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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 9 WF 411/06
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 114
ZPO § 115 Abs. 1 S. 2
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 115 Abs. 3
SGB XII § 90
BGB § 242
BGB § 1603 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 411/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding als Einzelrichterin

am 17.01.2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 27.09.2006 in der Fassung des Beschlusses vom 15.12.2006 - Az.: 33 F 183/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Antragstellerin kann für die beabsichtigte Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 114 ZPO nicht festgestellt werden kann.

Die Antragstellerin hat nicht ausreichend dargetan, dass sie im Sinne des § 114 ZPO bedürftig ist, was zu ihren Lasten geht.

Prozesskostenhilfe ist eine besondere Form der Sozialhilfe, die von der solidarisch verbundenen Allgemeinheit im Bereich der Rechtspflege der bedürftigen Partei zur Verfügung gestellt wird (vgl.: BGH, JAmt 2005, 323/324). Von der bedürftigen Partei kann erwartet werden, dass sie aktiv am Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mitwirkt. Mit einer Bewilligung kann die Partei nur dann rechnen, wenn sie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe in ausreichender Weise dargetan hat (BGH, FamRZ 2004, 99). Über Einkommen und Vermögen hat sich die Partei grundsätzlich auch ohne besondere Aufforderung zu erklären, da für die Prozesskostenhilfe beantragende Partei erkennbar ist, dass ihr nur bei tatsächlich bestehender Bedürftigkeit Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. nur: FamRZ 2004, 120; 2005, 1912; NJW-RR 2005, 871/872; FamRZ 2006, 1399). Erst recht gilt dies bei einer anwaltlich vertretenen Partei.

Diesen Anforderungen ist die Antragstellerin trotz gerichtlichen Hinweises in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend nachgekommen:

Die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin können nicht festgestellt werden. Sie hat erklärt, sie sei noch Schülerin und dafür eine Bescheinigung eingereicht, aus der sich ein voraussichtlicher Schulbesuch nur bis Juli 2006 ergibt. Da der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe die Tatsachen im Zeitpunkt der Bewilligung zu Grunde zu legen sind (vgl. nur: Zöller/Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 119 Rz. 44 m.w.N.), fehlt es an einer Erklärung der Antragstellerin, ob sie nunmehr über eigenes Einkommen verfügt. Zwar ist sie zu dieser Erklärung nicht ausdrücklich aufgefordert worden, es ist jedoch offensichtlich, dass es bei einem bescheinigten Ende des Schulbesuchs im Juli 2006 nach Ablauf von über einem halben Jahr erforderlich ist, hierzu die jetzigen Tatsachen vorzutragen.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Antragstellerin kein bzw. kein ausreichendes Einkommen zur Verfügung steht, so fehlte es weiter an notwendigen Angaben für die Prüfung der Bedürftigkeit. Sollte die Antragstellerin wegen einer sich an den Schulbesuch anschließenden Ausbildung noch keine eigenständige Lebensstellung erreicht haben, so stünde ihr dem Grunde nach ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber ihren Eltern zu (BGH, NJW 2005, 1722/1723). Zwar hat sie inzwischen ausreichend dazu vorgetragen, dass eine Erfolg versprechende Inanspruchnahme ihres Vaters, des Antragsgegners, angesichts dessen mangelnder Leistungsfähigkeit nicht in Betracht kommen dürfte. In Betracht kommt aber weiterhin ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber ihrer Mutter.

Es kann auf Grund der Angaben der Antragstellerin nicht festgestellt werden, dass eine Inanspruchnahme der Kindesmutter keinen Erfolg verspricht. Zwar mag deren monatliches Einkommen unter Berücksichtigung der gemäß § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO abzusetzenden Beträge nicht ausreichend sein, um auch nur eine ratenweise Begleichung von Prozesskosten zu ermöglichen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Mutter der Antragstellerin Vermögen zur Verfügung steht, das gemäß § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzen wäre. Hierzu sind die Darlegungen der Antragstellerin nicht ausreichend. Es fehlt eine Angabe zu dem Stand des Girokontos bei der ... Sparkasse. Außerdem verfügt die Mutter der Antragstellerin nicht nur über eine Risikolebensversicherung, sondern offenbar auch über eine Kapital-Lebensversicherung bei der ... Versicherungen und über eine weitere Lebensversicherung in Form einer Rentenfondsversicherung bei der ... Lebensversicherungs AG. Schließlich ergibt sich aus der Verdienstabrechnung für Oktober 2006, dass die Mutter der Antragstellerin vermögenswirksame Leistungen erhält. Worauf diese Leistungen entfallen, ist nicht dargetan worden. Ebenso wenig sind Rückkaufswerte der bezeichneten Versicherungen angegeben worden. Ob diese Versicherungen zum Schonvermögen gemäß § 115 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 90 SGB XII gehören, kann mangels ausreichenden Vortrags nicht geprüft werden. Vorrangig ist eigenes Vermögen zur Finanzierung eines Prozesses - auch zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses - einzusetzen, bevor die Allgemeinheit mit diesen Kosten belastet werden darf. Deshalb muss eine vorhandene Lebensversicherung grundsätzlich einer Verwertung zugeführt werden, ggf. durch Realisierung des Rückkaufswertes, bevor die Solidarität der Allgemeinheit auf Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen wird (vgl. BVerwG, NJW 2004, 3647/3648; OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1651; OLG Köln, FamRZ 2004, 382; KG FamRZ 2003, 1394; Senat: FamRZ 2006, 1396 ff.; 1399/1400). Ob die Lebensversicherungen möglicherweise der Alterssicherung dienen, ist nicht vorgetragen worden. Grundsätzlich ist jedoch auch ein solches Kapitalvermögen einzusetzen, wobei sich die Partei auch nicht darauf berufen kann, dass mit der vorzeitigen Realisierung der Versicherung Verluste verbunden sind. Eine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit ist grundsätzlich abzulehnen (BSG, FamRB 2005, 347 für Kapitallebensversicherungen; OLG Celle, FamRZ 2005, 992 für Sparguthaben; Brandenburgisches OLG, OLG-Report 2006, 256/257 sowie die vorgenannten Entscheidungen des Senats).

Des Weiteren dürfte es auch an der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage fehlen, worauf mangels Entscheidungserheblichkeit für die Beschwerdeentscheidung jedoch nur vorsorglich hingewiesen werden soll. Derzeit dürfte zum einen zu dem berücksichtigungsfähigen Einkommen der Kindesmutter im fraglichen Zeitpunkt nicht ausreichend vorgetragen worden sein. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die volljährige Klägerin.

Hinsichtlich einer etwaigen Leistungsunfähigkeit wegen Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme dürfte der Antragsgegner allerdings nicht genügend vorgetragen haben. Anders als das Amtsgericht ausgeführt hat, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, die Bewilligung einer Umschulungsmaßnahme lediglich als Indiz für eine fehlende Vermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erachten. Da die gesteigerte Erwerbsobliegenheit für privilegierte volljährige Kinder gemäß § 1603 Abs. 2 BGB besteht, muss der Unterhaltspflichtige grundsätzlich im Einzelnen darlegen, warum die Umschulungsmaßnahme geboten war (vgl.: Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2003, 1960 ff.; OLG Dresden, FamRZ 2003, 1206).

Auf das Einkommen der Eltern der Antragstellerin kommt es jedoch möglicherweise nicht an, weil eine Verwirkung des geltend gemachten rückständigen Unterhalts nach dem bisherigen Sach- und Streitstand durchaus in Betracht kommt, § 242 BGB (vgl.: Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2004, 972 ff.).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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