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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.06.2009
Aktenzeichen: 9 WF 170/09
Rechtsgebiete: ZPO, SGB VIII, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO §§ 567 ff.
SGB VIII § 39
SGB XII § 82
SGB XII § 82 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 27. April 2009 - Az. 51 F 299/08 - teilweise abgeändert und dem Antragsgegner - unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen - für das Scheidungsverfahren und die bereits anhängige Folgesache Versorgungsausgleich Prozesskostenhilfe gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 30,00 EUR bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die am 4. Mai 2009 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den ihm am 29. April 2009 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 27. April 2009, mit dem ihm Prozesskostenhilfe gegen monatliche Ratenzahlung in Höhe von 75,00 EUR bewilligt worden war, ist nach § 127 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel des Antragsgegners nur teilweise Erfolg.

Im Grundsatz zutreffend hat das Amtsgericht den auf den Erziehungsbeitrag entfallenden Teil des Pflegegeldes für die im Haushalt des Antragsgegners lebenden Kinder S... und K... E... als Einkommen des Antragsgegners angerechnet. Allerdings ist der für das Pflegegeld insgesamt in Abzug gebrachte Kindergeldanteil anteilig sowohl auf das Pflegegeld als auch auf den Erziehungsbeitrag anzurechnen, so dass insgesamt ein etwas niedrigerer Betrag als anzurechnendes Einkommen verbleibt. Im Einzelnen:

Der Antragsgegner erhält neben Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR und einem eigenen Erwerbseinkommen in Höhe von durchschnittlich 1.521,55 EUR netto für die Pflegetöchter S... und K... E... ein Pflegegeld von insgesamt 1.207,00 EUR monatlich (Bl. 57 f. des PKH-Heftes). Dieses Pflegegeld setzt sich zusammen aus einem Grundbedarfssatz ("Pflegegeld gem. Altersstufe") von insgesamt 964,00 EUR (529,00 und 435,00 EUR) und Kosten der Erziehung ("Erziehungsbeitrag") 366,00 EUR (je 183,00 EUR) abzüglich eines Kindergeldanteils von jeweils 82,00 EUR bzw. 41,00 EUR. Von diesen Einkünften ist der auf die Kosten der Erziehung entfallende Anteil des Pflegegeldes abzüglich des auf diesen Anteil entfallenden anzurechnenden Kindergeldes als Einkommen des Antragsgegners im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen (vgl. dazu OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 645; OLG Bremen FamRZ 1998, 759; erkennender Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2008, Az. 9 WF 286/08).

Bei dem Pflegegeld handelt es sich ausweislich der Bescheide des Landkreises ... um eine laufende Leistung zum Unterhalt der beiden Kinder D... und K... N... nach § 39 SGB VIII, durch die "der notwendige Unterhalt des Kindes einschließlich der Kosten der Erziehung" sichergestellt wird. Der Antragsgegner kommt für den Bar- und Betreuungsbedarf der Kinder so auf, als wären es seine eigenen Töchter. Die baren Aufwendungen können deshalb gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO dadurch berücksichtigt werden, dass der Antragsgegner von seinem Einkommen den für dieses Kind in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO vorgesehenen Betrag absetzt (so wohl Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rn. 34). Werden zur Sicherstellung des Barbedarfs eines Pflegekindes öffentliche Leistungen erbracht, hier also ein "Grundbedarfssatz", sind diese jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (FamRZ 1997, 814; anderer Ansicht Coester, FamRZ 1991, 253/256 Fußnote 25; Wiesner/Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl., § 39 Rn. 16 a.E.) wegen ihrer eindeutigen Zweckbestimmung trotz des Umstandes, dass auf sie nicht das Kind selbst in eigener Person einen Anspruch hat, gleichwohl allenfalls entsprechend § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO in der Weise zu berücksichtigen, dass sie den dort festgelegten Unterhaltsfreibetrag vermindern, im Übrigen aber nicht als Einkommen der Pflegeperson anzusehen sind (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; erkennender Senat, a.a.O.). Kosten der Erziehung entstehen demgegenüber deshalb, weil nicht die Eltern des Minderjährigen diesen betreuen und erziehen und diese Aufgabe deshalb Dritten (Pflegeeltern; Heimerzieher) gegen Entgelt anvertraut werden muss (vgl. Wiesner/Wiesner SGB VIII, 2. Aufl., § 39 Rn 14). Daraus folgt allerdings zugleich auch, dass für derartige Betreuungsleistungen allein ein Erwerbstätigenbonus nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden kann.

Für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren heißt dies im Einzelnen folgendes:

Von dem Pflegegeld (ohne Abzug Kindergeld) von 712,00 EUR für S... E... entfallen 183,00 EUR (= 26 %) auf die Erziehungskosten, so dass als Einkommen des Antragsgegners insgesamt lediglich 168,68 EUR (nämlich 183,00 EUR - [82,00 EUR x 26 % =] 21,32 EUR) anzusetzen sind. Von dem Pflegegeld für K... N... von insgesamt 618,00 EUR entfallen gleichfalls 183,00 EUR (= 30 %) auf die Erziehungskosten, so dass hier ein Einkommen des Antragsgegners von lediglich 170,70 EUR (nämlich 183 EUR - [41,00 EUR x 30 % =] 12,30 EUR) anzusetzen ist. Das Pflegegeld kann vorliegend daher insgesamt in Höhe von nur 339,38 EUR als eigenes Einkommen des Antragsgegners angerechnet werden.

Insgesamt verfügt der Antragsgegner danach über ein nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO berücksichtigungsfähiges Einkommen von 1.860,93 EUR (339,38 EUR anrechenbares Pflegegeld zzgl. 1.521,55 EUR Verdienst aus Erwerbstätigkeit).

Von diesem Einkommen sind nachstehende Aufwendungen bzw. Freibeträge abzusetzen :

 Freibeträge für den Antragsgegner 386,00 EUR
  176,00 EUR
Fahrtkosten 114,00 EUR
Kosten für die Unterkunft und Heizung 1.133,00 EUR
insgesamt also1.809,00 EUR.

Es kann für die Pflegekinder kein zusätzlicher Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO berücksichtigt werden, weil nach der hier vertretenen Auffassung zur Zweckbestimmung des Pflegegeldes die Kinder über eigene Einkünfte verfügen, die den festgelegten Freibetrag übersteigen.

Nach Auffassung des Senates können die vom Antragsgegner mit 114,00 EUR bezifferten "Werbungskosten" letztlich doch Berücksichtigung finden. Zwar bietet das (Beschwerde-)Vorbringen des Antragsgegners - wie das Amtsgericht im Grundsatz zutreffend in dem angefochtenen Beschluss und in der Nichtabhilfeentscheidung vom 27. Mai 2009 - ausführt, keine konkreten Ausführungen zu berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von auch nur 35,00 EUR. Der erkennende Senat hat jedoch unter Rückgriff auf den hergereichten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner arbeitstäglich 25 km einfache Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückzulegen hat. Das Einkommen ist um solche Fahrtkosten zur Arbeitsstätte gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII als berufsbedingte Aufwendungen zu kürzen. Im Prozesskostenhilfeverfahren ist hinsichtlich der Fahrtkosten § 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2a der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII heranzuziehen, sodass 5,20 EUR für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt anzusetzen sind, jedoch für nicht mehr als 40 Kilometer (Brandenburgisches OLG - 2. Familiensenat, FamRZ 2008, 158/159) und - für den vorliegenden Fall - begrenzt jedenfalls durch die vom Antragsgegner selbst vorgenommene Bezifferung.

Nach Auffassung des erkennenden Senates sind schließlich Wohnkosten in Höhe von insgesamt 1.133,00 EUR zu berücksichtigen. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO sind die Kosten für Unterkunft und Heizung in ihrer tatsächlichen Höhe vom Einkommen abzuziehen, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen. Zu den Kosten der Unterkunft zählen grundsätzlich auch solche Neben- und Betriebskosten, die üblicherweise auf den Mieter umgelegt werden (str., wie hier Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 115 Rdnr. 34; Kalthoener/Bütt-ner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr. 273 - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Hierzu gehören etwa auch die Kosten für Wasser und Abwasser, die dem Antragsgegner nach den hier eingereichten Unterlagen in Höhe von monatlich 22,00 EUR entstehen. Zutreffend hat das Amtsgericht allerdings festgestellt, dass die Kosten für Strom als allgemeine Lebenskosten in dem monatlichen Freibetrag enthalten sind, die die Partei nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO vom Einkommen abziehen darf.

Im Ergebnis der dargestellten Einkommenssituation des Antragsgegners verfügt dieser folglich über ein - gemäß § 115 Abs. 2 ZPO auf volle Euro abgerundetes - einzusetzendes Einkommen in Höhe von 51,00 EUR , so dass Prozesskostenhilfe gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 30,00 EUR zu bewilligen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird gemäß Ziffer 1812 Satz 2, 2. Alternative der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG abgesehen.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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