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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: 9 UF 38/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 278 Abs. 6
ZPO § 301
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 3
ZPO §§ 623 ff.
ZPO § 623 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 629 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Hinweisbeschluss

9 UF 38/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr, den Richter am Oberlandesgericht Götsche

am 3. Juli 2006

beschlossen:

Tenor:

I.

Der Senat weist darauf hin, dass die Berufung nach derzeitigem Stand insoweit Erfolg haben dürfte, als das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Durchführung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist.

II.

Der Senat unterbreitet den Parteien folgenden Vergleichsvorschlag:

1.

Die Parteien erklären ihre in der Folgesache Zugewinnausgleich wechselseitig geltend gemachten Ansprüche übereinstimmend für erledigt.

2.

Die Parteien erklären die durch die Antragstellerin eingelegte Berufung übereinstimmend für erledigt.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III.

Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses gewährt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Rahmen des Scheidungsverbundes noch um Ansprüche zum Zugewinnausgleich.

Die Parteien haben am 3. September 1988 die Ehe geschlossen, aus der eine gemeinsame - noch minderjährige - Tochter hervorgegangen ist. Sie leben seit September 2001 voneinander getrennt. Beide Parteien wollen geschieden werden.

Nachdem die Parteien hinsichtlich der im Scheidungsverbund geltend gemachten Folgesachen elterliche Sorge und Versorgungsausgleich ihren Streit beilegen konnten, haben sie zuletzt noch in der Folgesache Zugewinnausgleich gestritten. Nachdem die Antragstellerin den durch den Antragsgegner im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruch anerkannt hat, hat das Amtsgericht die Antragstellerin antragsgemäß zur Auskunftserteilung an den Antragsgegner mit Teilanerkenntnisurteil vom 28. Mai 2004 verurteilt. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2005 hat der Antragsgegner nach erfolgter Auskunftserteilung durch die Antragstellerin erklärt, rechnerisch bestehe kein Zahlungsanspruch, ein Antrag auf Zahlung von 0,00 € könne nicht gestellt werden, weshalb Termin zur Ehescheidung anberaumt werden könne. Hierzu hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15. August 2005 erklärt, prozessrechtlich mit dieser Erklärung nichts anfangen zu können, und zugleich beantragt, den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über den Bestand seines Endvermögens zu verurteilen. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, sie gehe davon aus, dass der Antragsgegner während der Ehe einen Zugewinn erwirtschaftet habe.

Nachdem der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2005 nicht aufgetreten ist, hat das Amtsgericht Lübben antragsgemäß im Wege des Teilversäumnisurteils den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über den Bestand seines Endvermögens gegenüber der Antragstellerin verurteilt. Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2005 hat der Antragsgegner ein Verzeichnis über seine Aktiva und Passiva angefertigt und der Antragstellerin überreicht.

Nachdem das Amtsgericht für den 20. Januar 2006 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, hat die Antragstellerin mit einem am 19. Januar 2006 beim Amtsgericht Lübben eingegangenen Schriftsatz beantragt, den Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben zu verurteilen. Zugleich hat sie auf bestehende Arbeitsunfähigkeit hingewiesen und dabei erklärt, weder die Antragstellerin persönlich noch ihre Prozessbevollmächtigte würden am anberaumten Terminstag erscheinen.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2006 ist für die Antragstellerin niemand erschienen. Hinsichtlich der Antragstellung durch die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. Januar 2006 hat der Antragsgegner Zustimmung und Verzicht auf die Einhaltung sämtlicher Ladungs- und Einlassungsfristen erklärt. Sodann hat der Antragsgegner zu Protokoll seine Angaben zu seinen Aktiva und Passiva betreffs seines Endvermögens ergänzt. Abschließend hat er nach Belehrung durch das Gericht versichert, seine Angaben nach bestem Wissen so vollständig abgegeben zu haben, als er dazu im Stande sei.

Das Amtsgericht hat sodann mit dem noch am 20. Januar 2006 verkündeten Schlussurteil die Ehe der Parteien geschieden und festgestellt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfinde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die durch die Antragstellerin eingelegte Berufung, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht begehrt. Hierbei rügt sie insbesondere, dass über die weiteren Anträge aus der Stufenklage des Antragsgegners bislang keine abschließende Entscheidung ergangen oder Erklärungen durch den Antragsgegner abgegeben worden seien, sowie dass das Amtsgericht über den eigenen Antrag der Antragstellerin auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsgegner noch nicht entschieden habe. Der Scheidungsverbund sei insoweit unzureichend berücksichtigt.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als nach derzeitigem Stand das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zur erneuten Durchführung der Verhandlungen und Entscheidung zurückzuverweisen ist. Das amtsgerichtliche Urteil stellt sich als unzulässiges Teilurteil gemäß §§ 301, 538 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 ZPO dar.

1.

Für Verbundsachen gelten die besonderen Vorschriften der §§ 623 ff. ZPO. Danach darf im Verbund von Scheidungs- und Folgesachen (§ 623 ZPO) die Entscheidung grundsätzlich nur einheitlich durch Urteil ergehen, wenn dem Scheidungsantrag stattzugeben und dabei gleichzeitig über Folgesachen zu entscheiden ist, § 629 Abs. 1 ZPO. Teilurteile hinsichtlich der Ehescheidung oder einzelner Verbundsachen sind aufgrund dieser gesetzlichen Vorgabe der Einheitlichkeit der Entscheidung im Allgemeinen ausgeschlossen, solange der Verbund besteht. Einzelne Teile dürfen deshalb regelmäßig erst nach Auflösung des Scheidungsverbundes getrennt voneinander entschieden werden. Nur in wenigen Ausnahmefällen bedarf es keiner Auflösung des Verbundes, um eine Teilentscheidung zu fällen. Einen solchen Ausnahmefall bilden Stufenverfahren (§ 254 ZPO), in denen ohne Auflösung des Verbundes vorab über die Auskunftsstufe zu entscheiden ist (vgl. nur OLG Naumburg, OLG-Report 2005, 626; Brandenburgisches OLG FamRZ 2004, 384, 386). Dies gilt auch, soweit im Rahmen einer Stufenklage auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung begehrt wird; auch insoweit ist ein Teilurteil möglich. § 623 Abs. 1 Satz 1 ZPO verlangt lediglich, dass über die letzte Stufe der Folgesache, d. h. regelmäßig über die Leistungsstufe gleichzeitig mit der Scheidung entschieden wird (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2004, 384, 386).

2.

Unter Berücksichtigung dessen hat das Amtsgericht unzutreffend ein (verdecktes) Teilurteil über die Ehescheidung bzw. den Versorgungsausgleich erlassen. Hinsichtlich der Folgesache Zugewinnausgleich waren noch nicht sämtliche Anträge der Parteien beschieden bzw. einer anderweitigen prozessualen Erledigung zugeführt.

a.

Den durch die Antragstellerin geltend gemachten Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsgegner hat das Amtsgericht nicht beschieden. Soweit möglicherweise durch die in der letzten mündlichen Verhandlung erfolgte Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Antragsgegner in tatsächlicher Hinsicht Erledigung eingetreten ist, hat dies in prozessualer Hinsicht keine Bedeutung. Erst nach Abgabe entsprechender Erledigungserklärungen oder anderweitiger prozessualer Erklärungen kommt eine abschließende Entscheidung des Gerichts in Betracht. Eine solche Erklärung hat aber insbesondere die Antragstellerin, die erkennbar weiterhin den geltend gemachten Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verfolgt, nicht abgegeben.

b.

Vergleichbare Erwägungen treffen auf die 2. und 3. Stufe der Zugewinnstufenklage des Antragsgegners zu. Die 2. Stufe (Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung) sowie 3. Stufe (Leistungsstufe) sind noch nicht beschieden. Eine verfahrensbeendende Erklärung hat der Antragsgegner hinsichtlich dieser Stufen nicht abgegeben. In der mündlichen Verhandlung ist ausweislich des Protokolls hierzu nichts erklärt worden. Soweit in dem Schriftsatz vom 21. Juli 2005 zum Zugewinnausgleichsverfahren Stellung genommen wird, kann dies weder als Erledigungserklärung noch als Klagerücknahme angesehen werden. Zwar ist die Erklärung, rechnerisch bestehe kein Zahlungsanspruch, auslegungsfähig und könnte insbesondere auch als Erledigungserklärung hinsichtlich der noch ausstehenden Stufen verstanden werden. Dem widerspricht aber der abschließende Hinweis darauf, dass die Parteien im Termin eine Erklärung hinsichtlich des Nichtbestehens von Zugewinnausgleichsansprüchen abgeben könnten. Damit ist jedenfalls insgesamt offen, ob bereits hier eine verfahrensbeendende Erklärung abgegeben werden sollte.

c.

Sind daher sowohl auf Seiten des Antragsgegners als auch der Antragstellerin noch Anträge in I. Instanz unbeschieden, stellt sich die Entscheidung über die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich als unzulässiges Teilurteil gemäß den vorstehenden Erwägungen dar. Dies führt gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 ZPO grundsätzlich zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges, wofür es nicht einmal des - hier durch die Antragstellerin gestellten - Antrages bedarf, § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

III.

In der Sache selbst sei auf Folgendes hingewiesen:

Der Senat zieht in Erwägung, die noch ausstehenden Teilentscheidungen erster Instanz an sich zu ziehen und sodann abschließend über das Verfahren zu entscheiden. Insoweit würde sich die an sich gebotene Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens erübrigen.

1.

Hinsichtlich der noch offenen Anträge des Antragsgegners kann - wie zuvor ausgeführt - zwar nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner bereits eine wirksame verfahrensbeendende prozessuale Erklärung insoweit abgegeben hat. Jedoch ist aus seinem schriftsätzlichen Vorbringen und seinem weiteren prozessualen Verhalten erkennbar, dass er allem Anschein nach an der Durchführung des eigenen Zugewinnausgleichsverfahrens nicht festhalten will.

Nach entsprechender Abgabe einer prozessualen Erklärung kann dieser Verfahrensteil abgeschlossen werden.

2.

Hinsichtlich des auf Seiten der Antragstellerin noch nicht beschiedenen Teils ist zu berücksichtigen, dass dieser Antrag unzulässig und daher abzuweisen ist.

a.

Wie bereits ausgeführt, können im Scheidungsverbund auch Stufenklagen erhoben und hinsichtlich einzelner Stufen ein Teilurteil erlassen werden. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass im Verbundurteil nur Scheidungsfolgen geregelt werden, nicht aber Entscheidungen über Auskünfte, welche die Folgesachenentscheidung erst vorbereiten sollen, geregelt werden können (FamVerf/Schael, 2001, § 6 Rdnr. 138). Als Folgesachenentscheidung kommt daher regelmäßig nur die Leistungsstufe einer Folgesache in Betracht. Nur zur Vorbereitung derselben kann ausnahmsweise zugleich mit der Leistungsstufe im Wege einer Stufenklage auch ein vorhergehender, der Vorbereitung dienender Auskunftsanspruch bzw. Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in den Verbund eingeführt werden. Isolierte Auskunftsansprüche, die nicht im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht werden, können daher nicht im Scheidungsverbund geltend gemacht werden (BGH NJW 1997, 2176, 2177).

b.

Da die Antragstellerin ihre Ansprüche nicht im Wege einer auch die Leistungsstufe umfassenden Stufenklage verfolgt, vielmehr in isolierter Form die Auskunft sowie nachfolgend die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt hat, ist dies nach den vorangestellten Erwägungen keine zulässige Vorgehensweise im Rahmen eines Scheidungsverbundes. Soweit bei isolierten Auskunftsansprüchen ausnahmsweise die Zulässigkeit der Geltendmachung im Scheidungsverbund dann bejaht wird, wenn dies widerklagend gegen einen Zugewinnausgleichsanspruch geschieht (vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 1997, 1, 3), kann sich die Antragstellerin auch hierauf nicht mit Erfolg berufen. Diese ausnahmsweise Zulässigkeit einer Auskunftswiderklage im Scheidungsverbund kommt nur deshalb in Betracht, weil dem widerklagenden Ehegatten insoweit die Möglichkeit gegeben werden soll, den gegen ihn gerichteten Ausgleichsanspruch abzuwehren. Insoweit ist sein besonderes Interesse, sich die notwendigen Berechnungsgrundlagen für die Abwehr der gegen ihn gerichteten Ausgleichsforderung zu verschaffen, ausnahmsweise berücksichtigungsfähig (vgl. auch OLG Zweibrücken, a.a.O.). Ein derartiges Interesse ist auf Seiten der Antragstellerin aber erkennbar nicht, zumindest nicht mehr gegeben.

Schon von dem Inhalt ihrer Antragsbegründung her lässt die Antragstellerin erkennen, dass sie sich nicht gegen den durch den Antragsgegner geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruch wehren, vielmehr einen eigenen Anspruch auf Zugewinn vorbereiten bzw. zumindest prüfen will. Dies läuft der zuvor dargestellten besonderen Interessenlage jedoch zuwider.

Insoweit bestand auch in praktischer Hinsicht kein Bedürfnis mehr für eine Verteidigung der Antragstellerin gegen den Zugewinnausgleichsanspruch, den der Antragsgegner geltend gemacht hatte. Zwar hat der Antragsgegner - wie zuvor ausgeführt - noch keine prozessuale Erklärung hinsichtlich einer Erledigung oder Rücknahme seiner Zugewinnausgleichsforderung abgegeben. Aus seinem Schriftsatz vom 21. Juli 2005 geht aber jedenfalls hervor, dass er selbst vom Nichtbestehen eines solches Anspruches ausgeht. Da dieser Schriftsatz aber bereits zeitlich vor Erhebung der Auskunftswiderklage der Antragstellerin liegt, war für die Auskunftswiderklage von vornherein kein schutzwürdiges Interesse gegeben.

IV.

Zur Vereinfachung des Verfahrens schlägt der Senat den Parteien daher gemäß § 278 Abs. 6 ZPO den Abschluss eines Vergleiches wie im Tenor dargestellt vor.

Ende der Entscheidung

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