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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.07.2002
Aktenzeichen: 9 WF 92/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 81
ZPO § 85
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO §§ 114 ff.
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 124
ZPO § 127 Abs. 2
BRAGO § 128
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 92/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Antragstellers vom 17. Mai 2002 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 13. Mai 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht Götsche als Einzelrichter

am 25. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Nach Scheidung seiner Ehe durch Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 18. August 1999, rechtskräftig seit dem 13. Juli 2000, hat der Antragsteller erstinstanzlich erfolglos Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Stufenklage auf Auskunft und Zahlung nachehelichen Unterhalts gegen den Beklagten begehrt.

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1.

Es kann offen bleiben, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Denn auch bei hinreichender Erfolgsaussicht kann keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil die Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig ist, § 114 ZPO.

Wer eine Folgesache ohne anerkennenswerte Gründe außerhalb des Verbundes geltend macht, handelt mutwillig, so dass keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann (OLG Brandenburg, FamRZ 2001, 1083; 1998, 245; OLG Schleswig, FamRZ 2000, 430; OLG Thüringen, FamRZ 1998, 1179; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002 § 114 Rn. 128 - Unterhalt -; FamVerf/Gutjahr, 2001, § 1 Rn. 270). Dies gilt auch dann, wenn das Verbundverfahren bereits abgeschlossen ist (OLG Köln FamRZ 1994, 314; FamVerf/Gutjahr a.a.O.).

Eine Partei, welche Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, ist grundsätzlich gehalten, von mehreren gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen zu beschreiten, welcher die geringsten Kosten verursacht. Da im Verbundverfahren die Gebühren nach den zusammengerechneten Werten der Scheidungssache und der Folgesachen berechnet werden (§§ 19a Abs. 1 S. 1 GKG, 7 Abs. 2 und 3 BRAGO), sparen die Ehegatten Kosten, wenn sie Folgesachenanträge stellen, statt nach Rechtskraft der Scheidung selbständige Prozesse zu führen. Im Falle der isolierten Klage fallen hingegen erneut gerichtliche und insbesondere außergerichtliche (Anwalts-)Gebühren an. Die bedürftige Partei muss daher Folgesachen, wie hier den nachehelichen Ehegattenunterhalt, grundsätzlich in dem Verbundverfahren geltend machen, wenn nicht sachliche Gründe für eine Geltendmachung außerhalb des Verbundes vorliegen.

2.

Besondere Gründe für eine isolierte Klage sind nicht vorgetragen und auch nicht zu erkennen. Soweit sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde darauf beruft, allein auf Grund des Anratens seines Prozessbevollmächtigten im Ehescheidungsverfahren von der Geltendmachung des nachehelichen Unterhalts im Verbund abgesehen zu haben, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn der Antragsteller muss sich das Verschulden seines Rechtsanwalts auch im Prozesskostenhilfeverfahren gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (Brandenburgisches OLG FamRZ 1998, 249, 250 m.w.N.; FamVerf/Gutjahr, a.a.O.; BGHNJW 2001, 2720). Der Gegenauffassung, die mit der Erwägung begründet wird, der Zweck des § 85 Abs. 2 ZPO, nämlich das Prozessrisiko nicht zu Lasten des Verfahrensgegners zu verschieben, erfasse das nichtkontradiktorische Verfahren nach §§ 114 ff. ZPO nicht, weil hier dem Antragsteller nur die Staatskasse gegenübersteht und der Prozessgegner nicht Partei dieses Verfahrens und deshalb nicht ...? bedürftig sei, ist nicht zu folgen. § 85 Abs. 2 ZPO enthält keine Einschränkungen bei der Zurechnung des Vertreterverschuldens. Die Regelung des § 85 ZPO befindet sich in den allgemeinen Vorschriften des ersten Buches der ZPO und ist deshalb mit einem umfassenden Geltungsanspruch ausgestattet. Damit gilt sie auch im Rahmen der Vorschriften über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, §§ 114 ff. ZPO, die insbesondere keine Sondervorschriften zur Frage der Anrechnung des Verschuldens von Prozessbevollmächtigten enthalten. Nach der gesetzlichen Systematik ist § 85 Abs. 2 ZPO deshalb zwingend auch im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren anzuwenden (BGH a.a.O.). Soweit diesem gesetzessystematischen Argument damit begegnet wird, dass in § 81 ZPO, einer im selben Abschnitt befindlichen Vorschrift, der Antrag auf Prozesskostenhilfe gerade nicht erwähnt sei (vgl. von Mettenheim, LMH. 11/2000, § 85 ZPO Nr. 36 Bl. 4), trägt dies nicht. Denn der aus § 81 ZPO folgende Umfang der Prozessvollmacht ist schon von seinem Gesetzeswortlaut her weit gefasst, da alle den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen erfasst werden sollen. Soweit im Folgenden hierfür einzelne solcher Prozesshandlungen benannt werden, lässt dies nicht darauf schließen, dass bei Fehlen einer solchen - wie der Prozesskostenhilfe - diese gerade nicht erfasst werden soll. Die Prozessvollmacht ist vielmehr eine Vollmacht für den Prozess als Ganzes (BGH MDR 1985, 30). Sie verfasst auch Nebenverfahren, insbesondere die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (Bundespatentgericht GRUR 1986, 743; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O. § 81 Rn. 14).

3.

Die Prozesskostenhilfe war in vollem Umfang abzulehnen, weil ohne einleuchtenden Grund die Klage erst nachträglich erhoben werden soll. Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, Prozesskostenhilfe sei in Höhe der Gebühren zu bewilligen, die entstanden wären, wenn der Anspruch auf dem kostengünstigeren Weg verfolgt worden wäre (OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 756; OLG Dresden, FamRZ 1999, 601, 602; OLG Rostock, FamRZ 1999, 595), ist dem nicht zu folgen.

Prozesskostenhilfe wird für ein Verfahren und nicht für einen Kostenbetrag bewilligt. Gegen die umfassende Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Möglichkeit der Ablehnung der Kostenerstattung wegen pflichtwidriger Verursachung vermeidbarer Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren bestehen schon deshalb Bedenken, weil dies im Ergebnis zur - auch teilweisen - Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung führen könnte, die nur unter den Voraussetzungen des § 124 ZPO vorgesehen ist. Die eingeschränkte Prozesskostenhilfe in dem Sinne, dass von der Prozesskostenhilfebewilligung die Mehrkosten ausgenommen werden, die sich bei vergleichender Gegenüberstellung mit der Geltendmachung im Scheidungsverfahren ergeben, ist wenig praktikabel. Eine konkrete Begrenzung der Prozesskostenhilfebewilligung setzte eine vergleichende Vorausberechnung der jeweiligen Kosten voraus, die nur vorläufig sein kann. Eine nur allgemein ausgesprochene Einschränkung der Prozesskostenhilfe führte dazu, dass der bedürftigen Partei bis zum Abschluss des Verfahrens der Umfang der Prozesskostenhilfe nicht konkret erkennbar wäre.

Die Verweisung auf einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch im Falle eines Obsiegens in dem getrennten Unterhaltsverfahren ist deshalb bei der Frage der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht zu prüfen (OLG Oldenburg FamRZ 2001, 630). Darüber hinaus verlagert die Meinung, Mehrkosten einer isolierten Klage seien nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe erst im Festsetzungsverfahren nach § 128 BRAGO zu berücksichtigen (so OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 635, 636) die dem Richter vorbehaltene Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 114 ZPO ohne hinreichende gesetzliche Grundlage auf den Urkundsbeamten.

Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, Prozesskostenhilfe für eine ohne hinreichenden Grund außerhalb des Verbundes geführte Klage zu versagen. Einer vermögenden Partei mag es zwar freistehen, auf eigenes Kostenrisiko zu vermeidbaren Mehrkosten zu prozessieren. Von einer unbemittelten, das Kostenrisiko auf die Allgemeinheit abwälzenden Partei wird aber ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG bzw. die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erwartet werden können, dass sie, wie eine besonnen und vernünftig handelnde vermögende Partei, in derselben Situation den günstigeren von gleichwertigen prozessualen Weg wählt.

Nach alledem führt die mutwillige isolierte Geltendmachung möglicher Verbundsachen zur Versagung der Prozesskostenhilfe insgesamt (OLG Brandenburg FamRZ 2001, 1083, 1084; OLG Oldenburg FamRZ 2001, 630; Musielak-Fischer, ZPO, 3. Aufl. 2002 § 114 Rn. 36 m.w.N. in Fn. 265).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

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