Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 9 UF 37/08
Rechtsgebiete: BGB, VAÜG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1587c
BGB § 1587c Nr. 1
BGB § 1587c Ziff. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 2
VAÜG § 2 Abs. 2
VAÜG § 2 Abs. 3
FGG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 37/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners vom 18. März 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 13. Februar 2008 durch

die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke den Richter am Oberlandesgericht Götsche als beisitzende Richter

im schriftlichen Verfahren

am 15. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass der Versorgungsausgleich ausgesetzt wird.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben die kinderlos gebliebene Ehe am 29. April 1998 geschlossen. Der Antrag im Scheidungsverfahren ist dem Antragsgegner am 08. Mai 2003 zugestellt worden (Bl. 7 d.A.). Die Ehe ist mittlerweile rechtskräftig geschieden (Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 7. November 2006, Bl. 155 d. A.), der Versorgungsausgleich wurde abgetrennt.

Die am .... Juli 1964 geborene Antragstellerin ist verbeamtet. In der Zeit vom 01. April 1998 bis 30. April 2003 hat sie eine Anwartschaft auf eine beamtenrechtliche Versorgung in nichtangleichungsdynamischer Art in Höhe von 192,71 € erworben (Auskunft der Deutschen T... vom 10. September 2003, Bl. 25 ff).

Der Antragsgegner ist am .... August 1964 geboren. Er war seit 1997 überwiegend selbständig tätig. Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen oder zu einem sonstigen Altersversorgungswerk hat er in der Zeit von April 1998 bis April 2003 lediglich in geringem Umfang geleistet. In den Monaten März 2001 bis Mai 2001 war er für drei Monate in nichtselbständiger Tätigkeit beschäftigt und erwarb insoweit 0,1495 Entgeltpunkte (Bl. 136 R d.A.), aus denen nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung B... vom 05. Oktober 2006 (Bl. 133 d.A.) angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von monatlich 3,39 € herrühren (Bl. 133 d.A.). Hinsichtlich weiterer Lücken im Versicherungsverlauf (vgl. dazu Bl. 133 R d.A.) hat der Antragsgegner erklärt, dass er insoweit keine Versicherungsbeiträge geleistet hat. Hinsichtlich des weiteren Zeitraum 08. November 2000 bis 28. Februar 2001 wird auf die Senatsverfügung vom 26. Mai 2008 (Bl. 283 R d.A.) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2008 (Bl. 246 d.A.) hat das Amtsgericht beschlossen, das Versorgungsausgleichsverfahren findet nicht statt, und zur Begründung ausgeführt, dass einerseits der Umfang der durch den Antragsgegner erworbenen Rentenanwartschaften weitgehend unaufgeklärt sei, andererseits unter Beachtung von § 1587c Ziffer 1 BGB ein Ausschluss des Versorgungsausgleiches deshalb zu erfolgen habe, weil der Antragsgegner während seiner Selbständigkeit es pflichtwidrig unterlassen habe, Versorgungsanrechte aufzubauen. Hiergegen richtet sich die befristete Beschwerde des Antragsgegners, mit der er die Durchführung des Versorgungsausgleiches begehrt.

Die Antragstellerin begehrt die Zurückweisung der befristeten Beschwerde.

II.

Die in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde des Antragsgegners hat insoweit teilweise Erfolg, als ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht in Betracht zu ziehen ist. Danach ist der Versorgungsausgleich grundsätzlich durchzuführen. An einer Durchführung des Versorgungsausgleiches ist der Senat jedoch derzeit gehindert.

1.

Die tenorierte Aussetzung des Versorgungsausgleiches beruht auf § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG. Hiernach ist der Versorgungsausgleich auszusetzen, wenn nicht ein Durchführungsfall gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 VAÜG vorhanden ist. Die Aussetzung hat hier aber bereits deshalb zu erfolgen, weil die Antragstellerin allein nichtangleichungsdynamische und der Antragsgegner allein angleichungsdynamische Anwartschaften erworben haben. Ein Leistungsfall gemäß der Ziffer 2 der vorgenannten Norm ist nicht gegeben, da keiner der Beteiligten bereits eine Altersversorgung bezieht.

Soweit vormals zwischen den Beteiligten problematisch war, ob die Angaben des Antragsgegners zu seinen Pflichtversicherungsverhältnissen lückenhaft sind, ist dies im Wesentlichen aufgeklärt. Die angeführten Lücken (vgl. Bl. 133 R d.A.) hat der Antragsgegner dahingehend aufgeklärt, dass er in den genannten Zeiträumen nicht pflichtversichert war, und er demzufolge keine Beiträge zu der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat.

Offen ist allein noch der Zeitraum vom 08. November 2000 bis 28. Februar 2001. In diesem Zeitraum hat der Antragsgegner nach seiner Behauptung Arbeitslosengeld bezogen; dies würde dazu führen, dass dann auch entsprechende Pflichtbeiträge zu seinen Gunsten durch das Arbeitsamt gezahlt worden sind. Allerdings hat die Antragstellerin dies bestritten und insoweit behauptet, dass er keinerlei Arbeitslosengeld bezogen habe (Bl. 285). Letztendlich kann dies hier dahinstehen. Auch wenn der Antragsgegner insoweit weitere Rentenanwartschaften erworben haben sollte, würde dies am Aussetzungstatbestand nichts ändern. So müsste er nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in höherem Umfange als die Antragstellerin erworben haben, um die dargestellte Aussetzung zu vermeiden. Auf Grund des geringen Zeitraumes von annähernd vier Monaten ist jedoch erkennbar, dass der Antragsgegner selbst bei höchstmöglicher Pflichtbeitragszahlung nicht ausreichend Anwartschaften erwerben könnte, um seinerseits ausgleichspflichtig zu werden. Insoweit bleibt die Ausgleichsrichtung und damit ein Aussetzungsfall in jedem Fall erhalten.

2.

Der Versorgungsausgleich ist auch nicht deshalb nicht auszusetzen, weil er gemäß § 1587c BGB auszuschließen ist.

a.

Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleiches - wie durch das Amtsgericht angeordnet - gemäß § 1587c Nr. 1 BGB ist nicht gerechtfertigt.

aa.

Die Anwendung dieser Härteregelung kommt nur in Betracht, wenn die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Die Durchführung des Versorgungsausgleiches muss sich als sinnwidrig darstellen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 1587c Nr. 1 BGB liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH, FamRZ 1982, 989; 1988, 940; 2005, 1238). Erforderlich ist stets eine Gesamtabwägung aller wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse der Eheleute (BGH FamRZ 2006, 769, 770.). Hauptanwendungsfall für die Vorschrift des § 1587c BGB sind Umstände, die unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen in den Verhältnissen der Parteien haben. Aber auch ein sonstiges Fehlverhalten ohne unmittelbare wirtschaftliche Relevanz kann - Verschulden vorausgesetzt - zu berücksichtigen sein.

Die Anwendung der Härteklausel ist zwar von Amts wegen zu prüfen, § 12 FGG gilt auch hier. Jedoch ist das Gericht nicht gehalten, nach Ausschlussgründen zu forschen, soweit die Ausschlusstatsachen nicht bekannt sind. Die Voraussetzungen der Norm müssen deshalb vorgetragen werden. Darlegungs- und beweisbelastet ist der Ehegatte, der durch den vollständigen oder teilweisen Ausschluss begünstigt würde, also der Ausgleichsverpflichtete (BGH FamRZ 1990, 1341 f.; Borth FamRB 2006, 171; Goering FamRB 2005, 195, 196).

bb.

Diese Voraussetzungen für einen Ausschluss liegen hier nicht vor. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner während der Zeit seiner Selbständigkeit eine Altersvorsorge unterlassen hat, rechtfertigt den Ausschluss des Versorgungsausgleiches nur ausnahmsweise, und zwar dann, wenn dieses Unterlassen als illoyal und grob leichtfertig zu bewerten ist (KG, FUR 2006, 317; OLG Karlsruhe, FamRZ 2006, 1457). Hierfür trägt die Antragstellerin als insoweit Begünstigte die vollständige Darlegungs- und Beweislast. Dabei ist zu beachten, dass im Regelfall nicht davon ausgegangen werden kann, dass allein der unterlassene Aufbau von eigenen Versorgungsanrechten den Ausschlusstatbestand herbeiführt. Denn die entsprechend freiwerdenden Mittel, die sonst zu Gunsten einer Altersvorsorge hätten eingesetzt werden müssen, stehen im Zweifel der Familie zur Verfügung und erhöhen daher den Lebenstandard der Familie. Auch dazu bedarf es eines eingehenden Vortrages der Antragstellerin, der hier fehlt.

Soweit die Antragstellerin darauf hingewiesen hat, der Antragsgegner habe sein Geld vertrunken, ist ihr Vorbringen derart unsubstantiiert, dass hierauf nicht näher eingegangen werden muss. Allein der Hinweis, dass er strafrechtlich wegen einer Trunkenheitsfahrt aufgefallen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein derartiger und allem Anschein nach einmalig gebliebener Vorfall lässt noch keine Vermutung dahingehend zu, dass ein regelmäßiger (aus den Mitteln des Antragsgegners finanzierter) Alkoholkonsum vorlag. Erst recht lässt dies nicht den Schluss darauf zu, dass der Antragsgegner nahezu keinerlei Mittel für den Familienunterhalt zur Verfügung gestellt habe.

Ebenfalls genügt für einen vollständigen Ausschluss nicht die pauschale Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe eine ehewidrige Beziehung langjährig unterhalten. Im Übrigen kann dieses Merkmal nur in krassen Ausnahmefällen, die hier in keiner Weise erkennbar sind, auf Grund einer zutiefst erfolgten Verletzung des anderen Ehegatten einen Ausschlussgrund hervorrufen. Dafür sind nicht einmal ansatzweise Merkmale erkennbar.

Darüber hinaus steht nach dem Vorbringen beider Parteien nunmehr auch unstreitig fest, dass der Antragsgegner zumindest teilweise Leistungen bei dem Bau des Hauses, an dem die Antragstellerin zu einem Drittel Miteigentümerin ist, erbracht hat. So hat die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 09. Juni 2008 klargestellt, dass der Antragsgegner sich jedenfalls teilweise an Arbeiten zum Innenausbau und bei der Renovierung beteiligt habe. Weiter hat er die beiden Schornsteine jedenfalls teilweise abgetragen, einige Schlitze in den geputzten Wänden sowie das Verlegen von Elektrokabel gefertigt, Stromkabel auf Putz gelegt, Wasserzuleitung für die Waschmaschinen angelegt, Qualitätsprüfungen (Wasserwaage) durchgeführt, bei der Neuerstellung des Badezimmers das Ständerwerk mitgebaut und bei der Beplankung von Rigipsplatten geholfen, bei Trockenarbeiten im Obergeschoss mitgeholfen und den Bodenausgleich ausgeführt, zwei Türöffnungen in Trockenbauweise verschlossen, Laminat zusammen mit einem Freund verlegt, das Dach des Treppenhauses abgetragen. Darüber hinaus hat sie zumindest offen gelassen, ob er über seinen Gewerbebetrieb Baumaterialien preiswerter beschafft hat. Weiter hat er jedenfalls teilweise auch Bekannte oder Arbeiter herbeigeschafft, die an diesen Arbeiten beteiligt waren. All dies lässt jedenfalls den Schluss zu, dass der Antragsgegner auch an diesen die Familie und insbesondere das Vermögen der Antragstellerin selbst begünstigenden Arbeiten mitbeteiligt war, mag auch sein Beitrag - was i.Ü. eine reine Bewertungsfrage ist - aus Sicht der Antragstellerin bei weitem nicht so hoch anzusiedeln sein, wie er selbst dies behauptet hat. Damit hat er jedenfalls Beiträge für die Familie zumindest im Sinne eines Vermögensaufbaus, aber auch der Schaffung eines Familienheims geleistet.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin aus den schlechten Einkünften des Antragsgegners im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit ebenfalls Vorteile gezogen hat. Aus den durch sie eingereichten Einkommensteuerbescheiden für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 geht hervor, dass insoweit Einkommensteuerrückerstattungen in Höhe von insgesamt über 9.000 DM geflossen sind. Diese beruhten angesichts der aus den Bescheiden hervorgehenden, von der Antragstellerin geleisteten Einkommensteuerzahlungen darauf, dass durch die Antragstellerin zuviel gezahlte Einkommensteuern rückerstattet wurden. Demgemäß hat sich insoweit auch ihr Einkommen und damit auch das Einkommen der Familie verbessert, was ebenfalls bei Abwägung aller Billigkeitsmerkmale Beachtung finden muss.

cc.

Folgt hieraus, dass ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht in Betracht kommt, so wird bereits jetzt darauf hingewiesen, dass ein solcher aber teilweise für die Zeit ab Juni 2001, zumindest aber ab der Trennung seit September 2001 in Betracht zu ziehen ist.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner nach derzeitigem Stand in verschuldeter Weise seine nichtselbständige Tätigkeit Ende Mai 2001 verloren hat. Unabhängig von einem solchen Verschulden ist auch nichts dafür erkennbar, weshalb er sich im Anschluss daran nicht erneut um eine Anstellung derart bemühen konnte, dass ihm das Finden einer (rentenversicherungspflichtigen) Arbeitsstelle möglich gewesen wäre. Bereits ab Juni 2001, spätestens aber ab der Trennung der Parteien ist daher der Versorgungsausgleich auszuschließen.

Für die hier zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Versorgungsausgleichs spielt dies aber keine Rolle. Der teilweise Ausschluss führt allein dazu, dass insoweit die in der Zeit ab Juni bzw. ab September 2001 erworbenen Versorgungsanwartschaften keine Berücksichtigung bei der Durchführung des Versorgungsausgleiches finden. Erkennbar bleibt aber auch insoweit der Ausschlussgrund, nämlich der Erwerb von nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften durch die Antragstellerin, die während der gesamten Ehezeit Beamtin gewesen ist, und der Erwerb von angleichungsdynamischen Anwartschaften durch den Antragsgegner - dieser hat gerade in der Zeit von März bis Mai 2001 seine angleichungsdynamischen Anrechte erworben -, erhalten.

Insoweit hat das Amtsgericht, soweit ein Grund für eine Wiederaufnahme des Versorgungsausgleiches gemäß § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 VAÜG vorliegt, unter Neuberechnung der entsprechenden Versorgungsanwartschaften die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei eventuellem teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleiches ab Juni bzw. September 2001 vorzunehmen.

Ende der Entscheidung

Zurück