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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: 9 UF 90/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 538
ZPO § 613
ZPO § 629 Abs. 1
ZPO § 629 b Abs. 1
ZPO § 629 b Abs. 1 Satz 1
BGB § 1565 Abs. 1
BGB § 1566 Abs. 1
BGB § 1567 Abs. 2
BGB § 1568
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 3. Juli 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Cottbus - Az. 97 F 312/07 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem Gericht des ersten Rechtszuges vorbehalten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.700,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der am ... Oktober 1940 geborene Antragsteller und die am ... Oktober 1951 geborene Antragsgegnerin, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 23. August 2002 vor dem Standesamt in C. die - kinderlos gebliebene - Ehe geschlossen.

Unstreitig leben die Eheleute jedenfalls seit dem 1. November 2007 ununterbrochen getrennt.

Mit seinem am 28. Februar 2008 zugestellten Antrag hat der Antragsteller die Ehescheidung begehrt. Er hat behauptet, die Parteien hätten sich bereits im März 2007 in der Weise getrennt, dass die Antragsgegnerin eine eigene Wohnung bezogen habe. Zwei Versöhnungsversuche in der Folgezeit seien Ende Oktober/Anfang November 2007 gescheitert. Die Ehe sei so zerrüttet, dass die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller sogar wegen vermeintlicher Zahlungsansprüche gerichtlich vorgehe; im Übrigen hätten sich die Parteien seit 2005 wechselseitig mit einer Vielzahl von Strafanzeigen überzogen.

Die Antragstellerin ist dem Scheidungsantrag unter Hinweis auf das noch nicht abgelaufene Trennungsjahr entgegengetreten. Sie hat einen allerdings im November 2007 gescheiterten Versöhnungsversuch ab Mai 2007 mit Rückkehr in das eheliche Haus behauptet.

Mit Urteil vom 3. Juli 2008 hat das Amtsgericht den Scheidungsantrag zurückgewiesen, weil nicht feststehe, dass die Ehegatten bereits seit einem Jahr getrennt lebten. Im Ergebnis der Anhörung der Parteien am 23. Juni 2008 sei davon auszugehen, dass die Eheleute sich in den Monaten vor November 2007 ernsthaft versöhnt hätten, weil sie im Herbst des Jahres gemeinsam Renovierungen am Haus durchgeführt hätten, die Ehefrau im September 2007 ihre Wohnung gekündigt habe und beide Parteien im Oktober 2007 einen gemeinsamen Urlaub geplant hätten. Bei dieser Sachlage könne von kurzfristigen (gescheiterten) Versöhnungsversuchen, die ohne Relevanz für das Trennungsjahr blieben, nicht die Rede sein. Gründe, die es als unzumutbar erscheinen ließen, den Antragsteller an der Ehe festzuhalten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Gegen dieses ihm am 8. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Antragsteller mit einem am 24. Juli 2008 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 8. September 2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Er verfolgt seinen Scheidungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens zu den aus seiner Sicht für den Lauf des Trennungsjahres unerheblichen Versöhnungsversuchen weiter.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die am 23. August 2002 vor dem Standesamt C. zur Heiratsregister-Nr. 206 a/2002 geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil sich der Antragsteller mit der Entscheidung des Amtsgerichts überhaupt nicht auseinandersetze. Im Übrigen verteidigt sie die angefochtene Entscheidung mit dem Hinweis auf das noch nicht abgelaufene Trennungsjahr und näherer Darlegung insbesondere zur Ausgestaltung des Zusammenlebens der Parteien zwischen Mai und dem 1. November 2007.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Beide Parteien sind vom Berufungsgericht gemäß § 613 ZPO angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom heutigen Tage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Antragstellers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin genügt die Berufungsbegründung auch inhaltlich den an sie gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden Anforderungen. Der Antragsteller führt mit näherer Darlegung aus, dass das tatsächlich unstreitige zeitweise erneute Zusammenleben der Parteien im Jahre 2007 als Versöhnungsversuch zu qualifizieren sei und mit Blick auf § 1567 Abs. 2 BGB ohne Relevanz auf den Lauf des Trennungsjahres bleiben müsse und deshalb die - jedenfalls zerrüttete - Ehe zu scheiden sei. Damit ist den gesetzlichen Begründungserfordernissen der Berufung jedenfalls Genüge getan.

2. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil gemäß § 629 b Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

Die Voraussetzungen für die Ehescheidung im Sinne von § 1565 Abs. 1 BGB liegen jedenfalls inzwischen vor.

Ungeachtet der Streitigkeiten über die rechtliche Qualifizierung der Versöhnung(sversuche) der Parteien in der Zeit zwischen Pfingsten und November 2007 ist das Trennungsjahr jedenfalls zwischenzeitlich abgelaufen, nachdem die Parteien unstreitig seit dem 1. November 2007 getrennt leben.

Derzeit kann nicht festgestellt werden, ob die unwiderlegbare Zerrüttungsvermutung des § 1566 Abs. 1 BGB eingreift, da die Antragsgegnerin bis heute weder einen eigenen Ehescheidungsantrag gestellt noch auch nur dem Scheidungsantrag des Antragstellers zugestimmt hat. Die Anhörung der Parteien gemäß § 613 ZPO in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am heutigen Tage hat aber ergeben, dass die Antragsgegnerin ebenso wie der Antragsteller keine Fortführung der Ehe wünscht.

Selbst wenn die Antragsgegnerin auch mit ihren heutigen Ausführungen ihre Zustimmung zur Ehescheidung noch nicht ausdrücklich erklärt hat, sind jedenfalls die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 1 BGB zu bejahen, da sich nicht nur der Antragsteller, sondern auch die Antragsgegnerin erkennbar endgültig von der Ehe abgewandt hat und daher die Zerrüttung der Ehe im Sinne der genannten Vorschrift festgestellt werden kann.

Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme, dass die unstreitig gescheiterte Ehe unter Berücksichtigung der Härteklausel des § 1568 BGB aufrechtzuerhalten wäre, sind von der Antragsgegnerin nicht ansatzweise vorgetragen oder auch nur sonst ersichtlich.

Obwohl danach jedenfalls heute die Voraussetzungen für die Ehescheidung vorliegen, ist es dem Senat versagt, diese auszusprechen, da die Folgesache Versorgungsausgleich (§ 623 Abs. 1 ZPO) noch beim Amtsgericht zur Entscheidung ansteht.

Wird Berufung gegen das den Antrag auf Ehescheidung abweisende erstinstanzliche Urteil eingelegt und stehen zudem Folgesachen zur Entscheidung an, ist die Regelung des § 629 b Abs. 1 Satz 1 ZPO zu beachten. Danach kann das Berufungsgericht entweder die Berufung zurückweisen, weil die Voraussetzungen für eine Ehescheidung weiterhin nicht vorliegen, oder die erstinstanzliche Entscheidung ist aufzuheben und das Verfahren zur Fortführung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, wenn im Zeitpunkt der Verhandlung des Berufungsgerichts dem Scheidungsantrag stattzugeben wäre, was vorliegend der Fall ist. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist einzig die Frage, ob die Ehe zu scheiden ist; mit der Folgesache ist das Berufungsgericht nicht befasst und kann daher dazu auch keine Feststellungen treffen (vgl. BGH NJW 1997, 1007/1008; erkennender Senat, FamRZ 2003, 1192; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1193; OLG Naumburg FamRZ 2007, 298; OLG Koblenz, FamRZ 2008, 996).

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung ist mit Blick auf die weiterhin ausstehende Sachentscheidung durch das erneut mit der Sache befasste Amtsgericht zu treffen und hat dann auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erfassen. Diese bei Aufhebungen und Zurückverweisungen nach § 538 ZPO allgemein anerkannte Rechtsfolge für die Kostenentscheidung (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 538 Rdnr. 58 mit weiteren Nachweisen) gilt nach Ansicht des Senates uneingeschränkt auch für den Aufhebungstatbestand des § 629 Abs. 1 ZPO.

Soweit die Berufungsgerichte auch im Falle des § 629 b Abs. 1 ZPO vereinzelt selbst über die Kosten des Berufungsverfahrens entschieden haben und der Bundesgerichtshof dies nicht beanstandet hat (vgl. BGH NJW 1997, 1007/1008), steht dies einer Zuweisung der Kostenentscheidung an die erste Instanz nicht entgegen (vgl. erkennender Senat, a.a.O.; OLG Dresden a.a.O; OLG Naumburg a.a.O.). Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt für den hier vorliegenden Fall, dass sich eine Kostenentscheidung nach § 97 Abs. 2 ZPO oder auch nur in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift nicht aufdrängt, weshalb auch eine Niederschlagung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren nach § 21 GKG nicht veranlasst ist. Das Zusammenleben der Parteien in der Zeit zwischen Mai (Pfingsten) und Ende Oktober 2007 gestaltete sich nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien eher schwierig als harmonisch. Zwar haben die Parteien unstreitig ab Sommer 2007 das Schlafzimmer in der (vormals und wieder) ehelichen Wohnung renoviert, neue Möbel angeschafft und einen gemeinsamen Urlaub geplant. Die Antragsgegnerin hat ihre im April 2007 angemietete Wohnung schließlich im September 2007 gekündigt. Diese Umstände mögen für eine echte Absicht, von der Trennung Abstand zu nehmen und die Ehe retten zu wollen, sprechen. Andererseits hat die Antragsgegnerin selbst vorgetragen, auch nach Wiedereinzug in die eheliche Wohnung im Mai 2007 habe sie "aufgrund von Gewalttätigkeiten und Aussperrungen (...) zwischenzeitlich immer wieder kurzfristig in meiner Wohnung übernachtet" und ferner bis zur Wohnungskündigung im September 2007 - so die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 26. September 2008 - "immer damit rechnen (müssen), von dem Berufungskläger auf die Straße gesetzt zu werden." Dies könnte dafür sprechen, dass sich ein versöhnliches Zusammenleben der Parteien im engeren Sinne auf die Monate September und Oktober 2007 beschränkt hat, was wiederum ein für den Lauf des Trennungsjahres irrelevanter kürzerer Zeitraum im Sinne des § 1567 Abs. 2 BGB wäre.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 48 Abs. 2 und 3 GKG.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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