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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 9 UF 38/07
Rechtsgebiete: Regelbetrag-VO, UVG, BGB, EStG, SGB XII


Vorschriften:

Regelbetrag-VO § 2
UVG § 7 Abs. 1 Satz 1
UVG § 7 Abs. 2
UVG § 7 Abs. 4 Satz 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 1592 Nr. 1
BGB § 1599 Abs. 1
BGB § 1599 Abs. 2 Satz 1
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1603 Abs. 2
EStG § 4 Abs. 3
SGB XII § 94 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

9 UF 38/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 6.12.2007

verkündet am 6.12.2007

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Berufung des klagenden Landes vom 27. Februar 2007 gegen das am 19. Dezember 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Zehdenick auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2007 durch

die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und den Richter am Oberlandesgericht Götsche als beisitzende Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des klagenden Landes wird das am 19. Dezember 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Zehdenick (Az. 3 F 248/05) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land folgende Zahlungen zu leisten:

- für September 2004 bis September 2005 insgesamt 1.393,00 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins seit 21. September 2005 aus 1.393,00 €;

- für Oktober 2005 bis Juni 2007 insgesamt 2.331,00 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins aus jeweils 111,00 € monatlich seit 1. Oktober 2005, seit 1. November 2005, seit 1. Dezember 2005, seit 1. Januar 2006, seit 1. Februar 2006, seit 1. März 2006, seit 1. April 2006, seit 1. Mai 2006, seit 1. Juni 2006, seit 1. Juli 2006, seit 1. August 2006, seit 1. September 2006, seit 1. Oktober 2006, seit 1. November 2006, seit 1. Dezember 2006, seit 1. Januar 2007, seit 1. Februar 2007, seit 1. März 2007, seit 1. April 2007, seit 1. Mai 2007, seit 1. Juni 2007;

- für Juli 2007 bis Mai 2010 monatlich 109,00 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins aus jeweils 109,00 € seit 2. Juli 2007, seit 2. August 2007, seit 2. September 2007, seit 2. Oktober 2007, seit 2. November 2007.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.

Der Berufungswert beträgt 1.439,00 €.

Tatbestand:

Das klagende Land geht aus übergeleitetem Recht gegen den Beklagten vor.

Der Beklagte ist der Vater der Kinder B... H..., geboren am ... 1995, und F... H..., geboren am ... 2004. Für das Kind F... H... hat das klagende Land seit September 2004 Unterhaltsvorschuss geleistet. Gezahlt wurde jeweils der Regelbetrag abzüglich des hälftigen Kindergeldes (106 € monatlich von September 2004 bis Juni 2005, 111 € monatlich von Juli 2005 bis Juni 2007 und 109 € monatlich seit Juli 2007).

Der Beklagte ist außerdem der Vater der aus einer weiteren Beziehung stammenden Kinder S... H..., geboren am ... 1998, und R... H..., geboren am ... 2000. Insoweit hatte die Kindesmutter A... H... vormals ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren gegen den Beklagten geführt (Amtsgericht Cottbus, Az. 52 AR 2-01), innerhalb dessen der Beklagte die Vaterschaft für die beiden Kinder unter Zustimmung der Kindesmutter anerkannt hat. Die Kindesmutter A... H... hatte 1993 die Ehe mit E. V. S... geschlossen. Bereits kurz danach trennten sich die Eheleute. Im August 2000 reichte die Kindesmutter Scheidungsantrag ein (Amtsgericht Oranienburg, Az. 53 F 123/05). Die Ehescheidung ist mittlerweile rechtskräftig. Gegen ihren vormaligen Ehemann E. V. S... hat die Kindesmutter A... H... für ihre beiden zuvor genannten Kinder S... und R... ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren geführt (Amtsgericht Neuruppin, Az. 52 F 348/06). Mit am 23. Mai 2007 verkündeten, seit 14. August 2007 rechtskräftigem Urteil hat das Amtsgericht festgestellt, dass E. V. S... nicht der Vater der Kinder ist.

Der Beklagte ist seit längerer Zeit selbstständig und betreibt eine Ich-AG. Aus abhängiger Beschäftigung erzielte er in 1999 ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 1.100,00 €.

Das klagende Land macht für das Kind F... H... geleistete Unterhaltsvorschüsse im Wege übergegangenen Rechtes geltend. Mit Schreiben vom 10. September 2004 und 15. Juni 2005 hat es den Beklagten über den geleisteten Unterhaltsvorschuss in Kenntnis gesetzt und auf einen Anspruchsübergang hingewiesen.

Das klagende Land hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne sich weder auf eine tatsächliche Leistungsunfähigkeit, noch vor dem 14. August 2007 auf seine Vaterschaft bezüglich der Kinder S... und R... H... berufen.

Das klagende Land hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an es vom 4. Mai 2004 bis 30. September 2005 insgesamt 1.805,00 € und ab 1. Oktober 2005 längstens bis zum 4. Mai 2016 in Höhe des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetragsverordnung abzüglich der Hälfte des jeweils für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldsatzes zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, zumindest in tatsächlicher Hinsicht müsse Berücksichtigung finden, dass die beiden bei ihm lebenden Kinder S... und R... H... durch ihn unterhalten wurden. Im Übrigen sei er tatsächlich zur Zahlung der geltend gemachten Beträge nicht leistungsfähig.

Mit dem am 19. Dezember 2006 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht Zehdenick den Beklagten verurteilt, an das klagende Land folgende Zahlungen zu leisten: für den Zeitraum 1. September 2004 - 30. September 2005 insgesamt 862,00 €, für Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 monatlich 33,39 % des Regelbetrages der ersten Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetrag-VO, für Januar 2006 bis April 2006 monatlich 31,69 % des Regelbetrages der ersten Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetrag-VO, für Mai 2006 bis Oktober 2009 monatlich 30,45 % des Regelbetrages der ersten Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetrag-VO und für November 2009 bis Mai 2010 monatlich 29,30 % des Regelbetrages der ersten Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetrag-VO.

Die weitergehende Klage hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die formwirksame Vaterschaftsanerkennung bezüglich der Kinder S... und R... H... sei jedenfalls für den Zeitraum nach Rechtskraft der Ehescheidung der Kindesmutter mit ihrem vormaligen Ehemann wirksam geworden. Aber auch zuvor müsse Berücksichtigung finden, dass der Beklagte die genannten Kinder in seinem Haushalt betreut und versorgt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des klagenden Landes, mit der es in Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor allem die Berücksichtigung der beiden Kinder S... und R... H... bei den Unterhaltsberechnungen rügt.

Das klagende Land beantragt,

den Beklagten in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an es für September 2004 bis September 2005 insgesamt 1.393,00 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins seit 11. Januar 2006, sodann für Oktober 2005 bis Juni 2007 insgesamt 2.331 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins seit 11. Januar 2006, sodann für Juli 2007 bis April 2010 monatlich 109 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins bei Verzug und für Mai 2010 149 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszins ab Verzug seit dem 2. Mai 2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat in Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Auffassung vertreten, seine beiden Kindern S... und R... H... müssten aufgrund seiner biologischen Vaterschaft unterhaltsrechtlich durchgängig Berücksichtigung finden.

Entscheidungsgründe:

Die in zulässiger Weise eingelegte Berufung hat im Wesentlichen Erfolg. Dem klagenden Land steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der tenorierten Beträge nebst Zinsen gemäß §§ 7 Abs. 1 Satz 1 UVG, 1601 ff. BGB zu. Lediglich soweit es höhere als durch den Senat titulierte Unterhaltsbeträge für die Zeit ab Juli 2007 und soweit es insgesamt höhere als durch den Senat titulierte Zinsbeträge gefordert hat, steht ihm kein Anspruch zu.

1.

Hat der Unterhaltsberechtigte für die Zeit, für die ihm Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt wird, einen Unterhaltsanspruch gegen den auswärts wohnenden Elternteil, so geht dieser Unterhaltsanspruch in Höhe der gewährten Unterhaltsvorschussleistungen auf das Land über, § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG. Diese Voraussetzungen treffen hier auf den von dem klagenden Land geltend gemachten Zeitraum (seit September 2004) zu. In dieser Zeit hat es für den Sohn des Beklagten F... H... Unterhaltsvorschuss in dem Umfange geleistet, wie er aus dem Tatbestand hervorgeht.

Der insoweit gegenüber dem Beklagten bestehende Unterhaltsanspruch des Kindes F... folgt aus den §§ 1601 ff. BGB. An der Bedürftigkeit des betroffenen Kindes bestehen keine Bedenken. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte seiner Behauptung nach zur Zahlung von Unterhalt gegenüber F... in den vorgenannten Zeitraum nicht leistungsfähig war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich des Regelbetrages als Mindestunterhaltsanspruch des betroffenen Kindes F... der Beklagte die vollständige Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er weder in tatsächlicher noch in fiktiver Hinsicht leistungsfähig zur Zahlung dieses Anspruches ist. Diese Darlegungslast betrifft jeden Unterhaltsschuldner, der einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit ausgesetzt ist (st. Rspr. des Senats, Brandenburgisches OLG FamRZ 2007, 1336 f.; FamRZ 2007, 72; jurisPR-FamR 25/2006 Nr. 3; NJW-RR 2005, 949; FuR 2004, 38, 40; NJWE-FER 2001, 70 ff.; s. auch JAmt 2004, 502; FamRB 2004, 216, 217).

Dieser Darlegungslast ist der Beklagte nicht ausreichend nachgekommen, auch soweit der Senat ihn im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf seine mangelnde Beteiligung hingewiesen hat, hat er sein Vorbringen nicht weiter substanziiert.

a.

So hat der Beklagte bereits zu seinen tatsächlichen Einkünften nur unzureichend vorgetragen. Da er seit April 2004 eine selbstständige Tätigkeit ausübt, war er gehalten, seine insoweit erzielten Gewinne durch Vorlage der Einnahme-/Überschussrechnungen bzw. der Gewinn- und Verlustrechnungen nachzuweisen. Für einen Selbstständigen ist insoweit zu beachten, dass regelmäßig ein Durchschnittseinkommen ermittelt werden muss, und dabei zumindest auf einen dreijährigen Zeitraum abzustellen ist (BGH, FamRZ 2004, 1177; Götsche, ZFE 2006, 55 ff.).

Unter Beachtung dessen war der Beklagte gehalten, seine Gewinne für die Jahre 2004 bis 2007 darzutun und zu belegen. Für das Jahr 2004, den Beginn seiner Tätigkeit, hat er selbst keine Unterlagen eingereicht hat. Soweit dagegen die Klägerin ihrerseits die Gewinnermittlung des Beklagten nach § 4 Abs. 3 EStG eingereicht hat (vgl. den Schriftsatz der Klägerin vom 21. September 2005), fehlt es an einer näheren Darstellung der einzelnen in dieser Gewinnermittlung enthaltenen Positionen. Unabhängig davon können die darin enthaltenen Einnahmen auch nicht die Gesamteinkünfte des Beklagten darstellen, da dieser - wie der Beklagte auch Nachfrage des Senates in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2007 eingeräumt hat - darüber hinaus noch den so genannten Existenzgründerzuschuss von 600 € monatlich erhalten hat. Trotz entsprechender Hinweise des Senates hat der Beklagte aber gleichwohl nicht abschließend dargestellt, wie hoch seine Einkünfte in 2004 tatsächlich waren.

Soweit dagegen der Beklagte die Einnahme-/Überschussrechnung für 2005 sowie eine Gewinnermittlung für 2006 eingereicht hat, genügt auch dies seiner Darlegungslast nicht. Trotz entsprechender Nachfrage des Senates hat er sich nicht weiter dazu erklärt, inwieweit er daneben weitere Einkünfte in dem Zeitraum ab 2004 ff. bezogen hat, insbesondere solche aus Nebentätigkeiten, Vermögen (Kapitaleinkünfte) oder Trinkgeldern.

Damit hat der Beklagte bereits seine tatsächliche Leistungsunfähigkeit nicht ausreichend dargetan, weshalb schon aus diesem Grunde nicht überprüft werden kann, ob er tatsächlich zur Leistung des Mindestunterhaltes an den Sohn F... nicht in der Lage war.

b.

Selbst wenn man aber die vorstehenden Erwägungen zurückstellt, hat der Beklagte auch hinsichtlich seiner Obliegenheit, durch Erwerb die Mindestunterhaltsansprüche seiner Kinder zu sichern, nicht ausreichend vorgetragen. Insoweit ist ihm ein Einkommen fiktiv zurechenbar, welches - wie die nachfolgenden Berechnungen des Senates zeigen - ausreichen würde, die hier geltend gemachten Ansprüche des Sohnes F... bzw. die insoweit übergegangenen Ansprüche des klagenden Landes zu befriedigen.

aa.

Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH FamRZ 2003, 1471, 1473). Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung aufgrund der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 BGB noch eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft trifft. Dies folgt aus der die Eltern treffenden rechtlichen und sittlichen Pflicht, ihre Kinder am Leben zu erhalten; diese Pflicht findet ihre Grenze allein in der Unmöglichkeit (RG JW 1903, 29, zitiert bei OLG Dresden OLG-Report 2005, 496; vgl. auch OLG Dresden, OLGReport 2007, 631, 633 - Unmöglichkeit einer Nebentätigkeit). Für seine die Sicherung des Regelbetrages betreffende Leistungsunfähigkeit ist der Verpflichtete in vollem Umfange darlegungs- und beweisbelastet (BVerfG, FamRZ 2003, 661; BGH FamRZ 2002, 536 ff; OLG Dresden, OLG-Report 2007, 631, 633). Legt der Unterhaltsverpflichtete nicht dar, dieser Obliegenheit vollständig gerecht geworden zu sein, so muss er sich so behandeln lassen, als ob er - so dies seine individuellen Verhältnisse zulassen - über ein solch hohes Einkommen verfügt, welches ihm die Zahlung des Regelbetrages ermöglicht (st. Rspr. des Senats, Brandenburgisches OLG FamRZ 2007, 1336 f.; FamRZ 2007, 72; jurisPR-FamR 25/2006 Nr. 3; NJW-RR 2005, 949; FuR 2004, 38, 40; NJWE-FER 2001, 70 ff.; s. auch JAmt 2004, 502; FamRB 2004, 216, 217). Die Zurechnung fiktiver Einkünfte ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG FamRZ 2005, 1893).

Ein gemäß § 1603 Abs. 2 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger hat sich intensiv, d.h. unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten um die Erlangung eines hinreichend entlohnten Arbeitsplatzes zu bemühen. Er muss alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt des Kindes verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen, um ein die Zahlung des Regelbetrages sicherstellendes Einkommen zu erzielen (BVerfG, FamRZ 2003, 661).

bb.

Diesen strengen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beklagten nicht. Es fehlt zunächst jeder substanziierte Vortrag dazu, weshalb der Beklagte eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hat und weshalb er nicht vielmehr eine solche in nichtselbstständiger mit eher sicheren Einkünften versucht hat zu finden. Zu der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist der Unterhaltsschuldner aber aus unterhaltsrechtlicher Sicht wegen der damit einhergehenden Unsicherheiten bei den zukünftigen Einkünften nur eingeschränkt befugt. Insbesondere der Wechsel von einer nichtselbständigen Tätigkeit in die Selbständigkeit mit einhergehenden Einkommensminderungen ist unterhaltsrechtlich regelmäßig unbeachtlich (OLG Hamm FamRZ 1996, 959; Reinecke ZFE 2004, 6, 8; a. A. OLG Köln FamRZ 2005, 215).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Beklagte - so er denn auf Grund der aus seiner Selbstständigkeit erzielten Gewinne nicht zur Zahlung von Mindestunterhalt in der Lage war - sich dann frühestmöglich eine anderweitige Beschäftigung, die ihm die Zahlung des Mindestunterhaltes ermöglichen würde, hätte suchen müssen. Zwar ist einem Selbstständigen grundsätzlich zuzubilligen, dass er über eine gewisse Zeit auch ohne ausreichende Gewinne seine Selbstständigkeit ausüben kann, da es erfahrungsgemäß oftmals einer Anlaufzeit bedarf, bis ausreichend Gewinne erzielt werden. Hier ist aber zu beachten, dass bereits im Mai 2005 die Bundesagentur für Arbeit (ARGE N...) den Beklagten auf die mangelnde Tragfähigkeit seines Geschäftsvorhabens hingewiesen und daher die Weiterzahlung des Existenzgründerzuschusses versagt hat. Insoweit musste auch für den Beklagten etwa 1 Jahr nach Aufnahme seiner Selbstständigkeit erkennbar sein, dass er hieraus keine ausreichenden Gewinne erzielen würde. Zumindest aber hätte es insoweit eines weitergehenden Vortrages des Beklagten dazu bedurft, weshalb er gleichwohl berechtigterweise die Hoffnung haben durfte, dass er zukünftig ausreichende Gewinne erzielen würde. Hierzu fehlt es aber erneut an jeglichem Vorbringen des Beklagten, obgleich der Senat auch auf diese Umstände hingewiesen hat.

cc.

Unter Beachtung des feststellbaren Erwerbsobliegenheitsverstoßes ist dem Beklagten ein solch hohes Einkommen zuzurechnen, welches er unter Berücksichtigung der Erfüllung seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit in zumutbarer Weise erzielen könnte. Anknüpfungspunkt ist dabei zunächst das letzte tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen (OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1908). Auch insoweit ist das Vorbringen des Beklagten zu unsubstanziiert; dem Senat liegt allein eine durch die Klägerin eingereichte Lohn- und Gehaltsabrechnung aus dem Jahr 1999 (Bl. 36 d. A.) vor, die einen Nettoverdienst von rund 1.100 € ausweist. Soweit dies nachvollziehbar ist, lagen dem 5 Arbeitstage pro Woche bei 8 Stunden täglicher Arbeit zu Grunde. Wenngleich seit 1999 die Steigerung der Einkommensentwicklung sich nur schleppend vollzogen hat, dürfte es unter Beachtung des langen Zeitraums aber gerechtfertigt sein, dass der Beklagte bei gehöriger Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheiten etwa 100 € netto ab 2004 hätte mehr erzielen können. Insoweit sind dem Beklagten aus einer fiktiven vollzeitigen Erwerbstätigkeit monatlich mindestens 1.200 € netto zuzurechnen. Darüber hinaus war der Beklagte gehalten, notfalls auch für die Sicherstellung der Mindestunterhaltsansprüche seiner Kinder einem Nebenerwerb nachzugehen. Dabei hätte der Beklagte aus einer geringfügigen Nebenerwerbstätigkeit mindestens 150 € monatlich in zumutbarer Weise erzielen können.

Insgesamt rechnet der Senat dem Beklagten daher ein fiktiv erzielbares Einkommen von 1.350 € monatlich zu.

c.

Unter Beachtung dieses fiktiv erzielbaren Einkommens von 1.350 € ist der Beklagte in der Lage, die durch das klagende Land aus abgeleitetem Recht geltend gemachten Unterhaltsansprüche des Sohnes F... zu befriedigen.

aa.

Dabei ist zu beachten, dass einem Übergang gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG die Zurechnung fiktiver Einkünfte auf Seiten des unterhaltsverpflichteten Elternteils nicht entgegensteht. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG knüpft allein an den Unterhaltsanspruch des Berechtigten an, sodass insoweit sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Unterhaltsrechts Berücksichtigung finden können. Eine Einschränkung des Forderungsüberganges zum Schutze des Unterhaltsschuldners enthält die Regelung nicht; insoweit ist auch die in den § 94 Abs. 3 SGB XII getroffene Regelung nicht analog anzuwenden (BGH, FamRZ 2001, 619, 621 zum alten BSHG).

bb.

Ferner ist zu beachten, dass der Beklagte in der Zeit bis zum 13. August 2007 allein seinem Sohn F... H... sowie seinem weiteren Sohn B... H... zum Unterhalt verpflichtet war. Hinsichtlich der weiteren Kinder S... und R... H... ist der Beklagte dagegen erst ab 14. August 2007 zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, da er erst ab diesem Zeitpunkt in rechtlicher Hinsicht als Vater dieser Kinder gilt. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Kinder S... und R... H... noch während des Bestehens der Ehe ihrer Mutter A... H... mit Herrn E. V. S... geboren worden sind und zu diesem Zeitpunkt das Scheidungsverfahren noch nicht anhängig war. Insoweit greift § 1592 Nr. 1 BGB ein, wonach der frühere Ehemann (Herr S...) in rechtlicher Hinsicht als Vater der beiden Kinder S... und R... H... galt. Soweit gemäß § 1599 Abs. 2 Satz 1 BGB diese Wirkung dann nicht gilt, wenn das Kind erst nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrages geboren wird, greift dies hier nicht. Die Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens erfolgte erst im August 2000, die beiden Kinder S... und R... sind aber vor diesem Zeitpunkt geboren worden.

Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass der Beklagte bereits in 2001 die Vaterschaft für diese Kinder anerkannt und zwischen den Kindeseltern unstreitig war, dass er der biologische Vater sei. Die Rechtswirkungen des § 1592 Nr. 1 BGB enden erst mit dem Zeitpunkt, in dem rechtskräftig festgestellt wird, dass der frühere Ehemann nicht der Vater der Kinder ist, § 1599 Abs. 1 BGB. Deshalb war die Anerkennungserklärung des Beklagten aus 2001 jedenfalls schwebend unwirksam (allgemein dazu Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1594, Rn. 6). Das entsprechende Feststellungsurteil ist seit dem 14. August 2007 rechtskräftig, sodass erst ab diesem Zeitpunkt die Wirkungen des § 1592 Nr. 1 BGB entfallen, und der Beklagte auch erst dann in rechtlicher Hinsicht als rechtlicher Vater dieser Kinder zu betrachten ist.

d.

Unter Beachtung der vorangestellten Erwägungen ist für die Zeit bis einschließlich 13. August 2007 die Leistungsfähigkeit des Beklagten allein anhand der Unterhaltsansprüche seiner Kinder B... und F... H... zu beurteilen; für die Zeit danach ist dagegen seine Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung aller vier Kinder zu beurteilen.

Für die Zeit bis 13. August 2007 stellt sich das verteilungsfähige Einkommen des Beklagten bei Berücksichtigung des ihm zustehenden Selbstbehaltes wie folgt dar:

 bis Juni 2005 ab Juli 2005
fiktives Einkommen Beklagter1.350,00 €1.350,00 €
Selbstbehalt775,00 €820,00 €
verteilungsfähiges Einkommen Beklagter575,00 €530,00 €

Dem stehen folgende Unterhaltsansprüche der Kinder B... und F... H... gegenüber:

 Sept 04 - Jun 05 Juli 2005 - Mai 2007 Jun 07 Juli + August 2007
Anspruch B... 222,00 € 228,00 €269,00 € 2 67,00 €
Anspruch F... 183,00 € 188,00 €188,00 € 1 86,00 €
Summe beider Ansprüche405,00 € 416,00 €457,00 € 4 53,00 €

Dies lässt erkennen, dass der Beklagte in der Zeit bis einschließlich 13. August 2007 für die Mindestunterhaltsansprüche dieser Kinder in vollem Umfange leistungsfähig war.

Für die Zeit ab 14. August 2007 ist dagegen eine Mangelfallberechnung vorzunehmen:

1. Verteilungsmasse

 fiktives Einkommen Beklagter 1 .350,00 €
Selbstbehalt 8 20,00 €
verteilungsfähiges Einkommen Beklagter 5 30,00 €

2. Einsatzbeträge (135% des Regelbetrages/Ost)

 Einsatzbetrag B... (3. Altersstufe) 361,00 €
Einsatzbetrag S... (2. Altersstufe) 306,00 €
Einsatzbetrag R... (2. Altersstufe) 306,00 €
Einsatzbetrag F... (1. Altersstufe) 252,00 €
Summe der Einsatzbeträge 1.225,00 €

3. Mangelquote

Einsatzbetrag F... x Verteilungsmasse : Summe der Einsatzbeträge| 1 09,03 €

Soweit damit eine Mangelfallquote von 109,03 € auf den Unterhaltsanspruch des Sohnes F... entfällt, entspricht dies der Unterhaltsvorschussleistung des klagenden Landes, sodass auch insoweit der Unterhaltsanspruch auf dieses übergegangen ist.

2.

Soweit das klagende Land für die Zukunft, d. h. ab Dezember 2007 ebenfalls aus übergeleitetem Recht Zahlungen von dem Beklagten begehrt, liegen die Voraussetzungen für einen Anspruchsübergang ebenfalls grundsätzlich vor. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG kann das Land bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen, wenn die Unterhaltsleistung voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss. Dabei bestehen keine Bedenken, dass die Vorschussleistungen noch längere Zeit fließen werden, zumal sie bereits seit September 2004 durchgängig geflossen sind. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der genannten Norm die Höhe der zukünftigen Anspruchsübergänge begrenzt wird; § 7 Abs. 4 Abs. 1 UVG stellt ausdrücklich auf die Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen ab. Hierdurch wird erkennbar an die bisherigen Leistungen des Landes, also an die vorangegangenen Unterhaltsvorschüsse angeknüpft. Maßstab ist daher der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes zuletzt geleistete Unterhaltsvorschuss, hier also die Zahlung von 109 €, die seit Juli 2007 geleistet wird. Nur insoweit besteht angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes ein Anspruch des klagenden Landes auf zukünftige Unterhaltsansprüche. Spätere Änderungen dieser Zahlungen, sei es durch eine Erhöhung der Unterhaltsvorschussleistung in allgemeiner Hinsicht oder durch eine Altersgruppenänderung, können insoweit nicht erfasst werden.

Im Übrigen bestehen aber keine Bedenken, dass das klagende Land auch rückständige Leistungen von dem Beklagten begehrt. Rückständiger Unterhalt kann im Wege übergeleiteter Unterhaltsansprüche gemäß § 7 Abs. 2 UVG geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen sind auf Grund der den Beklagten in Verzug setzenden Schreiben des Landes (der Unterhaltsvorschusskasse) vom 10. September 2004 bzw. vom 15. Juni 2005 erfüllt.

3.

Der tenorierte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. Für die Zeit von Oktober 2005 an war zu beachten, dass entgegen dem Antrag des klagenden Landes auf Grund der monatlich eintretenden Fälligkeit ein entsprechender Verzugszins nur für jeden Monat ab dem 1. des Monats anfiel. Für die Zeit ab Juli 2007 war zudem entsprechend dem Klageantrag der Verzugszins ab dem 2. des jeweiligen Monats zuzuerkennen. Für die Zukunft entfällt dagegen die Zuerkennung jeglichen Zinsanspruches, da es insoweit an der Fälligkeit der Forderungen fehlt.

Nebenentscheidungen

Die zu Lasten des Beklagten getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Weder haben die hier entschiedenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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