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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2009
Aktenzeichen: 9 WF 166/08
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lübben vom 29. April 2009 - Az. 30 F 97/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die - seit dem Jahre 2003 geschiedenen - Eltern (unter anderem) der am .... Januar 1994 geborenen W... B... und des am .... Dezember 1995 geborenen R... B....

Gegen den Kindesvater wird wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs in einer Vielzahl von Fällen zum Nachteil seiner Stieftochter S... B..., der - volljährigen - gemeinsamen Tochter der Kindeseltern M... B... und der noch minderjährigen gemeinsamen Tochter W... B... im Tatzeitraum von 1991 bis Anfang 2005 strafrechtlich ermittelt. Ein auf diesen Vorwurf gestützter Haftbefehl des Amtsgerichts Lübben vom 10. März 2009 wurde auf Haftbeschwerde des Kindesvaters durch Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 9. April 2009 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Seit diesem Tage ist der Kindesvater wieder auf freiem Fuß.

Die Kindesmutter hat mit Blick auf diese gegen den Kindesvater gerichteten Vorwürfe, die seinerzeitige Inhaftierung und die zu erwartende Haftstrafe die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge für W... und R... B... beantragt und im Anhörungstermin am 29. April 2009 den Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit beantragt.

Der Kindesvater bestreitet die Vorwürfe und möchte an dem gemeinsamen Sorgerecht für die Kinder festhalten.

Mit Beschluss vom 29. April 2009 hat das Amtsgericht Lübben im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für W... und R... B... auf die Kindesmutter allein übertragen. Das Wohl beider Kinder sei in der Folge der strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen den Vater und insbesondere auch der bestehenden tiefgreifenden Spaltung innerhalb der vielköpfigen Familie im Ergebnis des Ermittlungsverfahrens derzeit erheblich gefährdet. Die Kindeseltern seien zu gemeinsamen Entscheidungen zum Wohle der Kinder tatsächlich nicht mehr in der Lage. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese ihm am 14. Mai 2009 zugestellte Entscheidung hat der Kindesvater mit einem am 28. Mai 2009 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er erstrebt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Er betont seine Unschuld und hebt hervor, dass "das Umfeld der W... B..." und die Söhne des Kindesvaters sich in Kenntnis der beteiligten Personen "die Dinge in Anbetracht dessen richtig einzuschätzen wissen" und sich deshalb mit guten Gründen auf seiner - des Kindesvaters - Seite positioniert hätten. W... dürfe in ihrer - mutmaßlich auf ein Erziehungsversagen der Kindesmutter zurückzuführenden - negativen Einstellung gegen den Kindesvater nicht auch noch bestärkt werden. Im Übrigen habe sich R... eindeutig gegen eine einstweilige Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter ausgesprochen. Die nach der Inhaftierung des Vaters kurzzeitig bestehende Störung seines seelischen Gleichgewichts sei überwunden, nachdem er - der Kindesvater - im Rahmen der Umgangskontakte positiv auf den Jungen eingewirkt habe.

Die Kindesmutter verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

II.

Die sofortige Beschwerde des Kindesvaters ist gemäß § 621 g ZPO in Verbindung mit §§ 620 c Satz 1, 620 d Satz 1 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben und vorläufig auf die Kindesmutter allein übertragen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Beschwerde rechtfertigen eine andere Entscheidung, insbesondere die erstrebte Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht.

Gegen den - einschlägig vorbestraften - Kindesvater besteht derzeit der dringende Tatverdacht des über Jahre anhaltenden sexuellen Missbrauchs seiner zwei Töchter sowie einer Stieftochter. Nicht nur W... B..., sondern auch ihre volljährigen (Halb-) Schwestern S... und M... haben den Kindesvater im Rahmen ihrer bisherigen Vernehmungen insoweit erheblich belastet. Derzeit kann nicht festgestellt werden, dass diese Vorwürfe insgesamt frei erfunden und die Angaben der Frauen offensichtlich unglaubhaft sind. Auch der Beschwerdeführer kann keinerlei belastbar nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür aufzeigen, weshalb die - in ihrem Anzeige- und Aussageverhalten nach Aktenlage jedenfalls nicht von der Kindesmutter angestifteten oder auch nur in besonderer Weise unterstützten - Frauen den Kindesvater grundlos bezichtigen sollten. Selbstverständlich besagt dies noch nichts darüber, ob diese Vorwürfe sachlich richtig sind, den weiteren Ermittlungen standhalten, also eine Anklage und am Ende gar eine strafrechtliche Verurteilung rechtfertigen. Das Verhalten und auch die inhaltlichen Angaben in den staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen zeigt aber, dass die Frauen und in besonderer Weise W... mindestens subjektiv der festen Überzeugung sind, dass sich der Kindesvater an ihnen vergangen hat. Der Kindesvater selbst führt aus, dass W... sich in die - nach seiner Darstellung wahrheitswidrige - Behauptung eines sexuellen Missbrauchs durch ihn geradezu "versteigt". Das belegt aber die Einschätzung des Amtsgerichts, dass für W... die Vorstellung, dass der von ihr aus tiefstem Herzen abgelehnte Vater, weiterhin wichtige Entscheidungen für ihr weiteres Leben trifft und daran aktiv teilhaben will, unerträglich ist. W... steht nach den von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Jugendamtes im Anhörungstermin am 29. April 2009 unter so erheblichem psychischen Druck, dass sie sogar mit Selbstverletzung für den Fall eines fortbestehenden Mitspracherechts des Vaters gedroht hat. Bei dieser Sachlage ist es aus Gründen des Kindeswohls unumgänglich, den Vater von der weiteren Ausübung des Sorgerechts vorläufig auszuschließen. Diese Entscheidung kommt entgegen den Ausführungen der Beschwerde erkennbar weder einer Belohnung der Tochter noch einer Bestrafung des Kindesvaters gleich, sondern dient ausschließlich der ersichtlich dringend notwendigen Stabilisierung der völlig aus dem Gleichgewicht geratenen 15-Jährigen.

Daneben war gerade auch mit Blick auf die unbestritten tiefgreifende Spaltung innerhalb der Familie, die klar zwischen den Geschlechtern verläuft, die gemeinsame elterliche Sorge auch für den heute 13 1/2-jährigen R... aufzuheben und das Sorgerecht auf die ihn betreuende Kindesmutter zu übertragen. Auch R... erlebt ganz offenbar die familiäre Situation seit der Anzeigeerstattung gegen den Kindesvater als außerordentlich belastend. Seine Angaben in der richterlichen Anhörung am 21. April 2009 sind zwar eher zurückhaltend und beschwichtigend in Bezug auf die Auswirkungen auf seine Person. Daraus lässt sich jedoch auch aus Sicht des Senates keineswegs ablesen, dass er mit der tiefgreifenden Spaltung in der Familie souverän umgehen könnte und völlig unberührt bliebe. So hat lässt er etwa die Vorstellung, die Vorwürfe gegen seinen Vater könnten sich bestätigen, schlicht nicht an sich. Seine Eltern hätten keinen Kontakt zueinander; er selbst stehe "ein wenig zwischen seinen Eltern". Darin zeigt sich der von den Mitarbeitern des Jugendamtes im Anhörungstermin ebenso deutlich wie ohne Weiteres nachvollziehbar beschriebene Loyalitätskonflikt, der sich in einem auffälligen Verhalten in der Schule, der in einem Polizeieinsatz gipfelte, niederschlägt und von R... selbst auch gar nicht geleugnet, sondern heruntergespielt wird. Die Äußerung R...s, der Kindesvater habe Kontaktverbot "nur zu den Weibern", kann im Übrigen schwerlich als Beleg dafür herhalten, dass der Kindesvater beruhigend auf den ersichtlich verunsicherten R... eingewirkt habe. Eine solche Diktion wird er auch nicht von der Kindesmutter oder seinen (Halb-)Schwestern übernommen haben. Auch die aus diesem äußerst abfälligen Begriff abzuleitende Einstellung gegen seine (Halb-)Schwestern ist jedenfalls ein weiteres Indiz dafür, dass er mit der Situation nicht adäquat umzugehen weiß, sondern sich offenbar durch Abfälligkeit gegen die Schwestern versucht, vor der ihm natürlich unangenehmen Vorstellung eines etwaigen schwerstkriminellen Verhaltens seines Vaters zu schützen.

Insgesamt benötigen die noch minderjährigen Kinder angesichts der tiefgreifenden Spannungen, die die im Raum stehenden Vorwürfe gegen den Kindesvater mindestens in dem weit verzweigten Familienverband, wohl aber auch im näheren sozialen Umfeld hervorgerufen haben, dringend einer Stabilisierung. Zwischen den Kindeseltern herrscht unbestritten eine Sprachlosigkeit, die die Einschätzung des Amtsgerichts, es fehle an der für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge grundlegenden Basis, nämlich an dem Willen und der Fähigkeit miteinander zu kommunizieren und zum Wohl der Kinder zu kooperieren, ohne Weiteres trägt. Angesichts der durch die schwerwiegenden und nicht offensichtlich haltlosen Vorwürfe, der dadurch begründeten Zerrissenheit innerhalb der Familie, die ihre Spuren auch bei R... ganz deutlich hinterlassen hat, bestand dringender Handlungsbedarf in der Form, dass das gemeinsame elterliche Sorgerecht für beide noch minderjährigen gemeinsamen Kinder aufzuheben und auf die Kindesmutter allein zu übertragen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes entspricht den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO unter analoger Anwendung des § 24 Satz 1 RVG.



Ende der Entscheidung

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