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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: Verg W 12/07
Rechtsgebiete: VOL/A, VgV, GWB, TVG, VwVfG


Vorschriften:

VOL/A § 7
VOL/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a)
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3
VgV § 13
GWB § 116
GWB § 117
GWB § 128 Abs. 3
GWB § 128 Abs. 4
GWB § 107 Abs. 2 Satz 2
TVG § 5
VwVfG § 80 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 12/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 6.11.2007

Verkündet am 6.11.2007

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend die Vergabe der Unterhalts-, Grund- und Glasreinigung in 22 Schulobjekten der Stadt C... (Lose 1-8)

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes B... - 1 VK 24/07 teilweise aufgehoben.

Die Auftraggeberin wird verpflichtet, die Wertung der Angebote in dem Vergabeverfahren zur Vergabe der Unterhalts-, Grund- und Glasreinigung in 22 Schulobjekten der Stadt C..., Offenes Verfahren 12/07, hinsichtlich der Lose 1, 3 und 5 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu wiederholen.

Von den Gebühren und Auslagen des Verfahrens vor der Vergabekammer haben die Antragstellerin 64 %, die Auftraggeberin 36 % zu tragen.

Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin deren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer des Landes B... notwendigen Auslagen zu 36 % zu erstatten.

Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin war notwendig.

Von den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde einschließlich des Verfahrens der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde tragen die Antragstellerin 64 %, die Auftraggeberin 36 %. Die Antragstellerin trägt die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.). Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin, die Stadt C..., schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. März 2007 (Bl. 40-44 1 VK 24/07) die Unterhalts-, Grund- und Glasreinigung in 22 ihrer Schulobjekte im Offenen Verfahren europaweit aus. Die Aufteilung erfolgte in acht Lose, die verschiedene, näher bezeichnete Schulobjekte beinhalten. Die Mindestvertragslaufzeit sollte ein Jahr betragen, jedoch mit der Option der jährlichen Verlängerung je nach Los bis zu vier Jahren. Der geschätzte Gesamtauftragswert liegt nach der Kalkulation der Auftraggeberin bei rund 1.641.000,00 EUR (brutto) (Bl. 24 der Vergabeakten). Nach Punkt IV.2.1) der Vergabebekanntmachung benannte die Auftraggeberin als Zuschlagskriterium den niedrigsten Preis. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote bestimmte sie den 23. April 2007.

Teil der Verdingungsunterlagen ist das Blatt "Allgemeine Vorbemerkungen zur Ausschreibung" (Bl. 19 1 VK 24/07). Darin forderte die Auftraggeberin verschiedene Nachweise der unternehmensbezogenen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, erklärte aber gleichzeitig, sie behalte sich vor, diese Bescheinigungen gemäß § 7 VOL/A nachzufordern.

Die Bieter hatten ein als Anlage II bezeichnetes Kostenangebot zu unterbreiten. Dabei handelt es sich um ein von der Auftraggeberin für jedes Los vorgegebenes Formular, in dem sie für die Unterhaltsreinigung Reinigungskosten für Schulen und Turnhallen abfragte und für die durchschnittliche tägliche Reinigungszeit Mindeststundenzahlen vorgab, die von den Bietern zwingend einzuhalten waren. Außerdem hatten die Bieter in Prozent anzugeben, welchen Anteil die Löhne und lohngebundenen Kosten am Nettopreis haben.

Mit Schreiben vom 5. April 2007 versandte die Auftraggeberin eine vorgefertigte "Eigenerklärung zur Zahlung von gesetzlichem Mindestlohn im Gebäudereiniger-Handwerk", mit der die Bewerber/Bieter zu erklären hatten, dass die einzusetzenden Mitarbeiter mit dem ab dem 1. Juli 2007 geltenden gesetzlichen Mindestlohn vergütet würden und dies bei Erstellung des Angebotes berücksichtigt worden sei.

Im Eröffnungstermin am 23. April 2007 lagen 29 Angebotsumschläge vor, darunter für die Angebote der Antragstellerin und der beiden Beigeladenen. Die Antragstellerin und die Beigeladenen hatten die Eigenerklärung zur Zahlung von gesetzlichem Mindestlohn im Gebäudereiniger-Handwerk abgegeben. Bei fünf Losen lagen alle Angebote preislich über dem von der Auftraggeberin geschätzten Gesamtauftragswert, bei drei Losen darunter.

Zum Anteil der Löhne und lohngebundenen Kosten an den Nettopreisen gab die Antragstellerin einen Prozentsatz von 89,83 %, die Beigeladene zu 1.) einen Prozentsatz von 94 % und die Beigeladene zu 2.) von 34 % an.

Die Auftraggeberin schloss die Beigeladene zu 1.) bei den Losen 1, 3 und 5 aus. Bei diesen drei Losen lag die Beigeladene zu 1.) preislich an erster Stelle. Bei den Losen 1 und 5 erfolgte der Ausschluss wegen des Vorliegens eines Missverhältnisses der Kosten der Glasreinigung und der durchschnittlichen Anzahl der Stunden. Durch diesen Ausschluss rückte die Beigeladene zu 2.) bei diesen Losen auf den ersten Platz der Preiswertung auf.

Die Beigeladene zu 2.) korrigierte auf Anfrage der Auftraggeberin bei der Unterhaltsreinigung den Anteil der Löhne und lohngebundenen Kosten am Nettopreis auf 67,73 %. Außerdem legte sie ihre Kalkulation der Glasreinigungspreise für Los 3 und 5 offen.

Im Ergebnis der Prüfung der eingegangenen Angebote rangierte die Antragstellerin bezüglich der Lose 1, 4, 6, 7 und 8 an 4. Position, bei Los 2 erreichte sie Platz 5, bei Los 3 Platz 3 sowie bei Los 5 Platz 2.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2007, eingegangen am 29. Mai 2007, informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass sie beabsichtige, den Zuschlag für die Lose 1, 3 und 5 auf die Angebote der Beigeladenen zu 2.) sowie für die Lose 2, 4, 6, 7 und 8 auf die Angebote der Beigeladenen zu 1.) zu erteilen. Auf die Angebote der Antragstellerin könne der Zuschlag nicht erteilt werden, da diese dem in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterium des niedrigsten Preises nicht entsprächen.

Diese Entscheidung der Auftraggeberin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Mai 2007 als vergaberechtswidrig. Die Vorabinformation erfülle nicht die Anforderungen des § 13 VgV. Ferner berücksichtigten die für den Zuschlag vorgesehenen Angebote den ab 1. Juli 2007 festgelegten Mindestlohn nicht; des weiteren seien die Preise dieser Angebote unangemessen. Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 wies die Auftraggeberin die Einwendungen der Antragstellerin als unbegründet zurück.

Die Antragstellerin hat sodann am 6. Juni 2007 bei der Vergabekammer des Landes B... einen Nachprüfungsantrag gestellt.

Sie hat bemängelt, dass die Auftraggeberin die ihrem Angebot vorgehenden Angebote entgegen § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht wegen unangemessener Preise von der Vergabe ausgeschlossen habe. Diese Angebote hätten zudem ausgeschlossen werden müssen, da davon auszugehen sei, dass die geforderte Erklärung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nicht Bestandteil dieser Angebote gewesen sei.

Bei den ihrem Angebot im Preis vorgehenden Angeboten müsse es sich zwangsläufig um in Marktverdrängungsabsicht abgegebene Angebote handeln, andere Gründe, nicht kostendeckend zu kalkulieren, seien nicht ersichtlich. Bei Berücksichtigung dieser Angebote bestünde zudem die Gefahr, dass die Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht werde. Das ständige Bieten von Unterkostenpreisen, wie es auf dem Markt der Gebäudereinigung zu beobachten sei, zerstöre auf Dauer den Wettbewerb, da realistisch und seriös kalkulierende und arbeitende Unternehmen vom Markt verdrängt würden.

Sie, die Antragstellerin, habe bereits mit einem sehr günstigen Stundenverrechnungssatz von 11,00 EUR bei Ansatz der vorgegebenen Mindeststundenzahl für die Unterhaltsreinigung kalkuliert. Für die Grundreinigung bewege sich der Stundensatz ebenfalls um 11,00 EUR, für die Glasreinigung leicht darüber. Angebote mit einem geringeren Stundenverrechnungssatz könnten keine angemessenen Preise beinhalten. Mit dem Stundenverrechnungssatz müssten der Mindestlohn, Soziallöhne, sämtliche Reinigungs- und Hilfsmittel finanziert und die allgemeinen Geschäftskosten gedeckt werden; hinzu kämen Wagnis und Gewinn. Allein die Soziallöhne und Sozialversicherungsbeiträge ohne Haftpflichtversicherung schlügen mit 46,52 % zu Buche. Bei dem Mindestlohn von 6,36 €/Stunde ergebe sich ein lohngebundener Anteil am Stundenverrechnungssatz von 9,32 €/Stunde

Sie, die Antragstellerin, genieße zudem Kalkulationsvorteile, weil sie als Großabnehmerin über günstige Bezugskonditionen verfüge und aufgrund des Betriebes einer Reinigung Synergieeffekte bei der notwendigen Reinigung etwa der Wischutensilien erzielen könne. Des Weiteren reinige sie die Objekte seit vier Jahren und habe aufgrund ihrer Erfahrungswerte knapp kalkulieren können.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Auftraggeberin zu verpflichten, die Wertung der Angebote in dem Vergabeverfahren zur Vergabe der Unterhalts-, Grund- und Glasreinigung in 22 Schulobjekten der Stadt C..., Offenes Verfahren 12/07, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

Die Auftraggeberin hat keinen Antrag gestellt.

Nachdem der Vorsitzende der Vergabekammer mit Verfügung vom 9.7.2007 die Entscheidungsfrist bis zum 20. Juli 2007 verlängert hatte, hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 13.7.2007 den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis. § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A bezweckten grundsätzlich keinen Bieterschutz. Die Vorschrift entfalte nur ausnahmsweise bieterschützende Wirkung, wenn ein Unterkostenangebot den Bieter im konkreten Einzelfall in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringe, so dass er den Auftrag nicht vertragsgerecht erfüllen könne, oder wenn es zumindest die Gefahr begründe, dass Mitbewerber vom Markt ganz - und nicht nur aus der einzelnen Auftragsvergabe - verdrängt würden. Dass ein solcher Ausnahmefall vorliege, insbesondere dass eine Marktverdrängungsabsicht auf Seiten der Beigeladenen und dass die Gefahr bestehe, dass die von den Beigeladenen angebotenen Preise diese in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen könnten, habe die Antragstellerin nicht schlüssig vorgetragen.

Gegen diesen Beschluss, ihr zugestellt am 17.7.2007, hat die Antragstellerin durch bei Gericht am 31.7.2007 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und sie gleichzeitig begründet.

Die Antragstellerin meint, die Vergabekammer habe ihr effektiven Rechtsschutz versagt und die Anforderungen an die Antragsbefugnis überspannt. Sie habe ausreichend vorgetragen, dass die Preise der ihr vorgehenden Bieter unangemessen seien. Es sei Aufgabe der Auftraggeberin, die Angemessenheit der Preise zu überprüfen. Der Bieter müsse den Anschein der Unauskömmlichkeit widerlegen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 9.8.2007 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert und die beiden Beigeladenen beigeladen. Die Antragstellerin und die Beigeladene zu 1.) haben in beschränktem Umfang Einsicht in den Vergabevermerk erhalten.

Daraufhin hat die Antragstellerin gemeint, das Angebot der Beigeladenen zu 2.) sei auszuschließen. Sie habe Erklärungen zu ihrem Vorarbeiter nicht mit dem Angebot eingereicht, sondern erst auf Aufforderung nachgereicht. Außerdem habe sie unzutreffende Angaben zu den Preisen gemacht und diese in unzulässiger Weise nachträglich korrigiert. Bei einem Lohnanteil von lediglich 67,73 % sei im übrigen davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 2.) den Mindestlohn nicht zahle. Bei einem Stundenverrechnungssatz von 11,00 € und einem Lohnkostenanteil von 67,73 % müssten die Lohnkosten der Beigeladenen zu 2.) unterhalb des Mindestlohns zzgl. der zwingenden Lohnnebenkosten von rund 20 % liegen.

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und die Auftraggeberin zu verpflichten, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu wiederholen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat hat sie diesen Antrag zurückgenommen, soweit er die Lose 2, 4, 6, 7 und 8 betrifft.

Die Auftraggeberin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Auftraggeberin hat den Beschluss der Vergabekammer für richtig gehalten, aber im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat erklärt, unter Berücksichtigung der Auffassung des Vergabesenates hinsichtlich der Lose 1, 3 und 5 erneut werten zu wollen.

Die Beigeladene zu 1.) ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Die Beigeladene zu 2.) hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die Vergabeakten Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß den §§ 116, 117 GWB zulässig, weil sie fristgerecht eingelegt und begründet worden ist.

Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil der Nachprüfungsantrag - soweit über ihn nach teilweiser Rücknahme der sofortigen Beschwerde noch zu entscheiden ist - zulässig und begründet ist.

Die Auftraggeberin war zu verpflichten, über die Vergabe der Lose 1, 3 und 5 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenates neu zu befinden.

I. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

Wie der Vergabesenat bereits in seinem Beschluss vom 9.8.2007, mit dem er die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verlängert hat, zum Ausdruck gebracht hat, teilt er die Auffassung der Vergabekammer nicht, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin schon unzulässig sei. Insbesondere ist der Nachprüfungsantrag nicht mangels der für den Nachprüfungsantrag gemäß § 107 Abs. Abs. 2 Satz 2 GWB erforderlichen Antragsbefugnis der Antragstellerin bereits unzulässig. Auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 9.8.2007 wird Bezug genommen.

II. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit es die Lose 1, 3 und 5 angeht.

1.) Hinsichtlich der Lose 2, 4, 6, 7 und 8, die die Auftraggeberin an die Beigeladene zu 1.) vergeben will, wäre die sofortige Beschwerde erfolglos geblieben.

Der Vergabesenat hat geprüft, ob das Angebot der Beigeladenen zu 1.) nicht auskömmliche Preise enthält. Gegen eine solche Annahme sprach schon der Umstand, dass die Auftraggeberin eine Kostenkalkulation vorgelegt hat, deren Beträge bei der Mehrzahl der Lose nicht nur unter den Beträgen im Angebot der Beigeladenen zu 1.), sondern unter allen Angeboten liegen. Im Übrigen konnte bei der Prüfung des Angebotes der Beigeladenen zu 1.) nicht festgestellt werden, dass die Preise - auch unter Berücksichtigung des festgelegten Mindestlohns im Gebäudereinigergewerbe - ungewöhnlich niedrig sind und dass sie in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen.

Aus diesem Grund hat die Antragstellerin auf die Hinweise des Senates in der mündlichen Verhandlung vom 9.10.2007 ihre sofortige Beschwerde zurückgenommen, soweit die Auftraggeberin den Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen zu 1.) erteilen will.

2.) Soweit es die Lose 1, 3 und 5 angeht, die nach dem Willen der Auftraggeberin die Beigeladene zu 2.) erhalten soll, hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

a.) Soweit die Antragstellerin allerdings meint, die Beigeladene zu 2.) habe ein unvollständiges Angebot eingereicht, sie sei deshalb auszuschließen, so kann dem nicht gefolgt werden.

Wie sich aus den Verdingungsunterlagen ergibt, hat die Auftraggeberin zwar die Vorlage von Eignungsnachweisen gefordert, allerdings ausdrücklich klar gemacht, dass sie sich vorbehalte, diese Nachweise ggfs. auch gemäß § 7 VOL/A nachzufordern. Wenn bei dem Angebot eines Bieters - wie bei der Beigeladenen zu 2.) - einzelne Unterlagen gefehlt haben und diese auf Verlangen der Auftraggeberin nachgereicht worden sind, kann dies nicht zum Ausschluss führen.

b.) Die Angaben der Beigeladenen zu 2.) zu den von ihr angebotenen Preisen führen jedoch dazu, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden kann.

Dabei hängt der Erfolg des Nachprüfungsantrag allerdings nicht von einer Entscheidung der in der Rechtsprechung der Vergabesenate nicht einheitlich beantworteten Frage ab, ob sich ein Bieter auf eine Verletzung von § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A berufen kann, d. h. ob er einen vergaberechtlich durchsetzbaren Anspruch darauf hat, dass der Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Preise überprüft und auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, den Zuschlag nicht erteilt.

Denn das Angebot der Beigeladenen muss aus einem anderen Grund zwingend ausgeschlossen werden. Es enthält zu den Preisen und den Lohnkosten als Preisbestandteil widersprüchliche Angaben. Dies führt zu Ausschluss gemäß den §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a), 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A.

Die Auftraggeberin hat von den Bietern verlangt, dass sie sich verpflichten, ihre für den zu vergebenden Auftrag eingesetzten Mitarbeitern mit dem seit dem 1.7.2007 geltenden Mindestlohn zu vergüten. Diese Forderung der Auftraggeberin hat kein Bieter beanstandet. Die am Nachprüfungsverfahren beteiligten Bieter - auch die Beigeladene zu 2.) - haben die von der Auftraggeberin vorgegebene Eigenerklärung abgegeben.

Nach der Neufassung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zum 1.7.2007 gelten gemäß dessen Art. 1 Satz 4 die Rechtsnormen des Tarifvertrages des Gebäudereinigerhandwerks für alle in Deutschland Beschäftigten. Dieser Tarifvertrag ist gemäß § 5 TVG mit Wirkung vom 1.4.2004 für allgemeinverbindlich erklärt worden. Er sieht sieben Lohngruppen vor. Der niedrigste Stundensatz beträgt in der Lohngruppe 1 (Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten) in den neuen Bundesländern 6,36 € und 7,87 € in den alten Bundesländern. Die Glasreinigung fällt in die Lohngruppen 5 und 6 (Hilfsarbeiten in der Glas- und Außenreinigung - Reinigungsarbeiten in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung). In B... beträgt hierfür der Mindestlohn 7,63 €/Stunde bzw. 8,06 €/Stunde.

Die Lohnkosten für jede Mitarbeiterstunde sind höher als der Mindestlohn. Es treten noch lohngebundene Kosten hinzu, mit denen jeder Bieter kalkulieren muss. Hierzu zählen insbesondere die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge beträgt gerichtsbekannt etwas mehr als 40 % des Bruttolohns. Diese tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nahezu paritätisch. Die Bieter, die den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, müssen deshalb zwingend zum Mindestlohn noch 20 % Lohnnebenkosten hinzurechnen, so dass die Lohnkosten nicht geringer sein können als 7,63 €/Stunde.

Die Lohnkosten der Beigeladenen zu 2.) liegen bei der die wesentliche Vertragsleistung ausmachenden Unterhaltsreinigung nach den von ihr angegebenen Erklärungen darunter.

Die Bieter hatten ihre Angebote so abzugeben, dass sich ihre Stundenverrechnungssätze und ihre Lohnkosten bei der Unterhaltsreinigung durch die nachfolgend dargestellten Rechenoperationen ermitteln lassen. Es müssen die vom Bieter geforderte Vergütungen für die Unterhaltsreinigung für Schule und Turnhalle pro Tag zusammengerechnet und durch die vom Auftraggeber vorgegebene Mindeststundenzahl bzw. durch die vom Bieter angegebene Stundenzahl geteilt werden. Daraus ergibt sich der Stundenverrechnungssatz. Die darin enthaltenen Lohnkosten ergeben sich aus den prozentualen Angaben der Bieter zum Anteil von Löhnen und lohngebundenen Kosten am Nettopreis.

Führt man diese Rechenoperation bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2.) durch, ergibt sich, dass der von ihr angegebene Anteil von 67,73 % der Löhne und lohngebundenen Kosten am von ihr geforderten Nettopreis unter dem Betrag liegt, der sich bei Zahlung des Mindestlohns zzgl. zwingender Lohnnebenkosten zu bezahlen ist. Der in ihrem ursprünglichen Angebot angegebene Prozentsatz von Lohn und lohngebundenen Kosten am geforderten Nettopreis in Höhe von 34 % hätte nicht einmal gereicht, den Mindestlohn ohne Lohnnebenkosten zu zahlen.

Das Angebot der Beigeladenen zu 2.) ist damit in sich widersprüchlich. Ihre Erklärung, sie vergüte ihre Mitarbeiter mit dem gesetzlichen Mindestlohn, steht in Widerspruch zu dem von ihr angegebenen Lohnkostenanteil an der geforderten Vergütung. Die Auftraggeberin, die dies offenbar bemerkt hat, hat eine Aufklärung durchgeführt. Es kann offen bleiben, ob eine solche Aufklärung zulässig war. Jedenfalls hat die Aufklärung nicht dazu geführt, dass der Widerspruch im Angebot der Beigeladenen zu 2.) beseitigt worden wäre. Enthält ein Angebot eine bestimmte - Mitarbeiterstundenzahl und kalkuliert der Bieter den dafür unabdingbar notwendigen Aufwand nicht mit ein, stellt dies ist einen derart gravierender Mangel im Angebot der Beigeladenen zu 2.) dar, dass es ausgeschlossen werden muss und für einen Zuschlag nicht in Betracht kommt (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.2.2007 VII-Verg 3/07).

III. Bei der Entscheidung über die Verteilung der vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat entstandenen Kosten war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag teilweise Erfolg hat, soweit es die von ihr beanstandete Vergabe der Lose 1, 3 und 5 angeht.

In dem Verfahren vor der Vergabekammer waren nur sie und die Auftraggeberin beteiligt. Deshalb sind die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer gemäß § 128 Abs. 3 GWB nach dem anteiligen Wert der Lose, hinsichtlich derer der Nachprüfungsantrag Erfolg hatte, und demjenigen der Lose, hinsichtlich derer der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte, aufzuteilen. Im selben Umfang hat auch eine Kostenerstattung von Seiten der Auftraggeberin an die Antragstellerin zu erfolgen, § 128 Abs. 4 GWB.

Entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ist außerdem zu bestimmen, dass die Hinzuziehung der von der Antragstellerin mit der Vertretung im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer betrauten Rechtsanwälte notwendig war. Die Frage, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war oder nicht, ist eine Einzelfallentscheidung. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob der Beteiligte im Einzelfall aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen selbst in der Lage gewesen wäre, mögliche Vergaberechtsverstöße zu erkennen, daraus die für eine Rechtsverfolgung notwendigen Schlüsse zu ziehen und danach das Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen. Im Streitfall war es der Antragstellerin zwar möglich, den Sachverhalt zu erfassen und zu formulieren, dass die Erteilung des Zuschlages an die Beigeladenen ihrer Auffassung nach ein Zuschlag auf ein "Dumping-Angebot" darstellen würde. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers der Antragstellerin, das er nach Abschluss des Verfahrens vor der Vergabekammer an den Wirtschaftsminister des Landes B... gerichtet hat. Damit allein war es im vorliegenden Fall jedoch nicht getan. Denn die Frage, ob sich ein Bieter in einem Nachprüfungsverfahren überhaupt auf die entsprechende Vorschrift in der Verdingungsordnung berufen kann, war und ist umstritten. Es war deshalb erforderlich, anhand der teilweise divergierenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu ermitteln, welcher Sachvortrag notwendig war, um die Zulässigkeitshürde vor der Vergabekammer zu nehmen. Was dabei vorzutragen war, erschloss sich erst aus einer Recherche der bis heute in Bewegung befindlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Frage des bieterschützenden Charakters der in den Verdingungsordnungen vorgesehenen Option des Auftraggebers, nicht auskömmliche Angebote von der Vergabe auszuschließen. Wenn es tatsächlich auf diese Frage angekommen wäre, wie die Antragstellerin dies bei Einleitung des Verfahrens vor der Vergabekammer annehmen musste, erschien es möglich, dass die Sache im Wege der Divergenzvorlage dem Bundesgerichtshof zugänglich gemacht werden musste. Aus diesem Grunde und weil offensichtlich die Antragstellerin nicht auf eigenes Personal zugreifen konnte, um das Verfahren vor der Vergabekammer durchzuführen, bejaht der Senat die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 26.9.2006, X ZB 14/06, VergabeR 2007, 59, zitiert nach Juris).

Die Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Dabei hat die Antragstellerin die Kosten der Beigeladenen zu 1.) in vollem Umfang zu tragen und kann von ihr keine Kostenerstattung verlangen, weil sie die sofortige Beschwerde hinsichtlich der Lose zurückgenommen hat, die die Auftraggeberin der Beigeladenen zu 1.) zuschlagen will.

Ende der Entscheidung

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