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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.01.2001
Aktenzeichen: 9 Wx 21/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29
FGG § 20
FGG § 12
BGB § 1896
BGB § 1897 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 Wx 21/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Betreuungsverfahren

hat der 9. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 19. Juli 2000 gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 18. Mai 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Surkau und den Richter am Landgericht Schollbach

am 2. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Am 20. September 1999 haben die Beteiligten zu 2. die Einrichtung einer Betreuung für ihre Tochter - die Betroffene - beantragt. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, das der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M B unter dem 16. November 1999 erstellt hat, hat das Amtsgericht Zossen mit Beschluss vom 19. November 1999 die Beteiligte zu 1. als Betreuerin für die Betroffene bezüglich der Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden und Institutionen bestellt.

Das Landgericht Potsdam hat mit der angefochtenen Entscheidung die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einrichtung einer Betreuung aufgrund des Gutachtens des B vom 16. November 1999 erforderlich sei. Den Wechsel eines Betreuers hat es nicht für angezeigt erachtet, da der damalige Lebensgefährte und jetzige Ehemann der Betroffenen als Betreuer nicht geeignet sei.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

Die Betroffene vertritt die Auffassung, dass der angefochtene Beschluss verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, da ihr die Stellungnahme der Betreuungsbehörde nicht bekannt gegeben worden sei. Darüber hinaus entspreche das neurologisch-psychiatrische Gutachten des B nicht den im Betreuungsverfahren erforderlichen Anforderungen und die tatsächlichen Feststellungen seien nicht ausreichend, um die Notwendigkeit einer Betreuung rechtfertigen zu können. Sie vertritt im Übrigen die Auffassung, dass selbst dann, wenn eine Betreuung erforderlich wäre, ihr jetziger Ehemann hätte zum Betreuer bestellt werden müssen, da dessen Vorstrafe nicht ausreichend sei, um ihn als Betreuer für nicht geeignet zu erachten.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Betroffenen ergibt sich aus § 20 FGG. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist die Überprüfung, ob die Entscheidung der Vorinstanz gesetzmäßig ist. Das heißt, die tatsächliche Feststellung und die tatsächliche Würdigung des Landgerichts sind auf Rechtsfehler zu überprüfen. Eine Gesetzesverletzung ist dann anzunehmen, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 550 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

Soweit sich die Betroffene allerdings gegen die Anordnung der Betreuung gemäß § 1896 BGB wendet, hat ihre weitere Beschwerde keinen Erfolg.

Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung obliegen dem Tatrichter und sind einer Nachprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde entzogen. Der Senat hat lediglich darüber zu entscheiden, ob das Landgericht den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht, bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze verstoßen hat (Keidel/Kunze/Winkler-Kahl, FGG, 14. Aufl., Rz. 42 zu § 27 m.w.N.). In diesem Zusammenhang findet weder eine Prüfung der Richtigkeit eines verwendeten Sachverständigengutachtens noch eine solche hinsichtlich der vom Beschwerdegericht vorgenommenen Würdigung dieses Gutachtens statt. Lediglich die Frage, ob der Tatrichter die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und sich mit beachtlichen wissenschaftlichen Meinungen auseinandergesetzt hat, kann im Rahmen der Rechtsbeschwerde überprüft werden (vgl. insgesamt Keidel/Kunze/Winkler, a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht, da Verstöße gegen diese Grundsätze nicht erkennbar sind. Insbesondere hat das Landgericht die von Amts wegen erforderlichen Ermittlungen angestellt, indem es neben der Einholung eines Sachverständigengutachtens auch die Betroffene persönlich angehört hat. Darüber hinaus hat sich das Beschwerdegericht auch mit dem von der Betroffenen eingereichten Parteigutachten auseinandergesetzt. Demzufolge konnte die weitere Beschwerde insoweit nicht zum Erfolg führen.

Soweit sich die Betroffene gegen die Verwertung des Sachverständigengutachtens wendet, greifen ihre diesbezüglichen Einwände ebenfalls nicht. Ausweislich des Sachverständigengutachten des B vom 16. November 1999 ist dieser Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, und er hat im Rahmen der Gutachtenerstellung am 19. Oktober 1999 sowohl eine mündliche Exploration als auch eine körperliche, neurologische sowie psychiatrische Untersuchung der Betroffenen durchgeführt. Die von der Betroffenen in diesem Zusammenhang pauschal erhobenen Einwendungen sind nicht ausreichend, um an der Richtigkeit dieser Tatsachen zweifeln zu können. Hier wäre sie gehalten gewesen, konkreter vorzutragen.

Die weitere Beschwerde der Betroffenen hat jedoch insoweit Erfolg, als das Landgericht die Beschwerde betreffend die Betreuerbestellung zurückgewiesen hat.

Das Verfahren des Landgerichts leidet zunächst an dem Mangel, dass der Betroffenen die der Entscheidung auch zugrunde liegende Stellungnahme der Betreuungsbehörde des Landkreises T in L vom 5. April 2000 nicht bekanntgegeben worden ist, obwohl das Gericht nur solche Tatsachen und Beweismittel verwenden darf, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (BayObLG FamRZ 1997, 1358 m.w.N.). Dies stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dar. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass bei einem Verstoß gegen diesen Grundsatz die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann bzw. diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist, war die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung des Verfahrens an die Vorinstanz angezeigt (BayObLG FamRZ 1997, 223, 223, Keidel/Kunze/Winkler-Kahl, a.a.O., Rz. 18, 66 zu § 27).

Darüber hinaus war die angefochtene Entscheidung aber auch wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 12 FGG aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.

Das Landgericht hat nicht sämtliche Umstände bei der Auswahl des Betreuers im notwendigen Umgang berücksichtigt. Gemäß § 1897 Abs. 1 BGB ist zum Betreuer zu bestellen, wer geeignet ist, den vom Gericht bestimmten Aufgabenkreis des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift ist eine Person, die von einem Volljährigen vorgeschlagen wird, zum Betreuer zu bestellen, soweit diese Bestellung nicht dem Wohl des Betreuten zuwiderlaufen würde.

Nach dieser Vorschrift kann ein eigener Vorschlag des Betreuten nur dann übergangen werden, wenn die zu befürchtenden Konflikte so stark sind, dass der Vorgeschlagene als ungeeignet erscheint, weil eine konkrete Gefährdung des Wohles des Betreuten zu besorgen ist. Können diese Feststellungen nicht getroffen werden, so ist dem Vorschlag des Betreuten zu entsprechen; auf eine Geschäftsfähigkeit des Betroffenen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. insgesamt OLG Zweibrücken BtPrax 1997, 164; OLG Hamm FamRZ 1996, 1372: OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1373; BayObLG FamRZ 1996, 1374; Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., Rz. 20 zu § 1897).

Die Betroffene hat sowohl während des amtsgerichtlichen Verfahrens im Rahmen ihrer Begutachtung durch B als auch im Beschwerdeverfahren vorgeschlagen, ihren damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann, Herrn T J, als Betreuer für ihre Person zu bestellen. Das Landgericht hat sodann zwar auch eine Auskunft aus dem Zentralregister und eine Auskunft der Betreuungsbehörde des Landkreises T eingeholt und die Strafakte des Amtsgerichts Z beigezogen, um die Eignung des Herrn J feststellen zu können. Jedoch hat es sich bei seiner angefochtenen Entscheidung nicht in ausreichendem Maße mit den tatsächlichen Umständen auseinandergesetzt. So fehlen sämtliche Feststellungen dazu, inwieweit eine Betreuung durch den in Aussicht genommenen Betreuer dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde, insbesondere welche konkrete Gefährdung zu besorgen ist.

Zwar kann grundsätzlich eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vermögensdeliktes einer Betreuerbestellung entgegenstehen, da eine Schädigung des vorhandenen Vermögens befürchtet werden könnte. Jedoch sind die bisher vom Landgericht festgestellten Tatsachen nicht ausreichend, um eine Ungeeignetheit des Herrn J annehmen zu können, die einen Ausschluss als Betreuer rechtfertigen würde.

Aus diesen Gründen war daher die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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