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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: 9 WF 158/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
ZPO § 127 Abs. 2 | |
BGB § 242 | |
BGB § 362 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
9 WF 158/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 18. August 2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 14. Juli 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
am 4. September 2003
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Für die auf die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem zu Gunsten der Beklagten bestehenden Unterhaltstitel gerichtete Vollstreckungsabwehrklage des Klägers besteht nach derzeitigem Stand keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO.
1.
Zunächst kommt eine Verwirkung für die Zeit ab März 2002 nicht in Betracht.
Rückständiger Unterhalt unterliegt der Verwirkung, sofern sich seine Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung (Verwirkung) als unzulässig darstellt, wenn also besondere Zeit- und Umstandsmomente erfüllt sind, § 242 BGB (BGHZ 84, 280, 282). Da eine Verjährung von Kindesunterhaltsansprüchen bis zur Volljährigkeit wegen Hemmung (§ 204 BGB a. F., § 207 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB n. F.) nicht in Betracht kommt, sind an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 1988, 370, 372; OLG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 69). Dies folgt aus dem Umstand, dass von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden kann, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seines Anspruches bemüht. Tut er dies nicht, erweckt sein Verhalten in aller Regel den Eindruck, er sei nicht bedürftig. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Unterhaltsansprüche zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen können, die auch die Leistungsfähigkeit für den laufenden Unterhalt gefährden. Je nachdem kommt daher eine Verwirkung (frühestens) nach einem Jahr, spätestens aber nach drei Jahren in Betracht (Brandenburgisches OLG, JAmt 2001, 376, 377).
Das Umstandsmoment erfordert besondere Umstände, auf Grund derer sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten kann, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend macht (BGH FamRZ 1988, 370, 372). Sieht ein Unterhaltsgläubiger von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche ab, erweckt sein Verhalten regelmäßig den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Diese Grundsätze gelten auch, soweit es rechtshängige oder - wie es hier der Fall ist - titulierte Forderungen betrifft. Es gibt keinen Rechtssatz dahin, dass solche Forderungen nicht der Verwirkung unterliegen (OLG Schleswig NJWE-FER 2000, 27; i. E. auch OLG Düsseldorf NJWE-FER 2001, 69, 70). Gerade in Fällen titulierter Forderungen kann auf Grund des Absehens des Gläubigers von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche nach Treu und Glauben der Eindruck der Nichtgeltendmachung erweckt werden, da die Durchsetzung titulierter Forderungen jedenfalls in der Regel näher liegt als bei nicht titulierten Forderungen (BGH NJWE-FER 1999, 269; Brandenburgisches OLG, JAmt 2001, 376, 377; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1163; a. A. OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 859).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Verwirkung für die Zeit von einem Jahr vor der erneuten Geltendmachung des rückständigen Unterhaltes nicht in Betracht. Die Beklagte betreibt seit März 2003 die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der rückständigen Unterhaltsbeträge. Für die vor dem Monat März liegenden 12 Monate, d. h. für die Zeit von März 2002 bis einschließlich Februar 2003, kommt daher nach den vorangestellten Grundsätzen auf keinen Fall eine Verwirkung in Betracht.
Für die Zeit ab März 2003 - der Kläger begehrt die Unzulässigkeitserklärung ohne jede zeitliche Begrenzung - kann Verwirkung schon deshalb nicht angenommen werden, weil es hier an einem Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes naturgemäß fehlt.
2.
Die Ansprüche sind auch nicht verwirkt, soweit sie vor März 2002 entstanden sind.
Eine Verwirkung kommt nach den vorangestellten Grundsätzen nur insoweit in Betracht, als das Verhalten des Unterhaltsgläubigers für den Unterhaltsschuldner den Eindruck erwecken muss, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Bis etwa Mitte des Jahres 2001 haben die Parteien ein Unterhaltsverfahren vor dem Amtsgericht Bernau geführt, innerhalb dessen die Beklagte zu erkennen gab, dass sie nach wie vor an der titulierten Unterhaltsforderung festhalte; insoweit wird insbesondere auf das Schreiben der Beklagten vom 11. Mai 2001 (Bl. 39 d. A.) Bezug genommen. Bei der Unterhaltsberechnung, auf die innerhalb des vorgenannten Schreibens vom 11. Mai 2001 Bezug genommen wird, handelt es sich - soweit erkennbar - um die vom Kläger eingereichte Berechnung Bl. 12 f. d. A., die ihrerseits einen höheren Unterhaltsbetrag als den zuvor titulierten ausweist. Dies lässt deutlich erkennen, dass die Beklagte jedenfalls nicht von der titulierten Unterhaltsforderung Abstand nehmen will. Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte für die folgenden Monate ihre titulierte Forderung nicht geltend gemacht hat, konnte und durfte der Kläger daher nicht entnehmen, dass sie endgültig hierauf verzichten will. Etwas anderes mag erst dann gelten, wenn für einen längerfristigen Zeitraum keinerlei Reaktion des Unterhaltsberechtigten mehr erfolgt und der Unterhaltsschuldner daraus entnehmen darf, dass er an seinen vormaligen Erklärungen nicht mehr festhalten will. Dies ist hier bei einem Zeitraum von etwa acht Monaten (Juni 2001 bis Februar 2002) aber nicht der Fall.
3.
Auch soweit der Kläger auf die titulierte Forderung in der Zeit von Januar 2001 bis März 2003 teilweise Unterhalt geleistet hat, kommt seiner Vollstreckungsgegenklage nach derzeitigem Stand keine Aussicht auf Erfolg zu.
Zwar ist insoweit an sich Erfüllung gemäß § 362 BGB eingetreten, da es nach derzeitigem Stand unstreitig ist, dass der Beklagte in dem vorgenannten Zeitraum, teilweise Leistungen von monatlich 102,26 € erbracht hat. Den genauen Umfang seiner erbrachten Leistungen hat der Kläger jedoch nicht beziffert. Allein die Beifügung des Forderungskontos (Bl. 9 bis 11 d. A.) ersetzt den eigenen Sachvortrag nicht. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich mühsam aus beigefügten Unterlagen die Zahlungen des Klägers zusammenzusuchen, um auf diesem Wege dessen unsubstanziierten bzw. hier sogar fehlenden Sachvortrag Substanz zu verleihen. Dies gilt erst recht angesichts des Umstandes, dass der Kläger hier anwaltlich vertreten ist.
Ende der Entscheidung
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