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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 9 WF 111/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO §§ 567 ff
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 111/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding als Einzelrichterin

am 4. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird diesem unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 12.03.2007 - Az.: 51 F 351/06 - ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage mit Ausnahme der Forderung von rückständigem Unterhalt für Dezember 2005 in Höhe von 67,44 € bewilligt und Rechtsanwalt D... K... in C... beigeordnet. Die Bewilligung gilt rückwirkend ab dem 28.12.2006.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet. Die Rechtsverteidigung des Beklagten bietet mit Ausnahme der Verteidigung gegen einen Teil der Forderung für Dezember 2005 hinreichende Aussicht auf Erfolg; Bedürftigkeit ist nachgewiesen, § 114 ZPO.

Der Beklagte beruft sich gegenüber dem Anspruch auf Leistung von Kindesunterhalt mit Aussicht auf Erfolg auf Leistungsunfähigkeit. Dem Beklagten obliegt zwar eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gemäß § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gegenüber seinem minderjährigen Sohn. Seine Leistungsunfähigkeit, die angesichts des geringen aus der "Ich-AG" bezogenen Einkommens unzweifelhaft besteht, ist gleichwohl zu berücksichtigen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte nicht ausreichend dargelegt hat, sich hinreichend um eine abhängige Beschäftigung bemüht zu haben, lässt dies noch nicht den Schluss auf seine fiktive Leistungsfähigkeit in der vom Amtsgericht angenommenen Höhe zu. Die fiktive Leistungsfähigkeit ist nicht pauschal, sondern anhand der konkreten Umstände des Falles zu beurteilen. Zugerechnet werden kann dem Beklagten nur ein Einkommen wie er es bei Einsatz seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten tatsächlich hätte erzielen können (BGH, FamRZ 1996, 345; Wendl/ Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6.A., § 2 Rz. 146). Hier hat der Beklagte bevor er arbeitslos wurde, als Maler in einer Vollzeitbeschäftigung lediglich 1.096,27 € netto monatlich erzielt. Dass er in dem erlernten Beruf bei einem Alter von über 50 Jahren und der bekannten schlechten Situation gerade im Baugewerbe ein höheres Einkommen erzielen könnte, ist nicht ersichtlich und kann nicht ohne nähere Anhaltspunkte unterstellt werden.

Durch seine selbstständige Tätigkeit hat er aufgrund der gewährten Zuschüsse zunächst sogar 1.147,50 € netto verdient, vom 01.01.2006 bis zum 30.08.2006 noch 1.077,94 €. Sein Einkommen lag damit zunächst über dem zuvor erzielten, sodann nur geringfügig niedriger. Erst seit dem 01.09.2006 sind die Einnahmen deutlich geringer. Hätte der Beklagte nicht mehr im erlernten Beruf gearbeitet, so hätte er nur ein Arbeitseinkommen als ungelernte Kraft erzielen können. Dieses nimmt der Senat regelmäßig mit bereinigt 1.073 € netto monatlich an. Auch dieser Betrag liegt nicht höher als das Einkommen des Klägers bis August 2006.

Danach kann dem Beklagten bis zum 01.09.2006 jedenfalls kein höheres fiktives Einkommen zugerechnet werden. Ab dem 01.09.2006 kommt eine Zurechnung von 1.073 € in Betracht. Unter Berücksichtigung dieser Beträge ist der Beklagte aber aufgrund seiner weiteren Belastungen und eines notwendigen Selbstbehalts von 820 € nicht leistungsfähig.

Dem Beklagten ist jedenfalls für das PKH-Verfahren die Kreditbelastung für das Hausgrundstück in Werben anzurechnen. Unstreitig ist das Darlehen, das der Beklagte mit monatlich 343,42 € zu bedienen hat, während der bestehenden Ehe zum Zweck der Finanzierung des Familienheims aufgenommen worden. Schulden des Unterhaltsverpflichteten können allerdings nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung berücksichtigt werden, deren Grundlagen der Unterhaltsschuldner darzulegen hat. Geht es um den Regelunterhalt für ein minderjähriges Kind, so ist zu bedenken, dass dieses seinen Unterhalt nicht in anderer Weise durch eigene Anstrengungen decken kann. In aller Regel führt die Interessenabwägung dazu, dass auch in Ansehung von Schulden jedenfalls der Regelbetrag zu zahlen ist. Eine Unterschreitung des Regelbetrags kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (BGH, NJW 1984, 2351; Wendl/Staudigl/Scholz, a.a.O. § 2 Rz. 158; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. A., Rz. 995 ff). Im vorliegenden Fall geht es nicht um einen Konsumkredit, sondern um einen Kredit für die Anschaffung eines Familienheims für eine - damals noch intakte - Familie mit 4 Kindern, das die Klägerin mit allen Kindern noch bewohnt. Auch dem Sohn J... kommt dies bisher zu Gute. Der Beklagte leistet einen Teil des geschuldeten Kindesunterhalts durch Zurverfügungstellung seines hälftigen Miteigentumsanteils, um dadurch den Wohnbedarf des Kindes - gemeinsam mit der Mutter - sicherzustellen.

Bei Eingehen der Verpflichtung war dem Beklagten zwar die Unterhaltsverpflichtung als solche bekannt, nicht aber die Tatsache, dass er einige Jahre später arbeitslos und barunterhaltspflichtig würde. Unter Berücksichtigung des eingereichten Tilgungsplans vom 19.02.2005 war der Beklagte ab dem 01.01.2006 nicht einmal in der Lage bei Zahlung des Regelunterhalts von 269 € auch nur die Zinsen zu zahlen (bis dahin einen geringen Teil, nämlich 58 € monatlich), geschweige denn zur Tilgung beizutragen. Ein kurzfristiger Verkauf des Grundstücks, das hoch belastet ist, erscheint äußerst zweifelhaft, sodass der Beklagte die Verpflichtungen auch nicht innerhalb absehbarer Zeit reduzieren kann. Danach ist jedenfalls für das Prozesskostenhilfe-Verfahren davon auszugehen, dass diese Kreditverbindlichkeit die Leistungsfähigkeit des Beklagten mindert und ihm nicht nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich darauf zu berufen. Die abschließende Würdigung aller Umstände bleibt jedoch dem Amtsgericht vorbehalten.

Dem Beklagten ist allerdings ein Betrag als Einkommen zuzurechnen, den er durch Geltend-machung von Nutzungsersatz gegenüber der Klägerin hätte erlangen können. Sind Ehegatten Miteigentümer eines Grundstücks, so kann nach dem Scheitern der Ehe jeder Ehegatte vom anderen eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung des Grundbesitzes gemäß § 745 Abs. 2 BGB verlangen, die auch darin bestehen kann, dass der Ausziehende vom anderen eine angemessene Nutzungsentschädigung fordern kann (BGH FamRZ 1996, 931; ). Folgt dem Auszug schließlich die Scheidung, steht damit fest, dass seither eine endgültige Trennung und damit eine wesentliche Veränderung der Umstände gemäß § 745 Abs. 2 BGB vorliegt (OLG Celle, NJW-RR 1990, 265; OLG Köln, FamRZ 1999, 1272; Senat, OLGR 2001, 467). Dem Beklagten hätte somit für den Zeitraum, für den hier Unterhalt verlangt wird, ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zugestanden.

Der Höhe nach kann mangels abweichender Anhaltspunkte, die der Beklagte hätte darlegen müssen ein Nutzungswert von 4 € pro Quadratmeter angenommen werden. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum einen selbst hälftige Miteigentümerin des ca. 125 qm großen Hauses ist und sie dieses zum anderen gemeinsam mit den vier erwachsenen bzw. fast erwachsenen Kindern der Parteien bewohnt. Ihr kann daher allenfalls eine Wohnfläche von einem Drittel zugerechnet werden. Daraus ergibt sich ein Nutzungsvorteil von 41,67 qm, also die Nutzung eines auf das Eigentum des Beklagten entfallenden Anteils von 20,84 qm. Bei einem angemessenen Preis von 4 € beträgt der Anspruch des Beklagten allenfalls 83,36 € monatlich, wobei etwa von der Klägerin getragene Lasten noch unberücksichtigt sind.

Rechnet man dem Einkommen des Beklagten 83,36 € hinzu, so ergibt sich für die Zeit ab 01.01.2006 kein verteilbares Einkommen: 1.161,30 + 83,36 = 1.161,30 € (1.073 + 83,36 = 1.156,36 €). Dem stehen der notwendige Selbstbehalt von 820 € und Schulden in Höhe von 343,42 € = 1.163,42 € entgegen. Nur für Dezember 2005 ergibt sich ein verteilbares Einkommen von 67,44 €: 1.147,50 € + 83,36 € = 1.230,86 € abzüglich 1.163,42 €. Allein dieser überschießende Betrag ist als Unterhalt für J... einzusetzen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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