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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.01.2006
Aktenzeichen: 9 WF 358/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4 S. 1
ZPO § 127 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 358/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde der Antragsgegnerin vom 7. November 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 13. Oktober 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter

am 5. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die gänzliche Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO beruht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin haben sich einerseits, soweit sie bekannt sind, geändert. Im Übrigen ist bislang nach wie vor keine vollständige Aufklärung seitens der Antragsgegnerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt.

2.

Mit dieser Maßgabe wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung sowie der Abhilfeentscheidung vom 13. Dezember 2005 Bezug genommen werden. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat die Antragsgegnerin lediglich für April 2005 eine aktualisierte Erklärung eingereicht. Soweit sie sodann erneut eine Erklärung eingereicht hat, sind die entsprechenden Kopien Bl. 70 ff. sehr schwer lesbar bis hin unleserlich und können daher nicht zur Beurteilung der aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden.

3.

Dies kann aber letztendlich dahinstehen, da aus weiteren Gründen von keiner Bedürftigkeit der Antragsgegnerin auszugehen ist.

Da das Institut der Prozesskostenhilfe, das eine Art Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen in Aussicht stellt, ausschließlich dazu dient, wirtschaftlich Schwachen den Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, hat die Partei zunächst ihr Vermögen vorrangig zur Finanzierung des Prozesses einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 2 ZPO), bevor die Allgemeinheit mit diesen Kosten belastet werden darf.

a.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sie über einen Pkw der Marke Opel Corsa verfügt, für den sie einen Verkehrswert von zuletzt wohl 9.000 € angegeben hat. Auch ein Mittelklasse-Pkw ist einsetzbares Vermögen. Der solidarisch verbundenen Allgemeinheit ist es nicht zumutbar, dass die Partei einen unnötig wertvollen Pkw fährt, obgleich sie sich gleichwohl für bedürftig hält. Ein Pkw der Ober- oder Mittelklasse zählt in aller Regel zum verwertbaren Vermögen (OLG Bamberg JurBüro 1992, 346 für einen Mercedes 230 E; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, § 115 Rn. 63 m.w.N.).

Insoweit obliegt es der Antragsgegnerin, den Pkw zu veräußern und sich einen kleineren und billigeren Pkw anzuschaffen. All dies ist unabhängig von der weiteren Frage, ob die Antragsgegnerin überhaupt den Gebrauch eine Pkws benötigt, wofür es an notwendigen Angaben seitens der Antragsgegnerin fehlt.

b.

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin in ihrer ersten Erklärung zur Prozesskostenhilfe Zahlungen auf eine Lebensversicherung mit 79,32 € monatlich angegeben. Im lesbaren Teil der neuen Erklärungen zur Prozesskostenhilfe findet sich ein entsprechender Betrag nicht mehr; auch ansonsten ist in keiner Weise nachvollziehbar, was mit dieser Lebensversicherung geschehen ist. Insoweit ist ebenfalls möglicherweise vorhandenes Vermögen existent.

Eine vorhandene Lebensversicherung muss einer Verwertung zugeführt werden - sei es im Wege der Beleihung, sei es im Wege der Realisierung des Rückkaufswertes - bevor die Solidarität der Allgemeinheit durch Gewährung von Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen wird (allgemein dazu OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1651; OLG Köln, FamRZ 2004, 382; KG FamRZ 2003, 1394; AG Pforzheim FamRZ 2005, 467, 468). Daran ändert auch nichts, dass dieses Kapital - möglicherweise - der Alterssicherung dient, da auch ein solches Kapitalvermögen einzusetzen ist (OLG Frankfurt FamRZ 2005, 466). Dabei kann sich die Partei auch nicht darauf berufen, dass mit der vorzeitigen Realisierung der Versicherung Verluste verbunden sind. Eine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit ist abzulehnen. Der Einsatz von Vermögenswerten ist auch dann zumutbar, wenn mit der vorzeitigen Kündigung Einbussen verbunden sind (BSG, FamRB 2005, 347 für Kapitallebensversicherungen; OLG Celle FamRZ 2005, 992 für Sparguthaben; i. E. auch OLG Frankfurt FamRZ 2005, 466). Zumindest bedarf es eines - hier fehlenden - eingehenden Vortrages dazu, weshalb im konkreten Fall mit der vorzeitigen Realisierung unzumutbare Kosten verbunden sind oder aus welchen sonstigen Gründen die Fortführung des Versicherung bzw. des Sparvertrages zwingend notwendig ist.

c.

Zuletzt kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie keinen Unterhalt von dem Antragsteller bezieht.

Im vorliegenden Verfahren wurde ihr ein Trennungsunterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 634,35 € zuerkannt. Nach ihren eigenen Angaben hat sie gleichwohl seit längerem keinen Unterhalt mehr von dem Antragsteller bezogen, weil dieser ihr sein hälftiges Miteigentum an der vormals als Ehewohnung dienenden Doppelhaushälfte übertragen hat. Eine solche Vermögensumschichtung kann aber nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Insoweit kann die Antragsgegnerin das Entfallen des ihr offenkundig zustehenden Trennungs- bzw. nachehelichen Unerhaltsanspruches der Allgemeinheit nicht entgegenhalten.

Daher wäre sie sogar gehalten, hier ausnahmsweise die ihr zugeflossene Hälfte des Mieteigentums an der Doppelhaushälfte zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen, obgleich es sich dabei an sich um selbstbewohntes und daher grundsätzlich nicht zur Begleichung von Prozesskosten einzusetzendes Vermögen handelt. Dies mag angesichts der weiteren vorangestellten Erwägungen zur Bedürftigkeit aber dahinstehen.

Ende der Entscheidung

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