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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 9 WF 40/08
Rechtsgebiete: RpflG, ZPO


Vorschriften:

RpflG § 11 Abs. 2
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124 Nr. 2, 2. Alternative
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 172 Abs. 1
ZPO § 329 Abs. 2
ZPO §§ 569 ff
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 40/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke als Einzelrichterin

am 20. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Oktober 2007 - Az. 31 F 214/04 - aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

1.

Dem Antragsgegner war mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 25. Februar 2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und die Folgesache Versorgungsausgleich bewilligt worden. Er wurde im Hauptsacheverfahren und im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Rechtsanwalt W... aus G... vertreten, der ihm durch den vorgenannten Beschluss beigeordnet wurde.

In dem Hauptsacheverfahren wurde am 16. Mai 2006 ein - rechtskräftiges - Urteil verkündet.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 forderte das Amtsgericht den Antragsgegner auf, sich über seine aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären und die Angaben durch geeignete Belege glaubhaft zu machen. Ein Zugangsnachweis für dieses Schreiben fehlt. Mit weiterer Verfügung vom 24. Juli 2007 ließ der Rechtspfleger des Amtsgerichts Oranienburg dem Antragsgegner das Formular "ZP 51" ("Frist 2 Wo ab Zugang") zustellen. Ausweislich der Zustellungsurkunde Bl. 11 des PKH-Heftes ist dem Antragsgegner dieses Schreiben des Gerichts 21. August 2008 durch Einlegung in den Briefkasten - wirksam - zugestellt worden. Nachdem kein Eingang zu verzeichnen war, erließ der Rechtspfleger unter dem 19. Oktober 2007 einen Beschluss, mit dem die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Antragsgegner aufgehoben wurde, weil er trotz Erinnerung keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben habe. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner persönlich am 7. November 2007 förmlich zugestellt und Herrn Rechtsanwalt W... formlos zur Kenntnis gebracht.

Mit einem am 3. Dezember 2007 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 18. November 2007 hat der Antragsgegner unter Hinweis auf einen Krankenhausaufenthalt gebeten, "meine Prozesskostenhilfe zu bewilligen", und dazu einen Bescheid der M... A... zur Integration in Arbeit vom 17. März 2007 über die Höhe der im Kalenderjahr erzielten (rentenversicherungs-)beitragspflichtige Einnahmen vorgelegt.

Das Amtsgericht hat der sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 25. Januar 2008 nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, dass die verspätete Vorlage des oben genannten Bescheides nicht genügend entschuldigt und der Bescheid im Übrigen zur Darlegung/Glaubhaftmachung der aktuellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers unzureichend sei.

2.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 11 Abs. 2 RpflG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft; sie ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 ff ZPO eingelegt worden und daher insgesamt zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 120 Abs. 4 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Gemäß § 124 Nr. 2, 2. Alternative ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht innerhalb der 4-Jahres-Frist nach Beendigung des Verfahrens durch das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 16. Mai 2006 mit dem Schreiben vom 31. Mai 2007 zwar eine mit Fristsetzung versehene Aufforderung an den Antragsgegner veranlasst. Diese Aufforderung genügt den Voraussetzungen für ein "Verlangen des Gerichts" im Sinne von § 120 Abs. 4 ZPO nicht. Da die Aufforderung eine Fristbestimmung beinhaltet, bedarf sie gemäß § 329 Abs. 2 ZPO der förmlichen Zustellung. Das erste Aufforderungsschreiben vom 31. Mai 2007 ist dem Antragsgegner nicht förmlich zugestellt worden, so dass schon dessen Zugang nicht sicher festgestellt werden kann. Zugestellt worden ist dem Antragsgegner allerdings ein weiteres Schreiben vom 24. Juli 2007, wie die ordnungsgemäße Zustellungsurkunde beweist (§ 418 ZPO). Der Inhalt des Schreibens ergibt sich aus der Verfügung des Rechtspflegers vom 24. Juli 2007. Darin ist zwar nicht der Wortlaut aufgenommen worden, jedoch die Angabe "ZP 51". Dabei handelt es sich um ein Formular, welches die notwendigen Aufforderungen über die abzugebende Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO enthält. Von einer näheren Darstellung kann allerdings abgesehen werden, weil die Zustellung an den Antragsgegner persönlich nicht ausreicht. Der Senat hat sich - erstmals mit Beschluss vom 9. Januar 2008, Az. 9 WF 353/07 - unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung der inzwischen auch vom 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach eine Zustellung an den früheren Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hat (Beschluss vom 27. März 2007, Az. 10 WF 187/07; ebenso BAG, Beschluss vom 19. Juli 2006, Az. 3 AZB 18/06, zitiert nach juris; a. A. OLG München FamRZ 1993, 580; OLG Koblenz FamRZ 2005, 531; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 120 Rdnr. 28). Nach § 172 Abs. 1 ZPO ist die Zustellung an den "für den Rechtszug bestellten" Prozessbevollmächtigten vorzunehmen. Ob der Prozessbevollmächtigte des Hauptverfahrens zugleich auch stets für das Prozesskostenhilfeverfahren bevollmächtigt ist (was im Fall erfolgter Beiordnung regelmäßig der Fall sein dürfte), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Hat - wie hier - ein Rechtsanwalt den durch den Prozesskostenhilfebeschluss Begünstigten bereits im Antragsverfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vertreten, so ist er für dieses Verfahren jedenfalls bevollmächtigt. Der Senat geht nunmehr davon aus, dass zu einem anhängigen Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren auch das sich gegebenenfalls erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens anschließende Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gehört und beide als im Sinne des § 172 Abs. 1 ZPO zum selben Rechtszug gehörig anzusehen sind (vgl. im Einzelnen: Beschluss des erkennenden Senates vom 9. Januar 2008, Az. 9 WF 353/07).

Da eine förmliche Zustellung der Erklärungsaufforderung nach § 120 Abs. 4 ZPO an den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners fehlt und dieser Zustellungsmangel auch nicht durch die formlose Übersendung des Beschlusses vom 19. Oktober 2007 geheilt worden ist, weil ein Zugang dieses Schreibens nicht festgestellt werden kann, war eine Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses nicht zulässig. Mangels ordnungsgemäßer Aufforderung zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse konnte aus dem bloßen Umstand der Nichtabgabe der Erklärung nicht geschlossen werden, dass eine im Sinne von § 120 Abs. 4 ZPO wesentliche Änderung der Verhältnisse, die die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen würde, eingetreten ist.

Auf den - vom Amtsgericht allerdings zutreffend festgestellten - Umstand, dass die Herreichung des Bescheides der A... zur Darlegung und Glaubhaftmachung der Tatsache, dass der Antragsgegner nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen weiterhin nicht in der Lage ist, die entstandenen Prozesskosten auch nur teilweise bzw. in Raten zu tragen, völlig unzureichend ist, kommt es danach nicht mehr an.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war ungeachtet etwa vorliegender Gründe nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht veranlasst, weil die im Ergebnis der hier getroffenen Entscheidung allein beschwerte Staatskasse nicht beschwerdebefugt ist (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 127 Rdnr. 27; OLG Oldenburg FamRZ 2004, 170).

Ende der Entscheidung

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