Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: 9 UF 84/02
Rechtsgebiete: GKG, BGB, VAÜG


Vorschriften:

GKG § 8 Abs. 1
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 5
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 1
BGB § 1587 b Abs. 6
VAÜG § 1
VAÜG § 1 Abs. 1
VAÜG § 1 Abs. 2
VAÜG § 1 Abs. 3
VAÜG § 2 Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Nr. 2
VAÜG § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
VAÜG § 3 Abs. 2
VAÜG § 3 Abs. 2 Nr. 1 a
VAÜG § 3 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 84/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen die in dem am 14. März 2002 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Guben zu Ziff. III getroffene Entscheidung zum Versorgungsausgleich durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 27. Juni 2002

im schriftlichen Verfahren

beschlossen:

Tenor:

Vom Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zur Versicherungsnummer ... werden auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Brandenburg zur Versicherungsnummer ... Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 0,64 €, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. Januar 2000, übertragen.

Die zu übertragenden Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung des ersten Rechtszugs.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gemäß § 8 Abs. 1 GKG wird von der Erhebung von Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz abgesehen.

Der Beschwerdewert wird auf 511,29 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Brandenburg hat auch in der Sache Erfolg.

Mit Recht macht sie geltend, dass das Amtsgericht seiner Entscheidung eine fehlerhafte Ehezeitauskunft für den Antragsgegner zu Grunde gelegt hat.

In der gesetzlichen Rentenversicherung hat die Antragstellerin während der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB, das ist die Zeit vom 1. August 1971 bis zum 31. Januar 2000, nach Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 22. Mai 2000 angleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 581,83 € erworben und der Antragsgegner nach der neu erteilten Auskunft der Landesversicherungsanstalt Brandenburg vom 2. April 2002 angleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 583,48 € erworben.

Nach den Auskünften der ... Lebensversicherung-AG vom 10. Mai 2000 und der V... vom 3. April 2000 haben beide Parteien Anrechte in einer privaten Leibrentenversicherung in der Ehezeit erworben; das Deckungskapital beträgt für die Antragstellerin 2.481,86 DM und für den Antragsgegner 1.232,90 DM.

Die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung und privaten Lebensversicherungen sind bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen, §§ 1587 Abs. 1, 1587 a Abs. 2 Nr. 2 und 5 BGB.

Auf Grund der von den Parteien erworbenen angleichungsdynamischen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung gelten gemäß § 1 Abs. 1 VAÜG für den Versorgungsausgleich die Regelungen des VAÜG. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs richtet sich nach § 2 Abs. 1 VAÜG. Nach dieser Vorschrift ist der Versorgungsausgleich nur dann durchzuführen, wenn

1. die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anwartschaften minderer Art erworben haben und

a. nur angleichungsdynamische Anwartschaften zu berücksichtigen sind oder

b. der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anwartschaften auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erworben hat;

2. die Voraussetzungen der Nr. 1 nicht vorliegen, aus einem im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht auf Grund des Versorgungsausgleichs jedoch Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären.

Da der Antragsgegner bereits seit dem 1. Mai 2001 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht, liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG dann vor, wenn er ausgleichsberechtigt ist.

Bei den in der privaten Leibrentenversicherung erworbenen Anrechten handelt es sich um statische Rechte, d. h., diese Anrechte sind - anders als Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung - nicht dynamisch, da ihnen ein Deckungskapital zu Grunde liegt (Möller in: Beck'sches Richterhandbuch 1995 S. 735 Rn. 46). Es handelt sich bei diesen Anrechten also weder um nichtangleichungsdynamische noch um angleichungsdynamische Anrechte. Diese Anrechte stellen auch keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art i. S. v. § 1 Abs. 3 VAÜG dar. Angleichungsdynamische Anrechte minderer Art sind im Beitrittsgebiet erworbene Anrechte, deren Wert bis zur Einkommensangleichung in stärkerer Weise steigt als der Wert entsprechender Anrechte, die im übrigen Bundesgebiet erworben worden sind, aber in minderer Weise als der Wert der in § 1 Abs. 2 VAÜG bezeichneten Anrechte, § 1 Abs. 3 VAÜG. Da an den steigenden Wert der Anrechte angeknüpft wird, können nur dynamische und deshalb keine statischen Rechte angleichungsdynamische Anrechte minderer Art sein.

Vor der Feststellung, ob der Antragsgegner hier ausgleichsberechtigt ist, und damit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG vorliegen, ist zuvor die Bewertung der nicht regeldynamischen, statischen Anrechte vorzunehmen; sodann sind diese umbewerteten Anrechte in die Ausgleichsbilanz einzustellen.

Für die Bewertung und die Ausgleichsart bezüglich der privaten Leibrentenversicherungen gilt: Alle im Beitrittsgebiet erworbenen Anrechte, die eine geringere Wertsteigerung haben als die gesetzliche Rentenversicherung in den alten Bundesländern, fallen nicht unter § 1 VAÜG, sondern unterliegen den allgemeinen Vorschriften über die Wertermittlung und über die (Art der) Durchführung des Ausgleichs im BGB und im VAHRG (MünchKomm-Sander, BGB, 3. Aufl. 1993 § 1 VAÜG Rn. 11; Eißler, Der Versorgungsausgleich, 2. Aufl. 1995 S. 30 Rn. 119). Nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB ist daher diejenige Regelaltersrente zu Grunde zu legen, die sich ergibt, wenn der während der Ehezeit gebildete Teil des Deckungskapitals als Beitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet würde. Dies ergibt folgende monatlichen regeldynamischen (nichtangleichungsdynamischen) Anrechte (vgl. dazu die Tabelle Ziff. VI. 1. für die vereinfachte Umwertung nicht volldynamischer Anrechte bei Brudermüller/ Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht, 23. Aufl., S. 307):

Antragstellerin 2.481,80 DM x 0,0045898631 = 11,39 DM = 5,82 €

Antragsgegner 1.232,90 DM x 0,0045898631 = 5,66 DM = 2,89 €

Die Ausgleichsbilanz ergibt folgende Anrechte:

 AntragstellerinAntragsgegner
5,82 €2,89 € monatliche nichtangleichungsdynamische Anrechte
581,83€ 583,48 € monatliche angleichungsdynamische Anrechte

Damit hat die Antragstellerin die höheren nichtangleichungsdynamischen, aber die niedrigeren angleichungsdynamischen Anwartschaften erworben.

Da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VAÜG hier vorliegen, da der Antragsgegner eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bereits bezieht, gelten für die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Leistungsfall die in § 3 Abs. 2 VAÜG getroffenen Regelungen. Da auch im Leistungsfall angleichungsdynamische und nichtangleichungsdynamische Anrechte auf Grund ihrer unterschiedlichen Dynamik nicht miteinander saldiert werden können, ist hier - ebenso wie bei den statischen Anrechten - eine Umwertung der Anrechte erforderlich, um die notwendige Vergleichbarkeit herzustellen. Diese Wertermittlung richtet sich bei einem angleichungsdynamischen Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG) nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 a VAÜG, wonach der aktuelle Rentenwert/Ost zum Ende der Ehezeit mit dem Angleichungsfaktor zu vervielfältigen ist. Im Ergebnis führt die Umwertung zu einem (fiktiven) regeldynamischen Anrecht. Von den beiden denkbaren Bewertungsmöglichkeiten, nämlich der Umwertung aller Anrechte entweder in angleichungsdynamische oder in regeldynamische, hat sich der Gesetzgeber für die letztgenannte Variante entschieden. Dies ist auch konsequent, wenn berücksichtigt wird, dass die Angleichungsdynamik lediglich eine vorläufige Bewertung der Höchstanrechte auf ihrem Weg hin zu dem aktuellen Rentenwert/West ist.

Die Angleichungsfaktoren ergeben sich aus dem Verhältnis der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes/Ost zu der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes/West und werden regelmäßig, zuletzt jeweils mit Wirkung zum 1. Juli für die Dauer eines Jahres, durch Rechtsverordnung aktualisiert. Der maßgebende Angleichungsfaktor ist anhand des Datums des Ehezeitendes und des Datums der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu bestimmen.

Bei einem Ehezeitende am 1. Januar 2000 und dem Entscheidungszeitpunkt des Oberlandesgerichts am 27. Juni 2002 ergibt sich ein Angleichungsfaktor von 1,0018262. Dies führt zu folgender Ausgleichsbilanz:

Antragstellerin

angleichungsdynamische Anrechte 581,83 € x 1,0018262 = 582,89 € nichtangleichungsdynamische Anrechte 5,82 € insgesamt: 588,71 €

Antragsgegner

angleichungsdynamische Anrechte 583,48 € x 1,0018262 = 584,55 € nichtangleichungsdynamische Anrechte 2,89 € insgesamt: 587,44 €

Der Wertunterschied beider Anwartschaften beträgt 1,27 €, die dem Antragsgegner zu übertragende Hälfte hiervon beträgt 0,64 €.

Gemäß § 1587 b Abs. 6 war anzuordnen, dass die zu übertragenden Anwartschaften in Entgeltpunkte umzurechnen sind.

Eine weitere Anordnung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VAÜG war nicht zu treffen, denn diese ist nur dann zu treffen, wenn die angleichungsdynamischen Anrechte des ausgleichungsverpflichteten Ehegatten höher sind als die angleichungsdynamischen Anrechte des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Dies ist hier nicht der Fall, da die ausgleichsverpflichtete Antragstellerin die geringeren angleichungsdynamischen Anrechte hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 93 a ZPO, 8 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück