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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2009
Aktenzeichen: 9 WF 165/08
Rechtsgebiete: FGG, RPflG, BGB, VBVG


Vorschriften:

FGG § 20 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 56 g Abs. 5 Satz 1
FGG § 67a Abs. 1
FGG § 67a Abs. 2
FGG § 67a Abs. 5
RPflG § 11 Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 1
BGB § 1836 Abs. 1
BGB § 1836 Abs. 2
VBVG § 1
VBVG § 3 Abs. 1 S. 2
VBVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 23.05.2008 - Az. 22 F 255/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung und der Aufwendungsersatz für die Verfahrenspflegerin wird für die Zeit vom 17.08.2006 bis zum 13.11.2007 auf 572,63 € festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 a Abs. 5, 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG in Verb. mit § 11 Abs. 1 RPflG statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Landeskasse ergibt sich aus § 20 Abs. 1 FGG. Der Beschwerdewert übersteigt 150,00 €. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.05.2008 die Erstattung der Vergütung für die Verfahrenspflegerin in Höhe von 668,30 € festgesetzt. Gegen den am 05.06.2008 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor mit am 09.06.2008 eingegangenem Schriftsatz Rechtsmittel eingelegt mit dem Ziel einer um die Fahrtkosten zu den Anhörungsterminen der Kinder verringerten Festsetzung der Vergütung und Auslagen. Für die Fahrtkosten am 24.10., 01.11.2006, 04.05., 15.05. und 23.05.2007 sind nach der berichtigten Rechnung der Verfahrenspflegerin Zeitaufwendungen von 415 Minuten x 20,70 € = 143,18 € und Fahrkosten von 383 km x 0,26 € = 99,58 €, mithin insgesamt 242,76 € festgesetzt worden. Der Beschwerdewert beträgt somit 242,76 €.

Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Für die Anhörungen der Kinder T. und S. im Mai 2007 können nur die Kosten für eine Fahrt zur Kita in R. angesetzt werden.

Der Verfahrenspflegerin steht für ihre Tätigkeit im Abrechnungszeitraum ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen sowie auf Vergütung aus der Staatskasse entsprechend §§ 1835 Abs. 1; 1836 Abs. 1, 2 BGB in Verb. mit § 67a Abs. 1, 2 FGG, §§ 1, 4 VBVG zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, welche Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (BVerfG, FuR 2004, 622/624; OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391). Vergütet wird der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand, gemessen daran, was ein sorgfältig arbeitender, gewissenhafter Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als notwendig ansehen würde. Nach diesen Maßstäben ist der geltend gemachte Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (ständige Rechtsprechung des Senats, FamRZ 2006, 1777; FG Prax 2004, 73/74; ZfJ 2002, 233; FamRZ 2001, 692; siehe auch OLG Oldenburg, a.a.O.).

Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung der Kindesinteressen erforderlich ist. Schon daraus ist zu erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes tritt und an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen hat. Der Verfahrenspfleger hat nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (so ausdrücklich: BVerfG, FamRZ 1999, 85/87); er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist - kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen. All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes. Seine Aufgabenstellung im Verfahren ist derjenigen eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar. Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen. Insbesondere hat er keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (vgl. dazu insgesamt: Senat, FamRZ 2001, 692). Hier ergeben sich schon im Hinblick auf die Wahrnehmung der Aufgaben aus den Berichten der Verfahrenspflegerin Bedenken, ob nicht der Aufgabenkreis deutlich überschritten worden ist. Es finden sich Ausführungen, die Gegenstand sachverständiger Beurteilungen sein könnten, aber nicht zum Aufgabenkreis einer Verfahrenspflegerin gehören (insbesondere Berichte vom 29.07. und 13.11.2007). Zu Gunsten der Verfahrenspflegerin kann gerade noch davon ausgegangen werden, dass dadurch Mehrkosten im Hinblick auf den zugewiesenen Aufgabenkreis nicht entstanden sind, so dass eine Kürzung der Vergütung aus diesem Gesichtspunkt, den auch der Beschwerdeführer nicht angegriffen hat, nicht veranlasst ist.

Zur Beurteilung der Frage, wie der Kindeswille im konkreten Fall zu ermitteln ist, steht dem Verfahrenspfleger im Rahmen der Aufgabenstellung ein Ermessensspielraum zu. Von mehreren gleichwertigen Alternativen zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben hat er allerdings diejenige zu wählen, welche die Parteien bzw. die Allgemeinheit in finanzieller Hinsicht am wenigsten belastet.

So ist es regelmäßig kostengünstiger, eine Anhörung in den eigenen Büroräumen durchzuführen als im Wohnumfeld des Kindes. Die Wahrnehmung der Anhörung im elterlichen Haushalt oder einem sonstigen Aufenthaltsort des Kindes kommt demzufolge nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht, etwa wenn die vertraute Umgebung für das Kind von besonderer Bedeutung ist, was der Verfahrenspfleger substantiiert darzutun hat (Senat, FamRZ 2006, 1777). Eine derartige Darlegung ist zunächst hinsichtlich der Anhörungen von A. am 24.10.2006 und 01.11.2006 erfolgt. Die Verfahrenspflegerin durfte nicht nur A.s junges Alter (sie war noch keine 4 Jahre alt) berücksichtigen, sondern auch ihre besonders belastete Situation aufgrund der kurz zuvor erfolgten Herausnahme aus der Familie und Unterbringung in der Pflegefamilie sowie den Verdacht von Misshandlungen durch die Kindesmutter. Aufgrund dieser Umstände stellt sich sowohl die Anhörung in der Pflegefamilie als auch die Interaktionsbeobachtung mit Mutter und Brüdern als sachlich geboten dar, um zuverlässig den am objektiven Kindeswohl orientierten Willen des Kindes zu ermitteln.

Hinsichtlich der erst später erfolgten Bestellung zur Verfahrenspflegerin für T. und S. fehlt es bereits an einer Begründung für die Notwendigkeit von drei Fahrten zur Anhörung in der Kita in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang (04., 15. und 23.05.2007). Weder ist ersichtlich, warum T. (wohl) zweimal dort angehört wurde, noch ist plausibel, warum die Kinder nicht am selben Tag angehört werden konnten. Der Vermerk in der Rechnung "T. nicht in Kita" erklärt nicht, warum nicht ggf. nach vorherigem Telefonat mit der Kita ein Termin gewählt werden konnte, zu dem beide Brüder anwesend waren. Ein einmaliges Aufsuchen von T. und S. in der Kita ist allerdings als erforderlich schlüssig begründet worden. Zum einen war S. mit gerade drei Jahren noch sehr jung. Zum anderen war auch insoweit die Frage von häuslicher Gewalt zu klären, so dass die Verfahrenspflegerin auch hier davon ausgehen durfte, dass eine Anhörung in gewohnter Umgebung ohne zu befürchtende ungünstige Beeinflussung seitens der Kindesmutter geboten war.

Berücksichtigungsfähig ist insoweit ein Aufwand von 2 x 45 Minuten Fahrzeit und 2 x 37 km Fahrtstrecke. Die weiter geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrten im Mai 2007 sind dagegen nicht zu vergüten.

Dementsprechend ergeben sich insgesamt 1285 Minuten Zeitaufwand, was 21 Stunden und 25 Minuten entspricht. Diese sind grundsätzlich mit 19,50 € pro Stunde zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VBVG in Verb. mit § 67a Abs. 2 FGG). Gründe, die eine Erhöhung gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 VBVG rechtfertigen würden, sind nicht dargelegt worden. Daraus ergeben sich 417,63 € für die Vergütung des Zeitaufwands. Die verbleibenden 513 Fahrtkilometer sind mit 0,30 € pro Kilometer zu bewerten (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG). Die Verfahrenspflegerin hat allerdings nur 0,26 €/km verlangt. Daraus ergibt sich aber nicht der Wille, auf zustehenden Aufwendungsersatz zu verzichten. Die Grenze der Festsetzung ergibt sich erst durch den geforderten Gesamtbetrag, der hier jedoch nicht überschritten wird. 513 x 0,30 € ergibt insgesamt 153,90 €. Außerdem sind weitere 1,10 € für Porto gerechtfertigt (§ 7 Abs. 1 JVEG). Daraus ergibt sich ein festzusetzender Gesamtbetrag von 572,63 €.

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