere Begründung) hervorgeht. Dabei ist nicht einmal klar, ob das Amtsgericht tatsächlich von einer vollständigen Unwirksamkeit der Vereinbarung ausging oder ob es nicht vielmehr die Vereinbarung dahingehend auslegen wollte, dass es sich zwar nicht um einen Ausschluss nach § 1408 Abs. 2 BGB, wohl aber um einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches nach § 1587 o Abs. 1 BGB handelte. Hierauf deutet zumindest die amtsgerichliche Verfügung vom 26. September 2003 (Bl. 15) hin, soweit das Amtsgericht darin über die Qualität des Ausschlusses weitere Ermittlungen anstellt. Läge aber eine (wirksame) Verzichtsvereinbarung nach § 1587 o BGB vor, so hätte es einer amtsgerichtlichen Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Genehmigung nach § 1587 o Abs. 2 Satz 3, 4 BGB bedurft. Auch dies kann aber abschließend nicht überprüft werden, da mangels einer Begründung in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ausschluss die Überlegungen des Amtsgerichts letztendlich nicht bekannt sind.
2. Unabhängig von der mangelnden Begründung hat das Amtsgericht nach derzeitigem Stand auch gegen seine Amtsermittlungspflichten verstoßen.
a. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist im Scheidungsfall von Amts wegen zu betreiben; es bedarf für die Durchführung des Versorgungsausgleiches insbesondere keines Antrages einer der Eheleute oder eines sonstigen Beteiligten, § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Da sich das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des FGG bestimmt (§ 621 Abs. 1 Ziff. 6, § 621 a Abs. 1 ZPO), gilt für die Ermittlungen von Amts wegen § 12 FGG. Hiernach hat das Gericht die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die Ermittlungspflichten aus § 12 FGG betreffen sämtliche Umstände, die die Höhe und die Art des Versorgungsausgleiches betreffen können (st. Rspr. d. Senats, Brandenburgisches OLG FamRZ 2002, 168).
Diese Grundsätze gelten beispielsweise auch, soweit ein Ausschluss des Versorgungsausgleiches nach § 1587 c BGB in Frage steht. Zwar ist es nicht Aufgabe der Gerichte, jeglicher denkbarer Möglichkeit hinsichtlich eines (vollständigen oder teilweisen) Ausschlusses des Versorgungsausgleiches nachzugehen. Das Gericht hat nicht von sich aus nach Umständen zu forschen, die Anlass zur Prüfung geben könnten, ob die Härteklausel anwendbar ist. Der Ausgleichspflichtige muss vielmehr die Umstände vortragen, mit denen er eine erstrebte Herabsetzung des Versorgungsausgleichs begründen will; er trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Ausschluss des Versorgungsausgleiches (Brandenburgisches OLG FamRZ 2000, 891 m. w. N.). Liegen aber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Ausschluss vor, hat das Gericht dem im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nachzugehen. Nichts anderes gilt dann für den umgekehrten Fall, wenn das Gericht einen Individualausschluss zu prüfen hat.
b. Dem ist das Amtsgerichtes nicht ausreichend nachgekommen. Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochene Begründung dürfte erkennbar nicht ausreichen, um eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende Unwirksamkeit herbeizuführen. Insoweit mag die notarielle Regelung gegebenenfalls anfechtbar sein, ein Unwirksamkeitsgrund im Sinne von § 138 BGB bzw. von § 242 BGB stellt dies aber nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht dar. Insoweit sind aber weitere abschließende Ermittlungen zu den Umständen, die zum Abschluss der notariellen Vereinbarung geführt haben, erforderlich, will das Amtsgericht tatsächlich von einer Unwirksamkeit der notariellen Vereinbarung ausgehen.
Ende der Entscheidung
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