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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: Kart U 5/01
Rechtsgebiete: GWB, BGB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 20
BGB § 826
BGB §§ 812 ff.
ZPO § 543 I
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 97 I
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Kart U 5/01

Verkündet am 26.03.2002

In dem Verfahren der einstweiligen Verfügung

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 10.5.2001 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam - 51 O 52/01 - wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig,

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 I ZPO.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten (§§ 511, 511a I, 516, 518, 519 ZPO) ist unbegründet. Zu recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 6.4.2001 bestätigt.

Der Verfügungsklägerin steht ein Verfügungsgrund zur Seite. Dabei kann dahinstehen, ob ein Versorgungsvertrag über Fernwärme zwischen der Verfügungsbeklagten und der Grundstücksgesellschaft P H-G-P bR (nachfolgend kurz: Grundstücksgesellschaft) als Eigentümerin des in P B Straße gelegenen Grundstücks und Vermieterin der Seniorenresidenz, zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits, sowohl zwischen ersteren als auch zwischen letzteren oder überhaupt nicht zustande gekommen ist. Der Verfügungsklägerin steht entweder ein Verfügungsanspruch aus einem eigenen Versorgungsvertrag mit der Verfügungsbeklagten oder, wenn ein solcher nicht gegeben wäre, ein Anspruch aus §§ 826 BGB, 20 GWB auf Weiterbelieferung mit Fernwärme zu.

Die Verfügungsbeklagte wollte die Fernwärmelieferungen nicht in einem vertragslosen Zustand erbringen, wie der zu den Akten gereichte Schriftwechsel zwischen ihr und der Grundstücksgesellschaft bzw. mit der A I M GmbH als ihrer Vertreterin sowie mit der Verfügungsklägerin verdeutlicht. Das entspricht auch ihrer objektiven Interessenlage. Der Verfügungsbeklagten musste daran liegen, für die weiterhin seit dem 1.2.2001 vorgenommenen Fernwärmelieferungen einen Vertragsschuldner zu bekommen, um nicht ihre Leistungen in einem vertragslosen Zustand zu erbringen und deshalb zur Erlangung eines Gegenwertes auf die bereicherungsrechtlichen Regelungen der §§ 812 ff. BGB zurückgeworfen zu sein. Die Verfügungsklägerin ging dabei - wofür erhebliche Gründe wie z.B. der Inhalt des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Grundstücksgesellschaft vom 3.5.2001 sprechen - davon aus, daß sie einen Versorgungsvertrag mit der Grundstücksgesellschaft geschlossen habe. Dennoch war die Verfügungsbeklagte in diesem Fall nicht berechtigt, die Fernwärmeversorgung gegenüber der Verfügungsklägerin zu unterbrechen. Die Verfügungsklägerin kann in diesem Fall aus §§ 826 BGB, 20 GWB die Weiterversorgung mit Fernwärme beanspruchen. Hintergrund der Versorgungsunterbrechung ist unstreitig die Tatsache, daß erhebliche Rückstände von Fernwärmeentgelten, die von früheren, zwischenzeitlich insolvent gewordenen Betreibergesellschaften der Seniorenresidenz geschuldet werden, in einer Höhe von insgesamt ca. 110.000 DM aufgelaufen sind und deren Begleichung - bisher - nicht geklärt ist. Die Verfügungsklägerin verfolgte daher mit der Versorgungsunterbrechung das Ziel, die Begleichung dieser Rückstände entweder durch die von ihr als Versorgungsvertragspartnerin angesehene Grundstücksgesellschaft oder auch von der Verfügungsklägerin als der unmittelbar von der Versorgungsunterbrechung betroffenen Betreiberin der Seniorenresidenz zu erzwingen. Denn es war offensichtlich, daß eine auch nur kurzfristige Unterbrechung der Fernwärmeversorgung im April bei noch niedrigen Temperaturen für die betagten, teilweise pflegebedürftigen und gesundheitlich beeinträchtigten Bewohner der Seniorenresidenz u.U. schwere nachteilige Folgen haben konnte und die Verfügungsklägerin als Betreiberin dies in jedem Falle verhindern musste. Die Verfügungsbeklagte wollte dabei auch ihre Monopolstellung auf dem Gebiet der Fernwärmeversorgung in P ausnutzen; da sie unstreitig jedenfalls eine faktische Monopolstellung innehabende Fernwärmeversorgerin im Stadtgebiet von P ist, konnte die Verfügungsklägerin ihren Fernwärmebedarf auch nicht kurzfristig anderweitig decken. Für diese Wertung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob ca. 70 Personen in der Seniorenresidenz wohnen und betreut werden oder (nur) "maximal 28 Personen". Die Unterbrechung der Fernwärmeversorgung unter Berufung darauf, die Verfügungsklägerin habe keinen eigenen vertraglichen Versorgungsanspruch als Druckmittel mit dem Ziel, die Begleichung zu Lasten eines Dritten aufgelaufener Entgeltrückstände zu erreichen, stellt sich zumindest unter diesen besonderen Umständen als rechtsmissbräuchliche Ausnutzung ihrer Monopolstellung dar.

Auch dann, wenn weder mit der Grundstücksgesellschaft noch mit der Verfügungsklägerin ein Versorgungsvertrag zustande gekommen wäre, könnte die Verfügungsklägerin die Weiterbelieferung mit Fernwärme aus §§ 826 BGB, 20 GWB verlangen. Denn sie hätte in diesem Fall einen Anspruch auf Fernwärmeversorgung gegenüber der Verfügungsbeklagten als Monopolistin zumindest so lange, bis sie ihren Wärmebedarf auf zumutbare Art und Weise anderweitig, z.B. durch Umstellung auf erdgasbetriebene Warmwasser- und Wärmeversorgung, hätte decken können. Jedenfalls insoweit hätte der Verfügungsklägerin ein Anspruch auf Abschluß eines Fernwärmeversorgungsvertrages zugestanden. Im Hinblick auf diesen Anspruch auf Vertragsschluß hätte sie die (weitere) Fernwärmeversorgung beanspruchen können. Diesem Anspruch steht nicht entgegen, daß die Verfügungsklägerin (lediglich) Mieterin der Gebäude ist, in denen sie die Seniorenresidenz betreibt. Denn als solche muß sie Fernwärme im für die Beheizung und Warmwasserversorgung der Seniorenresidenz insgesamt erforderlichen Umfang entnehmen und verbrauchen. Sie ist damit als dem Grundstückseigentümer gleichstehend anzusehen (vgl. AVBGasV, Erläuterungen zu § 2, S. 19). Im übrigen wird auf die obigen Ausführungen über die Rechtsmißbräuchlichkeit und Sittenwidrigkeit der Versorgungsunterbrechung verwiesen.

Wäre schließlich - wie das Landgericht meint - ein Versorgungsvertrag mit der Verfügungsklägerin selbst zustande gekommen, was auch neben einem mit der Grundstücksgesellschaft bestehenden Versorgungsvertrag möglich ist (vgl. OLG Karlsruhe NZM 1999, 86; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 889), hätte sie einen eigenen vertraglichen Leistungsanspruch. Auch hier gelten die vorstehenden Ausführungen über die Rechtsmißbräuchlichkeit und Sittenwidrigkeit der Versorgungsunterbrechung.

Aus den zutreffenden und durch das Berufungsvorbringen nicht entkräfteten Gründen des angefochtenen Urteils, auf die verwiesen wird, besteht auch ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeit für den Erlaß der einstweiligen Verfügung ist nicht deshalb entfallen, weil sich die Parteien in der Berufungsinstanz geraume Zeit um eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits bemüht haben. Denn die Verfügungsklägerin hat die von ihr begehrte einstweilige Verfügung bereits erwirkt und dadurch die angestrebte Regelung eines einstweiligen Zustandes erstinstanzlich schon erreicht. In der Berufungsinstanz geht der Rechtsstreit nur um die Frage, ob die einstweilige Verfügung vom Landgericht zu recht bestätigt worden ist. Die Absicht der Verfügungsbeklagten allein, den von ihr selbst widerrufenen Vergleich wieder abzuschließen zu wollen, läßt auch nicht die Gefahr der Wiederholung von Versorgungsunterbrechungen entfallen.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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