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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.12.1999
Aktenzeichen: 9 WF 209/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 141 Abs. 1
ZPO § 141 Abs. 3 S. 2
ZPO § 380 Abs. 1
ZPO § 380 Abs. 3
ZPO § 613
ZPO § 613 Abs. 1
ZPO § 613 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 613 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 613 Abs. 2
ZPO § 616
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

9 WF 209/99 Brandenburgisches Oberlandesgericht 017

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 6. Oktober 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 14. September 1999 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

am 22. Dezember 1999

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, daß das gegen die Antragsgegnerin festgesetzte Ordnungsgeld auf 100,00 DM herabgesetzt wird.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben zu einem Drittel die Antragsgegnerin und zu zwei Dritteln der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

Die gemäß §§ 613 Abs. 2, 380 Abs. 3 ZPO zulässige Beschwerde ist nur hinsichtlich der Höhe des auferlegten Ordnungsgeldes begründet; im übrigen ist sie unbegründet.

In Ehescheidungsverfahren hat der Richter die Ehegatten persönlich, auch zur elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind, anzuhören, § 613 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO. Bleibt ein Ehegatte einer mündlichen Verhandlung, zu der er geladen worden ist, unentschuldigt fern, stehen dem Richter die Zwangsmittel des § 380 Abs. 1 ZPO mit Ausnahme der Ordnungshaft zur Verfügung (§ 613 Abs. 2 ZPO).

Die zu dem Termin am 14. September 1999 ordnungsgemäß geladene Antragstellerin hat sich wegen ihres Nichterscheinens zu diesem Termin darauf berufen, nicht mit dem Antragsgegner zusammentreffen zu wollen und hat sich hierfür auf eine ärztliche Bescheinigung der praktischen Ärztin Dr. Z... vom 9. September 1999 (Bl. 146 d. A.) bezogen. Dies stellt keine hinreichende Entschuldigung für das Nichterscheinen dar. Aus der ärztlichen Bescheinigung geht nicht hervor, daß die Antragstellerin wegen Verhandlungsunfähigkeit nicht erscheinen konnte. Soweit aber in der ärztlichen Bescheinigung auf die persönliche Problematik der Antragstellerin im Verhältnis zu dem Antragsgegner hingewiesen wird, ist die Bescheinigung inhaltlich zu unbestimmt, da nicht erkennbar ist, wie sich diese Problematik auf Psyche und Physis der Antragstellerin auswirken könnte, zumal dies die Antragstellerin lediglich dazu berechtigen könnte, eine getrennte Anhörung zu verlangen, nicht aber, der Verhandlung insgesamt fernzubleiben.

Das Amtsgericht hat mit der Ladung der Antragsgegnerin zum Termin vom 14. September 1999 erkennbar den Zweck verfolgt, die gemeinsame Anhörung der Ehegatten zur Ehescheidung bzw. zu den Folgesachen herbeizuführen, um ggf. auch (einvernehmliche) Regelungen zum Sorge- bzw. Umgangsrecht herbeiführen zu können, wie auch aus dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichtes vom 12. Oktober 1999 hervorgeht. Zwar enthält die in § 613 ZPO getroffene Regelung über die Pflicht zur persönlichen Anhörung der Ehegatten keine weitergehende Aussage darüber, wie die Ehegatten anzuhören sind; insbesondere ist die gemeinschaftliche Anhörung der Ehegatten, d. h. deren Gegenüberstellung, nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ 1994, 1400, 1401), da in bestimmten Fällen auch die Anhörung durch einen ersuchten Richter vorgenommen werden kann ( § 613 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Gleichwohl ist das Gericht befugt, zum Zwecke der gemeinsamen Anhörung der Parteien deren gemeinsames Erscheinen anzuordnen. Die Vorschrift des § 613 ZPO ist im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 141 ZPO zu sehen. § 141 ZPO als allgemeine Regelung wird (ebenso wie die Vorschriften über die Parteivernehmung, §§ 445 ff ZPO) in Ehesachen durch § 613 ZPO ergänzt (Zöller-Philippi, ZPO, 21. Auflage 1999 § 613 Rn. 1). Die in §§ 141 Abs. 1, 613 Abs. 1 ZPO vorgesehene Möglichkeit, das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen, eröffnet zugleich auch die Möglichkeit, das gemeinsame Erscheinen der Parteien anzuordnen. Dies folgt zum einen aus der Tatsache, daß vielfach eine Sachaufklärung - zu der das Gericht in Ehesachen von amtswegen in dem in § 616 ZPO geregelten Umfange verpflichtet ist - nur im Wege der Gegenüberstellung der Parteien erreichbar erscheint. Zum anderen folgt dies aus dem Gebot des Versuches einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreites durch das Gericht (§ 279 ZPO). Eine gütliche Beilegung des Rechtsstreites wird regelmäßig nur bei persönlicher Anwesenheit beider Parteien möglich sein. Aus diesen Gründen gestattet § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO einer Partei, deren persönliches Erscheinen angeordnet ist, das Fernbleiben von dem Termin nur, sofern sie einen zur Verhandlung bereiten Vertreter, der insbesondere zur Aufklärung des Sachverhaltes in der Lage und zu einem Vergleichsabschluß ermächtigt ist, an ihrer Stelle schickt.

Deshalb stellt die persönliche Anhörung in Anwesenheit der Gegenpartei in der Praxis den Regelfall dar, zumal die Gegenpartei zur Anwesenheit berechtigt ist (vgl. auch Wieczorek/Schütze-Becker-Eberhard, ZPO, 3. Aufl. 1998 § 613 Rn. 7). Daher war das Amtsgericht befugt, zum Zwecke der gemeinschaftlichen Anhörung auch die Antragstellerin zu laden, weil dies zur Herstellung eines Einvernehmens über die streitigen Punkte und insbesondere zum Wohle des Kindes als wünschenswert erscheint.

Allerdings war das festgesetzte Ordnungsgeld mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin - auch wegen der ihr gewährten Prozeßkostenhilfe - auf 100,00 DM zu ermäßigen.

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