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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2001
Aktenzeichen: 9 WF 232/00
Rechtsgebiete: ZPO, BRAO
Vorschriften:
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 121 Abs. 1 | |
ZPO § 121 Abs. 2 | |
BRAO § 48 Abs. 2 | |
BRAO § 48 Abs. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
9 WF 232/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 3. November 2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 11. Oktober 2000 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Surkau und den Richter am Landgericht Schollbach
am 8. Januar 2001
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe:
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat, nachdem ihr die Klage auf Scheidung der Ehe des Antragstellers unter dem 9. Februar 2000 zugestellt worden war, beantragt, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts G zu bewilligen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. März 2000 hat das Amtsgericht Neuruppin der Antragsgegnerin sodann Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G bewilligt. Ferner wurde in diesem Termin die Sach- und Rechtslage erörtert.
Mit Schriftsatz der Rechtsanwältin S vom 22. Juni 2000 teilte die Antragsgegnerin dem Amtsgericht sodann mit, dass das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt G nicht gegeben sei und sie sich keinesfalls von diesem in ihrem Ehescheidungsverfahren vertreten lasse.
Sie beantragte sodann, den Prozesskostenhilfebeschluss abzuändern und nunmehr Rechtsanwältin S beizuordnen.
Nach Ansicht des Senats fehlte es der Antragsgegnerin bereits an einem Recht, die Entpflichtung bzw. Aufhebung der Beiordnung des ihr mit Beschluss des Amtsgericht Neuruppin vom 9. März 2000 beigeordneten Rechtsanwalt G zu beantragen, wie sie dies offensichtlich mit ihrem Antrag vom 22. Juni 2000 erstrebte.
Die Frage, ob die bedürftige Partei, der gemäß § 121 Abs. 1 ZPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, selbst ein Antragsrecht zur Aufhebung der Beiordnung hat, ist umstritten (bejahend: OLG Köln, FamRZ 1992, 966, 967; JurBüro 1995, 534; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., Rn. 3 zu § 121; verneinend: OLG Zweibrücken, JurBüro 1994, 749; Zöller, ZPO, 22. Aufl., Rn. 34 zu § 121).
Gegen ein Antragsrecht der bedürftigen Partei spricht bereits, dass § 48 Abs. 2 BRAO nur dem Rechtsanwalt für den Fall, dass wichtige Gründe vorliegen, das Recht einräumt, die Aufhebung der Beiordnung und damit seine "Entpflichtung" zu beantragen. Zwar wird der Rechtsanwalt durch die nach § 121 Abs. 1 ZPO beschlossene Beiordnung nicht zum Vertragspartner und Bevollmächtigten einer Partei. Er ist jedoch gem. § 48 Abs. 1 BRAO verpflichtet, die Vertretung der Partei in dem Umfang zu übernehmen, der durch den Beiordnungsbeschluss festgelegt ist, und hat für seine in diesem Rahmen für die Partei entfaltete Tätigkeit Anspruch auf Vergütung aus der Staatskasse. Der Beiordnungsbeschluss ersetzt weder den zwischen der Partei und dem Rechtsanwalt zu schließenden Anwaltsvertrag noch die Vollmachtserteilung durch die Partei. Weil der beigeordnete Rechtsanwalt aber zur Vertretung der Partei verpflichtet ist, den Abschluss eines darauf gerichteten Anwaltsvertrages also nicht ablehnen kann, besteht für ihn gem. § 48 Abs. 2 BRAO ein Antragsrecht dahingehend, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen.
Ein entsprechendes Antragsrecht der Partei ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann entgegen der von dem Oberlandesgericht Köln vertretenen Auffassung auch nicht mittelbar aus § 121 Abs. 1 ZPO hergeleitet werden. Denn allein aus der in § 121 Abs. 1 ZPO geregelten grundsätzlichen Beiordnung eines Rechtsanwalts ihrer Wahl rechtfertigt sich nicht die Annahme, der hilfsbedürftigen Partei müsse ebenfalls das Recht zugebilligt werden, sich selbst von dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt durch entsprechenden Antrag auf Abänderung des PKH-Beschlusses durch das Prozessgericht zu trennen.
Der Partei bleibt es unbenommen, den von ihr mit dem beigeordneten Rechtsanwalt geschlossenen Anwaltsvertrag zu kündigen und die ihm erteilte Vollmacht zu widerrufen, so dass der Anwalt zu ihrer Vertretung nicht mehr berechtigt ist. Allein durch die Kündigung des Anwaltsvertrages und dem Widerruf der erteilten Vollmacht wird im Innen- und Außenverhältnis die Berechtigung des ursprünglich beigeordneten und von der Partei mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragten Rechtsanwalts beendet, während dies allein durch eine vom Gericht ausgesprochene Aufhebung der Beiordnung nicht der Fall ist.
Das Familiengericht hat deshalb im Ergebnis zu Recht den Antrag der Antragsgegnerin, die Beiordnung des Rechtsanwalts G aufzuheben, abgelehnt und ebenfalls zu Recht ihren Antrag, ihr Rechtsanwältin S zu ihrer weiteren Vertretung im Ehescheidungsverfahren beizuordnen, zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2000 hat die Antragsgegnerin dem Rechtsanwalt G mitgeteilt, dass sie ihm sämtliche von ihr erteilten Vollmachten entziehe und die Herausgabe sämtlicher ihr gehörender Unterlagen erbitte.
Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Antragsgegnerin mit dem vorerwähnten Schreiben wirksam den Anwaltsvertrag gekündigt und die Vollmacht widerrufen hat, denn ihr Antrag auf Beiordnung der Rechtsanwältin S kann auch für den Fall der wirksamen Lösung des Vertragsverhältnisses mit Rechtsanwalt G keinen Erfolg haben.
Da der Rechtsanwalt G der Antragsgegnerin nach Zustellung des Scheidungsantrages im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. März 2000 im Rahmen des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses beigeordnet worden ist und in diesem Termin die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, hat Rechtsanwalt G gegen die Landeskasse einen Vergütungsanspruch jedenfalls in Höhe der Prozess- und der Erörterungsgebühr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer erworben.
Würde nunmehr der Antragsgegnerin die Rechtsanwältin S beigeordnet, so würde auch dieser, wenn sie in dem Verfahren für die Antragsgegnerin und in deren Auftrag tätig würde, mindestens ein gleich hoher Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse entstehen. Damit die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt ist, nicht durch beliebigen gewillkürten Anwaltswechsel zulasten der Staatskasse vermeidbare Kosten verursachen kann, müssen bei der Entscheidung über die Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts die Interessen der Staatskasse berücksichtigt werden. Werden diese Interessen nicht beeinträchtigt, weil etwa der bisher beigeordnete Rechtsanwalt auf eine Vergütung aus der Staatskasse verzichtet oder der neu beizuordnende Rechtsanwalt sich die dem früheren Anwalt gewährte Vergütung auf seinen Vergütungsanspruch anrechnen lassen will, so stehen der Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts keine Hindernisse entgegen (OLG Zweibrücken, a. a. O.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 632, 633).
Eine solche Situation liegt hier nicht vor. Weder hat Rechtsanwalt G auf eine Vergütung aus der Landeskasse verzichtet, noch hat die Rechtsanwältin S bisher erklärt, dass sie sich die an Rechtsanwalt G zu zahlende Vergütung auf einen ihr gegen die Landeskasse entstehenden Vergütungsanspruch anrechnen lassen wolle.
In anderen Fällen eines gewillkürten Anwaltswechsels, durch den der Staatskasse zusätzliche Kosten entstehen würden, lässt sich die Beiordnung eines weiteren Rechtsanwaltes nicht schon damit rechtfertigen, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für einen weiteren Rechtsanwalt nicht aufbringen kann, obwohl sie sich in dem Rechtsstreit durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss (§ 121 Abs. 1 ZPO) oder ihre Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Das Interesse der Staatskasse, nicht mit vermeidbaren und von der Allgemeinheit aufzubringenden Kosten belastet zu werden, muss hinter das Interesse der bedürftigen Partei, durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten zu werden, nur dann zurücktreten, wenn die Partei entweder den Anwaltswechsel nicht vermeiden konnte oder aber das Mandatsverhältnis zu dem zunächst beigeordneten Rechtsanwalt aus Gründen beendet hat, die auch eine nicht bedürftige Partei vernünftigerweise dazu veranlasst hätten (so auch OLG Köln, JurBüro 1995, 534; OLG Zweibrücken, a. a. O.).
Ist das nicht der Fall, hat also die Partei das Mandatsverhältnis zu dem beigeordneten Rechtsanwalt ohne triftigen Grund aufgelöst, so ist ihr Verlangen, ihr einen anderen Rechtsanwalt beizuordnen, als rechtsmissbräuchlich abzulehnen.
Die bedürftige Partei, die aus eigenem Entschluss das Mandatsverhältnis zu dem ihr nach § 121 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO beigeordneten Rechtsanwalt aufgehoben hat, muss also, wenn sie einen anderen Rechtsanwalt beigeordnet haben will, Tatsachen darlegen und auf Verlangen glaubhaft machen (§ 118 Abs. 2 ZPO), die auch eine vernünftige vermögende Partei, welche die durch einen Anwaltswechsel entstehenden Mehrkosten selbst tragen müsste, veranlasst hätten, den Anwaltsvertrag zu kündigen (OLG Karlsruhe a. a. O., OLG Köln a. a. O.). Es steht nicht in der Dispositionsfreiheit der bedürftigen Partei, durch Entziehung der Vollmacht für den beigeordneten Rechtsanwalt das Gericht zur Aufhebung der Beiordnung zu zwingen. Eine solche Aufhebung ist auch dann nicht schon zwingend erforderlich, wenn die Partei dem beigeordneten Rechtsanwalt das Mandat entzogen hat und der Rechtsanwalt deswegen die Aufhebung seiner Beiordnung begehrt (OLG Frankfurt, JurBüro 1990, 1652). Der Rechtsanwalt wird nicht nur im Interesse des Mandanten, sondern auch als Organ der Rechtspflege tätig und die bedürftige Partei nimmt öffentliche Mittel in Anspruch, auf deren sparsamen und sinnvollen Einsatz das Gericht achten muss. Deshalb genügt die Behauptung der Partei, das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt sei so zerrüttet, dass ihr nicht zugemutet werden könne, sich weiterhin von diesem Rechtsanwalt vertreten zu lassen, nicht. Das Verhalten des Rechtsanwalts, das für die Mandatsauflösung ursächlich gewesen sein soll, muss vielmehr durch konkrete Tatsachen belegt werden. Nur anhand solcher Tatsachen kann das Gericht, das über den Beiordnungsantrag zu entscheiden hat, beurteilen, ob die Partei den Anwaltsvertrag mit dem ihr zunächst beigeordneten Rechtsanwalt aus triftigen Gründen aufgelöst hat.
Das Vorliegen von triftigen Gründen hat die Antragsgegnerin hier aber nicht vorgetragen. Vielmehr hat sie sich auch in der Beschwerdebegründung lediglich darauf berufen, sie habe keinerlei Vertrauen mehr zu dem vormals auf ihren Antrag beigeordneten Rechtsanwalt G, ohne diesen Vortrag näher zu begründen.
Ende der Entscheidung
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