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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 9 WF 186/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KostO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 287
ZPO § 323
BGB § 1601 ff.
BGB § 1609 Abs. 1
BGB § 1612 b Abs. 1
BGB § 1612 b Abs. 3
KostO § 131 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

9 WF 186/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde des Beklagten vom 22. Oktober 2001 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 5. Oktober 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

am 17. Dezember 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluß dahingehend abgeändert, daß dem Beklagten ratenfreie Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt wird, soweit er sich mit seiner Rechtsverteidigung gegen die Abänderung des bisherigen Unterhaltstitels unter einen Betrag in Höhe von 109 DM für die Zeit vom 5. 6.2001 bis 30.6.2001, in Höhe von 141 DM für die Zeit vom 1.7.2001 bis 31.8.2001 und in Höhe von 117 DM ab 1.9.2001 wendet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Gemäß § 114 ZPO ist Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine solche hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für insoweit zutreffend oder es zumindest für vertretbar hält, dass die Rechtsverteidigung nicht aussichtslos erscheint. Es muss aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Rechtsverteidigung zum Erfolg führen kann (vgl. nur Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., Rn. 19 zu § 114 m.w.N.). Dies ist immer dann anzunehmen, wenn die Klage unschlüssig ist oder der Beklagte Tatsachen vorträgt, die zur Abweisung der Klage führen können (Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 25 zu § 114 m.w.N.).

Eine solche Erfolgsaussicht ist vom Amtsgericht zu Unrecht vollständig verneint worden.

Gemäß § 323 ZPO kann ein Unterhaltstitel abgeändert werden, wenn sich diejenigen Verhältnisse, die zur Errichtung des Titels geführt haben, wesentlich geändert haben. Der Beklagte ist am 16. Mai 2001 volljährig geworden, so daß schon deshalb von einer solchen wesentlichen Änderung auszugehen ist, da der abzuändernde Titel noch aus der Zeit der Minderjährigkeit stammt.

Der Unterhaltsanspruch des Beklagten ergibt sich aus den § 1601 ff. BGB. Danach ist ein Unterhaltsanspruch gegeben, solange und soweit der Bedürftige seinen angemessenen Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften kann, während der Unterhaltspflichtige leistungsfähig zur Zahlung ist.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, der Beklagte sei in der Lage, seinen gesamten Bedarf selbst sicherzustellen, ist dem nicht zu folgen, so daß die beabsichtigte Rechtsverteidigung teilweise Aussicht auf Erfolg verspricht.

Für die Höhe seines Unterhaltsanspruchs ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Zwar ist bei einer Abänderungsklage davon auszugehen, daß der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Veränderung der Verhältnisse hat. Jedoch verbleibt es im übrigen bei den allgemeinen Beweislastregeln. So hat insbesondere das volljährige Kind darzutun und zu beweisen, daß der Unterhaltsanspruch in voller Höhe weiterbesteht, wenn dieser aus der Zeit der Minderjährigkeit stammt (vgl. nur Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rn. 451 m. w. N.).

Soweit dem Vortrag des Beklagten, der Kläger erziele ein Einkommen in Höhe von monatlich 2.972 DM, zu folgen wäre, wurde ein Unterhaltsanspruch in tenorierter Höhe verbleiben.

Von diesem Einkommen ist zunächst der Tabellenkindesunterhalt für das minderjährige Kind J, geb. am 1986 abzuziehen, da dieses Kind dem Beklagten gemäß § 1609 Abs. 1 BGB im Unterhaltsrang vorgeht. Da für den Kläger nur zwei Unterhaltsverpflichtungen bestehen, ist darüber hinaus insoweit eine Höherstufung um eine Einkommensgruppe gerechtfertigt, so daß von einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung entsprechend der 4 Gruppe der Unterhaltsleitlinien auszugehen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist jedoch ein Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 % nicht gerechtfertigt. Da hierzu jeglicher Vortrag fehlt, ist die Höhe dieser Aufwendungen, insbesondere, ob die Annahme einer Pauschale überhaupt berechtigt ist, keiner Schätzung nach § 287 ZPO zugänglich.

Danach ergibt sich folgende Berechnung des für den Bedarf des Beklagten relevanten Einkommens:

- bis Juni 2001: 2.972 DM ./. 618 DM = 2.354 DM; Bedarf: 589 DM

- ab Juli 2001: 2.972 DM ./. 636 DM - 2.336 DM; Bedarf: 606 DM

Bei dieser Berechnung ist zwar ausschließlich der Bedarf nach dem Einkommen des Klägers ermittelt worden, obwohl sich der Bedarf des Beklagten grundsätzlich nach den zusammengerechneten Elterneinkommen bestimmt (BGH FamRZ 1994, 696). Da die Kindesmutter unstreitig leistungsunfähig ist, wird jedoch die Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf den Betrag, den er nach seinem Einkommen zu zahlen hätte, begrenzt (Palandt/ Diederichsen, BGB, 59. Aufl., Rn. 15 zu § 1606 m.w.N.), so daß eine weitergehende Berechnung nicht erforderlich ist.

Unter Anrechnung des eigenen Einkommens, jeweils gekürzt um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen und des anteiligen Kindergeldes ergibt sich daher folgender Unterhaltsanspruch:

- bis Juni 2001: 589 DM ./. 345 DM = 244 DM ./. 135 DM = 109 DM

- bis August 2001: 606 DM ./. 330 DM = 276 DM ./. 135 DM = 141 DM

- ab September 2001: 606 DM ./. 354 DM = 252 DM ./. 135 DM = 117 DM

Soweit der Kläger und das Amtsgericht die Auffassung vertreten, daß das gesamte Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen sei, ist dem nicht zu folgen.

Zwar wird die Auffassung vertreten, daß für den Fall, daß der ebenfalls zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil nicht leistungsfähig sei, es gerechtffertigt erscheine, das gesamte Kindergeld dem anderen zugutekommen zu lassen (OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1452; wohl auch: Oelkers, Aktuelles Unterhaltsrecht, Loseblattsammlung Stand Juli 2001, Stichwort: Kindergeld). Jedoch widerspricht diese Auffassung der hälftigen Anrechnungsregel des § 1612 b Abs. 1 BGB.

Ausnahmsweise ist eine volle Kindergeldanrechnung nach § 1612 b Abs. 3 BGB nur dann vorzunehmen, wenn nur ein Kindergeldberechtigter vorhanden ist und an diesen das Kindergeld nicht gezahlt wird. Ein solcher Fall ist aber - wie hier - dann nicht gegeben, wenn das Kind im Haushalt des nicht leistungsfähigen Elternteils lebt, da sich dessen Berechtigung zum Bezug des Kindergeldes allein aus der Tatsache des gemeinsamen Wohnens ergibt. In einem solchen Fall soll es bei der gesetzlichen hälftigen Anrechnung des Kindergeldes verbleiben (OLG Celle FamRZ 2001, 47; Wendl/Staudigl-Scholz, a.a.O., § 2 Rn. 515; Heiß/Heiß, Unterhaltsrecht, Loseblattsammlung Stand Juli 2001, 3. Kap. Rn. 287; widersprüchlich: Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. Rn. 545 und Rn. 831).

Insoweit ist zu beachten, daß für das volljährige Kind zwar grundsätzlich keine berücksichtigungswürdigen Betreuungsleistungen mehr erbracht werden (BGH a.a.O.). Gleichwohl erbringt der an sich barunterhaltspflichtige, aber leistungsunfähige Elternteil aber durch die Gewährung von Kost und Logis Naturalunterhalt, so daß eine fortwirkende Anrechnung des anteiligen Kindergeldes entsprechend dem Grundsatz des § 1612 b Abs. 1 BGB zu erfolgen hat.

Zwar kann dieser Beitrag hinter dem anteiligen Kindergeld zurückbleiben, so daß eine abweichende, nicht hälftige Anrechnung des Kindergeldes in Betracht kommen könnte (so auch Oelkers, a.a.O.). Jedoch wäre hierfür der Kläger darlegungspflichtig, da es sich insoweit um eine Abweichung von der gesetzlichen Regel zur Anrechnung des Kindergeldes handeln würde.

Demzufolge ist zumindest in den Fällen, in denen der Volljährige noch im Haushalt des nicht leistungsfähigen Elternteils lebt, eine Anrechnung des hälftigen Kindergeldes sachgerecht.

Insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß zwar das volle Kindergeld anzurechnen wäre, wenn das volljährige Kind einen eigenen Wohnsitz hätte und der andere Elternteil nicht leistungsfähig wäre. Für diesen Fall wäre jedoch von einem wesentlich höherem Bedarf auszugehen, so daß sich die Unterhaltslast dann tatsächlich erhöhen würde.

Da somit die Rechtsverteidigung des Beklagten teilweise Erfolg verspricht, war auf seine Beschwerde der angefochtene Beschluß abzuändern und ihm teilweise Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.

Die Entscheidung über die Erhebung von Gerichtskosten beruht auf § 131 b KostO.

Ende der Entscheidung

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