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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2008
Aktenzeichen: 9 WF 392/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 121 Abs. 3 | |
ZPO § 121 Abs. 4 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 362 | |
ZPO §§ 567 ff. |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
9 WF 392/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke als Einzelrichterin am 29. Januar 2008 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Guben vom 15. November 2007 - Az. 30 F 91/07 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Dem Beklagten wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 15. November 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin ... aus der Rechtsanwaltskanzlei R... in A... mit der Begrenzung der ihr entstehenden Reisekosten auf den Betrag, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wäre.
Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
1.
Für die Verteidigung gegen die ihm am 19. November 2007 zugestellte Vaterschaftsfeststellungsklage hat der Beklagte um Gewährung von Prozesskostenhilfe nachgesucht.
Mit Beschluss vom 15. November 2007 hat das Amtsgericht dem Beklagten Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass ihm Rechtsanwältin ... aus A... zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet wird. Gegen diesen ihm am 19. November 2007 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit einem am 10. Dezember 2007 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Mit der gegen die Beschränkung der Anwaltsbeiordnung gerichteten Beschwerde erstrebt der Beklagte die weitere Beiordnung der Rechtsanwältin E... aus G... als Terminsvertreter, hilfsweise die Erstattung der der mit dem angefochtenen Beschluss beigeordneten Rechtsanwältin entstehenden Reisekosten bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts.
2.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 567 ff. ZPO zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
Schon in dem Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten vom 27. Juli 2007 ist ausdrücklich erklärt, dass kein Einverständnis mit einer Beiordnung "des Unterfertigten" zu den Bedingungen eines am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts bestehe, jedenfalls aber die zu erwartenden Reisekosten des Anwalts "zumindest bis zur Höhe der Kosten eines ansonsten erforderlichen Verkehrsanwalts zu tragen" seien. Damit aber ist die vom Amtsgericht angenommene stillschweigende Zustimmung zu einer Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes, die durchaus bereits darin liegen kann, dass ein auswärtiger Anwalt beantragt, beigeordnet zu werden (erkennender Senat, Beschluss vom 20. Januar 2000, Az. 9 WF 189/99 und 9 WF 36/00, abgedruckt in FamRZ 2000, 1385; BGH FamRZ 2007, 37), von vornherein ausgeschlossen. Eine die Erstattungsansprüche des Anwalts einschränkende Beiordnung ist jedoch ohne dessen Zustimmung gesetzeswidrig, weil das Gericht nicht berechtigt ist, über fremde Rechte zu disponieren (erkennender Senat, Beschluss vom 23. Februar 2005, Az. 9 WF 314/04, abgedruckt in OLGR Brandenburg 2005, 562).
Allerdings kommt die Beiordnung eines nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Anwalts nach § 121 Abs. 3 ZPO nur dann in Betracht, wenn dadurch der Staatskasse zusätzliche Kosten, insbesondere in Form von Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgelder (vgl. Ziffer 7003 ff. der Anlage 1 zum RVG), nicht entstehen. Dies ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung. Das Prozessgericht kann daher die Erfüllung dieser Voraussetzung für eine Beiordnung in den Beiordnungsbeschluss aufnehmen, wenn die Zustimmung des Anwalts zu einer solchen Beschränkung erteilt ist (vgl. dazu Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 15. Februar 2000, Az. 12 WF 25/00, juris Rdnr. 5).
Bei der Frage, ob durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts solche Mehrkosten im Sinne von § 121 Abs. 3 ZPO entstehen, ist der Rechtsgedanke des § 121 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl unter anderem zur Vermittlung des Verkehrs mit dem (Haupt-)Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Soweit aber durch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Kosten eines solchen Verkehrsanwalts erspart werden, sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Reisekosten erstattungsfähig (BGH NJW 2004, 2749/2750).
Die von dem Beklagten im Beschwerdeverfahren vorrangig erstrebte Beiordnung eines Terminsvertreters findet für den hier vorliegenden Fall hingegen weder in § 121 Abs. 4 ZPO noch sonst eine gesetzliche Stütze. Im Streitfall geht es ersichtlich nicht um die "Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter" im Sinne von § 362 ZPO. Der Umstand, dass es sich bei § 121 Abs. 4 ZPO um eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Beiordnung eines Rechtsanwalts mit Sitz am Ort des Prozessgerichts handelt, gebietet eine enge Auslegung des Wortlauts, der mithin die Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts für die Wahrnehmung eines oder mehrerer Verhandlungstermine vor dem Prozessgericht nicht ermöglicht.
Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Partei abzustellen. Solche besonderen Umstände können etwa dann vorliegen, wenn die Partei schreibungewandt ist und ihr auch eine Informationsreise zu ihren Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen bei Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalles hier vor. Die Anordnung der Betreuung des Beklagten umfasst nach dem Inhalt des in Kopie zur Akte gereichten Betreuerausweises (vgl. Bl. 22 d.A.) alle Gebiete, die von rechtlicher und wirtschaftlicher Tragweite sein können, und schließen schon die Postangelegenheiten ein. Dies rechtfertigt unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er selbst nicht über die erforderlichen Mittel für eine Informationsreise zu einem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt verfügt, die Annahme, dass der Beklagte selbst nicht hinreichend in der Lage sein dürfte, für eine sachgerechte Information eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts Sorge zu tragen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann mit Rücksicht auf den höchstpersönlichen Charakter einer Vaterschaftsfeststellung insoweit auch nicht auf die Vermittlung durch den Betreuer verwiesen werden. Nicht zuletzt die besondere Bedeutung der Statusfeststellung führen vorliegend zu der Überzeugung, dass dem Beklagten nicht zugemutet werden kann, nur schriftlich mit seinem Prozessbevollmächtigten zu verkehren. Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts gemäß § 121 Abs. 4 ZPO im Streitfall vor.
Da mithin durch die - insoweit antragsgemäße - Beiordnung der am Wohnort des Beklagten ansässigen Rechtsanwältin ... als Hauptbevollmächtigte die Kosten einer ansonsten gebotenen zusätzlichen Beiordnung eines Verkehrsanwaltes erspart worden sind, können die der beigeordneten Anwältin entstehenden Reisekosten bis zur Höhe dieser ersparten Aufwendungen erstattet werden. Mit dieser Einschränkung hat sich die beigeordnete Rechtsanwältin auch einverstanden erklärt; nicht anders jedenfalls kann der darauf gerichtete Hilfsantrag in dem hiesigen Beschwerdeverfahren, der im Übrigen insoweit auch mit den Ausführungen in dem ursprünglichen Prozesskostenhilfegesuch korrespondiert, gedeutet werden.
Weil die Beschwerde des Beklagten teilweise Erfolg hat, fallen Gerichtskosten nicht an (Zusatz zu Ziffer 1812 der Anlage 1 zum GKG). Außergerichtliche Kosten sind nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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