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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2006
Aktenzeichen: 9 WF 290/06
Rechtsgebiete: ZPO, RVG
Vorschriften:
ZPO § 42 Abs. 1 | |
ZPO § 42 Abs. 2 | |
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 406 Abs. 5 2. Halbsatz | |
ZPO § 567 | |
RVG § 19 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
9 WF 290/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
betreffend das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die minderjährigen Kinder La..., Le... und Li... K..., sämtlich geboren am ... 2000,
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 1. September 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 17. August 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr als Einzelrichterin
am 20. November 2006
beschlossen:
Tenor:
A. Die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen Dr. Dr. O... wird für begründet erklärt.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
B. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
A. 1.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 1. September 2006 gegen den ihr Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen als unbegründet zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 17. August 2006 ist gemäß §§ 406 Abs. 5 2. Halbsatz, 567 ZPO statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und demzufolge zulässig.
2.
Die sofortige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg. Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen Dr. Dr. O... im Sinne der §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.
Eine Besorgnis der Befangenheit ist anzunehmen, wenn eine Tatsache vernünftigerweise subjektives Misstrauen der Parteien in die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen kann (vgl. BGH, NJW 1995, 1363). Hiervon ist nach den Darlegungen der Antragstellerin, denen (jedenfalls nun) nach der Überzeugung des Senats Glauben zu schenken ist, auszugehen.
Grundsätzlich hat sich ein Sachverständiger - ebenso wie ein Richter - jeglicher Unsachlichkeit, insbesondere unsachlicher Äußerungen, wie sie durch abfällige, höhnische, ironische, kränkende oder beleidigende Wortwahl zum Ausdruck kommt, zu enthalten (OLG Hamburg, MDR 1989, 71; OLG Stuttgart, MDR 2003, 50; OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 890; Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 1995, 1498). Diesem Gebot hat der Sachverständige Dr. Dr. O... vorliegend jedenfalls durch zwei Äußerungen nicht Rechnung getragen und es dabei an der seiner Funktion zukommenden Unparteilichkeit, der notwendigen Distanz zu der Antragstellerin und allgemein der üblichen Höflichkeit fehlen lassen. Insoweit muss das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass zum einen die vom Sachverständigen eingeräumte Tatsachenfeststellung "sie haben 6 Kinder von 3 Männern" durch eine von ihm bestrittene, wertende Anmerkung des Inhalts, dass dies nicht normal sei und mit der Kindesmutter deshalb etwas nicht stimme, versehen worden ist. Zum anderen steht zur Überzeugung des Beschwerdegerichts weiterhin fest, dass die vom Sachverständigen bestrittene, in keinerlei Zusammenhang mit seinem Gutachtenauftrag stehende Bemerkung: "Sie werden wohl bald wieder schwanger, obwohl sie ja jetzt sterilisiert sind, was Sie das letzte Mal ja aber auch nicht davon abgehalten hat, mit ihrem Mann noch einmal Kinder zu haben" in diesem Sinne tatsächlich geäußert wurde. Entgegen der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung in diesem Zusammenhang getätigten Annahme, dass das entsprechende Vorbringen der Antragstellerin angesichts des Bestreitens durch den Sachverständigen nicht glaubhaft sei, muss nun nach der Stellungnahme des Jugendamtes des Landkreises O... vom 31.8.2006, in der inhaltsgleiche Äußerungen des Sachverständigen gegenüber der zuständigen Mitarbeiterin bekundet werden, als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden. Ohnehin bedarf es, um ein Misstrauen gegen die unparteiliche Amtsausübung des Sachverständigen zu rechtfertigen, keiner mit Sicherheit feststehenden objektiven Gründe; vielmehr genügt es, wenn nach der subjektiven Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass besteht, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42, Rz. 9 m. w. N.). Insoweit sind die Ablehnungsgründe in ihrer Gesamtheit zu würdigen und ist im Zweifelsfall, den anzunehmen vorliegend nicht einmal Veranlassung besteht, im Sinne einer Stattgabe des Ablehnungsgesuches zu entscheiden (so BayObLG Z 74, 131; KG, MDR 1999, 1019; OLG Köln, OLGR 2004, 290). Wenn aber der Sachverständige sich gegenüber einer ohne eigenes Interesse am Verfahren beteiligten Mitarbeiterin des Jugendamtes, deren Richtigkeit ihrer Bekundungen keine Veranlassung besteht in Zweifel zu ziehen, in dem vorstehend beschriebenen Sinne geäußert hat, so verleiht dies dem Vorbringen der Antragstellerin in Relation zu dem bloßen Bestreiten der Äußerungen durch den Sachverständigen ein anderes Gewicht. Es erscheint vor diesem Hintergrund durchaus in hohem Maße wahrscheinlich, dass er diese zweifelsfrei distanzlosen und beleidigenden Äußerungen auch gegenüber der Kindesmutter getätigt hat. Von daher bedarf es einer Wertung der eidesstattlichen Versicherung des Herrn U... W... nicht mehr.
Ebenso wenig muss den sonstigen von der Antragstellerin gegenüber dem Sachverständigen erhobenen Vorwürfen nachgegangen werden; die beiden genannten Äußerungen bzw. jede einzelne für sich sind bereits geeignet, bei vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Antragstellerin betrachtet Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bemisst nach demjenigen der Hauptsache (vgl. BGH, NJW 1968, 796; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1086; KG-R 1998, 92, Brandenburgisches Oberlandesgericht, NJW-RR 1999, 1291; 2000, 1091).
B.
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war zurückzuweisen, weil zum einen Gerichtskosten nicht entstehen - KV 1811 -, zum anderen die anwaltliche Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 RVG von den aus dem Verfahren bereits erwachsenen Gebühren abgedeckt sind.
Ende der Entscheidung
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