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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.04.2007
Aktenzeichen: 9 UF 27/07
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 621 e
ZPO § 623 Abs. 1 Satz
FGG § 12
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 27/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 3. vom 13. Februar 2007 gegen die in dem am 10. Januar 2007 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda zum Versorgungsausgleich getroffene Regelung durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Götsche

am 2. April 2007

im schriftlichen Verfahren

beschlossen:

Tenor:

Die in Ziffer 2) des Tenors des angefochtenen Urteils getroffene Regelung des Versorgungsausgleiches wird aufgehoben. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird zur erneuten Durchführung an das Amtsgericht, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist. Die amtsgerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich leidet an schweren Verfahrensmängeln, die die Aufhebung und Zurückverweisung gebieten.

1.

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist im Scheidungsfall von Amts wegen zu betreiben; es bedarf für die Durchführung des Versorgungsausgleiches insbesondere keines Antrages einer der Eheleute oder eines sonstigen Beteiligten, § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Da sich das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des FGG bestimmt (§ 621 Abs. 1 Ziff. 6, § 621 a Abs. 1 ZPO), gilt für die Ermittlungen von Amts wegen § 12 FGG. Hiernach hat das Gericht die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die Ermittlungspflichten aus § 12 FGG betreffen sämtliche Umstände, die die Höhe und die Art des Versorgungsausgleiches betreffen können (st. Rspr. d. Senats, Brandenburgisches OLG FamRZ 2006, 129; 2002, 168).

Dem ist das Amtsgericht nicht ausreichend nachgekommen, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

2.

Die Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung des Antragstellers bei der ... Lebensversicherung AG sind bislang sowohl hinsichtlich ihrer Höhe als auch hinsichtlich ihrer dynamischen Ausgestaltung nicht ausreichend ermittelt worden.

a.

Für den Antragsteller hat die ... Lebensversicherungs AG in ihrer letzten Auskunft vom 26. Juni 2006 eine Anwartschaft auf eine jährliche Rente von 379,20 € mitgeteilt. In ihrer vorangegangenen Auskunft vom 17. Mai 2006 (Bl. 46 d. A.; es handelt sich um eine einheitliche Versorgung, vgl. die gerichtliche Anfrage vom 18. September 2006, Bl. 76 d. A. sowie den handschriftlichen Vermerk, Bl. 77 d. A.) war dagegen neben dem Deckungskapital nach der Berechnungsmethode II eine monatliche Rente von 31,05 €, was einem Jahresbetrag von 372,60 € entspricht, mitgeteilt worden.

Die Differenz von 372,60 € zu 379,20 € ist bislang nicht nachvollziehbar und durch das Amtsgericht auch nicht hinterfragt worden. Bereits insoweit hat das Amtsgericht gegen seine Amtsermittlungspflichten verstoßen, zumindest insoweit, als nicht durch eine kurze Rückfrage beim Versorgungsträger klargestellt worden ist, welche Auskunft die tatsächlich für den Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen ist.

b.

Darüber hinaus ist für die zuvor genannte betriebliche Altersversorgung bei der ... Lebensversicherungs AG unklar, ob und gegebenenfalls welche Dynamik diese besitzt. In der Auskunft vom 26. Juni 2006 hat die Beteiligte zu 4. mitgeteilt, dass die Versorgung sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium dynamisch sei; dies ist zugleich mit dem handschriftlichen Vermerk Gewinnbeteiligung des Versicherers versehen. Wie die Gewinnbeteiligung der Beteiligten zu 4. tatsächlich in der Vergangenheit vorgenommen wurde, kann aber den insoweit beigefügten Unterlagen nicht entnommen werden. Damit kann aber nicht überprüft werden, ob die Versorgung tatsächlich dynamisch ist.

Die Bestimmung der Dynamik im Sinne des Versorgungsausgleichs knüpft an die Entwicklung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung an, wie § 1587 a Abs. 3 BGB zeigt. Dynamisch ist eine Versorgung dann, wenn sie in der Entwicklung ihrer Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung zumindest nahezu entspricht (BGH, FamRZ 2000, 430). Um als dynamisch im Sinne des Versorgungsausgleiches zu gelten, muss eine noch im Anwartschaftsstadium befindliche Versorgung sowohl in der Anwartschafts- als auch in der Leistungsphase der Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung/Beamtenversorgung zumindest nahezu entsprechen. Dabei sind für den notwendigen Vergleich die Steigerungsraten der gesetzlichen Rentenversicherung (oder Beamtenversorgung) sowie der betrieblichen Altersversorgung für einen längeren zurückliegenden Zeitraum, üblicherweise die letzten 10 Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt des Gerichts, heranzuziehen.

Der Mittelwert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung kann dafür anhand von insoweit erstellten Tabellen schnell ermittelt werden (vgl. z. B. Gutdeutsch, FamRB 2007, 95 f). Für die betriebliche Altersversorgung ist dagegen deren Mittelwert durch entsprechende Rückfrage beim Versorgungswerk zu klären, welches die Steigerungsraten z. B. der letzten 10 Jahre sowohl für die Anwartschafts- als auch die Leistungsphase mitzuteilen hat. Die (eventuellen) Steigerungsraten sind aber bislang unbekannt und durch Nachfrage des Amtsgerichts auch nicht aufgeklärt worden, worin ein weiterer Aufklärungsfehler des Amtsgerichts zu sehen ist.

2.

Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin:

a.

Die Parteien haben nach bisherigem Stand folgende Anwartschaften erworben:

aa.

Nach der aktualisierten Auskunft der Beteiligten zu 2. vom 27. November 2006 hat der Antragsteller während der Ehezeit i. S. d. § 1587 Abs. 2 BGB - dies ist die Zeit vom 1. Mai 1990 bis zum 28. Februar 2006 - angleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 441,58 € monatlich erworben.

bb.

Ferner steht aufgrund der Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 9. Mai 2006 fest, dass die Antragsgegnerin auf die Ehezeit entfallende angleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 519,80 € monatlich erworben hat. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin Anwartschaften bei der Beteiligten zu 3. gemäß deren Auskunft vom 30. Mai 2006 mit einem ehezeitlichen Anteil von monatlich 168,40 € erworben. Zuletzt hat die Antragsgegnerin bei der A... Lebensversicherungs AG, einem privaten Versicherungsunternehmen, nach der unter dem 4. Mai 2006 erteilten Auskunft Anwartschaften auf eine private Rentenversicherung erworben, deren Deckungskapital bei Ehezeitende 2.581,31 € betrug.

3.

Hinsichtlich der Vorgehensweise zur Ermittlung der Dynamik wird auf die Entscheidung des Brandenburgischen OLG, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - 9 UF 141/05 - Bezug genommen.

a.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass - so sich die Mitteilung der Beteiligten zu 3., es handele sich um eine sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium volldynamische Versorgung, bewahrheiten würde - ein insgesamt volldynamisches Recht vorhanden wäre. Eine Umrechnung dieses volldynamischen Rechtes würde dann entfallen, da es auf Grund seiner Dynamik bereits einem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (West) gleichstehen würde. Die erworbenen Anwartschaften auf eine Rente wären dann vielmehr mit ihrem Nennbetrag ohne jegliche Umrechnung dem Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen.

b.

Sollte dagegen kein volldynamisches Recht vorhanden sein, ist Folgendes zu beachten:

Soweit für dieses Recht kein Deckungskapital mitgeteilt worden ist, ist die Umrechnung gemäß der BarwertVO erforderlich. In noch nicht abgeschlossenen Fällen ist immer die aktuelle BarwertVO, derzeit also die seit 1. Juni 2006 geltende BarwertVO anzuwenden, auch wenn das Ehezeitende vor dem 1. Juni 2006 liegt; dies gilt auch im Beschwerdeverfahren (Brandenburgisches OLG NJW-RR 2007, 226). Dies hat das Amtsgericht, wie die Beteiligte zu 3. zutreffend rügt, übersehen.

Ende der Entscheidung

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