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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.11.2001
Aktenzeichen: 9 WF 176/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 56 g Abs. 5 Satz 1
FGG § 67 Abs. 3 Satz 3
BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 4
BGB § 1836 a
BVormVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 176/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1 Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 5. Oktober 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lübben vom 28. September 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...,

am 6. November 2001

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird zugunsten der Beteiligten zu 1. über die bereits festgesetzten 461,58 DM hinaus eine weitere Vergütung in Höhe von 5,40 DM festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

Die gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 Satz 3, 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur teilweisen Erfolg.

Dem Verfahrenspfleger steht nach §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG, 1908 i Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen entsprechend §§ 1835 Abs. 1 und 4 BGB und eine Vergütung entsprechend §§ 1836 a BGB, 1 BVormVG zu. Dieser Ersatzanspruch bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die Tätigkeiten betreffen, die der Erfüllung der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgaben dienen (vgl. auch BT-Drucks. 13/7158, S. 15). Vergütet wird zudem nur der für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Zeitaufwand; insoweit ist der geltend gemachte (Zeit-)Aufwand einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen (vgl. - für den Betreuer - BayObLG BtPrax 2001, 76, 77; Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 4. Aufl. 1999 S. 111).

Nach § 50 Abs. 1 FGG hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren zu bestellen, sobald dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Dies lässt erkennen, dass der Verfahrenspfleger für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens an die Stelle des gesetzlichen Vertreters des Kindes tritt und an dessen Stelle die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen hat. Der Verfahrenspfleger hat also nur das eigene Interesse des Kindes zu erkennen und zu formulieren (ausdrücklich BVerfG FamRZ 1999, 85, 87), er hat darauf hinzuwirken, dass das Verfahren - soweit dies möglich ist - kindgerecht gestaltet wird und dem Kind in dem Verfahren bei Bedarf zur Seite zu stehen (BT-Drucks 13/4899,8 130) All dies charakterisiert den Verfahrenspfleger als subjektiven Interessenvertreter des Kindes, seine Aufgabenstellung in dem Verfahren ist derjenigen eines Rechtsanwaltes als Verfahrensbevollmächtigtem vergleichbar Es ist dagegen nicht seine Aufgabe, als "reiner Parteivertreter" sich an der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen, insbesondere hat er keine über die bloße Ermittlung des Kindeswillens hinausgehenden Ermittlungen anzustellen (SchlHOLG, OLGR 2000, 177 ff, KG FamRZ 2000, 1300, OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293, 1294)

Mit Schreiben vom 05. Juni 2001, ergänzt durch das weitere Schreiben vom (25. Juni bzw.) 17. September 2001, begehrt die Beteiligte zu 1. die Erstattung einer Vergütung auch für solche Tätigkeiten, die über ihren Aufgabenbereich als Verfahrenspflegerin des Kindes hinausgehen. Die über die bereits bewilligten Kosten hinausgehenden Kosten sind ausweislich ihrer Aufstellung zu diesem Antrag, aber auch ausweislich ihrer Beschwerdebegründung vom 5. Oktober 2001 im wesentlichen deshalb entstanden, weil Gespräche mit der Kindesmutter, Mitarbeitern des Jugendamtes, der Schulleiterin und dem Psychotherapeuten stattgefunden haben (vgl. die abgerechneten Positionen vom 3. und 24. März, 3. April, 7. und 8. Mai 2001 aus dem Schreiben vom 5. Juni 2001 sowie die für geführte Telefonate abgerechneten Positionen vom 20. Februar, 3., 15., 20. und 22. März, 23. April, 7., 8., 23. und 26. Mai 2001 aus dem Schreiben vom 17. September 2001). Nach der eigenen Darstellung der Verfahrenspflegerin waren diese Gespräche mit dritten Personen notwendig, um die Interessen des Kindes zu wahren. Dies geht aber über ihren zuvor beschriebenen Aufgabenbereich, der sich allein auf die Erforschung und Darstellung des Kindeswillens und dessen Übermittlung an das Gericht bezieht, hinaus. Die Kontakte zu dritten Personen dienen letztendlich der Erforschung der dem objektiven Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung und betreffen damit nicht den Kompetenzbereich der Verfahrenspflegerin. Zwar hat der Verfahrenspfleger das Recht und die Pflicht, sich mit allen am Verfahren beteiligten Personen und Institutionen und insbesondere den insoweit abgegebenen Stellungnahmen auseinanderzusetzen. Dabei soll er jedoch nicht eigenständig die erzieherischen und sozialen Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes und gegebenenfalls bestehende weitere Hilfemöglichkeiten mit den weiteren Verfahrensbeteiligten erörtern oder erforschen. Dies überschreitet erkennbar die dem Verfahrenspfleger zugewiesene Aufgabenstellung (KG a. a. O. S. 1301 - zur Aufstellung von Hilfeplänen). Danach kann der Beschwerdeführerin für diese Tätigkeiten weder eine (erhöhte) Vergütung noch der Ersatz darauf entfallender Aufwendungen zuerkannt werden, soweit dies nicht bereits mit dem angefochtenen Beschluss vom 28 September 2001 erfolgt ist.

Dies gilt auch, soweit die Verfahrenspflegerin Arbeitsstunden für das Studium der Literatur und für Supervisionen geltend macht (vgl. die Positionen vom 22.02, 13.03 und 10.04.2001 aus dem Schreiben vom 05.06.2001), wobei mit der Supervision wohl die Beratung bzw. Beaufsichtigung in allgemeiner Hinsicht zur Erhöhung der Effektivität ihrer Tätigkeit gemeint ist. Derartige Tätigkeiten dienen nicht der Erfüllung der konkret gestellten Aufgabe als Verfahrenspfleger, sondern dem allgemeinen Eigeninteresse des Verfahrenspflegers. Der Verfahrenspfleger wird damit nicht im Rahmen der ihm vom Gericht übertragenen Aufgabenkreise für das betroffene Kind tätig, mag auch mittelbar eine derartige Tätigkeit dem Kind zugute kommen. Lediglich wenn auf Grund der besonderen Gestaltung des jeweiligen Falles das Studium von Literatur oder die Vornahme einer konkret für den Fall durchzuführenden Supervision erforderlich erscheint, kann etwas anderes gelten Derartiges hat die Verfahrenspflegerin aber auch mit ihrer Beschwerdebegründung nicht dargelegt, vielmehr lediglich in allgemeiner Hinsicht auf die Notwendigkeit des Literaturstudiums und der Supervision hingewiesen. Im Übrigen stellt sich das vorliegende Verfahren nach Lage der Akten auch nicht als derart schwierig dar, dass solche außergewöhnlichen Maßnahmen gerechtfertigt waren.

Soweit dagegen aus der Abrechnung vom 5.07.2001 unter den Daten vom 20. und 21.02.2001 für das Aktenstudium insgesamt 3 Stunden sowie unter dem Datum vom 27.05.2001 für die Anfertigung der schriftlichen Stellungnahme insgesamt 8 Stunden geltend gemacht werden, hat das Amtsgericht zu Recht diese Tätigkeiten wegen ihrer Plausibilität auf eine (Aktenstudium) bzw. zwei (schriftliche Stellungnahme) Stunden gekürzt. Bei einem Aktenumfang von 29 Seiten - von denen zudem 9 Seiten, bei denen es sich im Wesentlichen um Zustellungsnachweise handelt, für die Verfahrenspflegerin nicht von Bedeutung waren - erscheint es unangemessen, drei Stunden für das Studium der Akten anzusetzen. Schon das vom Amtsgericht zuerkannte. Maß von einer Stunde für das Aktenstudium liegt an der oberen zeitlichen Grenze der Angemessenheit. Dies gilt auch hinsichtlich der schriftlichen Stellungnahme vom 28.05.2001. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit der Darstellung der Gespräche mit dritten Personen sowie der Zusammenfassung und den Empfehlungen die Verfahrenspflegerin - wie bereits dargestellt - über ihren gesetzlichen Aufgabenkreis hinaus tätig geworden ist und schon deshalb keine gesonderte Vergütung für die Erstellung des Berichtes verlangen kann. Auch hier erscheint die vom Amtsgericht zuerkannte Dauer von zwei Stunden für das Erstellen der schriftlichen Stellungnahme angesichts der lediglich in den mittleren Bereich einzuordnenden Schwierigkeit des Falles an der oberen zeitlichen Grenze zu liegen.

Aus den genannten Gründen können daher auch nicht die Kosten für die durch Gespräche mit dritten Personen veranlaßten Fahrten vom 24.03.2001 bzw. 8.05.2001 erstattet werden.

Erstattungsfähig sind danach insgesamt 7 1/4 Stunden (20.02.2001, Aktenstudium, 1 Stunde; 3.03.2001, Gespräch mit Kind, 1 Stunde, sowie Hin- und Rückfahrt, 1 Stunde; 24.03.2001, Gesprächsvorbereitung per Telefonat mit dem Kind, 15 min; 22.05.2001, Abschlussgespräch mit Kind und Familie, 1 Stunde, sowie Hin- und Rückfahrt, 1 Stunde; 27.05.2001, schriftliche Stellungnahme, 2 Stunden). An Aufwendungen sind für die Fahrten vom 3.03.2001 und 22.05.2001 nach W... insgesamt 120 km erstattungsfähig, ferner 22 Kopien zu je 0,30 DM.

Zuletzt sind für geführte Telefonate insgesamt 54 Einheiten (20.02.2001, Gespräch mit Kind, 6 Einheiten sowie mit Amtsgericht, 4 Einheiten; 22.03.2001, Gespräch mit der Richterin, 3 Einheiten; 24.03.2001, Gespräch mit Kind, 12 Einheiten; 7.05.2001, Gespräch mit Kind, 10 Einheiten; 8.05.2001, Gespräch mit Kind, 9 Einheiten; 20 05.2001, Gespräch mit Kind, 10 Einheiten) zu erstatten.

Den Umfang der zu erstattenden Maßnahme und Aufwendungen hat das Amtsgericht daher zutreffend festgestellt. Dabei erfaßt die Vergütung mit einem Stundensatz auch die Abgeltung anteiliger allgemeiner (sachlicher und personeller) Bürokosten des Berufsbetreuers (BayObLG BtPrax 2001, 125; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. 2000 § 1835 Rn. 8; Hermann/Holzhauer, BGB, 10. Aufl. 2000 § 1836, Rn. 13; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 1999 Vorbemerkung vor §§ 65 ff FGGRn. 165; Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl. 2001 § 1835 Rn. 14 und § 1836 Rn. 21; Dammrau/Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl. 1995 § 1836 Rn. 25; siehe im Übrigen auch - zum alten Recht - BayObLGZ 1995, 35, 38 ff. und 1996, 37, 39; a. A. OLG Bremen BtPrax 2000, 88). Dies betrifft auch erforderliches Schreibpapier und das Anlegen von Ordnern (siehe auch insoweit Soergel/Zimmermann, a.a.O.); derartiges Büromaterial ist nicht gesondert zu erstatten.

Die Höhe der zu erstattenden Kosten hat das Amtsgericht dagegen zum Teil in fehlerhafter Weise errechnet. Zwar sind die Auslagen zutreffend mit 75,48 DM festgelegt worden (Fahrtkosten 120 km a 0,52 DM = 62,40 DM; Telefonkosten 54 Einheiten a 0,12 DM = 6,48 DM; Kopierkosten 22 Stück a 0,30 DM = 6,60 DM). Die Vergütung angefallener Stunden hat das Amtsgericht jedoch zunächst mit 7,15 Stunden angesetzt, obgleich tatsächlich 7 Stunden 15 min (also 7,25 Stunden) anzusetzen waren. Neben den Auslagen sind daher an Vergütung (7,25 Stunden x 54,00 DM =) 391,50 DM zu erstatten. Insgesamt führt dies zu einem Erstattungsbetrag von 466,98 DM; da das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits 461,58 DM zu Gunsten der Verfahrenspflegerin festgesetzt hatte, waren durch den Senat weitere 5,40 DM festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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