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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2003
Aktenzeichen: 9 UF 47/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117
ZPO § 119 Abs. 1
ZPO § 119 Abs. 1 S. 2
ZPO §§ 181 f. a. F.
ZPO § 323
ZPO § 323 Abs. 3 S. 1
BGB § 1579
BGB § 1579 Nr. 1
BGB § 1579 Nr. 7
BGB § 1579 Ziffer 4
BGB § 1579 Ziffer 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 47/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., die Richterin am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 11. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

1.

Der Beklagten wird auf ihren Antrag vom 12. März 2003 hin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. G... insoweit bewilligt, als sie die Abänderung des am 6. Februar 2003 verkündeten Urteils des Amtsgerichts C. (53 F 70/01) und die Abweisung der Klage für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis einschließlich 31. Mai 2001 begehrt.

Im Übrigen wird ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

2.

Dem Kläger wird eine Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses zur Einreichung der für den gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen nach § 117 ZPO gesetzt. Dabei ist auch zu vorhandenen Vermögenswerten (insbesondere Bankguthaben) im Einzelnen Stellung zu nehmen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am im Juni 1991 die Ehe geschlossen, die kinderlos geblieben ist. Die Trennung erfolgte im Januar 1993, mit Schriftsatz vom 21. Juli 1994 wurde die Scheidung der Ehe beantragt, der Scheidungsausspruch erfolgte durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Lübben vom 23. Juni 1995 - Az.: 30 F 148/94 -.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Ehescheidung schlossen die Parteien unter dem 23. Juni 1995 vor dem Amtsgericht Lübben einen gerichtlich protokollierten Vergleich zum Ehegattenunterhalt, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte monatlich 833,57 DM zu zahlen (Bl. 35 d. A.). Dem lag ein monatliches Nettoeinkommen des Klägers von 3.200 DM abzgl. 400 DM monatlicher Fahrtkosten abzgl. 555 DM monatlicher Kreditraten bei einem monatlichen Wohngeld der Beklagten von 300 DM zugrunde.

Am 17. September 1995 wurde der Sohn M... S.... des Klägers und seiner damaligen neuen Lebenspartnerin, mit der er seit August 1998 verheiratet ist, geboren. Wegen der Geburt seines Sohnes erwirkte der Kläger unter dem 21. Februar 1996 vor dem Amtsgericht Lübben - Az.: 30 F 9/96 - ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte, mit dem ab Februar 1996 der im zuvor genannten Vergleich geregelte nachehelichen Unterhalt auf 681,00 DM herabgesetzt wurde (Bl. 39 d. A.). Mittlerweile wohnt der Kläger mit seiner neuen Familie in Bayern. Im April 1997 ist die Beklagte zunächst zu dem Zeugen J... S... nach C verzogen, im August 1997 bezog sie eine eigene Wohnung in der Z...-Strasse in C... Seit 1. Juni 2001 hat sie die ihr gekündigte eigene Wohnung aufgegeben und wohnt seither bei dem Zeugen S... in dessen Wohnung G...-Straße in C...

Die Beklagte hat bis April 1998 Sozialhilfe in unterschiedlicher Höhe bezogen. Ab Ende März 1998 bis Ende März 1999 hat die Beklagte aus unselbstständiger Tätigkeit monatlich im Durchschnitt über 1.200,00 DM netto verdient (vgl. Bl. 93 f. d. A.), anschließend sodann Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe sowie Wohngeld.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Unterhaltsanspruch sei verwirkt. Zum einen sei die Ehe kurz im Sinne des § 1579 Nr. 1 BGB gewesen, zum anderen hat er behauptet, die Klägerin führe seit etwa Frühjahr 1997 mit dem Zeugen J... S... eine eheähnliches Verhältnis. Ferner verstoße die Beklagte gegen die sie treffenden Erwerbsobliegenheiten.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2001 haben sich die Parteien u. a. dahingehend vergleichsweise geeinigt, dass der Kläger den im vorgenannten Versäumnisurteil titulierten Unterhalt vom 7. November 2000 bis einschließlich 24. Februar 2001 an die Beklagte zahlt (Bl. 74, 77 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Lübben vom 21. Februar 1996 - Az. 30 F 9/96 - dahingehend abzuändern, dass die Unterhaltsverpflichtung ab Februar 2001 entfällt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ein eheähnliches Verhältnis zum Zeugen S... und insbesondere ein dauerhaftes Einwohnen in dessen Wohnung vor dem 1. Juni 2001 bestritten. Ferner sei sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Zustellung der Klageschrift ist an der Anschrift G..-Straße in C... unter dem 24. Februar 2001 durch Niederlegung erfolgt (Bl. 4 d. A.).

Das Amtsgericht hat den Zeugen J... P.... S... vernommen, wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2003 verwiesen (Bl. 182 ff. d. A.).

Mit dem am 6. Februar 2003 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht C... der Klage stattgegeben und sich zur Begründung auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, im Wesentlichen wegen der kurzen Ehedauer und die Aufnahme einer festen eheähnlichen Lebensgemeinschaft durch die Beklagte, berufen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, für deren Durchführung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

II.

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, soweit er den Abänderungszeitraum ab dem 1. Juni 2001 betrifft, da der Berufung insoweit die notwendige Aussicht auf Erfolg fehlt, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO. Nur für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis zum 31. Mai 2001 besteht dagegen für die eingelegte Berufung Aussicht auf Erfolg.

1. Abänderungszeitraum 1. Februar 2001 bis 31. Mai 2001

Hinsichtlich des Abänderungszeitraum 1. Februar 2001 bis 31. Mai 2001 hat das Amtsgericht trotz entsprechender erstinstanzlicher Rügen der Beklagten die Voraussetzungen des § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO offenkundig nicht beachtet. Der insofern darlegungsbelastete Kläger hat schon nicht ausreichend substanziiert vorgetragen, dass die Beklagte vor dem 1. Juni 2001 die Wohnung mit dem Zeugen S. geteilt und damit eine Wohnung im Sinne der §§ 181 f. ZPO a. F. inne hatte. Im Übrigen war bislang unstreitig, dass die Beklagte jedenfalls hauptsächlich ihre Wohnung in der Z...-Straße in C. bis zum 30. Mai 2001 hatte, wie es auch dem Sachvortrag der Parteien im Verfahren 9 UF 34/01 entsprach. Kennt aber der Zustellende bei mehreren Wohnungen die wirkliche Wohnung, so hat er die Zustellung dort zu veranlassen (vgl. auch Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 181 Rn. 8).

In jedem Falle käme jedoch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2001 von den Parteien geschlossenen Vergleichs (Bl. 77 d. A.) eine Abänderung bis zum 24. Februar 2001 nicht in Betracht.

2. Abänderungszeitraum ab dem 1. Juni 2001

Für die Zeit ab dem 1. Juni 2001 ist der vormals bestehende Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 BGB verwirkt, insoweit stellt sich die angefochtene Entscheidung als zutreffend dar.

a. Darlegung der Abänderungsvoraussetzungen

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, der Kläger habe bereits nicht in schlüssiger Weise zu den Voraussetzungen der erhobenen Abänderungsklage vorgetragen, ist ihr zwar im Grundsatz zuzustimmen. Für die Abänderung des durch das am 21. Februar 1996 verkündete Versäumnisurteil des Amtsgerichts Lübben titulierten Unterhaltsanspruch ist es erforderlich, dass der Abänderungskläger im Einzelnen zu den Grundlagen der Unterhaltsfestsetzung im Zeitpunkt der Titulierung vorträgt. Bezogen auf das Versäumnisurteil bedeutet dies nach der herrschenden Meinung, dass die dem Versäumnisurteil zu Grunde gelegten, also durch den Kläger vorgebrachten und als zugestanden (§ 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu wertenden Tatsachen - und nicht die tatsächlichen Verhältnisse - darzutun sind (herrschende Ansicht, vgl. OLG Köln FamRZ 2002, 471; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 61. Aufl. 2003, § 323 Rn. 34; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl. 2003 Rn. 2383). Dafür muss der Kläger insbesondere die Klageschrift aus den dem Versäumnisurteil zu Grunde liegenden Verfahren einreichen oder zumindest im Einzelnen zum Inhalt der Klageschrift vortragen. Dies ist bislang jedenfalls nicht in ausreichendem Maße geschehen. Insoweit kann nicht beurteilt werden, ob und in welchem Umfang sich die tatsächlichen Verhältnisse seit dem Versäumnisurteil verändert haben und inwieweit deshalb die Abänderungsklage nach § 323 ZPO zulässig und begründet ist.

Aus diesem Grund kann sich der Kläger auch nicht auf den Verwirkungsgrund einer kurzen Ehe im Sinne von § 1579 Nr. 1 ZPO berufen. Über die vollständige oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts aus Gründen der Billigkeit ist bereits im ursprünglichen Unterhaltsprozess zu befinden, sofern die dafür maßgebenden tatsächlichen Gründe bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung bestanden (BGH FamRZ 2001, 905, 906). Ob unter Berücksichtigung der vorangestellten Ausführungen zu den Alttatsachen dem Versäumnisurteil sämtliche Tatsachen zu Grunde lagen, die eine kurze Ehedauer begründen würden (insbesondere das Datum der Eheschließung und der Zustellung des Scheidungsantrages), ist zu vermuten, könnte aber abschließend erst beurteilt werden, wenn ein eingehender Vortrag des Klägers hierzu vorläge. Da es hieran fehlt und der Kläger für das Vorliegen eines Verwirkungseinwandes insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist, ist zu seinen Lasten derzeit davon auszugehen, dass sämtliche den Verwirkungseinwand der kurzen Ehedauer begründenden Tatsachen bereits innerhalb des Verfahrens Amtsgericht Lübben - Az.: 30 F 9/96 - vorgetragen waren. b. Verwirkung gem. § 1579 Nr. 7 BGB

Die gebotene Darlegung der Grundlagen des abzuändernden Titels ist hier aber deshalb nicht erforderlich, weil aufgrund von Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien das Bestehen eines Verwirkungsgrundes nach § 1579 Nr. 7 BGB feststeht und die dafür maßgeblichen Änderungsgründe erst nach dem Erlass des Versäumnisurteils entstanden sind.

aa. Verwirkung für die Zeit ab Juni 2003

Ein nach Rechtskraft der Ehescheidung begründetes Verhältnis im Sinne einer festen sozialen Verbindung rechtfertigt die Anwendung des § 1579 Ziffer 7 BGB dann, wenn das Verhältnis als einer Ehe gleichstehend anzusehen ist (BGH FamRZ 2002, 810, 811; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. 2002, Rn. 1120 m. w. N. in Fußnote 502). Indizien für eine solche feste soziale Verbindung sind insbesondere das gemeinsame Wohnen und Wirtschaften oder die Aufnahme langjähriger sexueller Beziehungen, ohne dass diese Umstände alle zwingend vorliegen müssen (so für fehlende sexuelle Beziehung BGH, a. a. O., S. 812).

Für eine solche feste Verbindung bestehen im vorliegenden Fall hinreichende Indizien. So wohnt die Beklagte seit Juni 2001 bei dem Zeugen S... Nach dessen - von den Parteien insofern auch nicht angezweifelten - Aussage vor dem Amtsgericht kocht sie für ihn und wäscht auch seine Wäsche mit, ferner kommt es gelegentlich zu sexuellen Kontakten. Mag auch im Übrigen jeder Lebenspartner nach der Aussage des Zeugen S... seinen eigenen Weg gehen und nach dessen subjektiver Einschätzung für ihn keine echte Partnerschaft mit der Beklagten bestehen, so liegt doch objektiv betrachtet die Aufnahme einer neuen Partnerschaft vor, die eheersetzende Funktion hat. Dafür spricht auch insbesondere der Umstand, dass sich die Beklagte und der Zeuge S.. seit 1997 kennen, auch bereits 1997 für etwa vier Monate in einer Wohnung zusammen gelebt haben und ihre Beziehung - mag diese auch nach derzeitigem Stand der Beweisaufnahme nicht geschlechtlicher Natur gewesen sein - im Folgenden aufrechterhalten haben. Auch wenn der Senat innerhalb des die Parteien des hiesigen Verfahrens ebenfalls betreffenden Urteils vom 24. Oktober 2002 - 9 UF 34/01 - ausgeführt hat, dass bis Mai 2001 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und dem Zeugen S... nicht angenommen werden könne (Seite 5 des vorgenannten Urteils), schließt dies jedenfalls nicht die zukünftige Aufnahme einer solchen Lebensgemeinschaft im Sinne einer festen sozialen Bindung aus.

Von einer Verfestigung im oben dargestellten Sinne kann bei einer Lebensgemeinschaft regelmäßig erst dann ausgegangen werden, wenn diese Gemeinschaft zwei bis drei Jahre besteht (BGH a. a. O. S. 811; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a. a. O. Rn. 1121 m. w. N. in Fußnote 514). Ab dem Zeitpunkt, ab dem sich die Gemeinschaft in dieser Form darstellt, kann die aus der nachwirkenden Eheverantwortung fließenden Pflicht zur Unterhaltung zurücktreten und eine Herabsetzung oder Begrenzung bis hin zur Versagung des weiteren Unterhalts rechtfertigen (Kalthoener/Büttner, a. a. O. Rn. 1121). Hier bestehen jedenfalls keine Bedenken, spätestens ab dem 1. Juni 2003, das heißt nach einer Dauer von zwei Jahren des erneuten gemeinschaftlichen Zusammenwohnens, den Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB wegen der Aufnahme einer festen sozialen Verbindung zu bejahen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Beklagte und der Zeuge S. bereits in der Vergangenheit kurzzeitig zusammengelebt und zumindest ein kurzzeitiges Verhältnis begründet hatten. Die spätere Wiederaufnahme und Aufrechterhaltung dieses Verhältnisses lässt bereits nach zwei Jahren den Schluss darauf zu, dass eine hinreichend feste soziale Verbindung gegeben ist.

bb. Verwirkung in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. Mai 2003

Es liegen insoweit ansatzweise mehrere Verwirkungsgründe vor, die qualitativ zwar jeder für sich betrachtet nicht ausreichen würden, um einen Verwirkungseinwand zu begründen, wohl aber in ihrer Gesamtheit einen ausreichenden Grund bilden.

(1).

Als Verwirkungseinwand ist zunächst derjenige einer kurzen Ehe zu berücksichtigen.

Dabei sei klargestellt, dass es sich hierbei nicht um den Verwirkungseinwand des § 1579 Nr. 1 BGB handelt. Bei diesem kommt es ausschließlich auf die kurze Dauer der Ehe an; das Hinzutreten weiterer Umstände kann insoweit für § 1579 Nr. 1 BGB keine (wesentliche) Rolle spielen. Hierauf hätte sich der Kläger aber bereits innerhalb des dem Versäumnisurteil zu Grunde liegenden Verfahrens berufen müssen; davon ist nach derzeitigem Stand zu seinen Lasten, wie bereits dargestellt, nicht auszugehen.

Der Verwirkungseinwand einer kurzen Ehe kann jedoch dann, wenn in der Ehe keine wechselseitigen Abhängigkeiten begründet worden sind, die Bedürftigkeit nicht ehebedingt ist und weitere, den Unterhaltsverpflichtenden besonders belastende Elemente hinzutreten, eine unbefristete Gewährung von nachehelichem Unterhalt als grob unbillig erscheinen lassen (BGH FamRZ 1988, 930, 932; FamRZ 1986, 443, 444; OLG Köln FamRZ 1999, 93, 94; Brandenburgisches Oberlandesgericht FamRZ 1996, 866, 867; Wendl/Staudigl-Gerhardt, a. a. O., § 4 Rn. 758).

Am Vorliegen einer kurzen Ehe in diesem Sinne bestehen keine Bedenken, da bis zur Einreichung des Scheidungsantrages die Ehe etwa drei Jahre und einen Monat gedauert hat, wonach die Voraussetzungen einer kurzen Ehe im Sinne des § 1579 Nr. 1 BGB - die regelmäßig bei bis zu drei Jahren Ehedauer gesehen wird - nur geringfügig überschritten wird.

Ehebedingte Nachteile hinsichtlich der Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit sind bei der Beklagten nicht erkennbar. Sie hat während des Bestehens der Ehe zumindest stundenweise gearbeitet, später Erwerbstätigkeiten jedenfalls in Teilzeiträumen ausgeübt. Soweit sie sich darauf berufen hat, dass sie (nunmehr) gesundheitlichen Einschränkungen unterliege, die auf Misshandlungen durch den Kläger während der Ehezeit zurückzuführen sind, hat sie dieses durch den Kläger bestrittene Vorbringen hinsichtlich der Misshandlungen nicht im Einzelnen substanziiert und zudem nicht unter Beweis gestellt. Im Übrigen spricht die Art der sich aus den von ihr eingereichten ärztlichen Attesten (Bl. 180, 247) ergebenden Erkrankungen nicht dafür, dass diese kausal auf körperliche Misshandlungen durch den Kläger zurückzuführen sind.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass ihr Vorbringen bislang ebenfalls noch nicht ausreichend dafür ist, um feststellen zu können, dass sie einer Erwerbstätigkeit, zu deren Ausübung sie grundsätzlich gegenüber dem Kläger verpflichtet wäre, nicht nachkommen kann.

Hinzu kommt, dass die Ehe kinderlos geblieben und auch von daher keine ehebedingten Nachteile bei der Beklagten entstanden sind. Auf Seiten des Klägers ist dagegen nach der Ehescheidung mit der Beklagten eine weitere Unterhaltsverpflichtung für seinen 1995 geborenen Sohn entstanden. Gerade solche Umstände sind aber für den auf § 1579 Nr. 7 BGB gestützten Verwirkungseinwand eines kurzen ehelichen Zusammenlebens von besonderer Bedeutung (siehe auch BGH FamRZ 1988, 930).

Nachdem am 1. Juni 2001 das tatsächliche eheliche Zusammenleben nur etwa 1,5 Jahre andauerte, das Stellen des Scheidungsantrages weitere rund 1,5 Jahre zurücklag, und die Ehe am 1. Juni 2001 bereits ca. 6 Jahre lang rechtskräftig geschieden war, bestehen unter Berücksichtigung der weiter dargelegten Umstände keine Bedenken, den Unterhaltsanspruch ab dem 1. Juni 2001 entfallen zu lassen.

(2).

Ob sich der Kläger möglicherweise schon innerhalb des dem Versäumnisurteil zu Grunde liegenden Verfahrens auf diesen Verwirkungsgrund hätte berufen können, spielt keine Rolle.

Ungleich bedeutsamer als beim Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 1 BGB ist für den Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB aber die Gesamtbetrachtung sämtlicher die ehemaligen Ehegatten betreffender Umstände. Insoweit können solche Verwirkungsgründe des § 1579 Nr. 7 BGB, die vormals (möglicherweise) präkludiert oder isoliert betrachtet nicht die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen, durch das Hinzutreten späterer Umstände gleichwohl zu einer Verwirkung führen. Dies ist hier unter Berücksichtigung der spätestens seit 1. Juni 2001 bestehenden festen sozialen Bindung der Fall. Auch die feste soziale Verbindung mag zwar zum 1. Juni 2001 für sich allein betrachtet noch nicht ausreichend sein, einen Verwirkungsgrund gem. § 1579 Nr. 7 BGB darzustellen, da die Mindestfrist von 2 Jahren noch nicht verstrichen war. Im Zusammenhang mit der kurzen Ehedauer ist diese feste soziale Verbindung aber als Verwirkungseinwand zu beachten.

(3).

Bereits die zuvor genannten Umstände rechtfertigen den Verwirkungseinwand für die Zeit ab Juni 2001. Darüber hinaus ist als weiterer Umstand zu berücksichtigen, dass nach derzeitigem Stand die Beklagte im Jahre 2000 noch die Vollstreckung aus dem Vergleich gegen den Kläger betrieben hat, obgleich zu diesem Zeitpunkt bereits der im Vergleich festgelegte Unterhalt durch das Versäumnisurteil auf einen niedrigeren Unterhaltsbetrag rechtskräftig abgeändert worden war. Dem Vorbringen des Klägers aus seinem Schriftsatz vom 3. August 2001 sowie der beigefügten eidesstattlichen Versicherung (Bl. 29, 31 d. A.) ist die Beklagte - jedenfalls soweit es das Jahr 2000 betrifft - bislang nicht entgegengetreten. Insoweit stellt sich ihr Verhalten als grob rücksichtslos gegenüber den Vermögensinteressen des Klägers dar. Dies erfüllt zwar isoliert betrachtet ebenfalls noch nicht die Voraussetzungen des § 1579 Ziffer 4 BGB, wohl aber im Zusammenhang mit den weiteren Einwendungen die Verwirkung nach § 1579 Nr. 7 BGB.

3.

Für den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten wird unabhängig von den noch ausstehenden Unterlagen darauf hingewiesen, dass wegen des eindeutigen Übergehens der Rechtsvorschrift des § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Gunsten des Klägers für den Abänderungszeitraum 1. Februar 2001 bis 31. Mai 2001 nicht in Betracht kommt, obgleich für seine Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten die Erfolgsaussichten nach § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO keine Rolle spielen. Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO findet dann keine Anwendung, wenn das Urteil offensichtlich falsch und die Rechtsverteidigung daher schlechthin aussichtslos ist (OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 416; OLG Köln VersR 1981, 488, 489; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl. 2003 § 119 ZPO Rn. 56; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a. a. O. § 119 Rn. 59 a. E.; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl. 2003 § 119 Rn. 17; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003 § 119 Rn. 13). Dies ist hier für die Abänderung vor dem 1. Juni 2001, wie bereits dargestellt, der Fall.

Ende der Entscheidung

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