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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 9 WF 373/06
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII, VO


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 3
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9
VO § 1 Abs. 1 Nr. 1 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 373/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Juni 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 1. Juni 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Schollbach als Einzelrichter

am 19. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss insoweit abgeändert, als eine Zahlung aus dem Vermögen von mehr als 700 € festgesetzt worden ist.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden um die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Juni 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 1. Juni 2006, mit dem in Abänderung der Beschlüsse vom 19. Juni 2002 und 16. September 2003 eine Einmalzahlung in Höhe von 1.409,87 € aus ihrem Vermögen angeordnet worden ist, ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Notfrist von einem Monat gemäß §§ 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweisen Erfolg.

Nach § 120 Abs. 4 ZPO können Entscheidungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich abgeändert werden, wenn die bedürftige Partei zwischenzeitlich erhebliches Vermögen erworben hat. Insoweit kommt zwar nicht die Aufhebung der Bewilligung, wohl aber die Anordnung der Zahlung aller bereits fällig gewordener Kosten in Betracht (Brandenburgisches OLG FamRZ 2002, 403; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 120 Rn. 24 m.w.N.). Zum Vermögenseinsatz sind die Maßstäbe des § 115 Abs. 3 ZPO heranzuziehen. Übersteigt das Vermögen die Freigrenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII so ist der überschießende Betrag zur Nachzahlung der Kosten zu verwenden (Zöller/Philippi, a.a.O.). Soweit erworbenes Vermögen wieder weggegeben bzw. verbraucht worden ist, kommt eine fiktive Zurechnung in Betracht, wenn von einer selbstverschuldeten Hilfsbedürftigkeit der Partei auszugehen ist (Zöller/Philippi, a.a.O., § 120 Rn. 25). Eine solche ist dann anzunehmen, wenn die Partei sich in vorwerfbarer Weise ihres Vermögens entäußert. Diese Entäußerung ist nicht zwingend auf Vergeuden oder das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten beschränkt. Vielmehr hat die Partei ihre finanziellen Dispositionen auf die durch die Prozessführung entstandenen Kosten auszurichten; darf also nur solche Ausgaben machen, die erforderlich sind. Wer dem mutwillig nicht nachkommt und so seine Bedürftigkeit herbeiführt, ist nicht schutzwürdig (vgl. insges. Zöller/Philippi, a.a.O., § 115 Rn. 72 ff m.w.N.).

Die Antragstellerin verfügte zum Zeitpunkt der Einleitung des Überprüfungsverfahrens (Dezember 2005) über folgende Vermögenswerte:

 - Girokonto: 159,01 €
- Lebensversicherung: 1.424,36 €
- Sparbuch: 50,00 €
- B... Fonds Europa: 1.663,44 €
- B... Bausparvertrag: 455,31 €
 3.752,12 €

Da weitergehender Vortrag fehlt, ist davon auszugehen, dass diese Vermögensgegenstände in mindestens vorgenannter Höhe auch weiterhin vorhanden sind. Diese sind für die Begleichung der entstandenen Prozesskosten teilweise, soweit sie das der Antragstellerin nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b VO zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zustehende Schonvermögen von insgesamt 2.866 € (2.600 € + 266 €) überschreiten, zu verwerten.

Einer Verwertung steht auch nicht entgegen, dass das Fondsguthaben und (wohl auch) das Bausparguthaben derzeit nur nach Rückgewähr der gewährten Arbeitnehmersparzulage aufzulösen wären, da die Guthaben jedenfalls im Vermögen der Antragstellerin enthalten sind und die Veräußerung dieser Vermögensgegenstände zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zwingend erforderlich ist. Vielmehr könnten diese auch beliehen werden. Warum dies hinsichtlich des Fondsvermögens nicht möglich sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht, da die Antragstellerin dieses Guthaben unzweifelhaft bei Aufnahme eines Darlehens als Sicherheit stellen könnte.

Dies kann aber im Ergebnis dahinstehen, da zumindest die bestehende Lebensversicherung verwertbar ist. Ob dies durch Beleihung oder Realisierung des Rückkaufswertes zu erfolgen hat, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung (vgl. auch Brandenburgisches OLG FamRZ 2006, 1396). Im Übrigen hat der Teilverkauf in Höhe von 1.278 € im Dezember 2005 gezeigt, dass einer Verwertung auch keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen.

Da somit der Wert der Vermögensgegenstände das der Antragstellerin zustehende Schonvermögen um 886,12 € übersteigt, war die Anordnung einer Zahlung aus dem Vermögen gemäß § 120 Abs. 4 ZPO angezeigt. Der Senat geht unter Berücksichtigung der sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin davon aus, dass eine Zahlung in Höhe von 700 € der Billigkeit entspricht.

Soweit das Amtsgericht darüber hinaus (konkludent) auch die Zahlung aus dem Teilverkauf der Lebensversicherung in Höhe von 1.278 € fiktiv berücksichtigt hat, ist dem nicht zu folgen. Die Antragstellerin hat (zumindest) im Beschwerdeverfahren glaubhaft und nachvollziehbar dargetan, wofür dieser Betrag verwandt worden ist. Eine nicht schutzwürdige Entäußerung im o.g. Sinn kann danach nicht festgestellt werden, da die geltend gemachten Ausgaben, mit Ausnahme der Weihnachtsgeschenke, erforderlich waren und im Übrigen in ihrer Gesamtheit nicht überzogen erscheinen.

Die Antragstellerin hat im Übrigen ebenfalls ausreichend zur Erforderlichkeit ihres Umzugs und den hiermit verbundenen Kosten im Januar 2003 vorgetragen, sodass auch das durch die Auszahlung des Bausparvertrages im Jahr 2003 erworbene Vermögen - entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors - nicht fiktiv zugerechnet werden kann. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die von der Antragstellerin bezogene Wohnung mit ca. 65 m² für zwei Personen im durchaus üblichen Rahmen liegt und die Kosten für die neu angeschafften Gegenstände nicht überhöht erscheinen.

Da somit lediglich vom tatsächlichen Vermögen der Antragstellerin bei der Beurteilung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse auszugehen war, war die angefochtene Entscheidung auf die sofortige Beschwerde teilweise abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, KV 1811.

Ende der Entscheidung

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