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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 9 WF 139/07
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 56g Abs. 5 S. 1
FGG § 67a Abs. 3
FGG § 67a Abs. 5 S. 2
BGB § 1836
BGB § 1908 i Abs. 1
BVormVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4. wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 9. Januar 2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die der Verfahrenspflegerin auf ihren Antrag vom 1. Dezember 2006 zu erstattende Vergütung wird auf insgesamt 859,68 EUR festgesetzt.

Der Beschwerdewert beträgt 351,36 EUR (1.019,53 - 668,17 EUR).

Gründe:

Die nach §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5 S. 2, 56g Abs. 5 S. 1 FGG zulässige sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin führt in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg.

Grundsätzlich steht einem Verfahrenspfleger gemäß §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 3 FGG, 1908 i Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Vergütung entsprechend §§ 1836 BGB, 1 BVormVG zu. Der Erstattungsanspruch des Verfahrenspflegers bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetzgeber dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen. Vergütet wird zudem nur der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand; insoweit ist der geltend gemachte Ansatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (vgl. allgemein: Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 4. Aufl., Seite 111).

Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Das lässt erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes tritt und an seiner statt die Kindesinteressen in das Verfahren einzuprägen hat. Der Verfahrenspfleger hat also nur das Eigeninteresse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (so ausdrücklich: BVerfG FamRZ 1999, 85); er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist - kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen. All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes. Seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist demjenigen eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar. Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, als reiner Parteivertreter sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienlichen Entscheidung zu beteiligen, insbesondere keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden eigenen Ermittlungen anzustellen (Schleswig-Holsteinisches OLG, OLG-R 2000, 177; KG FamRZ 2000, 1300; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293; Senat, FG-Prax 2004, 73).

Bei der Besonderheit des vorliegenden Falles ist allerdings zu beachten, dass die Beschwerdeführerin einem zum Zeitpunkt ihrer Tätigkeit etwa dreieinhalbjährigen Kind mit durch Vernachlässigung bedingten Entwicklungsverzögerungen insbesondere seiner sprachlichen Fähigkeiten zur Seite gestellt wurde, dessen Wille rein verbal nicht zu eruieren war. Von daher hat das Amtsgericht Neuruppin in den Pflichtenkatalog der Verfahrenspflegerin anlässlich ihrer Bestellung mit Beschluss vom 29. März 2006 ausdrücklich eine Interaktionsbeobachtung aufgenommen. Es gehörte daher ausnahmsweise zu den Aufgaben der Beschwerdeführerin - wie diese in der streitgegenständlichen Rechnung auch detailliert dargelegt hat - beobachtend an einem Umgang zwischen dem betroffenen Kind und seinem Vater sowie nach der Rückkehr in der Haushalt der Pflegeeltern dort teilzunehmen. Der hierzu entstandene Zeitaufwand, den die Beschwerdeführerin bezüglich des Termins am 23. April 2006 in ihrer Stellungnahme vom 1. Dezember 2006 minutengenau dargestellt hat, ist demzufolge einschließlich der Fahrtzeiten in vollem Umfang vergütungspflichtig. Da die Verfahrenspflegerin nach ihren eigenen Angaben an diesem Tag die Hinfahrt um 08.15 Uhr antrat und die Rückfahrt gegen 20.30 Uhr beendete, kann sich die Vergütungspflicht für die Umgangsbeobachtung und die Fahrtzeit insgesamt allerdings nur auf einen Zeitraum von 12 Stunden und 15 Minuten - und nicht wie in der Rechnung vom 1. Dezember 2006 letztlich in Ansatz gebracht 13 Stunden und 15 Minuten - beziehen.

Bei der Bemessung der Dauer des Studiums der Gerichtsakte, die zum Zeitpunkt des Eingangs bei der Beschwerdeführerin rund 180 Seiten umfasste, ist zwar zu berücksichtigen, dass darin auch Duplikate und für die Wahrnehmung der Aufgaben einer Verfahrenspflegerin unmaßgebliche Dokumente enthalten waren; bezüglich des danach verbleibenden Akteninhalts ist aber gerade einer Verfahrenspflegerin eine angemessene Zeit für eine intensive, verantwortungsbewusste Lektüre zuzubilligen. Diesen Zeitraum bemisst der Senat im Rahmen der gebotenen Plausibilitätsprüfung mit einer Stunde und 30 Minuten, was in etwa einer Minute pro relevanter Seite entspricht.

Auch die Dauer der Abfassung der beiden von der Verfahrenspflegerin vorgelegten Berichte erscheint in der angefochtenen Entscheidung unangemessen gekürzt worden zu sein. Ausnahmsweise bedurfte es im vorliegenden Fall durchaus einer zusammenfassenden Darstellung der Interaktionsbeobachtung, weil sich nur auf diesem Wege für das Amtsgericht der von der Verfahrenspflegerin zu ermittelnde Kindeswille erschließen ließ. Von daher erachtet der Senat für die Abfassung des ersten Berichtes eine Dauer von zwei Sunden und 30 Minuten, für diejenige des zweiten, kürzeren Berichtes eine solche von 2 Stunden für angemessen und demzufolge vergütungspflichtig.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte ist der Verfahrenspflegerin aus der mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 eingereichten korrigierten Rechnung vom 10. Mai 2006 im Einzelnen folgende Erstattungsanspruch zuzubilligen:

Vergütung:

Aktenstudium| 1 Stunde 30 Minuten; Umgangsbeobachtung einschließlich Interaktionsbeobachtung bei den Pflegeeltern:| 7 Stunden 15 Minuten; Ausarbeiten des Berichts:| 2 Stunden 30 Minuten; Fahrtzeit:| 5 Stunden; |16 Stunden 15 Minuten á 33,50 EUR =| 544,38 EUR Auslagen:| Fahrtkosten: | 14,40 EUR Porto:| 3,09 EUR Insgesamt| 561,87 EUR

Aus der ebenfalls im Schreiben vom 1. Dezember 2006 vorgelegten korrigierten Liquidation der Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Juni 2006 steht ihr folgender Erstattungsanspruch zu:

Vergütung:

 Aktenstudium: 15 Minuten
Interaktionsbeobachtung: 2 Stunden
Ausarbeiten des Berichts: 2 Stunden
Fahrtzeiten: 4 Stunden 10 Minuten
 8 Stunden 25 Minuten
á 33,50 EUR = 281,96 EUR
Auslagen: 
Fahrtkosten: 14,40 EUR
Porto: 1,45 EUR
Insgesamt 297,81 EUR

Demzufolge war auf die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin der angefochtene Beschluss entsprechend abzuändern.

Ende der Entscheidung

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