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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 9 WF 77/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 a
ZPO § 127
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegnerin die notwendigen Reisekosten für sich und ihre Kinder C... und K... zur mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2005 zu erstatten sind.

Gründe:

I. Der in der Schweiz lebenden Antragsgegnerin ist im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 16. August 2004 (Bl. 47 d. A.) ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer bestellten Rechtsanwältin bewilligt worden. Nachdem das Amtsgericht die Antragsgegnerin zur anberaumten mündlichen Verhandlung geladen und dabei die Bitte, die Kinder zum Termin mitzubringen, ausgesprochen hatte, hat die Antragsgegnerin die Festsetzung einer Reiseentschädigung zwecks Wahrnehmung des Termins beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf veränderte wirtschaftliche Verhältnisse der Antragsgegnerin abgewiesen und sich zugleich eine Überprüfung der bewilligten Prozesskostenhilfe vorbehalten. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der sie eine Preisbestätigung für eine Bahnfahrt von A... nach L... für drei Erwachsene über insgesamt 1.092 EUR beigefügt hat (Bl. 110 d. A.). Der Beschwerde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Februar 2005 (Bl. 125 d. A.) nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Die Entscheidung über die Bewilligung einer Reiseentschädigung der Partei ist ein Akt der Rechtsprechung im Rahmen der Prozesskostenhilfe und als solcher nach § 127 ZPO beschwerdefähig (Brandenburgisches OLG NJW-RR 2004, 63, 64 m. w. N.).

Die sofortige Beschwerde ist in zulässiger Weise eingelegt. Sie hat in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat seine Befugnisse bei Überprüfung der Bewilligung einer Reisekostenentschädigung der armen Partei überschritten, indem es einerseits die (veränderten) wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten der Antragsgegnerin bei seiner Entscheidung berücksichtigt und zudem hinsichtlich der Höhe der Reisekosten Zweifel angemeldet hat.

1. Eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der mittellosen Partei erfolgt im Verfahren auf Bewilligung einer Reisekostenentschädigung nicht, soweit die mittellose Partei bereits Prozesskostenhilfe bewilligt erhalten hat und dieser Bewilligungsbeschluss fortgilt.

a. Wie bereits ausgeführt, ist die Entscheidung über die Reisekostenentschädigung Teil der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten beruht auf demjenigen Beschluss, mit welchem der Partei die Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Im Rahmen der Entscheidung über die - nachfolgend begehrte - Reisekostenentschädigung hat das Gericht dann allein zu prüfen, ob die Bereitstellung dieser Mittel zur Prozessführung notwendig ist (Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., 2005 § 122 Rn. 27), das heißt ob die Wahrnehmung des Termins einer ordnungsgemäßen Prozessführung entspricht. Ist der Partei also bereits Prozesskostenhilfe bewilligt worden, findet eine erneute Überprüfung der Gewährung der Prozesskostenhilfe weder hinsichtlich der Bedürftigkeit (Zöller/Philippi aaO.; Küntzel/Kolla, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl. 2003) noch hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003 Rn. 623), also auch nicht hinsichtlich der Frage der Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO, statt.

Etwas anderes gilt nur, soweit der die Reisekostenentschädigung begehrenden Partei noch keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Dann hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die Bewilligung der Prozesskostenhilfe überhaupt in Betracht kommt. Im Allgemeinen wird daher zunächst über die begehrte Prozesskostenhilfe zu entscheiden sein, bevor sodann die sich weiter stellende Frage der Notwendigkeit der Reisekosten beantwortet wird. Diese Konstellation ist hier aber aufgrund der bereits zuvor bewilligten Prozesskostenhilfe gerade nicht mehr gegeben.

Im Übrigen bestehen an der Notwendigkeit der Reisekosten für die Prozessführung keine Bedenken. Reiseentschädigungen der Partei rechnen zu den gerichtlichen Auslagen im Sinne des § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO, soweit sie durch eine gerichtliche Maßnahme veranlasst worden sind, was insbesondere bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Fall ist (Brandenburgisches OLG aaO.). Aus der gerichtlicherseits angeordneten Ladung der Antragsgegnerin und ihrer beiden betroffenen Kinder ergibt sich zwanglos die Notwendigkeit im vorgenannten Sinne.

b. Nichts anderes gilt auch, soweit sich das Amtsgericht hier die Überprüfung der Prozesskostenhilfe im angefochtenen Beschluss vorbehalten hat. Gemeint ist damit (wohl) der Vorbehalt einer Änderung nach § 120 Abs. 4 ZPO infolge geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse. Soweit das Amtsgericht von einer verbesserten wirtschaftlichen Lage der Antragsgegnerin ausging, konnte es den Antrag auf Erstattung der Reisekosten nur dann zurückweisen, soweit es zunächst auch hinsichtlich der Bewilligung der Prozesskostenhilfe einer Abänderung der getroffenen Entscheidung ausgesprochen hätte. Da eine solche Abänderungsentscheidung nicht erlassen worden ist, hat die Berücksichtigung einer eventuellen finanziellen Veränderung auch bei der Erstattung von Reisekosten zu unterbleiben.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der neu eingereichten Unterlagen zur Prozesskostenhilfe auf Seiten der Antragsgegnerin keine derart veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse erkennbar sind, die eine Änderung der bewilligten Prozesskostenhilfe rechtfertigen würde. Solche Bedenken resultieren auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin die Kosten der Reise vorfinanziert hat. Zum einen kommt es darauf angesichts der mangelnden Überprüfung der Bedürftigkeit der Antragsgegnerin nicht an; zum anderen hat sie hierzu auch nachvollziehbar dargetan, dass sie sich die Kosten durch den Antragsteller hat vorschießen lassen.

2. Ebensowenig war das Amtsgericht befugt, die Höhe der geltend gemachten Reisekostenentschädigung als Grundlage seiner Entscheidung heranzuziehen.

Dabei wird zunächst darauf hingewiesen, dass in keinem Falle die vollständige Versagung der geltend gemachten Kosten einer Bahnfahrt in Betracht kam. Soweit das Amtsgericht die vorgelegte Preisbestätigung (Bl. 110) zwar dahingehend kritisiert hat, dass hierfür drei Erwachsene abgerechnet wird, sind diese Bedenken durchaus begründet. Gleiches gilt im Grundsatz, soweit hier der ICE-Zuschlag und die Reservierungskosten einbezogen werden. Danach hätte das Amtsgericht jedoch die Höhe der notwendigen Fahrtkosten selbständig ermitteln und nach dem ermittelten Ergebnis dem Antrag auf Erstattung stattgeben müssen.

Die Kostenfrage kann aber letztendlich dahinstehen, da dieser Umstand nicht den verfahrensrechtlichen Gegenstand der gerichtlicherseits anzuordnenden Reisekostenentschädigung betrifft. Für Reiseentschädigung an mittellose Personen bestehen einheitliche Bestimmungen der Länder. Gemäß I.1. (abgedruckt bei Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004 § 25 Anhang I JVEG) entscheidet das Gericht allein über die Bewilligung. Die Anweisung der Zahlung erfolgt nach der vorgenannten Bestimmung dagegen durch den zuständigen Beamten der Geschäftsstelle, der dabei die Kosten auch hinsichtlich ihrer Unvermeidbarkeit zu überprüfen hat. Die konkrete Festsetzung der erstattungsfähigen Fahrtkosten obliegt damit dem Beamten der Geschäftsstelle, ist also nicht Teil der gerichtlichen Entscheidung. Dies entspricht auch dem System der §§ 114 ff. ZPO. Hiernach hat das Gericht allein über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zu der auch die Bewilligung einer Reisekostenentschädigung zählt, zu befinden. Über die weiteren Folgen dieser Bewilligung in kostenrechtlicher Hinsicht hat das Gericht dagegen an dieser Stelle nicht zu befinden.

Das Gericht hat daher allein über die zuvor dargestellte Notwendigkeit der Reisekosten zu befinden. Deshalb lautet der Tenor der Entscheidung etwa "die Reise ist notwendig" (siehe auch Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl. 2000 Rn. 555) oder wie durch den Senat erkannt. Dagegen erstreckt sich die Prüfung der Notwendigkeit der Reisekosten nicht auch auf deren Höhe (anderer Ansicht wohl OLG Koblenz JurBüro 1988, 1721; Stein/Jonas-Bonk, ZPO, 22. Aufl., 2004 § 122 Rn. 12).

Ende der Entscheidung

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