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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 9 UF 27/05
Rechtsgebiete: GewSchG


Vorschriften:

GewSchG § 1 Abs. 1
GewSchG § 1 Abs. 1 S. 1
GewSchG § 2 Abs. 2
GewSchG § 2 Abs. 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 27/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht 022

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners vom 16. Februar 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 10. Februar 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 20. April 2005

beschlossen:

Tenor:

1.

Die befristete Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

3.

Der Beschwerdewert beträgt 1.260 €.

4.

Der Antrag der Antragstellerin vom 24. März 2005 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verteidigung im Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde des Antragsgegners bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch der Antragstellerin nach § 1 Abs. 1 GewSchG bejaht und ihr insoweit befristet die gemeinsame Wohnung zur alleinigen Benutzung überlassen.

Auf die voraussichtliche Unbegründetheit der befristeten Beschwerde hat der Senat den Antragsgegner bereits mit Schreiben vom 18. März 2005 hingewiesen, ohne dass dieser sich hierzu nachfolgend geäußert hat.

a.

Unstreitig ist zunächst, dass es in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Streitigkeiten bishin zu körperlichen Übergriffen zwischen den Beteiligten gekommen ist. Die widerrechtliche Verletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG durch den Antragsgegner ist dadurch erfolgt, dass er am 5. Januar 2005 die Antragstellerin zumindest über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten am Verlassen der Wohnung gehindert und in die Küche eingesperrt hat, obgleich sie die Wohnung mit der gemeinsamen Tochter verlassen wollte. Dieses Verhalten des Antragsgegners stellt sich als widerrechtliche Verletzung der Freiheit der Antragstellerin dar. Verletzung der Freiheit im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG bedeutet Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit, etwa durch Einsperren der Person (Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl. 2004 § 2 GewSchG Rn. 2; Löhnig, Anspruch auf Wohnungsüberlassung, FPR 2005, 36, 37). Mit dem zumindest 10 Minuten andauernden Einsperren der Antragstellerin bzw. deren Hindern am Verlassen der Wohnung hat der Antragsgegner diese Voraussetzungen erfüllt.

Soweit der Antragsgegner dem im Rahmen der Beschwerdebegründung damit begegnen will, dass die notwendige Zeitdauer für eine Freiheitsberaubung nicht gegeben sei, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Beraubung der Freiheit im strafrechtlichen Sinne setzt das GewSchG nicht voraus, der Wortlaut erfordert allein die zuvor definierte widerrechtliche Verletzung der Freiheit. Darunter fallen zwar nicht ganz geringfügige Beeinträchtigungen der Fortbewegungsfreiheit, bei einem etwa 10 Minuten andauernden Eingriff in diese Freiheit kann aber nicht mehr von einer lediglich geringfügigen Beeinträchtigung gesprochen werden.

Soweit dagegen der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit der Handlung in Frage stellt, ist darauf hinzuweisen, dass die Widerrechtlichkeit der Rechtsverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG vermutet wird und der Antragsgegner diese Vermutung insbesondere durch Darlegung eines Rechtfertigungsgrundes widerlegen muss (allgemein dazu Löhnig a.a.O. S. 37 und 39). Rechtfertigungsgründe hat der Antragsgegner hier aber in keiner Weise dargetan; soweit er behauptet hat, er habe in Sorge um die gemeinsame Tochter gehandelt, hat er im Rahmen der Beschwerdebegründung nicht näher ausgeführt, worauf sich diese Sorge gründete. Soweit er dagegen in diesem Zusammenhang erstinstanzlich in wenig substanziierter Weise vorgebracht hat, er habe die sich in einem aufgebrachten Zustand befindende Antragstellerin daran hindern wollen, mit dem Auto und der Tochter wegzufahren, hätte es genügt, die Autoschlüssel, die der Antragsgegner ebenfalls unstreitig weggenommen hatte, allein wegzunehmen, nicht aber die Antragstellerin selbst am Verlassen der Wohnung zu hindern.

Ob dagegen der Antragsgegner im Rahmen der Beschwerdebegründung das Einsperren insgesamt bestreiten will, ist auf Grund des insoweit nicht eindeutigen Vorbringens in der Beschwerdeschrift zweifelhaft. Dies kann aber dahinstehen, da er sich insoweit prozessual widersprüchlich verhält und sein Vorbringen - so er denn insgesamt bestreiten will - unbeachtlich wäre. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2005 hat die Antragstellerin hinreichend genau zu dem geschilderten Verhalten des Antragsgegners am 5. Januar 2005 vorgetragen; daraufhin hat der Antragsgegner allein erklärt, dass man am nächsten Tag wieder miteinander gesprochen habe. Das Vorbringen der Antragstellerin zu dem Vorfall am 5. Januar 2005 hat er damit in keiner Weise in Abrede gestellt. Will er nunmehr aber das Einsperren insgesamt bestreiten, so hätte er im Einzelnen darlegen müssen, weshalb er dies nicht bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2005 getan und sich dazu nicht näher eingelassen hat.

b.

Die Bewilligung einer Räumungsfrist - wie durch den Antragsgegner in der Beschwerdeschrift gerügt - ist nicht erforderlich. Das GewSchG zielt gerade auf eine schnelle Entscheidung zum Zwecke des Schutzes des Opfers vor Gewalttaten ab, weshalb auch sofortige Maßnahmen zulässig sind. Gerade insoweit unterscheidet sich das GewSchG von dem Verfahren einer Wohnungszuweisung nach der Hausratsverordnung. Allein die Dauer der Überlassung der Wohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 GewSchG zu befristen; dem ist das Amtsgericht aber ausweislich des Tenors in ausreichendem Umfang nachgekommen. Ebensowenig ist ein Einverständnis des Vermieters - der nach derzeitigem Stand wegen Zahlungsverzuges den Wohnungsmietvertrag mittlerweile außerordentlich gekündigt hat (Bl. 98) - für eine solche Maßnahme erforderlich.

c.

Soweit der Antragsgegner rügt, es habe keine Wiederholungsgefahr bestanden, ist sein Vorbringen zu unsubstantiiert und daher unbeachtlich. Auf Grund des präventiven Charakters des GewSchG wird die Wiederholungsgefahr grundsätzlich vermutet, der Antragsteller muss diese also nicht gesondert darlegen. Dies folgt aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 GewSchG, woraus hervorgeht, dass der Antragsgegner die Vermutung zu widerlegen hat, dass von einer geschehenen Gewalttat auch auf zukünftige Gewalttaten zu schließen sei (Löhnig a.a.O. Seite 38). An die Widerlegung der Vermutung sind hohe Anforderungen zu stellen (allgemein dazu BGH NJW 1987, 2225). Dies gilt erst recht angesichts dessen, dass der Antragsgegner bereits mehrfach vorbestraft ist, insbesondere auch wegen Körperverletzungsdelikten. So betraf eine Vorverurteilung wegen Körperverletzung das Schlagen einer vormaligen Freundin des Antragsgegners; dem ist der Antragsgegner im Rahmen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24. Januar 2005 jedenfalls nicht substantiiert entgegengetreten. Schon hieraus folgt, dass an die Widerlegung der Vermutung einer Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen zu stellen sind, die der Antragsgegner mit seinem Vorbringen nicht erfüllt hat.

d.

Soweit dagegen der Antragsgegner im Rahmen der Beschwerdebegründung behauptet hat, die Parteien hätten am 2. Februar 2005 eine einvernehmliche Regelung dahingehend getroffen, dass er erst innerhalb einer neu zu bestimmenden Frist aus der streitgegenständlichen Wohnung auszuziehen habe und für die gemeinsame Beziehung eine Auszeit vereinbart worden sei, hat die Antragstellerin dies mit Schriftsatz vom 14. März 2005 substantiiert bestritten. Insbesondere hat sie erklärt, dass es zu einer derartigen Vereinbarung nicht gekommen sei und sie nach wie vor auf seinem Auszug bestanden habe. Da der für seine Behauptung darlegungsbelastete Antragsgegner keinen Beweis angeboten und seine Behauptung auch nicht weiter vertieft hat, ist zu seinen Lasten vom Nichtbestehen einer solchen Vereinbarung auszugehen.

2.

Soweit der Antragsgegner mit seiner Beschwerde zudem begehrt, ihm die Benutzung der Wohnung zusammen mit der Antragstellerin einzuräumen, kann dies nicht Gegenstand des Verfahrens nach dem GewSchG, in dem das Alleinnutzungsrecht im Vordergrund steht (vgl. nur § 2 Abs. 1 GewSchG), sein.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

4.

Der Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin ist zurückzuweisen, da ihre Bedürftigkeit nicht geprüft werden kann. Eine neue Erklärung zur Prozesskostenhilfe hat die Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren nicht eingereicht. I. Ü. wäre auch die erstinstanzlich eingereichte Erklärung nicht ausreichend, da es mit Ausnahme einer einzelnen Bescheinigung an jeglichen Unterlagen über die von der Antragstellerin ausgeübte selbständige Tätigkeit fehlt.

Ende der Entscheidung

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